Jüdisches Gedenken in Berlin

  • Jüdisches Gedenken in Berlin

    In der Großen Hamburger Straße, unweit des Hackeschen Markts, ist die Umgestaltung des ehem. Jüdischen Begräbnisplatzes samt Ort des ehem. jüd. Waisenhauses so gut wie abgeschlossen. Es steht zwar noch ein Drahtgitter-Bauzaun davor, aber es sieht alles fertig aus (soweit ich das beurteilen kann).


    Ob diese Pflasterstein-Streifen und Gras/Kies-Felder irgendetwas symbolisieren sollen, weiß ich allerdings nicht. Die Fundamente des ehem. Waisenhauses wurden offensichtlich nicht angedeutet. Und der ehem. Friedhofsbereich hinter dem schwarzen Zaun wird wohl abends geschlossen.


    Etwas transparenter und gepflegter ist es allemal geworden:



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  • Oh ja, sehr viel besser als die versiffte Rasenfläche. Dieses Muster auf dem Boden sieht nach einem Grundriss aus. Man erkennt die Zimmerwände und dPlatz der Türen. Ob der Wechsel zw. Gras und Pflaster etwas bedeuten soll, kann man vielelicht eher von oben erkennen.

  • Ich persönlich würde sehr darauf tippen, dass es sich bei den Steinmustern um Zimmergrundrisse handelt, da alles andere bei solchen Gegebenheiten (Früherer Standort eines markanten Gebäudes, Gedenkstätte für die Juden, Landschaftsgestaltung im Sinne des Erinnerns, Anordnung des Steinmusters) keinen Sinn ergeben würde.

  • Heute habe ich es mal geschafft, auf den ehem. Friedhof zu kommen - die Öffnungszeiten sind ja recht knapp gehalten.


    Alles ist aufgeräumter und übersichtlicher als früher. Der Teil zur jüd. Knabenschule ist jetzt nur noch durch eine Drahtgitterzaun getrennt und wirkt "optisch" jetzt dazugehörend. Die Flächen sind mit Efeu bepflanzt und das Moses-Mendelsohn-Grab wurde etwas herausgeputzt. Neue Bänke und ein Weg (als Sackgasse angelegt) vervollständigen das Bild:


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  • Ach, dass die Mauer zum Schulhof weg ist, ist mir ja noch gar nicht aufgefallen. Wirkt auf jeden Fall offener. Leider ist der Hügel totes Gelände. Weil er noch zum Friedhof gehört, wurde er vor...10 Jahren (?) vom Schulhof abgetrennt und dieser so auf mind. die halbe Größe reduziert. Und in den Park wurde er auch nicht wieder integriert, was wohl sicherheitliche Gründe haben wird.
    Schade, dass es keinen jüd. Friedhof wie in Prag gibt, wo man schon nicht mehr weiß, wohin mit den Steinen. Der Park wirkt mit dem einsamen Grabstein doch ziemlich leer...Und es wär eine richtige Sehenswürdigkeit, statt nur einer kurzen Haltestelle.

  • Ben, wenn du die Geschichte dieses ehem. Jüd. Friedhofs kennst, weißt du, warum es dort kaum Grabsteine gibt.
    Und es gibt in Berlin ja die jüd. Friedhöfe Schönhauser Allee und Weißensee, die wegen ihrer Athmosphäre und den zahlreichen (teil verfallenen, teils gepflegten) Grabstätten und -steinen absolut sehenswert sind.

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  • Es dürfte wohl jedem klar sein, wieso es keine Steine dort gibt. Ich bin auf die ehem. Jüd. Kanbenschule, heute Jüd. Oberschule gegangen und durfte mir das ganze des öfteren anhören. Deswegen kenne ich mcih auch mit dem Schulhof aus ;). Aber dieser Friedhof war eben mitten in der Stadt, zwischen Häusern. Der an der Schönhauser ist zwar nicht weit weg, aber aber aufgrund seiner Größe eine andere Atmosphäre...Von dem in Weißensee mal ganz zu schweigen.

  • Sorry für die schlechte Quellle--ich werde versuchen, auch noch andere zu finden:
    Der Inhalt ist trotzdem glaubwürdig---und erschreckend.


    Durch den extremen Frost diesess Jahr ist das Holocaust-Memorial evtl "irreperabel" beschädigt worden, und muss wohl aufwändig saniert, wenn nicht neu (!!!) gebaut werden.



    http://www.bild.de/BILD/region…nicht-mehr-zu-retten.html


    Edit: Der Tagesspiegel berichtet ebenfalls darüber, etwas ausführlicher


    http://www.tagesspiegel.de/ber…st-Mahnmal;art270,3047406


    Laut TAgesspiegel ist die Situation wohl auch nicht so dramatisch, wie von Bild dargetellt, und die Zahl, das 1900 der 2300 Stelen beschädigt seien bisher spiekulativ.

  • naja, so extrem war der Frost nun auch nicht dieses Jahr. Und der viele Schnee dürfte wohl auch eher wenig Einfluss haben. Ich denke mal es zeigt sich dort Beton-übliches Materialverhalten. Rissfesten Beton gibt es nicht.

  • Wer nur lange sucht, der findet für jedes Bild ein Thema; einige Zugaben aus meiner Bildergalerie, einige Wochen alt.


    Die Neue Synagoge, Sicherheitssysteme wie am Flughafen.















    Der schiefe Grundriss, der hintere Teil fehlt heute vollkommen.



    wiki






    Der Alte Hauptsaal (heute nicht mehr vorhanden)



    wiki





    Der Repräsentantensaal im ersten Stock des Vordergebäudes









    In den restlichen Ausstellungen war leider Fotografierverbot.






    Blick zum ehemaligen Hinterhaus























  • Mit dem Wiederaufbau wurde ja bereits 1988 begonnen (eine Tafel erinnert daran). Allerhand, wenn man bedenkt, dass das staatliche Gedenken an die Judenvernichtung im Vergleich zu den ermordeten Sozialisten und Kommunisten in der DDR untergeordnet war.
    Faschisten und Altnazis sah man in der BRD. Die DDR verstand sich als das moralisch bessere Deutschland (was ganz zu Anfang durchaus intellektuelle Leute wie Brecht lockte), so dass die Verbrechen gegen die Juden gar nicht so stark thematisiert werden "mussten" wie im Westen. Interessantes dazu habe ich vor kurzem in der Gedenkstätte Buchenwald auf einer Informationstafel gelesen - Überlebende jüdische Insassen mussten lange warten und kämpfen, bis ihr Schicksal neben dem der politischen (kommunistischen) Gefangenen überhaupt zur Geltung kommen durfte, nachgeordnet versteht sich. Ähnliches war mir bereits aus Sachsenhausen bekannt.


    Ich frag mich also:
    Wer war die treibende Kraft für den Wiederaufbau1988? Welche Motive verfolgte man? Ging es nur um Stadtverschönerung ohne geschichtlichen Inhalt? War die jüdische Gemeinde Ostberlins denn in irgendeiner Art und Weise einflussreich genug, um so ein Projekt anzustoßen?

  • @ Baukunst
    Leider hab ich dazu keine Quellen parat, aber ich meine dass der Wiederaufbau der Synagoge von der DDR im Rahmen der Pflege internationaler Beziehungen begonnen wurde. Es galt ja stets die Reputation der DDR als demokratischen Staat zu festigen. Ich meine dass Gelder hierfür aus der BRD, der USA oder Israel gekommen sein könnten, jedenfalls hat der DDR-Staatshaushalt die Finanzierung nicht alleine gestemmt. Das war Teil eines Geschäfts.
    Historiker wissen dazu mehr.

  • Baukunst
    Soweit ich weiss wollte man die Synagoge erst abreißen und durch einen Erinnerungsstein ersetzen. Im Zuge des 50ten Jahrestages der Pogromnacht schwenkte man jedoch um. Eine Stiftung „Neue Synagoge Berlin-Centrum Judaicum“ wurde mit dem Ziel gegründet, die Neue Synagoge wiederaufzubauen. Zu der Zeit gab es einen amerikanischen Rabbi, der wie sich später zeigte irgendwie in Stasi-Kontakte verwickelt war. Kann gut sein, dass er auch amerikanische Geldgeber für den Wiederaufbau aquiriert hat.
    Grundlegend war aber wohl ein Umschwung der DDR-Politik immer um ihr internationales Renomeé besorgt, in den letzten Jahren ihres Bestehens. Somit flossen wohl auch staatliche Gelder. Beendet wurden die Arbeiten dann erst im wiederveinigten Berlin 1993.

  • Zum Glück hat man sich damals überhaupt noch anders besonnen, es wäre wirklich mehr als schade um dieses wunderschöne und symbolträchtige Gebäude gewesen. Das heißt eigentlich ist es ja leider nunmehr nur noch eine Teilreko, aber immer noch besser als ein kompletter Verlust und zumindest nach außen ist kein großer Unterschied zu erkennen. So wurde und wird das jüdische Leben in Berlin durch diese prachtvolle Fassade mE optisch sehr eindrucksvoll repräsentiert - selbst schon in Zeiten wo es tatsächlich sehr schwach war und noch nicht so viele Israelis (wieder) nach Berlin kamen wie aktuell.

  • ... noch nicht so viele Israelis (wieder) nach Berlin kamen wie aktuell.


    Hoppela! Es sind Juden und nicht Israelis.
    Das Eine bezeichnet den Glauben und (in der Regel) die Abstammung, das Andere die Staatsangehörigkeit.
    Merke: Juden in Deutschland sind (in der Regel) Deutsche! :)

  • Hm, ich vermute mal, inzwischen kommen mehr Israelis oder auch jüdische Amis/amer. Juden usw. nach Berlin, als deutsche Juden/jüdische Deutsche. Die "jüdische Jugend" ist meiner Erfahrung nach recht lokalpatriotisch und bleibt somit in Frankfurt oder wo auch immer. Aber egal, danke für die Erläuterung, Camondo.

  • Zum Wiederaufbau der Synagoge Oranienburger Straße kann ich etwas beitragen. Das Verhältnis zwischen den jüdischen Gemeinden und der DDR-Regierung war - ähnlich wie in der Bundesrepublik - ein Politikum ersten Ranges. Die DDR-Regierung betrachtete die jüdischen Gemeinden als einen wichtigen Bündnispartner im Kampf gegen Rechtsradikalismus und Neofaschismus und war daher in besonderer Weise um gute Beziehungen zu den jüdischen Gemeinden bemüht. Auch deshalb war das Verhältnis der Regierung zu den jüdischen Gemeinden wesentlich besser als zu den christlichen Kirchen.


    Ein Ergebnis dieser Politik war der Wiederaufbau der Synagoge Oranienburger Straße. Für dieses Projekt wurde sogar eine Spendenaktion initiiert, ich selbst habe 1987 auch Geld für den Wiederaufbau der Synagoge gespendet. Es gab aber auch noch weitere Aktivitäten. Beispielsweise gab es 1988 einen Wettbewerb für ein Denkmal für die ermordeten jüdischen Bürger Berlins auf dem Koppenplatz.


    Ein besonders brisantes Thema waren die Auseinandersetzungen um die Nordostradiale. Die Nordostradiale war ein Schnellstraßenprojekt, das vom Königstor über die Kniprodestraße, über den Jüdischen Friedhof, die Hansastraße, westlich des Dorfes Malchow bis zur Autobahn führen sollte. Diese Trasse sollte einerseits die Greifswalder Straße entlasten, andererseits sollte sie neue Wohngebiete im Raum Blankenburg / Malchow / Karow mit 55.000 Wohnungen erschließen. Diese Nordostradiale war so etwas wie das Lieblingskind der Ostberliner Verkehrsplaner. Allerdings konnte solch ein brisantes Projekt nicht ohne die Zustimmung der Staats- und Parteiführung beschlossen werden, und der Staatschef Erich Honecker sagte regelmäßig "Nein". Die Verkehrsplaner unternahmen zahlreiche Versuche, um die Nordostradiale doch noch durchzusetzen, sie verhandelten mit der jüdischen Gemeinde (die nicht prinzipiell gegen die Straße war), entwickelten Tunnelvarianten, sie wiesen Erich Honecker darauf hin, dass die Nordostradiale auch seinen täglichen Arbeitsweg von seinem Wohnhaus in Wandlitz zum ZK-Gebäude erheblich verkürzen würde. Es nutzte alles nichts, Honecker blieb bei seinem Nein, und 1986 übergab er sogar einen Geländestreifen auf dem Friedhof, den die Stadt Berlin schon in den zwanziger Jahren für ein Straßenbauprojekt erworben hatte, an die Jüdische Gemeinde. Dadurch wurde die Debatte über die Nordostradiale endgültig beendet.

  • Das Verhältnis zwischen den jüdischen Gemeinden und der DDR-Regierung war - ähnlich wie in der Bundesrepublik - ein Politikum ersten Ranges.


    Aber wohl kaum öffentlich thematisiert, sprich: Neonazis gab es offiziell nicht in dem Maße. Man kam auch nicht umhin die BRD dafür verantwortlich zu machen, dass sich diese organisieren konnten.

  • Ein besonders brisantes Thema waren die Auseinandersetzungen um die Nordostradiale. Die Nordostradiale war ein Schnellstraßenprojekt, das vom Königstor über die Kniprodestraße, über den Jüdischen Friedhof, die Hansastraße, westlich des Dorfes Malchow bis zur Autobahn führen sollte.


    Diese Verbindung war weitestgehend identisch mit der Ostachse von Albert Speer. Soviel zur Kontinuität...