Neubebauung am Schinkelplatz/Werderscher Markt

  • Dann bin ich wohl der erste, der dir begegnet, der Schultes' Kanzleramt sehr viel abgewinnen kann, der es für einen wundervollen Bau hält, von außen wie von innen, ein Staatsgebäude von großzügigem, repräsentativem Gestus und doch offen und lichtdurchflutet und auch von sorgfältigster Durchbildung in allen Details. Ebenso schätze ich sein Berliner Krematorium als ein herausragendes Zeugnis des von ihm vertretenen "romantischen Rationalismus", und die gleiche konsequente Durchgestaltung und elegante Ausstrahlung erwarte ich von seinen Bauten am Schinkelplatz. Geschmacksurteile können eben sehr gegensätzlich ausfallen, aber es hat sicher seinen nachvollziehbaren Grund, dass Schultes einst sowohl mit seinem "Band des Bundes" als auch mit seinem Kanzleramt aus den spektakulären Wettbewerben der neunziger Jahre als eindeutiger Sieger hervorging.

  • Nein Persius, du bist ganz bestimmt nicht der erste und schon gar nicht der einzige. Der Ehrenhof des Kanzleramtes hat etwas wunderbar leichtes, schwungvolles. Für mich ist das einer der besten Nachwendebauten überhaupt. ich kann die Kritik daran überhaupt nicht nachvollziehen. Und ein Fiasko sieht ganz bestimmt anders aus....

  • Ich sehe das ganz genauso wie Persius und DerBe, ich könnte es nicht besser beschreiben.
    Heute kann man erst erkennen was für ein Glücksfall dieser Bau darstellt.
    Ein solches Gebäude wäre heute nicht mehr durchsetzbar, abgesehen von den Kosten, würde Kubatur und Ausstrahlung - nämlich ziemlich deutlich gezeigte Macht und Dominanz - was wohl auch in der Absicht des Architekten lag und das Wohlgefallen des Herrn Kohl hervorrief - heute abgelehnt.
    Das Innenministerium zum Beispiel ist der zeitgemäße totale Gegenentwurf dazu. Unauffällige Architektur, eingefügt in eine Randlage und, und trotz seiner Größe nahezu unsichtbar.

    Der konsequent moderne Entwurf zeigt dagegen seine Qualität außerdem dadurch, dass er auch 20 Jahre nach seiner Planung noch innovativ und besonders wirkt, jedenfalls auf mich, und wird dies auch in Zukunft.

  • Das mag, Theseus, eine sehr treffende Beobachtung sein, und zugleich hat sie etwas Verstörendes. Warum muss sich heutzutage die "Demokratie als Bauherr" in Deutschland so sehr zurücknehmen? In welcher anderen westlichen Demokratie würde der Neubau eines Innenministeriums so sehr in die Unsichtbarkeit abgedrängt, als Füllbau für eine zufällig vorhandene Restfläche! Warum beargwöhnt man hierzulande repräsentative Architektur für Staatszwecke, die auf Identifizierung des Bürgers mit seiner Hauptstadt und ihrem Regierungszentrum abzielen (ich denke da beispielsweise an das neue Finanzministerium in Paris oder die imposanten Hochbauten im Zentrum von Den Haag)? Welche ernstzunehmende Erkenntnis könnte sich hinter dieser emotionalen Abwehr gegen selbstbewusste staatliche Repräsentanz verbergen? Ich wüsste keine. So gesehen ist das Berliner Kanzleramt ein Glücksfall der deutschen Demokratie, der nicht wenig dazu leistet, dass dieser Berliner Republik weltweit Achtung entgegengebracht wird.

  • Mir als Patzschke-Taliban geht es auch so. :) Sehr guter Bau. Einzig die Sache mit dem Moos scheint nicht so toll. Entweder die Fassade sollte richtig gut sein, oder man macht bewußt auf ironische Brechung durch Moosbewuchs oder dergleichen. Ein bißchen stören mich auch die Mini-Schornsteine und -Aufbauten auf dem Dach. Die sind zwar dezent, aber nehmen dem Bau etwas an Ausstrahlung, wenn man genau hinsieht.


    Heute würde solch ein Bau aber weniger wegen einer angeblichen Verschlechterung des Nationalbewußtseins nicht gebaut, sondern wegen der aktuellen Großwetterlage hinsichtlich Eurokrise.


    Zum Innenministerium muß man allerdings sagen, daß wir ja bereits das Band des Bundes als dominante Struktur haben. Es steht übrigens auf dem gleichen Grundstück wie das alte Ministerium anno dazumals, wie man auf alten Plänen sehen kann. Der Bau muß nicht schlecht sein. Man hätte vielleicht mit der gleichen Grundrichtung trotzdem mehr Identität und Imposanz schaffen können. Lächerlich ist ja, daß es zu klein ist für vielleicht ein paar Dutzend Leute, die in Bonn bleiben müssen. Wer plant so weltfremd, als ob Bonn irgendeinen dauerhaften Anspruch auf Ministerien oder Regierungsstadtstatus hätte? Da bin ich immer fassungslos, weil man ja nun in Berlin die Chance hat, wirklich maßgeschneiderte Ministerien zu bauen. Da muß man langfristig denken.


    Und nun wieder zum Schinkelplatz. :)


    Finde die Bebauung insgesamt okay. Die Mischung macht's. Minuspunkt ist die moderne Omnipräsenz. Mir immer wieder schleierhaft, wie man so etwas machen kann. Bereits ein historisierender Bau in der Strecke würde den Platz und die Restbauten mit der Stadt und der Vergangenheit versöhnen, würde also auch den modernen Bauten zugute kommen. Da fehlt der Lüschern jegliche Sensibilität. Ich bin mal gespannt, wie ihr Wirken in 20 Jahren beurteilt wird - oder schon in 10. :) .


    Auch wenn ich mich wiederhole. Es ist mir immer wieder ein Rätsel, wie man so autistisch auf moderne Architektur setzen kann, wie das offenbar die Lüschern tut. Sie schafft damit geradezu selbst die Akzeptanzprobleme, wenn sie dermaßen brachial zu Werke geht.


    Genaugenommen ist diese Art von Städtebau auch völlig unmodern bzw. unzeitgemäß, weil wir nun einmal auch die Historie wiederentdeckt haben und heute zu schätzen wissen. Es ist eher spießig und kleinbürgerlich :) , so radikal modern zu bauen.


    Finde ich ja auch lustig angesichts des ubiquitären Vorwurfs, wir Traditionsfundamentalisten wollten überall nur Rekonstruktionen und Historisierungen. Diesen Talibanismus bzw. diese Verkrampftheit finde ich nur bei Frau Lüscher. Sie ist fast schon eine tragische Gestalt, wenn man bedenkt, wie sie sich und ihrer modernen Ästhetik selbst ein Bein stellt.

  • Was Wohn- und Geschäftshäuser angeht bin ich eher Historist, was aber nicht heißt, dass interessant gegliederte, detailreiche moderne Gebäude nicht meine Zustimmung finden.
    Das Kanzleramt ist so ein Bau.
    Ich habe die Formfindung von Schultes in der Abstimmung mit Helmut Kohl mit großem Interesse verfolgt.
    Der Nachfolger im Amt Gerhard Schröder hat das alles nicht interessiert und wir können froh sein, dass die äußere Gestaltung bereits festgelegt war, als er Kanzler wurde. :o


    Übrigens finde ich die Rückseite, diesen "Kanzlergarten", noch interessanter als die Vorderseite.
    Locker, flockig, innovativ - SO geht moderne Architektur. :daumen:


    Und warum ist soetwas gegenüber dem Schloss nicht möglich?
    Jetzt komme mir keiner mit Ensembleschutz: Entweder man paßt sich dem Barock an (so ein bißchen Barockverschnitt/Eklektizismus muß nicht teuer sein) oder man baut etwas RICHTIG Modernes, das einen würdigen Kontrapunkt darstellt.
    Oder man läßt es.
    Das, was jetzt gerade entsteht, wäre besser unterblieben! :cool:

  • Nun ja, ich mag das Kanzleamt eigentlich auch ganz gern; vor allem innen hat es große Qualitäten. Ein paar Vorbehalte hätte ich aber schon:


    1. Die Fassade altert nicht gut, setzt keine Patina an, sondern verrottet. Deshalb muss sie regelmäßig kostspielig renoviert werden, damit sie nicht heruntergekommen wirkt. Verstehe nicht, wieso Architekten solche Probleme nicht auf dem Schirm haben.


    2. Die städtebauliche Einbindung ist nicht gelungen – zum einen, weil das Bürgerforum fehlt und der Abschluss nach Norden deshalb wirkt, als wären die Büroflügel nicht fertiggebaut worden. Zum anderen ist das Konzept "Band des Bundes" m.E. ein Rohrkrepierer: Was aus der Vogelschau und auf dem Reißbrett vielleicht wie eine symbolische Verbindung von Ost und West wirkt, ist aus der Alltagsperspektive eine Barriere zwischen Nord und Süd (wenn auch mit Loch in der Mitte).


    3. Das Ding ist mir zu groß. Die Zurschaustellung von "Macht und Dominanz" (Theseus), die einige hier feiern, gefällt mir nicht. Ich bin skeptisch gegenüber jeder Form von Herrschaft und halte ihr gegenüber nicht Identifikation für angebracht, sondern kritische Distanz. Wenn sich Herrschaft mit großer Geste in Szene setzt, dann reagiere ich mit Abwehr. Das gilt teilweise für das Kanzleramt, mehr noch aber für das BND-Hauptquartier. Wie man angesichts dieses Monstrums zu dem Schluss kommen kann, der Staat als Bauherr "nehme sich zurück" (Persius), ist mir schleierhaft.


    @ ReinhardR: Na, da wäre ich ja mal auf die Reaktion der Traditionalisten-Fraktion gespannt gewesen, wenn jemand am Schinkelplatz tatsächlich Sichtbeton mit postmodern dekonstruierter Fassade hätte bauen wollen. Untergang des Abendlandes, hätte es getönt! Ich bin ganz zufrieden mit dem, was dort gebaut wird – der Stadtgrundriss der Vorkriegszeit wird wieder hergestellt, die Traufhöhe orientiert sich an der Umgebung und die Gebäude sind zurückhaltend-gefällig gestaltet.
    Sicher hätte man sich bessere Entwürfe vorstellen können, aber der von Dir vorgeschlagene Billig-Eklektizismus wäre mir ein Graus gewesen... :nono2:

  • Nun ja, ich mag das Kanzleamt eigentlich auch ganz gern; vor allem innen hat es große Qualitäten. Ein paar Vorbehalte hätte ich aber schon:


    1. Die Fassade altert nicht gut, setzt keine Patina an, sondern verrottet. Deshalb muss sie regelmäßig kostspielig renoviert werden, damit sie nicht heruntergekommen wirkt. Verstehe nicht, wieso Architekten solche Probleme nicht auf dem Schirm haben.


    .
    :nono2:


    Na ja, ich finde das jetzt nicht soo schlimm. Von mir aus müsste man die Fassade nicht regelmäßig reinigen. Schaue Sie sich mal bitte die Upper East Side Gebäude bzw. deren Fassaden an. Wenn mich nicht alles täuscht, dann wurde dort teilweise Travertin oder Muschelkalk verbaut. Und der ist dermaßen bemost und versifft, dass so manche auf die Idee kommen könnten, es handelt sich hierbei um Patina..;-)

  • ... und die Gebäude sind zurückhaltend-gefällig gestaltet.


    Zurückhaltend wird meistens als schönere Umschreibung für simpel verwendet - in der Altstadt (wenn man nicht gerade rekonstruiert) kann sich ein Gebäude gerne mit geeigneter Fassadenornamentik in Szene setzen. Da Beispiele rar sind, ein nicht aus einer Altstadt - etwa so eine Schneckenuhr würde das Gebäude einmalig und wiedererkennbar machen. Vergleichbares Beispiel aus der Pariser Altstadt - Quartier de l'Horloge, die Bauten selbst waren 1979 eine erfrischende Abkehr von den damaligen Moderne-Großsiedlungen, heute wünscht man sich weit mehr Abkehr - doch die Skulptur mit der Uhr bleibt zurecht weltberühmt. Etwas ähnlich einmaliges fehlt mir in den bisherigen Werderscher-Markt-Entwürfen - Nutzfläche unauffällig zu stapeln ist für ein Stadtzentrum zuwenig.


    BTW: Ich war zuletzt vor fast einem Jahr in Berlin - das hier umfassendst besprochene Kanzleramt steht weit weg vom Werderschen Markt?

  • ... aber der von Dir vorgeschlagene Billig-Eklektizismus wäre mir ein Graus gewesen...


    Oh - ich habe nicht "Billig-Eklektizismus" das Wort geredet sondern gesagt, dass eine eklektizistische Fassade nicht teuer sein muß.
    Zum Beispiel ist das Kronprinzenpalais Eklektizismus pur.
    Von der DDR-Regieung als Gästehaus zu 100 % wieder aufgebaut.
    Geht doch!


    Übrigens werden die Kosten für eine anspruchvolle Außenhülle gemeinhin überschätzt:
    Heutzutage ist die Gebäudetechnik mit Elektrik, Installation, Aufzug und Klimatisierung so aufwendig, dass bei den Gesamtkosten eine anspruchsvoll gestaltete Fassade eher im einstelligen als im zweistelligen Prozentbereich liegt.
    Als noch das Klo auf der Zwischentreppe lag und man das Wasser an der Pumpe auf der Straße holte war der Kostenanteil für eine hübsche Fassade höher... :D

  • ... genau. Und vergiss nicht die Kosten für die Zwangsentlüftung, die bei den dichten Styroporfassaden immer häufiger notwendig wird, im übrigen mitunter auch wegen aus Lärmschutzgründen notwendigen Festverglasungen.


    So wird z. B. am gesamten Molkenmarkt nach aktuellem Baurecht entweder nur Gewerbe oder Wohnen mit Festverglasung möglich sein; eine Entwicklung zu einem nutzungsgemischten, innerstädtischen Wohnquartier folglich ausgeschlossen.


    Zusätzlich ist es immer die Frage, auf wieviel jahre man eine Immobilie rechnet. Bei Styroporfassaden gehen die Fachleute nach etwa 20 Jahren von einer "grundhaften Instandsetzung" der Fassade aus, also vom Abnehmen des durch Kleber zum Sondermüll gewordenen Styropors, dessen Entsorgung und vollständige Erneuerung der Fassade. Eine schlichte Stuckfassade braucht nach 30-40 mal einen neuen Anstrich. Hinterlüftete Klinkerfassaden nicht einmal das. Wenn man natürlich als Bauträger nur die 5 Jahre Gewährleitungszeit rechnet ist natürlich das Teuerste das Billgste...

  • Das Problem sind ja nicht mal Kosten - es ist das Dogma der EnEV, dass letztlich jedes halbwegs intelligente Bauen scheitern lässt.

  • Ich verstehe nicht ganz, warum hier meine Freude über zurückhaltende Häuser mit einer Zustimmung zur Styroporisierung in eins geworfen wird – Styroporisierung finde ich schrecklich. Aber kann es sein, dass hier einiges durcheinander geht? Die Alternative ist doch nicht Pseudo-Altbau vs. Styropor-Monster! Selbstverständlich kann man hochwertige Klinker- oder Natursteinfassaden zurückhaltend gestalten, wo soll denn da das Problem sein? Und auch Beton kann ein interessantes Fassadenmaterial abgeben, wenn er richtig eingesetzt wird.


    DerBe: Natürlich altert auch Muschelkalk, aber er altert schöner. Das war genau das, was ich meinte.


    @ ReinhardR: Das Kronprinzenpalais ist ein spätklassizistischer (nicht: eklektizististischer) Bestandteil des Forum Fridericianum. Ich finde die Entscheidung richtig, es wieder aufzubauen, um das Forum wieder herzustellen (wie ich auch die Schlossreko als Abschluss der Linden und teil des Lustgartens in Ordnung finde). Als Beispiel, warum Patzschke am Schinkelplatz besser wäre als moderne Fassaden, taugt es m.E. aber nicht.


    @ KaBa1: Der Artikel im Tagesspiegel überzeugt mich nicht. Die Schäden sind natürlich ein Riesenproblem, die Einfassung tut der Kirche aber gut. Es ist hier schon mehrfach angesprochen worden, dass Freistellung die Wirkung eines historischen Gebäudes nicht unbedingt verstärkt – dass es vielmehr sogar besser wirken kann, wenn es Teil eines städtebaulichen Ensembles ist. Genau das könnte hier der Fall sein (womit ich hier ganz traditionalistisch argumentiere; das wollte ich nur mal anmerken...;))

  • Für mich ist das einer der besten Nachwendebauten überhaupt. ich kann die Kritik daran überhaupt nicht nachvollziehen. Und ein Fiasko sieht ganz bestimmt anders aus....


    Fiasko ist sicherlich übetrieben, trotzdem kann ich mich mit diesem Gebäude ganz und gar nicht identifizieren.


    Klar, die Idee war und es ist ja auch gerechtfertigt, die züruckhaltung der Bonner Staatsarchitektur welche ein Pseudodemokratisches und Werterechtes Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg darstellte nach Berlin in Transoformierter Form zu übersetzen.
    Und glücklicherweise hat man sich nicht dazu entschieden, die geheuchelte Übertransparenz eines Kanzlerbungalows oder des Bonner Glaspavillions, das währe wohl eher das Kriterium für ein "Fiasko" gewesen.
    Das Problem bildet sich eher aus einer Urbanen Lage, welche sich nicht auf der "Grünen Wiese" wie z.b. in Chandigahr oder Brasilia abspielt. Deswegen ist es recht schwer nachzuvollziehen warum das Hauptgebäude des Band des Bundes, wie ein unbedeutendes Nebenministerium aus Brasilia aussieht, klar zur Zeit seiner Erbauung war es eine Modische Gestaltungform für Firmenzentralen. Aber vll. ist es genau das was einem schwer fällt, der Staat als Dienstleister im Wettbewerb. Eine Firma von vielen, welche eine Firmenzentrale von vielen mit einem Internationalen Geltungsgestus erbaut.
    Hinzu addiert sich dieses unterschwellig kitischg Bauingenieureske, vom Deutschen als fähigen Technophilen wasauchimmer. Erbauen szatt zu zerstören oder so.
    Das setzt sich dann bis ins Kanzleramt fort, welche mit seinem Indo-Islamischen Stylismus, welche sehr im Sinne eines Louis Kahn und Charles Correa gestaltet ist, aber in der Steppe um Neu-Dehli besser passen würde. (Oder auch nicht das es bereits bessere Beispiele einer Ethnozentrischen Indischen Architektur gibt die ich sehr bewundere)
    Also was hat das Band des Bundes mit Deutschland zu tun?
    Es geht meiner Meinung nach weder auf die Entwicklung des Landes ein, wenn dann nur aus einer Klischeehaften, unpatenziösen Art und Weise, die ehrlich gesagt auch wenn dann nur einen Westdeutschen Fokus hätte. Es geht doch nicht nur um die Attribute Transparenz und Macht, es geht schlichtweg um ein Stück Geschichte.



    Dasselbe bei dem Friedrich Werderschen Kircheplatz, was hat diese Bebauung mit jener zu tun? Was mit Schinkels Romantizistischer Landschaften, welche ja durch die vorherige Situation eher seiner Intention entsprachen. Und im Einzelnen was hat die gedachte Architektur mit der Sensiblen umgebung zu tun.
    Schaut euch das Galeriegebäude von Chipperfield, unweit von dem Baugelände, das IST Verortung, nicht anbiedern, nicht auskapseln, eine Synthetische Beziehung zu den "Schichten der Geschichte" die in der Umgebung abgelagert sind. Chipperfield ging sogar soweie eine Fremde Schicht aus "Geschichte" einzufügen durch das Benutzen von Abrissteinen aus Leipzig für die Fassade.
    Warum kann man so etwas in Berlin nicht?
    Ich meine nicht das man hier einen Kohlhoff gebraucht hätte (der hätte es wohl lapidar übetrieben) aber einen Max Dudler oder Chipperfield, der die Spannung (als Problem) löst ohne sie gänzlich aufzulösen.

  • Heute im Tagesspiegel ein kritischer Artikel zur Bebauung rund um die Friedrichwerdersche Kirche..Tenor: Von drei Seiten rücken hohe Neubauten extrem dicht an die Kirche heran.


    Kritisch ist wohl das falsche Wort! Den dazu gehört m.E. auch das Wissen über die ursprüngliche, historische Bebauung rund um die Kirche.
    In einem älteren Beitrag im Forum wurde folgendes Foto gepostet, welches die Bebauung vor der Zerstörung im und nach dem 2. WK zeigt.
    http://3.bp.blogspot.com/-MJXA…rderscher_markt_2_ska.jpg
    Hier ist zu erkennen, dass die kritisierten Neubauten östlich der Kirche exakt den historischen städtebaulichen Grundriss rekonstruieren. Die historische Bebauung westlich der Kirche war sogar unmittelbar anschließend! Immer wieder wird u.a. hier im Forum gefordert, den historischen Stadtgrundriss zu rekonstruieren! Jetzt wird dies im Bereich des Schinkelplatzes tatsächlich umgesetzt, und schon wird auch dies kritisiert! Lt. Tagesspiegel bleibt die Wiedergewinnung historischer Stadträume in Berlin ein frommer Wunsch, auf der anderen Seite kritisiert man, dass die Friedrichwerdersche Kirche endgültig aus dem Stadtbild verdrängt wird und das man nie wieder wird den überwältigenden Raumeindruck der vom Abendlicht durchglühten Westfenster erleben könne. Bei Betrachtung des o.a. historischen Fotos ist der ach so kritische Bericht im Tagesspiegel unsinnig und ungewollt komisch! Bersonders die Anmerkung, dass man die vom Abendlicht durchglühten Westfenster durch die bösen Neubauten nicht mehr erleben könne, zeugt von Unwissenheit. 1.: Die Neubauten des Schinkelplatzes entstehen an der Ostseite; 2.: Die historischen Stadtgrundrisse werden rekonstruiert!


    P.S.: Und zählen kann der Verfasser Herr Demandt wohl auch nicht so richtig (oder hat er keine Ahnung wie es hier einmal aussah?). Er beklagt u.a., dass die Kirche ursprünglich von zwei- bis dreigeschossigen Bürgerhäusern umbaut war und sie nun durch die Neubauten endgültig aus dem Stadtbild verdrängt wird. Tatsächlich waren die historischen Gebäude vor dem 2. WK viergeschossig (s. Foto)! Hierzu noch ein weiteres Foto mit dem Modell der historischen Bebauung eines älteren Kommentares. https://model2.de/light/11415/p1100607_2mpfv.jpg

    2 Mal editiert, zuletzt von D.T.68 ()

  • Es ist wie bei anderen Projekten: die Gegner in Berlin geben nie auf sondern nutzen jede Gelegenheit soch als Ich-habe-es-ja-besser-gewußt darzustellen.


    Städtebaulich ist die Bebauung natürlichlich goldrichtig, und daran ändern die Schlechtleitung einer Gründungsfirme genausowenig wie wegen eines Salmonellenfalls nicht Majonnaise verboten wird. Die Architektur ist natürlich immer diskussionswürdig.

  • Das Kronprinzenpalais ist ein spätklassizistischer (nicht: eklektizististischer) Bestandteil des Forum Fridericianum.


    Wir müssen uns hier nicht über die Einordnung des Stils streiten. ;)
    Tatsache ist, dass das Kronprinzenpalais - wie auch die Stadtkommandantur und das Prinzessinnenpalais - ursprünglich schlichte Barockbauten mit Walmdach waren.
    Nach 1850 wurden die Kommandantur und das Kronprinzenpalais aufgestockt und die Fassaden dem Zeitgeschmack entsprechend aufgepeppt.
    Dass da improvisiert wurde erkennt man an den kleinen Fenstern des Mezzanin-Geschosses unterhalb des Frieses am östlichen Flügel.
    Beim Hauptgebäude wurden die Öffnungen durch den breiten Fries verdeckt.


    Ich kenne noch das mit Grundwasser gefüllte Loch, das nach der Trümmerbeseitigung an der Stelle des Palais war und freue mich noch heute über den Wiederaufbau. :daumen:

    Einmal editiert, zuletzt von ReinhardR ()

  • Das mag, Theseus, eine sehr treffende Beobachtung sein, und zugleich hat sie etwas Verstörendes. Warum muss sich heutzutage die "Demokratie als Bauherr" in Deutschland so sehr zurücknehmen? In welcher anderen westlichen Demokratie würde der Neubau eines Innenministeriums so sehr in die Unsichtbarkeit abgedrängt, als Füllbau für eine zufällig vorhandene Restfläche! Warum beargwöhnt man hierzulande repräsentative Architektur für Staatszwecke, die auf Identifizierung des Bürgers mit seiner Hauptstadt und ihrem Regierungszentrum abzielen (ich denke da beispielsweise an das neue Finanzministerium in Paris oder die imposanten Hochbauten im Zentrum von Den Haag)? Welche ernstzunehmende Erkenntnis könnte sich hinter dieser emotionalen Abwehr gegen selbstbewusste staatliche Repräsentanz verbergen? Ich wüsste keine. So gesehen ist das Berliner Kanzleramt ein Glücksfall der deutschen Demokratie, der nicht wenig dazu leistet, dass dieser Berliner Republik weltweit Achtung entgegengebracht wird.


    So ein Schwachsinn. Weder ist das Kanzleramt ein gelungener Bau («Waschmaschine» ist noch eine der netteren Bezeichnung) noch wird euer Demokratie «weltweit Achtung entgegengebracht». Die Selbsteinschätzung der Deutschen leidet unglücklicherweise an galoppierendem Realitätsverlust.


    Und die Neubebauung am Schinkelplatz ist doch arg «reduziert». Ein bisschen mehr französische Grandezza hätte hier gut getan.

  • ^Also es geht entweder italienische Grandezza, oder französische Elegance, französische Grandezza hingegen geht nicht weil gibts nicht. Der Bau sollte zurückgenommen sein da er zwischen Friedrichswerderscher Kirche und aufzubauender Bauakademie eine vermittelnde Funktion hat. Es ist also schon ganz okay was da jetzt hinkommt!