Zukunft des Rathausforums / Marx-Engels-Forums

  • Architektur-Fan
    Immerhin lebe ich hier seit 26 Jahren und habe schon den ein oder anderen Berührungspunkt mit DDR-Architektur und Städtebau. Warum soll ich mich ärgern?
    Diese überheblichen vorzugsweise westdeutschen Kritiken kennt man hier zur Genüge. Sie helfen nur nicht auch nur im Geringsten konstruktiv mit der Situation umzugehen.

  • ^
    warum bitteschön ist meine Aussage überheblich? Überheblich wäre es, wenn man eine Aussage formuliert, ohne diese zu begründen. Worum es mir geht, habe ich in #3599 geschrieben. Ich wiederhole meine Begründung:


    "Wenige Meter entfernt ist der Alex. Wie soll der Alex als Platz wirken, wenn hinter der Umbauung des Platzes - also unmittelbar an dessen Rückseite - sich bereits wieder die nächste Freifläche auftut? Damit ein städtischer Platz wirken kann, benötigt er eine dicht bebautes Umfeld. Nur in Berlin scheint es anders zu sein: in Berlin befindet sich ein flacher Gebäuderiegel inmitten einer leeren Fläche. Die leere Fläche östlich des Gebäuderiegels nennt man Alexanderplatz. Die leere Fläche westlich des Gebäuderiegels nennt man Marx- Engels-Forum."


    Das ist der Grund, warum ich nichts vom Marx- Engels-Forum halte. Städtebau kann doch nicht bedeuten, daß man für leere Flächen schön klingende Namen vergibt. Ein normales Haus wird als "Palais" bezeichnet und eine leere Fläche als "Forum". Mir geht das zu einfach, wenn man städtebauliche Herausforderungen darin löst, indem man kreative Namen vergibt. Das ist zu einfach.

  • ^ Es geht doch nicht um die Namensvergabe von architektonischen Situationen/Gegebenheiten die man so nicht miteinander vergleichen kann.
    Eine Frage, warum ist der Schlossplatz in Stuttagrt so beliebt? Du weisst schon, diese große freie begrünte Fläche im Zentrum Stuttgarts, die sich vom Landtag bis zum Königsbau erstreckt. Ähnlich verhält es sich mit dem MEF/RF. Nur dass die momentanen Baumassnahmen der U-Bahn dort das Erleben sehr einschränken. Aber all die jahre zuvor waren MEF/RF genauso belebt wie der Schlossplatz in Stuttgart. MEF und RF kann man übrigens in ihrer Funktion überhaupt nicht mit dem Alexanderplatz vergleichen wie du es tust. Ebensowenig mit dem angegliederten Lustgarten. Lustgarten und MEF/RF. beides grüne Lungen im Zentrum einer Millionenstadt um die uns andere Metropolen beneiden und nach dem U-Bahnbau auch weiter beneiden werden.

  • Hallo zusammen.
    Meiner Ansicht sind sowohl das Marx-Engels-Forum als auch das Rathausforum Freiflächen, die es sich zu erhalten lohnt. Ich habe mich von einem Befürworter der Bebauung des MEF´s zu einem Gegner gewandelt. Dies hängt eben mit der geschichtlichen Bedeutung dieses Freiflächenensembles als repräsentatives Zentrum der DDR zusammen. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich anmerken, dass ich diesen Staat als Unrechtsstaat ansehe, meine Parteinahme also nichts mit Sympathie für Honecker und Konsorten zu tun hat.
    Wenn Gebäude und Ensembles nur noch aufgrund von Sympathien für politische Systeme zu deren Entstehungszeit erhalten werden sollten, könnte man schließlich die ganze Karl-Marx-Allee-Bebauung (Stalinismus), etliche Nazi-Bauten und auch gleich das neu errichtete Stadtschloss (Monarchie) abreißen.
    Überhaupt das Stadtschloss: Das zentrale Symbol der preußischen Monarchie, der Hohenzollern, die wie zumindest einige Historiker behaupten mit Wilhelm II maßgeblich am Ausbruch eines Weltkrieges beigetragen haben, wird momentan wiedererrichtet. M.E. werden nun im Zentrum zwei wichtige Epochen der deutschen Geschichte präsentiert: Monarchie und Sozialismus. Und jetzt will man den Sozialismus wegmachen und die Monarchie bleibt übrig? Nee, das sehe ich beim besten Willen nicht ein... ein bundesdeutsches demokratisches Forum - das wäre meiner Meinung eine gute Komplettierung dieses Ensembles.
    Abgesehen davon halte ich es mit Architektenkinds Meinung, was die Prioritäten angeht: Molkenmarkt und Fischerinsel sind eigentlich die Orte wo die Schlachten wenn man mal so martialisch werden will- geschlagen werden sollten. Diese Orte sind mit die ältesten von Berlin und verfügen (abgesehen mal von den Parkanlagen auf der südlichen Fischerinsel) m.E. über Null Aufenthaltsqualität. Bei der Fischerinsel ist mit den bisherigen Baumaßnahmen wahrscheinlich das Kind schon in den Brunnen gefallen... die Schneise zur Leipziger Straße und die Mühlendammbrücke sind städtebauliche Katastrophen die man angehen müsste. Dieser Teil ist auch noch älter als der plattgemachte Bereich auf dem Rathausforum /MEF. Schließlich hieß der Markt vor der Marienkirche ja auch Neuer Markt;) Der Ausflug zum Mühlendamm (nicht Verkehrsfluss mindern sondern kompakter und mit mehr Aufenthaltsqualität gestalten) soll hier aber mal beendet sein, dafür gibt´s ja einen anderen Threat:)

  • Das ist auf so vielen Ebenen falsch, da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Deshalb nur so viel: Marx dachte keineswegs an "Gleichheit statt Freiheit", sondern an eine "freie Assoziation freier Individuen". In seinem "Manifesto" heißt es deshalb auch keineswegs "Freiheit muss unterdrückt werden, damit alle gleich sind", sondern:


    Ich werde das in beide Sprachen schrieben, weil mein Deutsch leider nicht gut genug ist. :(


    Mann kann nicht Sozialismus ohne Autoritarismus haben. Die beide gehen immer zusammen. Kannst du mir eine Beispiel geben ... wo es eine Wirtschaft mit Sozialismus gibt, die auch "frei" ist? Nord Korea? DDR? USSR? Jeder Mensch ist egoistisch. Das Problem mit Sozialismus ist, es annimmt die Leute unegoistisch sind. Wegen der Menschheit ... ist das unmöglich. In eine perfekter Welt ... Sozialismus ist perfekt. Leider sind wir alle egoistisch und nicht perfekt. Es ist ganz Egal was er geschrieben hat, wie funktioniert seine Ideen im ernsthaft?


    One cannot have Socialism without Authoritarianism. They go hand-in-hand. Could you give me an example of a economic and political system based on Socialism that didn't have an authoritarian government? North Korea? DDR? Soviet Union? Every single person on the face of the planet is selfish. The inherent problem with Socialism is, in order for it to work it has to have perfect (unselfish) actors. In a perfect world, socialism is the perfect economic model. Unfortunately we are all selfish and thus not perfect. It is irrelevant what he wrote, how do his ideas really work in reality?



    Im Übrigen hat Marx weder die Bolschewiki gegründet, noch hat er den Plattenbau erfunden – und über Zwangsabgaben finanzierte Sozialleistungen hat er auch nicht eingeführt, das war Bismarck. Wenn Gatriel versucht, seine Haltung geistesgeschichtlich abzusichern, dann sollte er sich besser auf Autoren beschränken, von denen er mehr weiß, als dass sie pöhse, pöhse Purchen waren...


    Bismarck hat "Bürgerkrankenversicherung" gegründet ... nicht der Sozialstadt. Eine "Sozialstadt" war eine Idee, die aus Das Kaptial kommt. Das Kapital ist der giftige Variante von Mein Kampf: Ideen die nie im ernsthaft funktionieren werden. Bis jetzt ... mehr als 100,000,000 sind ermordet um die Ideen in Das Kapital zu erfüllen. Hast du Das Kapital wirklich gelesen? Ich habe das geschafft. Ich kam bis Seite 4 bis ich mein 1. Fehler gefunden habe.


    Wenn du Autoren mit Marx vergleichen ... du solltest bei Hitler, Pol Pot oder Mao gucken.


    Bismarck created the idea of "Universal Health Care" for the population, not the social state as the West knows it today. Das Kapital was a more poisonous version of Mein Kampf -- they both encompass ideas that will never work in the real world. From the time Marx wrote Das Kapital, more than 100 million people have died attempting to fulfil the ideals he espoused in that book. Have you ever *read* Das Kapital? I have. I made it to page 4 before finding its first error.


    If you want to compare Marx with other authors, you should compare him with Hitler, Pol Pot or perhaps Chairman Mao.



    Im übrigen habe ich überhaupt nicht von Sozialwohnungen gesprochen – wie kommt Ihr darauf? Ich bin nicht einmal der Meinung, dass die Platten an der Liebknechtstraße oder die Rathauspassagen auf ewig stehenbleiben müssen. Ich denke nur, dass die mehreren hundert Leute, die dort wohnen, ein legitimes Interesse haben, ihre Wohnungen zu behalten. Es muss deshalb gute, städtebauliche Gründe geben, wenn man dennoch abreißt. Und das sind nicht die Renditeaussichten der "Macro-Immobilien Investment Community", die mir gepflegt am Hintern vorbeigehen.


    Solange die Mietverträge läuft und in der Tat sind ... du hast ja voll Recht. Die Leute haben eine Interesse in die Gebäude. *Aber* wenn ein Investor klopft auf der Tür & sagt "ich gebe Ihnen 20.000€*in Bar wenn Sie bis zum ende des Jahr ausziehen" und die Leute sage "ja, gibst du mir das Geld und es kein Problem ist" diese Leute, oder arme Leute aus Lichtenberg, Wedding, Neukölln, oder Syrien haben gar keinen Recht oder Interesse in das Areal.


    Meine Mandanten möchte der Stadt verschönen für 80% die Bevölkerung. Ich kann es *nie* verstehen warum die Andere/Grüne/Linke passen immer auf die untere 20% auf und die Lebensqualität von diese Leute beschädigen. Die 80% ... die sind die Leute die die Wirtschaft arbeiten machen. Die Idee das Immo-Investors musst immer auf die untere 20% immer nachdenken ist (Gott sei dank) fast tot.


    Ich habe keine Mitleid für die Leute, die fast an der Alex wohnen für 250€ je Monat, und schreien jedes mal die Miete 20€ je Monat steigt.


    As long as the leases run and are still in effect, you are completely correct. However when a Real Estate Investor knocks at the door and offers the tenant 20k to move out, and they agree, the former tenants, nor the poor in other parts of the city have an interest in the property, nor a right to live there.


    My clients want to beautify & improve the city for 80% of the population in Berlin. I will never understand why the Andere/Linke/Grüne attempt to further the interests of the bottom 20%, when all they do is hurt their quality of life.


    I have no sympathy for the people who live super close to Alex and pay only 250€ per month, and then subsequently scream about when people want to raise rent 20€ per month. Worthless mouth-breathers the lot of them.



    Was die Neubebauung der beiden Foren betrifft, bleibe ich bei der Haltung, die ich hier schon seit Jahren vertrete:


    1. Die ganze Anlage lässt sich aus heutiger Sicht beim besten Willen nicht als schön bezeichnen, aber es handelt sich um einen gestalteten Stadtraum, mit dem man zumindest mittelfristig leben kann. Viel wichtiger finde ich es, endlich die wirklichen Katastrophen des DDR-Hauptstadtbaus anzugehen, z.B. den Molkenmarkt und die Fischerinsel. Wenn man damit fertig ist, kann man sich dem Zentrum widmen.
    2. Wenn dort irgendwann wirklich gebaut wird, muss das neue Viertel in (auch öffentlicher) Nutzung und Qualität hohen Ansprüchen genügen – eine Ansammlung der üblichen Hotelketten, Einzelhandelsketten, Restaurantketten und Büroflächen plus ein paar als Anlageobjekte genutzte Luxus-Penthäuser würde der historischen Bedeutung des Ortes so wenig gerecht werden wie der status quo.


    Ich stimme mit dir.


    Außer ... wenn es ein Wiederaufbau ist ... das Standort wird immer schön.

  • [...]Ich habe mich von einem Befürworter der Bebauung des MEF´s zu einem Gegner gewandelt. Dies hängt eben mit der geschichtlichen Bedeutung dieses Freiflächenensembles als repräsentatives Zentrum der DDR zusammen. [...]


    Also zumindest das Marx-Engels-Forum hat die (sozialistische) DDR ja keine 3 Jahre überlebt. Es steht auch in keinem direkten Zusammenhang zum Rest des Rathausforums der teilweise bis zu 20 Jahre vorher realisiert wurde. Das Denkmal für Marx und Engels war zudem ursprünglich für den gleichnamigen Platz geplant und nicht für diese Freifläche, mit der man ansonsten augenscheinlich nichts anzufangen wusste.


    Wenn Gebäude und Ensembles nur noch aufgrund von Sympathien für politische Systeme zu deren Entstehungszeit erhalten werden sollten, könnte man schließlich die ganze Karl-Marx-Allee-Bebauung (Stalinismus), etliche Nazi-Bauten und auch gleich das neu errichtete Stadtschloss (Monarchie) abreißen.


    Völlig richtig, darum sollte man das auch nicht tun. Auf der anderen Seite ist aber auch nicht alles aus vergangenen und geschichtlich betrachtet ja zudem äußerst kurzlebigen Systemen erhaltenswert, nur weil es sie nicht mehr gibt.
    Aber hier muss man klar sagen, dass das MEF eine politisch-ideologische Selbstinszenierung ist, die man so nicht wiederherstellen darf. Auch Marx und Engels als historische Persönlichkeiten haben es, ganz unabhängig davon ob man ein Freund ihrer Gedanken ist, nicht verdient, dauerhaft für so ein Regime vereinnahmt zu werden.


    Wenn die Freifläche schon erhalten bleiben muss, dann plädiere ich für die aus meiner Sicht nicht uncharmante Idee eines "Philosophenhains". Der Hubschrauberlandeplatz in der Mitte des MEF verschwindet, die Fläche wird komplett begrünt und Denkmäler für verschiedene Philosophen der deutschen und europäischen Geistesgeschichte, darunter auch Marx und Engels, werden lose eingestreut.



    M.E. werden nun im Zentrum zwei wichtige Epochen der deutschen Geschichte präsentiert: Monarchie und Sozialismus. Und jetzt will man den Sozialismus wegmachen und die Monarchie bleibt übrig? Nee, das sehe ich beim besten Willen nicht ein... [...]


    Naja, mehr als 1000 Jahre gegen mickrige 45; mir scheint das etwas unausgewogen. Außerdem werden sich Monarchie und Sozialismus immer noch direkt gegenüberstehen. Das Staatsratsgebäude bleibt uns ja erhalten und der Staatsrat war immerhin, wie auch der Kaiser, Staatsoberhaupt.

  • Zitat von Gatriel

    Hast du Das Kapital wirklich gelesen? Ich habe das geschafft. Ich kam bis Seite 4 bis ich mein 1. Fehler gefunden habe.


    Ja, ich habe Das Kapital gelesen. Ich habe sogar meine Magisterarbeit über den marx'schen Begriff der "abstrakten Arbeit" geschrieben - der übrigens, wie es der Zufall will, auf Seite 4 des inhaltlichen Teils zum ersten Mal auftaucht (MEW Bd. 23, S. 52, falls jemand nachzählen möchte ;)). Und deshalb weiß ich auch, dass Du es nicht gelesen hast, Gatriel. Du hast nämlich keine Ahnung, worum es in diesem Buch überhaupt geht:


    Zitat von Gatriel

    Eine "Sozialstadt" war eine Idee, die aus Das Kaptial kommt. Das Kapital ist der giftige Variante von Mein Kampf: Ideen die nie im ernsthaft funktionieren werden. Bis jetzt ... mehr als 100,000,000 sind ermordet um die Ideen in Das Kapital zu erfüllen.


    Wer "Das Kapital" mit "Mein Kampf" vergleicht und "Mein Kampf" für weniger "giftig" hält, kann keines der beiden Bücher gelesen haben – und wer "Das Kapital" für die Grundlage der Sowjetdiktatur hält, hat auch von Geschichte keinen Schimmer. Im Kapital kommt kein Sozialstaat vor, keine Planwirtschaft und keine Einparteienherrschaft. Es enthält überhaupt kein Programm für die Gestaltung der Zukunft. Das Buch ist eine kritische Analyse der kapitalistischen Produktionsweise im 19. Jahrhundert – weshalb es im Untertitel auch "Kritik der politischen Ökonomie" heißt und nicht "Masterplan zur Errichtung einer Gleichheits-Diktatur". (Im übrigen, um Missverständnisse zu vermeiden: Ich bin kein Marxist – und Marx selbst war auch keiner.)


    Damit ist es dann auch genug. Wenn ihr über "Das Kapital" weiterdiskutieren wollte dann dort.
    Bato


    Sorry, Leute, für das wiederholte Verlassen des Themas, aber ich kann diesen Quatsch einfach nicht stehen lassen. Zum Gegenstand:


    Zitat von Saxonia

    Das Denkmal für Marx und Engels war zudem ursprünglich für den gleichnamigen Platz geplant und nicht für diese Freifläche, mit der man ansonsten augenscheinlich nichts anzufangen wusste. [...] Aber hier muss man klar sagen, dass das MEF eine politisch-ideologische Selbstinszenierung ist, die man so nicht wiederherstellen darf.


    Was denn nun? Wusste die DDR mit dem MEF nichts anzufangen, oder ist es ein Ort der ideologischen Selbstinszenierung? Ich finde, weder noch: Es ist eine im Zuge der Stadterneuerung vor der 750-Jahr-Feier 1987 entstandene Grünfläche – stammt also aus einer Zeit, in der sich Ost- wie West-Berlin langsam von den ideologischen Grundsätzen der städtebaulichen Moderne entfernt haben. Im Westen betraf das die IBA-87-Bauten oder die Stadtrekonstruktion in Kreuzberg; im Osten die Luxusplatten in der Friedrichstadt und die "Rekonstruktion" des Nikolaiviertels.


    Das MEF sehe ich in diesem Kontext als innerstädtischen Park, der eine Ruhezone mit Bezug auf den Palast der Republik und die Museumsinsel auf der einen, auf das Nikolaiviertel und das Rote Rathaus auf der anderen Seite darstellen sollte. Mit Ausnahme des Denkmals ist dort nichts, was Denkmalsschutz genießen müsste – und doch ist es, sobald die Baustelle weg ist, ein lauschiger Ort, der eine höhere Aufenthaltsqualität besitzt als das Rathausforum.


    Zitat von Saxonia

    Wenn die Freifläche schon erhalten bleiben muss, dann plädiere ich für die aus meiner Sicht nicht uncharmante Idee eines "Philosophenhains". Der Hubschrauberlandeplatz in der Mitte des MEF verschwindet, die Fläche wird komplett begrünt und Denkmäler für verschiedene Philosophen der deutschen und europäischen Geistesgeschichte, darunter auch Marx und Engels, werden lose eingestreut.


    Da wäre ich sofort dabei. Passt zur nahen Museumsinsel und ließe sich mit einer entsprechenden App zu einem geistesgeschichtlichen Trimm-Dich-Pfad aufmöbeln. Wenn die Fläche hingegen unbedingt bebaut werden muss, dann wünschte ich mir eine U-förmige Bebauung, die einen Platz zum Fluss und zum Humboldtforum hin bildet und eine Blickachse zwischen Schlosskuppel und Fernsehturm offenlässt. Wichtig außerdem ein Durchgang in Verlängerung zur Poststraße, um das Nikolaiviertel nicht abzuschneiden.

  • Dass es ein autoritär-kollektivistisches Ideologie-Kontinuum gibt, in dem sich der Faschismus ebenso bewegt wie der Kommunismus, ist mindestens außerhalb bundesdeutscher Geisteswissenschaften breiter Konsens, wenn nicht gar eine Binse. Und diese Makrosicht fehlt deutschen Debatten in der Tat sehr oft, stattdessen verliert man sich gerne z. B. darin, einzelne Termini zu diskutieren.


    Wenn man aus dieser Erwägung heraus säkulare Götzenbildnisse ablehnt, dann kann ich dies sehr gut nachvollziehen. Wenn es um eine Art von "Siegerarchitektur" geht, von dem Irrtum ausgehend, dass "der Kapitalismus" den Kalten Krieg "gewonnen" habe (der realexistierende Sozialismus ist lediglich - zuerst? - kollabiert und wenn mein Gegner "Suizid" begeht habe ich ihn eben auch nicht "besiegt"), dann lehne ich dieses Ansinnen aber ab.


    Aber beide Ansichten gelangen zum selben Ergebnis, was Träger beider Ansichten zu (unfreiwilligen und unbeabsichtigten) Verbündeten bzgl. dieses Ziels macht. Nicht mehr und nicht weniger. Das heißt aber weder, dass jeder Gegner solcher säkularer Ikonenverehrung gleich ein "Sozenfresser" ist, noch, dass sich daran die ideologische Standfestigkeit von Sympathisanten der Ideen Marx und Engels beweisen muss.


    Genau das scheint aber zumindest für viele Berliner so zu sein. Um das MEF, speziell um das MEF, ist seit Jahren ein hochpolitischer Zank im Gange, bei dem es sichtlich am allerwenigsten um das geht, worum es hier eigentlich gehen sollte, nämlich eine öffentliche Grünfläche mit möglichst hohem Erholungs- und Freizeitwert zu gestalten und dabei sich - endlich - aus der Gefangenschaft der Geschichte zu befreien. Warum müssen in Berlin immer politische Statements gemacht werden? Warum kein abstraktes Kunstwerk über die Liebe, wenn es schon immer Standbilder sein müssen? Dieses ewige "alles ist politisch" ist so ermüdend.


    Macht aus diesem "Forum", diesem Schrein für ideologische Ikonen, einfach einen ansehnlichen, attraktiven Stadtgarten. Durchbrecht das ewige hin- und her der Ideologien, die Berlin ein ums andre mal ihren Stempel aufdrückten und dabei die Stadt unter ihren Stiefeln (ob "rot" oder "braun") zertrampelten. Kein "Forum", einfach ein Stadtgarten.

  • ... Macht aus diesem "Forum", diesem Schrein für ideologische Ikonen, einfach einen ansehnlichen, attraktiven Stadtgarten. Durchbrecht das ewige hin- und her der Ideologien, die Berlin ein ums andre mal ihren Stempel aufdrückten und dabei die Stadt unter ihren Stiefeln (ob "rot" oder "braun") zertrampelten. Kein "Forum", einfach ein Stadtgarten.


    ... und schwebt dir da eher, wie mir, eine Anlage nach Pariser Vorbild vor? Tuilerien, Marsfeld etc. Oder eher ein Stadtnutzgarten wie die Prinzessinnengärten am Moritzplatz? ;)

  • Naja, mehr als 1000 Jahre gegen mickrige 45; mir scheint das etwas unausgewogen. Außerdem werden sich Monarchie und Sozialismus immer noch direkt gegenüberstehen.


    Die preußische Monarchie bestand nur 217 Jahre und damit nur fast 5 mal so lange wie der Sozialismus.

  • Ich fürchte, Saxonia meint das heilige Römische Reich deutscher Nation. Und auf dem Boden Berlins bestand ja vor der Gründung des Preußischen Staates auch keine parlamentarische Demokratie sondern eine Monarchie - die Kurfürsten waren Teil des o.g. Kaiserreiches. Das Kurfürstentum Brandenburg bestand seit 1157 n.Chr. (de facto schon länger, aber seit 1157 urkundlich nachweisbar).


    Insofern muss es statt "1000" korrekt "761" heissen.


    Zudem war nun wahrlich nicht gesamte Zeit DDR davon geprägt, dass die überkommenen Bauten der Geschichte abgebrochen wurden. Bis zum Tode Stalins und der veränderten Baupolitik der UdSSR sind viele Gebäude in der DDR vorbildlich restauriert oder wiederaufgebaut worden (Staatsoper, Krinprinzenpalais, Prinzessinnenpalais, Brandenburger Tor, Rotes Rathaus u.v.a.m.). Zum Ende der DDR wurde die Baupolitik durch die Postmoderne (Nikolaiviertel) überlagert. Deshalb haben wir es tatsächlich "nur" mit einem Zeitruam von knapp 20 Jahren zu tun, in dem systematisch mit den Mitteln einer Diktatur historisches Erbe ausgelöscht wurde. Dies wollte - vermute ich - Saxonia in ein Verhältnis setzen.

  • Zu Zeiten des HRR war die Mark Brandenburg noch slawische Fremde. Wie man ja noch heute gut an alten Ortsnamen, die zB häufig auf -ow oder -itz enden oder auch den Familiennamen vieler angestammter Familien im Land ablesen kann. Das HRR endete grob auf der Linie Lüneburg-Magdeburg-Naumburg (Nord-Süd Richtung). Östlich davon befand sich so eine Art "Hinterland" des HRR, später hätte man sowas als Protektorat oder Kolonie bezeichnet. Erst im Spätmittelalter expandierte das Gebilde HRR auch nach Osten und aus dem vormaligen "Hinterland" wurde ein Reichsteil und die dort ansässigen Slawen, wie zB die Sorben, wurden assimiliert (und nicht selten auch weiter nach Osteuropa vertrieben). Und zu dieser Zeit spielte Berlin keinerlei Rolle, es war nicht mehr als ein Fischerdorf inmitten morastischen Schwemmlands.


    Also zumindest für Berlin begann die prägende und "deutsche" Geschichte erst mit dem Beginn der Neuzeit. Und sogleich begann auch das ewige Hickhack um politische Systeme. Mitnichten war die Monarchie also im "alten Preußen" eine Art "ewige Ordnung", wie man auch an der Flexibilität der Preußen bzgl. Regierungssystemen und Titeln später feststellen konnte (so wurde der Protestant Wilhelm zum "Kaiser" ernannt, obwohl historisch die Kaiserkrone über ca. ein Jahrtausend vom Papst, als Stellvertreter Christi, auf die Häupter von katholischen Monarchen gesetzt wurde... mit dem historischen "Deutschen Kaiser" hatte dieser Preußenkaiser also rein gar nichts zu tun, man bediente sich dieses altehrwürdigen Titels aber gezielt um die Legitimität in den Augen des Volkes zu erhöhen...mit Ehrfurcht vor alter monarchistischer Ordnung war es da also nicht besonders weit her).


    Es ist sozusagen geradezu Teil der berliner Identität geworden keine langristige politische Stabilität zu kennen, aber ein Hotspot politischer Umtriebe und Wenden zu sein.


    Es wäre doch einmal erfrischend hier einfach einen Cut zu machen und die ganzen -ismen im alten Jahrtausend zu lassen und sich ganz dem hedonistischen Gegenwartsberlin zu widmen.


    Und insofern, Camondo, sympathisiere ich natürlich mit deiner Tülerien-Idee. Man hat aber manchmal den Eindruck, als ob viele Berliner mit soviel Schönheit fast nicht umgehen können bzw. damit nichts anzufangen wissen. Da gibt es ja dieses Sprichwort mit den Perlen...es ist und bleibt eben nach wie vor eine proletarisch geprägte Stadt.

  • Ich fürchte, Saxonia meint das heilige Römische Reich deutscher Nation. Und auf dem Boden Berlins bestand ja vor der Gründung des Preußischen Staates auch keine parlamentarische Demokratie sondern eine Monarchie - die Kurfürsten waren Teil des o.g. Kaiserreiches. Das Kurfürstentum Brandenburg bestand seit 1157 n.Chr. (de facto schon länger, aber seit 1157 urkundlich nachweisbar).


    Für das Heilige Römische Reich hatte Berlin nun wirklich so gut wie gar keine Relevenz.


    Ich fürchte, wenn man eine Relevanz des Ortes für diese Zahlenspiele zu Grunde legt, kann man nur eine feudale hauptstädtische Funktion an diesem Ort rechnen. Das wäre dann die Residenzfunktion Berlins im Kurfürstentum Brandenburg und die Hauptstadtfunktion im 2.Reich, zusammen 432 Jahre. Aber nicht einmal das sollte diesen Ort beeinflussen.


    Denn dieses Areal ist der bürgerliche Teil der Stadt Berlin. Hier liegt, das Rathaus, hier lag die städtische Gerichtsbarkeit. Der Kurfürst hat das Schloss nach dem 'Berliner Unwillen' als Zwingburg auf die Spreeinsel gebaut, gegen die Berliner Bürgerschaft. Insofern ist ein öffentlicher Raum für die Bürger hier angemessen.

  • Oh wei, da hab ich offenbar in ein Nest von Laienhistorikern gestochen.


    Die preußische Monarchie bestand nur 217 Jahre und damit nur fast 5 mal so lange wie der Sozialismus.


    Ist ein Markgraf von Brandenburg denn kein Monarch? :nono:


    Zu Zeiten des HRR war die Mark Brandenburg noch slawische Fremde. Wie man ja noch heute gut an alten Ortsnamen, die zB häufig auf -ow oder -itz enden oder auch den Familiennamen vieler angestammter Familien im Land ablesen kann. Das HRR endete grob auf der Linie Lüneburg-Magdeburg-Naumburg (Nord-Süd Richtung). Östlich davon befand sich so eine Art "Hinterland" des HRR, später hätte man sowas als Protektorat oder Kolonie bezeichnet. Erst im Spätmittelalter expandierte das Gebilde HRR auch nach Osten und aus dem vormaligen "Hinterland" wurde ein Reichsteil und die dort ansässigen Slawen, wie zB die Sorben, wurden assimiliert (und nicht selten auch weiter nach Osteuropa vertrieben). Und zu dieser Zeit spielte Berlin keinerlei Rolle, es war nicht mehr als ein Fischerdorf inmitten morastischen Schwemmlands.


    Wie Konstantin schon richtig anmerkte, bezog ich mich bei meiner eher flapsigen Bemerkung auf das gesamte Reich. Das setzt man Abgrenzung zum Ostfrankenreich populärwissenschaftlich ungefähr mit Otto Großen oder gar schon seinem Vater Heinrich I. an. Also ungefähr 1000 Jahre. Da wir von Berlin als deutscher Hauptstadt sprechen, schien mir das angemessen. Dabei ging es mir gar nicht um die konkrete Ortsgeschichte. Mir ist der Ablauf der Ostsiedlung wohlbekannt und hab keine Lust hier einen wenig fruchtbaren Exkurs darüber zuführen.
    Es ging lediglich darum, bei der Frage der Repräsentation vergangener Epochen nicht zu vergessen, dass der Sozialismus als System ein geschichtlicher Wimpernschlag ist. Wer da genau vorher in Berlin seine Zelte aufgeschlagen hat, ist diesbezüglich völlig bums. Die Slawen oder davor die Germanen kannten auch weder Sozialismus noch Demokratie.


    Mitnichten war die Monarchie also im "alten Preußen" eine Art "ewige Ordnung", wie man auch an der Flexibilität der Preußen bzgl. Regierungssystemen und Titeln später feststellen konnte (so wurde der Protestant Wilhelm zum "Kaiser" ernannt, obwohl historisch die Kaiserkrone über ca. ein Jahrtausend vom Papst, als Stellvertreter Christi, auf die Häupter von katholischen Monarchen gesetzt wurde... mit dem historischen "Deutschen Kaiser" hatte dieser Preußenkaiser also rein gar nichts zu tun, man bediente sich dieses altehrwürdigen Titels aber gezielt um die Legitimität in den Augen des Volkes zu erhöhen...mit Ehrfurcht vor alter monarchistischer Ordnung war es da also nicht besonders weit her).


    Ja mei, die ganze Kaisergeschichte ist eigentlich eine einzige Farce und Veräppelung, bei Augustus angefangen ("primus inter pares" am Arsch). Der letzte deutsche König, der sich vom Papst zum Kaiser krönen ließ, war übrigens Karl V. im Jahr 1530. Seitdem hat das hier keinen mehr interessiert, was der Papst in Rom sagt. Wenn die Kaiserwürde in der Neuzeit an den Katholizismus gebunden gewesen wäre, hätte man sich wohl kaum von protestantischen Kurfürsten wie dem Markgraf von Brandenburg oder dem Herzog von Sachsen wählen lassen.
    Das soll nicht heißen, dass die Wahl des Kaisertitels 1871 kein Propagandacoup war. Nur so wars halt vorher auch schon immer gewesen. Peter der Große machte sich 1721 auch einfach mal so zum russischen Kaiser. Obwohl Zar genauso wie Kaiser von Caesar kommt und nichts anderes bedeutet.




    Was denn nun? Wusste die DDR mit dem MEF nichts anzufangen, oder ist es ein Ort der ideologischen Selbstinszenierung?


    So missverständlich hab ich mir eigentlich nicht ausgedrückt. Erst wusste man mit der Fläche offensichtlich nichts anzufangen und dann setzte man relativ kurz entschlossen das Denkmal dort hin.


    Ich finde, weder noch: Es ist eine im Zuge der Stadterneuerung vor der 750-Jahr-Feier 1987 entstandene Grünfläche – stammt also aus einer Zeit, in der sich Ost- wie West-Berlin langsam von den ideologischen Grundsätzen der städtebaulichen Moderne entfernt haben. Im Westen betraf das die IBA-87-Bauten oder die Stadtrekonstruktion in Kreuzberg; im Osten die Luxusplatten in der Friedrichstadt und die "Rekonstruktion" des Nikolaiviertels.


    Also um zu erkennen, dass es sich hier um eine reine Selbstinszenierung handelt, muss man sich nur mal die Presseberichte zur Einweihung anschauen. Von einem größeren stadthistorischen oder städtebaulichen Kontext ist da überhaupt keine Rede. Stattdessen 3 Seiten Jubelarie auf den Arbeiter und Bauern-Staat. BZ vom 5. April 1986 (Download) Was angesichts der aus dem letzten Loch pfeifenden DDR schon recht ulkig klingt. Leider wird nicht erwähnt, dass man sich die Bronze für das Denkmal sogar vom Genosse Thälmann mopsen musste, der dadurch etwas dünnhäutiger ausgefallen ist.

  • Zitat von Saxonia: "Aber hier muss man klar sagen, dass das MEF eine politisch-ideologische Selbstinszenierung ist, die man so nicht wiederherstellen darf. Auch Marx und Engels als historische Persönlichkeiten haben es, ganz unabhängig davon ob man ein Freund ihrer Gedanken ist, nicht verdient, dauerhaft für so ein Regime vereinnahmt zu werden."


    Hat was für sich, schließlich war die DDR ein Unrechtsstaat, der wie ich hoffen will auch nicht von Marx oder Engels gutgeheißen worden wäre. Deine Idee eines Philosophenhains, in dem z.B. Marx und Engels ihren Platz finden, finde ich ebenfalls charmant. Eine andere Möglichkeit wäre m.M. die weitgehende Wiederherstellung des Platzes in seiner ursprünglichen Gestalt, ergänzt um Informationsangebote vor Ort, die die Geschichte des MEF kritisch beleuchten.


    Zitat von Pumpernickel: "Es wäre doch einmal erfrischend hier einfach einen Cut zu machen und die ganzen -ismen im alten Jahrtausend zu lassen und sich ganz dem hedonistischen Gegenwartsberlin zu widmen."


    Zu obigem Zitat, ich denke, dass Berlin als Hauptstadt der Bundesrepublik durchaus auf dem Rathausforum die Gelegenheit hätte so etwas wie einen Ort der Demokratie zu schaffen. Tut mir leid, aber die -ismen kann ich an dieser prominenten Stelle nicht ganz außen vor lassen.


    PS: Entschuldigung wegen der etwas unkonventionellen Zitierweise:)

    Einmal editiert, zuletzt von Phülüpp ()

  • ^...du liebe Güte, Du warst 10 Jahre alt als dieses Regime seinen Geist aufgab. Welche seelischen Schäden hast du doch gleich davongetragen, von diesem Regime, welche Entbehrungen musstest Du erbringen???? Keine Fischstäbchen, keine Kinderüberraschung? Mich erstaunt doch immer wieder mit welcher Vehemenz gerade Jüngere hier immer wieder diese ideologischen Schlachten schlagen wollen, die sie garnicht betreffen. Mach dich mal locker und setze dich wie Pumpernickel und ich für einen schönen Stadtgarten ein. .cool.


    ...Jetzt hast du deinen Beitrag nachträglich geändert und meine Tirade läuft ins Leere...doch ich erkenne versöhnliches, unter anderem was ich selbst mal vorgeschlagen habe. Den alten Stadtgrundriss in Form von Gartengestaltung, Beeten, Wegeführungen wieder erfahrbar machen. Einen grünen Stadtgrundriss eben auf einem grünen Forum, ergänzt durch einen Informationspavillion der nicht nur über die Historie des MEF/RF informiert sondern über die vollständige Geschichte dieses für Berlin so wichtigen Ortes über die Jahrhunderte hinweg. „Versöhnlich“ ist auch das Zauberwort an diesem Ort.

    4 Mal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • Oh wei, da hab ich offenbar in ein Nest von Laienhistorikern gestochen.


    Da wir hier permanent in ein Nest von Laienarchitekten und -stadtplanern stechen, scheint mir das mehr als angemessen zu sein :p .


    Dass geschichtliche Daten unterschiedlich interpretierbar sind, ist wohl klar.


  • Denn dieses Areal ist der bürgerliche Teil der Stadt Berlin. Hier liegt, das Rathaus, hier lag die städtische Gerichtsbarkeit.


    In der Tat. Insofern bleibt weiterhin unklar, welche Gründe es für den Erhalt einer gewaltsam erzeugten Einöde inmitten dieses einst urbanen Zellkerns der Stadt geben könnte...

  • Also um zu erkennen, dass es sich hier um eine reine Selbstinszenierung handelt, muss man sich nur mal die Presseberichte zur Einweihung anschauen. Von einem größeren stadthistorischen oder städtebaulichen Kontext ist da überhaupt keine Rede. Stattdessen 3 Seiten Jubelarie auf den Arbeiter und Bauern-Staat. BZ vom 5. April 1986 (Download)


    Danke für den Link zur BZ. Oh je! Wenn man so etwas aus der Rückschau liest, weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Jedenfalls ist es zum Fremdschämen; über drei Spalten nichts als Aufzählung von Großkopferten: Erst die Mitglieder des Staatsrates, die an der Einweihung des MEF teilgenommen haben, dann die des Zentralkommitees der SED, des Ministerrats, der ausländischen Botschafter und schließlich der Vertreter der ausländischen Schwesterparteien – man spürt förmlich, wie der Autor beim Abtippen der Namen vor Verzweiflung gekichert hat...


    Aber ich sehe diesen Artikel eher als Beleg für meine These, dass das MEF auch in der DDR schon ein Stück postideologischer Städtebau war: Natürlich versuchen die Machthaber hier noch, sich selbst groß in Szene zu setzen – aber das scheitert doch phänomenal! Denn entgegen aller Behauptungen ist an der Anlage selbst gar nichts spezifisch sozialistisches mehr zu finden (außer den beiden älteren Herren, die man, ohne sie zu fragen, in die Mitte gestellt hat). Will sagen: Dem MEF sollte mit vergeblichem Propaganda-Aufwand ein sozialistischer Gehalt übergestülpt werden – in Wahrheit jedoch ist es eine ideologisch nichtssagende innerstädtische Grünanlage.


    Natürlich gibt es in Berlin auch echte Selbstinszenierungen des Staatssozialismus': Das Mahnmal im Treptower Park, die Stalinallee, später (als letzter großer Versuch) der Alexanderplatz samt Rathausforum. Was diese Anlagen vom MEF unterscheidet, ist, dass die Ideologie in ihnen noch bauliche Form annimmt. Beim MEF wird dieser vermeintliche Gehalt nur noch äußerlich angedichtet. Und man muss nicht allzuviel Phantasie haben, um in der zeitlichen Reihung auch das insgeheim schwindende Selbstbewusstsein der SED-Führung nachzuvollziehen: Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt konnten sie weniger von dem bewerkstelligen, was sie sich vorstellten. Schon Jahre vor ihrem Ende war von der "sozialistischen Hauptstadt" wenig mehr übrig als Billigplatten an der Peripherie und ein paar dem siechen Bruttosozialprodukt mühsam abgerungene Teuerplatten im Zentrum. Da hilft es dann auch nicht mehr, wenn der Botschafter Malis Honeckers Rede zur Eröffnung des MEF "mit großer Zustimmung aufgenommen" hat...

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  • Die Sichtweise kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Das MEF ist gebaute Ideologie und reproduziert die offizielle DDR-Geschichtsschreibung. Da ist nichts künstlich übergestülpt. Marx und Engels wurde hier als Begründern des Sozialismus/Kommunismus ein Denkmal gesetzt und die DDR als angeblich reale Umsetzung ihrer Ideen inszeniert. Zum Denkmal gehören außerdem noch weitere Komponenten wie das Mamorrelief "Alte Welt" von Werner Stölzer, das Menschen in vorsozialistischen, also "unfreien" Gesellschaften symbolisieren soll.



    https://commons.wikimedia.org/…Werner_Stoetzer_Forum.jpg


    Wohingegen die Bronzereliefs von Margret Middell "die Würde und Schönheit freier Menschen" im Sozialismus zeigen sollen.



    https://commons.wikimedia.org/…-_geo.hlipp.de_-_6511.jpg



    Hinzukommen die Edelstahlstelen mit den Fotos zur Arbeiterbewegung. Darauf unter anderem zu sehen Genosse Lenin, der berühmte Händedruck von Grotewohl und Pieck, mit Ulbricht rechts daneben. Auch eine schöne Kundgebung mit der Losung "Es lebe die Deutsche Demokratische Republik" fehlt nicht.


    https://www.flickr.com/photos/126081667@N06/21737273263/