Auf den Spuren ehemaliger Dresdner Straßenbahnstrecken

  • Auf den Spuren des 5-Pfennig-Omnibusses (Teil III)

    Zu Beginn des dritten Teils blicken wir auf den Vorgängerbau des Victoriahauses, das kurzlebige Victoria-Hotel von 1850/51. 1891/92 wurde es durch den prächtigen Neorenaissancebau aus dem Hause Lossow und Viehweger ersetzt, der Anleihen beim Braunschweiger Rathaus nahm.




    Mittlerweile stehen wir am Anfang der Prager Straße und schauen noch einmal über den Ring zur Seestraße.




    Zurück in das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Vor dem Victoriahaus passiert ein Omnibus die Zahlgrenze.




    Prager Straße, Blick zurück zum Victoriahaus. Wieder ist ein Omnibus im Bild und ruckelt in Richtung Schlossplatz.




    Vergleichsbild Wo einst das Victoriahaus stand, herrscht heute Leere.




    Ecke Prager Straße/Trompeterstraße im Vergleich.





    Seitenblick in die heutige Trompeterstraße.




    Prager Straße nordwärts geblickt, Höhe Struvestraße. Letztere führt schon längst nicht mehr durch bis zur Prager.





    In all dem modernen Ambiente gibt die traditionelle Dresdner Hausnummer der Centrum-Galerie eine spezifisch lokale Note. Wieder ein Beispiel, wie immens wichtig derartige vermeintliche Nebensächlichkeiten als identitätsprägende Merkmale sind.




    Der Mittelteil der Prager Straße, in Behördenkreisen sogenannter „Prager Platz“.




    Nun wird es international. Sage noch einer, Dresden sei nicht weltoffen. Ein multilingualer Papierkorb als Beweis.




    Und die Centrum-Galerie mit Wolf-Eike Kuntsches „Völkerfreundschaft“ aus dem Jahre 1986.




    Wasserbecken im Mittelteil der Prager Straße. Bienvenue à la Défense dresdoise!




    Mittelteil der Prager Straße, „Prager Platz“, Blick in die Verengung gen Norden. Ich bleibe dabei: Die neue Prager Straße ist gerade in ihrer jetzigen Gestalt mit den Straßenwänden im Norden und Süden durchaus ein gelungener Stadtraum, wenn man sie nicht mit Vorkriegszuständen welcher Art auch immer misst. Der weiten Ödnis des Originalkonzepts jedenfalls weine ich keine Träne nach.




    Ehemaliges Hotel Newa. Die neue Glasfassade steht ihm gut.




    Pusteblume! Dahinter die Südhöhe mit dem Beyer-Bau der TU.




    Mosaik-Wandfries Newalandschaft, Franz Tippel, 1970.




    Blick nach Norden, ehemalige Einmündung der Sidonienstraße, die heute an der St.-Petersburger verebbt.




    An dieser lag genau am Standort des „Newa“ Sendigs „Europäischer Hof“, eines der besten Hotels der Stadt. Ein Standort mit gastronomischer Geschichte!




    Südende der Prager Straße im historischen Vergleich. Das kleine Häuschen linkerhand am Wiener Platz überlebte nur bis 1913 und wurde durch den mächtigen Neubau des Café Piccadilly ersetzt.





    Aus leicht verschobener Perspektive.





    Da die Prager Straße mittels Nahverkehr heute nur noch indirekt erreichbar ist, bedarf es solcher normgerechter Informationsschilder. Die DVB verfügen selbst bekanntlich leider über keinerlei brauchbares Wegeleitdesign im öffentlichen Raum.




    Wiener Platz, Südeingang der Prager Straße heute.




    Und anno dazumal, mit mächtigem Feuerversicherungsgebäude und Kaiser-Café rechts.




    Der prachtvolle Bau war ein pompöser Vertreter des in Dresden recht seltenen Jugendstils.




    Heute nimmt die verbreiterte und verlängerte Christianstraße, Ende der 1960er in Leningrader und nach der Wende dann St.-Petersburger Straße umbenannt, einen Großteil des Gebäudegrundstücks ein, so dass die „Prager Spitze“ in der bekannten Tortenform errichtet werden musste. Nur die Fassade zur Prager Straße entspricht in etwa der Vorkriegssituation.




    Am Hauptbahnhof endete die Omnibuslinie bei ihrer Eröffnung Ende 1899, bevor sie alsbald zur Reichenbachstraße verlängert wurde. Nordhalle des Hauptbahnhofs mit Fassade zum Wiener Platz.




    Gleich zwei Vergleichsbilder, denn auch hier geht es nicht ohne den allgegenwärtigen „5-Pfennig-Omnibus“.





    Gesamtansicht des Hauptbahnhofes aus dem nicht mehr vorhandenen Direktionsgebäude der Königlich-Sächsischen Staats-Eisenbahn an der Wiener Straße. Und wieder kreuzt ein Omnibus…




    Wir sind natürlich immer noch am Hauptbahnhof und blicken uns etwas um. Im Galopp strebt ein Omnibus dem Endpunkt an der Reichenbachstraße entgegen. Ob der Kutscher dem Pferdchen eine Möhre vor die Nüstern hielt?




    Mittelbau des Hauptbahnhofs, einst und jetzt. Dahinter verbirgt sich der in die lokale Mythologie eingegangene ominöse „Strick“, unter dem sich schon Generationen von Dresdnern verabredet haben.





    Blick über die Brücken in Richtung Prager Straße.





    Den dritten Teil beenden wir wieder mit einer Spottkarte, der ersten nicht ganz unähnlich. Es scheint, als wäre der Omnibus zumindest in den letzten Jahren mehr Touristenkuriosität denn ernstzunehmendes Verkehrsmittel gewesen. Dem war aber keineswegs so.


  • Auf den Spuren des 5-Pfennig-Omnibusses (Teil IV und Schluss)

    Den letzten Teil möchte ich noch einmal mit einigen Bildern meines Modells beginnen. Man vergleiche mit den einzelnen Originalfotografien.






    Weiter geht es in die Südvorstadt. Die Reichsstraße von der südlichen Brücke aus gesehen. Gründerzeitler bestimmen die Stadtlandschaft.




    Der gleiche Blick heute. Die Reichsstraße hieß seit den 1960er Jahren Juri-Gagarin-Straße und Der Name wäre in Anbetracht der umgebenden Mondlandschaft noch heute adäquat, denn von einem Stadtbild kann man in weiten Teilen der Südvorstadt derzeit kaum sprechen. Seit 1993 heißt sie Fritz-Löffler-Straße.




    Klettern wir hinab. Wie durch ein Wunder hat dieser historische Treppenaufgang am Ostbau des Hauptbahnhofs den Feuersturm überlebt.




    Nun gilt es nur noch, das kurze Reststück bis zur Reichenbachstraße zu bewältigen. Die Reichsstraße war einst, wie gesehen, von großen Gründerzeitlern geprägt. Der wenig ansehnliche ENSO-Bau aus den 1990ern nimmt wenigstens die historische Blockrandstruktur wieder auf.





    Bayrische Straße/Ecke Fritz-Löffler-Straße, ehedem Bismarckstraße/Reichsstraße. Heute trostloser Bürobau, einst eine Nobelherberge.





    Gegenüber der Marienbrunnen von Georg Wrba aus dem Jahre 1910.





    Die Südseite des ehemaligen Bismarckplatzes, heute Friedrich-List-Platz, nahm bis zur Zerstörung die Technische Hochschule ein, 1872 bis 1875 durch Rudolf Heyn und Richard Eck errichtet. Rechts die Reichsstraße, kreuzend in Linie der Südfahrbahn des Bismarckplatzes die Lindenaustraße, davor die noch immer bestehenden Grünanlagen des Platzes.




    Trostloser Vergleichsblick heute. Die Südseite des Platzes wird durch einen teilweise mitten auf der einstigen Fahrbahn stehenden Neubaublock gebildet, die andere Hälfte ist im Verkehrsbegleitgrün der Fritz-Löffler-Straße aufgegangen.




    Technische Hochschule von der Ecke Bismarckplatz/Reichsstraße gesehen. Vorn auf dem Platz ein Omnibus auf stadtwärtiger Fahrt.




    Die Stelle ist heute nicht mehr als Platzecke wahrnehmbar.




    Bismarckplatz, Blick in die westliche Lindenaustraße. Der Omnibus fährt Richtung Stadt, merkwürdigerweise mit „Schlossplatz“ und nicht „Brühlscher Terrasse“ beschildert. Es gab offenbar verschiedene Beschriftungsvarianten. Viel interessanter jedoch ist, wie im historischen vorhergehenden Bild, der Standort des Wagens auf dem Bismarckplatz. Aus diesen beiden Fotos habe ich die Wendefahrt auf der anfänglichen Linienskizze rekonstruiert: Die Wagen fuhren wohl gerade über die Reichsstraße zum Endpunkt Reichenbachstraße, bogen dann in selbige ab (ein Wenden mitten auf der Kreuzung wäre auch schwer vorstellbar) und erreichten über die heutige Hochschulstraße wieder den Bismarckplatz, über dessen Südfahrbahn vor der Technischen Hochschule sie wieder auf die Reichsstraße gelangten. Nur so ist die Position vor der Hochschule zu erklären, wenngleich noch spekulativ.




    Die traurige Realität. Die Südfahrbahn in Verlängerung der Lindenaustraße ist verschwunden, ebenso sämtliche Gebäude entlang der Reichsstraße.




    Seit einigen Jahren fährt die Straßenbahn über die Fritz-Löffler-Straße in begrünter Seitenlage. Blick zurück nach Norden Richtung Hauptbahnhof und nach Süden Richtung Reichenbachstraße.





    Seit eh und je halten an der Reichenbachstraße Straßenbahnen.




    Das große Studentenwohnheim Reichsstraße (Fritz-Löffler-Straße) 16 bis 18 wurde 1953 bis 1955 nach Plänen von Wolfgang Rauda errichtet. Damals musste der Neubau wie eine Kathedrale in der Wüste gewirkt haben.




    Detailaufnahme des Eingangs.




    Ecke Reichenbachstraße. Hier befand sich der Endpunkt der Omnibuslinie.




    Vermutlich wurde dieses Foto vor den einst hier befindlichen Gründerzeitlern aufgenommen. Leider ist das Straßenschild nicht zu entziffern. Interessant ist das Haltestellenschild – es war mir leider bislang nicht möglich, die genauen Haltestellenlagen herauszubekommen. (DVB-Archiv)




    Reichenbachstraße, Blick Richtung Bergstraße. Gleich ums Eck haben sich noch einige der alten Villen des Schweizer Viertels erhalten.




    Wir folgen noch der angenommenen Wendefahrt über die Reichenbach- und Sedanstraße (Hochschulstraße). In letztere bogen die Omnibusse auf ihrer Rückfahrt Richtung Stadt aller Wahrscheinlichkeit nach ein.




    Abstecher zur Ecke Werderstraße (Andreas-Schubert-Straße)/Reichenbachstraße. Die nördliche Reichenbachstraße bildete bis zur Zerstörung die Grenze der geschlossenen großstädtischen Blockrandbebauung. Die südlichen Erweiterungspläne fielen dem ersten Weltkrieg und der Inflation zum Opfer, die Lukaskirche erhielt also nie den ihr gebührenden Rahmen. Heute ist das Gebiet ein Sammelsurium verschiedenster Nachkriegsbauten ohne jeden Anspruch auf eine wie auch immer geplante städtische Struktur, dafür aber sehr durchgrünt, wie das Vergleichsbild beweist. Der Blick geht in Richtung Reichsstraße.





    Ein weiterer kurzer Abstecher. Nur einen Steinwurf entfernt liegt die Russisch-Orthodoxe Kirche, erbaut 1872 und 1874 durch Harald-Julius von Bosse für die russische Gesandtschaft am Dresdner Hof. Leider ist sie heute stark durch Vegetation verdeckt.




    Die Postkarte zeigt auch die vernichtete umgebende geschlossene Gründerzeitbebauung.




    Zurück zur Wendefahrt. Wir sind in der ehemaligen Sedanstraße, heute Hochschulstraße. Hier lag die 19. Bezirksschule inmitten einer Häuserzeile. Heute ist die Fläche unbebaut, dahinter zeigen sich die Gebäude der Verkehrshochschule, heute HTW.





    Am Bismarckplatz bogen die Omnibusse wieder Richtung Reichsstraße ab. Gebäude der Technischen Hochschule, links die Sedanstraße.




    Nachfolgerin der Technischen Hochschule ist zwar die TU, doch auch am ehemaligen Bismarckplatz findet sich heute eine einschlägige Bildungsanstalt: Die HTW im mächtigen Gebäude der einstigen Verkehrshochschule. Allerdings ist deren Gebäude vom Süden an die östliche Platzkante gewandert.




    Den Rundgang beenden wir mit einer weiteren Totale des Hauptbahnhofs, diesmal vom anderen Direktionsgebäude an der Strehlener Straße gesehen.



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    Epilog


    Am 31.1.1913 schlug das letzte Stündlein für Dresdens letzten Pferdeomnibus. Sang- und klanglos stellte die Fuhrwesengesellschaft den Betrieb ein und verkündete dies lapidar in der folgenden Zeitungsannonce. Zumindest das Theatergeschäft nahm man noch mit!




    Die Fuhrwesengesellschaft bestand weiter, widmete sich nun aber profaneren Transportaufgaben. Sie wurde sogar nach 1990 noch einmal wiederbelebt. Hier eine Aktie aus dem Gründungsjahr 1895.




    Eintrag im Dresdner Adressbuch von 1927/28. Da kommt das gute Stück zum ersten Mal zu Ehren!




    Es zeigte sich nach der Betriebseinstellung schnell, dass der anachronistische Pferdeomnibus doch ein ganz reales Verkehrsbedürfnis befriedigte. Es gab nun keine direkte Verbindung vom Hauptbahnhof zum Altmarkt und Schlossplatz mehr. Daher wurde schon am 1. April 1914 Dresdens erste Kraftomnibuslinie auf gleicher Strecke, aber an beiden Enden verlängert bis zur Nürnberger Straße im Süden bzw. im Norden über Augustusbrücke, Hauptstraße und Albertplatz zum Neustädter Bahnhof, mit 12 nigelnagelneuen Omnibussen der Firmen NAG und Daimler in Betrieb genommen. Auch sie waren weiß-grün, wurden nun aber von der Städtischen Straßenbahn höchstselbst gestellt.



    Omnibus von 1914 am Hauptbahnhof (DVB-Archiv).



    Ein langes Leben war der Linie aber nicht beschieden. Am 3. August fuhren die schnieken Wägelchen das letzte Mal und wurden am Folgetag vom Heer beschlagnahmt. An der Front dienten sie als Truppentransporter. Kein einziger Wagen sollte Dresden jemals wiedersehen, so dass der erste Kraftomnibusbetrieb der Stadt eine sehr kurzlebige Episode blieb. Bliebe noch zu erwähnen, dass die Wiedereinführung des Omnibusbetriebes 1925 auf exakt gleicher Strecke erfolgte. Bis zur kriegsbedingten erneuten Einstellung der innerstädtischen Buslinien zu Beginn des 2. Weltkrieges blieb die Achse Schlossplatz – Altmarkt – Hauptbahnhof – Südvorstadt das Rückgrat des städtischen Omnibusbetriebes. Danach sollte allerdings nie wieder ein städtisches Verkehrsmittel das Georgentor passieren. Mittlerweile ist die einstige Hauptachse des innerstädtischen Verkehrs fast durchgängig zur Fußgängerzone umfunktioniert worden. Was bleibt, ist die Erinnerung an ein zwar wenig bekanntes, dafür aber umso interessanteres Kapitel in der Dresdner Stadt- und Verkehrsgeschichte.

  • Mit der Staatsstraßenbahn nach Weißig (Teil I)

    Den Dörfern des Schönfelder Hochlands blieb der allerorten einsetzende wirtschaftliche Aufschwung am Ende des 19. Jahrhunderts lange verwehrt. Der Hauptgrund war sicherlich in der mangelhaften Verkehrsanbindung zu suchen, die aufgrund der schwierigen Topographie des Elbtals eine Anbindung an die Stadt Dresden lange verhinderte. Daher forderten die betroffenen Ortschaften vehement einen Anschluss an das sächsische Staatsbahnnetz. Ursprüngliche Pläne sahen im Jahr 1880 eine von Dresden-Neustadt durch die Heide nach Bühlau, Weißig und weiter über das Schönfelder Hochland nach Dürrröhrsdorf führende normalspurige Sekundärbahn vor. Die hochfliegenden Pläne wurden aber nie umgesetzt: Der Aufwand der Trassierung bergan durch die Dresdner Heide stand in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Beförderungszahlen, so dass der Bau unterblieb.


    1893 wiederum gab es ein erneutes Projekt, diesmal einer Schmalspurbahn in der für Sachsen ungewöhnlichen Meterspur von der Marienbrücke weiter entlang des Neustädter Elbufers bis zum Waldschlößchen und von dort steil bergan als Dampfstraßenbahn bis nach Bühlau und Weißig. Doch auch hier stellte sich die Topographie in Form des Elbhangs in den Weg: Bei der extremen Steigung vom Waldschlößchen auf die Bautzner Landstraße wäre ein sinnvoll durchführbarer Bahnbetrieb ausgeschlossen gewesen. Somit beschloss der Staat, die Erschließung des Hochlandes privaten Investoren zu überlassen und sich die ganze Chose erst einmal in aller Ruhe anzuschauen.


    Die Dresdner Straßenbahn AG ließ sich nicht lange bitten. Ab dem 22. August 1899 bestand eine elektrische Straßenbahnanbindung vom Waldschlößchen, wo Anschluss an die bestehende Linie bestand, über den Weißen Hirsch nach Bühlau. Diese veritable Steilstrecke verlangte ein besonders kräftig motorisiertes Rollmaterial mit Fallklotz-Zusatzbremse und sollte später vor allem durch den Einsatz der Großen Hechtwagen legendäre Bekanntheit erlangen…


    Nur unseren Hochlanddörfern nutzte all dies recht wenig, lag doch der Straßenbahnendpunkt schon am Gasthof Bühlau. Allenfalls die Grundstücksspekulanten auf dem „Hirsch“ konnten sich diebisch freuen, bestand doch nun eine gewinnmaximierende Direktanbindung an die Residenz ohne den zeitraubenden Umweg mit der erst vier Jahre vorher eröffneten Drahtseilbahn über Loschwitz. Daher griff der Staat die früheren Projekte wieder auf und plante nunmehr in Kombination derselben eine Schmalspurbahn, immer noch in Meterspur, von Dürrröhrsdorf über Weißig nach Bühlau. Hierfür wurde in Bühlau bis zur Flurgrenze mit dem Weißen Hirsch ein drittes Gleis in die Stadtspurgleise eingelegt, um einen Güterverkehr mit meterspurigen Rollböcken und normalspurigen Güterwagen auf den stadtspurigen Straßenbahngleisen durchführen zu können. Letztlich verhinderte die Wirtschaftskrise von 1900 und das Fehlen potenzieller Anschlusskunden den Bau, und die nutzlose dritte Schiene wurde sukzessive wieder entfernt.




    Bautzner Straße in Höhe des „Trompeters“ um die Jahrhundertwende. Deutlich ist die nie genutzte dritte Schiene im Gleis erkennbar.



    Mittlerweile nahm man das Eisenbahnprojekt wieder auf, setzte jetzt aber auf die übliche Normalspur und baute von Dürrröhrsdorf aus nur noch bis an den westlichen Ortsausgang von Weißig, wo der Endbahnhof angelegt wurde. Diesen nannte man großspurig „Weißig-Bühlau“. Die Differenz zwischen dem Bühlauer Gasthof und dem neuen Bahnhof überbrückte der sächsische Staat höchstselbst mit einer recht kurzen, nur etwa anderthalb Kilometer langen Verlängerung der bestehenden Straßenbahnstrecke, wobei die Betriebsführung der Städtischen Straßenbahn oblag. Ab dem 30. Juni 1908 verkehrte jeder zweite Wagen über Bühlau hinaus bis nach Weißig, gleichzeitig wurde auch die Eisenbahnstrecke feierlich eröffnet. Nur etwa vierzig Jahre sollte die Straßenbahn nach Weißig bestehen, bevor sie 1949 durch ein anderes elektrisches Verkehrsmittel abgelöst wurde. Doch dazu später.



    Überlandstrecke Bühlau – Weißig im Laufe der Zeit. Stets war hier die Linie 11 beheimatet. Mit Einführung der Hechtwagenzüge und dem Bau der Gleisschleife am Ullersdorfer Platz wurde zwischen Bühlau und Weißig mit einem zweiachsigen Solowagen gependelt. Diese Betriebsführung bestand bis zum Ende der Strecke Anfang 1949.



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    Schon seit jeher ist die Linie 11 in Bühlau beheimatet. Bis auf ein kurzes Intermezzo Ende der 1940er Jahre blieb sie hier stets unter sich. Schild für den Spät- und Nachtverkehr (nur bis Postplatz) aus dem Jahre 1969.




    Die Begehung beginnt naturgemäß am Ullersdorfer Platz in Bühlau. Das aktuell übliche Rollmaterial der Linie 11, ein NGTD 12 DD, unmittelbar vor Abfahrt in der 1931 gebauten Gleisschleife. Schilder sind bei all den bunten Mäusekinos heute (leider) nicht mehr vonnöten.




    Sprung in die Vergangenheit: Ein Straßenbahnzug mit Anhänger steht kurz nach der Jahrhundertwende am Endpunkt vor dem Gasthof, später Kurhaus Bühlau. Anstelle des heutigen Platzes erstreckte sich sprichwörtlich grüne Wiese.




    Im Gasthof speist man mittlerweile griechisch, und rundherum erstreckt sich eines der üblichen scheußlichen Vorstadt-Einkaufszentren.




    Seit kurzem bin ich überglücklicher Besitzer eines Verzeichnisses der Straßenbahnlinien der Stadt Dresden von 1909 (Paul Zscharnack). Hier der entsprechende Eintrag der Linie 11, der bereits die Verlängerung nach Weißig beinhaltet.




    Zurück in die Jetztzeit. Blicken wir uns noch ein wenig am Ullersdorfer Platz um, auch wenn dessen architektonische Reize eher überschaubar sind. Die Gleisschleife wurde am 20. Oktober 1931 zeitgleich mit der Einführung der „Großen Hechte“ auf der 11 eröffnet. Seitdem bestand nach Weißig Pendelverkehr, die Abfahrtstelle des Pendelwagens lag auf der Bautzner Straße.




    Das alte Endpunkthäuschen dürfte aus der Erbauungszeit der Schleife stammen.





    Blick in den Innenraum der Schleife. Die Bushaltestellen dürften mit der Einführung des Obusbetriebes Ende der vierziger Jahre entstanden sein.




    Berühmt-berüchtigt für seine „Rentner-Diskos“: Café Heiderand, einst Café Schnöder.





    Das Kurhaus Bühlau geht auf den 1608 erstmals erwähnten Gasthof des Ortes zurück. Am 7. April 1946 gründete sich hier der SED-Landesverband, weshalb es zu noch zu DDR-Zeiten recht großzügig saniert und mit diversen Devotionalien ausgestattet wurde. Zudem bot der Saal nach der Zerstörung aller innerstädtischen Veranstaltungsräume in der unmittelbaren Nachkriegszeit Platz für Theater und Musik.




    Ein letzter Blick auf den Bereich der Gleisschleife.




    Dieser wurde 1937 als „Danziger Freiheit“ benannt (in Bühlau waren nach der Eingemeindung 1921 ost- und nordostdeutsche Ortsnamen allgegenwärtig), erhielt 1945 den Namen Siegfried-Rädel-Platz und heißt seit 1991 Ullersdorfer Platz. Der Name erstreckt sich mittlerweile auf den gesamten komplexen Kreuzungsbereich vor dem Kurhaus Bühlau.




    Ab 1908 ging es für die Straßenbahn weiter über die heutige Bautzner Landstraße nach Weißig. Die Verlängerung war nur eingleisig ausgeführt, das Streckengleis lag auf der landwärtigen Fahrbahn, um später einen nie realisierten zweigleisigen Ausbau zu ermöglichen.




    Kurz hinter dem Ullerdorfer Platz lag die Schmiedeschänke. Deren baufälliges Gebäude musste nach 1990 einer Tankstelle weichen. Hier lag die erste Ausweiche der Strecke und eine in den letzten Betriebsjahren aufgelassene Haltestelle.





    Blick zurück zum Ullersdorfer Platz.




    Blick hinüber in den Bühlauer Dorfkern mit der St.-Michaels-Kirche, erbaut 1898/99.




    Kurz vor der von 1921 (Eingemeindung Bühlaus nach Dresden) und 1999 bestehenden Stadtgrenze erreichen wir die Ende der 1920er Jahre im Heimatstil errichtete und mustergültig sanierte Wohnanlage des Spar- und Bauvereins Bühlau.





    Sehr kleines, daher nicht normgerechtes historisches Hausnummernschild, aber dennoch im ovalen Dresdner Stil.




    Die Hauptachse der Wohnanlage bildet die heutige Rossendorfer Straße. Eine Haltestelle ist hier seit Anfang der 1930er Jahre belegt, sie hieß zunächst „Siedlung Bühlau“. Die Haltestelle „Schmiedeschänke“ wurde gleichzeitig aufgehoben. Später nahm sie den Namen der 1929 benannten Kolberger Straße an. 1967 wurde die nunmehrige Obushaltestelle gemeinsam mit dieser in Rossendorfer Straße umbenannt. Alle nach ost- und nordostdeutschen Städten benannten Straßen in Bühlau wurden in den 1950er und 1960er Jahren aus ideologischen Gründen umbenannt, bevorzugt nach ostsächsischen Orten. Nur die Königsberger Straße erhielt 1991 ihren alten Namen zurück, nachdem sie jahrzehntelang Kaliningrader Straße hieß.




    An der Rossendorfer Straße verlassen wir das bebaute Gebiet.




    Bevor wir Landluft schnuppern beende ich den ersten Teil mit zwei Dokumenten aus dem Jahre 1929. Zunächst der Werktagsfahrplan der Linie 11.




    Eintrag im Linienverzeichnis der Städtischen Straßenbahn aus dem gleichen Jahr. Man beachte die veränderten Haltestellen im Vergleich zu 1909.


  • Mit der Staatsstraßenbahn nach Weißig (Teil II)

    Im zweiten Teil wird es deutlich ländlicher. Die Weißiger Strecke war eine Überlandbahn im besten Wortsinn. Ich beginne mit dem letzten Fahrplan der Linie 11, der noch die Weißiger Pendelwagen beinhaltet, gültig ab 17. Mai 1949. Doch bereits am 20. Februar 1949 war die Strecke offenbar völlig überstürzt eingestellt worden. Seitdem verkehrten als Ersatz Busse bis zum Weißiger Gasthof. Der Fahrplan allerdings weiß hiervon noch nichts und war wohl schon im Druck, als die Ereignisse ihren Lauf nahmen.




    Hinter dem die alte Stadtgrenze bis 1999 kennzeichnenden Ortsschild soll, nachdem die Pläne für einen Neubau der Straßenbahn nach Weißig gescheitert sind, eine neue Bühlauer Gleisschleife nebst P+R-Platz entstehen, um den engen und unübersichtlichen Ullersdorfer Platz zu entschärfen. Wenigstens zur Hälfte wäre die alte Strecke damit reaktiviert und die Anbindung der Siedlung Bühlau deutlich verbessert. Hoffen wir, dass sich nicht noch eine örtliche Juchtenkäferpopulation, eine Krumme Hufeisennase oder ein renitenter Grundstücksbesitzer findet, der das Projekt zum Scheitern bringt.




    Blick zurück zur Rossendorfer Straße.




    Auf freiem Feld kommt uns ein Straßenbahn- bzw. Obus-Ersatzverkehr entgegen. Der Fußweg neben der Straße entstand nach der Wende, die Straßenbahn befuhr stets den rechten Fahrstreifen in Richtung Weißig. Merkwürdigerweise hatte man trotz des reichlich vorhandenen Platzes keinen Bahnkörper angelegt.




    Der Taubenberg, von Westen gesehen.



    Blick zurück entlang des Fuß- und Radweges nach Bühlau. Rechts neben diesem standen die Gittermasten der Straßenbahn. Diese wurden für den Obus 1949 nachgenutzt und standen teilweise bis zur Erneuerung der Straße in den 1990ern.




    Haltestelle Taubenberg. Auch diese hat ihren Ursprung bei der Straßenbahn.





    Heute hält hier mitten im Nirgendwo zumindest der Bus, der 1971 den schon im November 1949 eingeführten Obusbetrieb ersetzte.




    Der Taubenberg, diesmal von Osten aus Richtung Weißig.




    Ortseingangsschild Weißig. Hier etwa begann die Endpunktanlage der Straßenbahn.




    Blick zurück. Links auf der Fahrbahn lag das Straßenbahngleis.




    Das einstige Bahnhofsareal wurde Anfang der 1990er Jahre durch einen Baumarkt komplett überbaut. Die Straßenbahn schwenkte hier aus der Straße nach rechts vor das für einen Endbahnhof recht bescheidene Bahnhofsgebäude.




    Heute markiert die landwärtige Haltestelle „Am Steinkreuz“ in etwa die Lage des Endpunktes.




    Das namensgebende mittelalterliche Sühnekreuz befindet sich hinter der Böschung an der Ecke Heinrich-Lange- und Bautzner Landstraße. Das recht kleine mittelalterliche Kreuz zeigt auf der Vorderseite eine eingeritzte Armbrust. Auch mit der Straßenbahngeschichte ist es eng verbunden, denn 1908 wurde es an die Endhaltestelle der Straßenbahn am Bahnhof versetzt. 1921 erhielt es seinen heutigen Standort, der originale ist unbekannt.




    Blicke zum nicht mehr sichtbaren Bahnhofsgebäude und der einstigen Straßenbahn-Endstelle, anstelle des Baumarktes lag das Bahnhofsgelände.




    Noch deutlich erkennbar ist der steinerne Sockel des Empfangsgebäudes und die einst zum Bahnsteig führende Treppe. Das Ausziehgleis und damit Streckenende der Straßenbahn lag einige Meter weiter in Richtung Bühlau in Höhe der großen Werbetafel.




    Am 30. Juni 1908 herrschte hier dichtes Gedränge, denn sowohl Eisen- als auch Straßenbahn wurden feierlich eröffnet. Zunächst fuhren die Wagen der Linie 11 durch bis zum Neustädter Bahnhof und bald darauf weiter durch das Stadtzentrum mit wechselnden Endpunkten im Süden.




    In den dreißiger Jahren pendelte man wie besprochen nur noch mit Altmaterial zwischen Bühlau und Weißig. Der kleine Triebwagen genügte völlig für das meist bescheidene Fahrgastaufkommen. Deutlich erkennbar ist der heute noch vorhandene Steinsockel, allerdings ist der Endpunktbereich heute völlig zugewachsen. Beide Straßenbahnbilder entstammen dem DVB-Archiv.




    An die Eisenbahnvergangenheit erinnert heute noch die Bahnhofstraße.




    Der Bahndamm der Dürrröhrsdorfer Strecke ist heute fast durchgängig als Radweg nutzbar und hält so wenigstens die Eisenbahnstrecke in Erinnerung.




    Diese überlebte die Straßenbahn um mehr als zwei Jahre, denn die Stilllegung erfolgte erst am 24. April 1951. Angeblich fanden die Gleise beim Bau des Berliner Außenringes Verwendung. Der gezeigte Fahrplan zeigt den recht bescheidenen Fahrbetrieb im Sommer 1935 (Aus meiner Sammlung: Amtlicher Taschenfahrplan für Sachsen, Sommerausgabe 1935).




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    Wie aber ging es mit dem Nahverkehr in Weißig weiter? Die Straßenbahn wurde wie beschrieben am 20. Februar 1949 stillgelegt. Dies muss sehr plötzlich entschieden worden sein, denn sowohl im zu Beginn des 2. Teils gezeigten Fahrplan wie auch im Verkehrsbuch von 1949/50 ist noch die Linie 11 nach Weißig berücksichtigt. Zunächst herrschte ein Omnibus-Ersatzverkehr, hier nachzulesen im zweiten Fahrplan von 1949, gültig ab 1. September des Jahres.




    Ab 1.11.1949 wurde schließlich der Obus zwischen Bühlau und Weißig eröffnet, teilweise unter Verwendung der Straßenbahn-Fahrleitungsanlage. Die Strecke wurde dabei gleich deutlich bis in den Weißiger Ortskern am Dorfteich verlängert, wo jahrzehntelang die Obusse bzw. ab 1971 die Busse der Dresdner Verkehrsbetriebe enden sollten. Seit dem 4. September 1971 ist allerdings auch der Obus in Weißig passé, denn seitdem verkehren hier unter wechselnden Liniennummern (60, 61 und 93) nur noch Omnibusse. Auf die Rückkehr der Straßenbahn nach Weißig wird man trotz vorangetriebener Planungen nach Lage der Dinge noch eine ganze Weile warten können.



    Henschel-Obus der Kriegsbauart in Weißig in den 1950er Jahren (Bundesarchiv) Die kantigen Kisten waren sicherlich keine Kandidaten für einen Schönheitspreis.




    Zum Abschluss: Werktags-Fahrplan der Obuslinie aus dem Fahrplanheft 1950.




    Schönen Sonntagabend!

    4 Mal editiert, zuletzt von antonstädter () aus folgendem Grund: Inhaltliche Korrektur zum Bahnhof Weißig

  • Vielen Dank für diesen interessanten Artikel. Da ich vor einigen Jahren ein kleines wohntechnisches Intermezzo im Hochland hatte, habe ich natürlich zu diesem Komplex eine gewisse Beziehung.


    Kleine Korrekturen:



    Schon seit jeher ist die Linie 11 in Bühlau beheimatet. Bis auf ein kurzes Intermezzo Ende der 1940er Jahre blieb sie hier stets unter sich.


    "Stets"? Ich kann mich noch an eine weitere Linie aus den 90ern erinnern; eine Expresslinie, die nicht überall hielt? Hohe Liniennummer, irgendwas in den 40ern oder 50ern?


    Was den Bahnhof Bühlau angeht: M.W. gehört das Eckhaus an der Bahnhofstr. (was auch auf den Fotos zu sehen ist - direkt hinter der Haltestelle - und erst vor ein paar Jahren saniert wurde) mit zur Bahnhofsbebauung; möglicherweise auch das Haus direkt nach dem Knick der Bahnhofstr. (wo sich jetzt der Parkplatz für die ganzen Postautos befindet). Etwas ist also schon noch übriggeblieben (aber das hat natürlich mit Straßenbahn weniger zu tun).

  • ^Du meinst sicherlich den CitySprinter 51 (1994 bis 1995 zwischen Bühlau und Plauen, danach bis 1999 Bühlau und Gorbitz). Den habe ich als nur aller 20 Minuten verkehrende Berufsverkehrslinie mit beschränkten Einsatzzeiten bewusst negiert ;) Eingeführt wurde die Linie als Kurzführung der 11 über Pirnaischer Platz, um ein, zwei Kurse zu sparen - denn seitdem fuhr die "richtige" 11 im Berufsverkehr nur noch aller 10 Minuten (vorher 7/8 bzw. 7/7/6-Minuten-Taktt).


    Das Wohnhaus an der Ecke zur Bahnhofstraße ist in der Tat ein Beamtenwohnhaus der Staatsbahn und gehörte zum Bahnhofsareal. Insofern danke für die Ergänzung!

    Einmal editiert, zuletzt von antonstädter () aus folgendem Grund: Jahr korrigiert: 1994 stadt 1993

  • Die "11" und der "CitySprinter"

    Speziell für gacki und alle anderen Interessierten folgt eine dokumentäre Ergänzung zur Linie 11. Angeregt durch die obige Diskussion habe ich in meinem Archiv gestöbert und bin zu besagtem "CitySprinter" fündig geworden.


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    Doch zunächst zur 11, hierzu einige besondere Schilder:


    Das erste stammt aus den Siebzigern (Original wohl 1975) und dürfte bis tief in die 80er verwendet worden sein. Folgende Dinge sind besonders interessant:




    In Bühlau (Siegfried-Rädel-Platz) ist die 93 im Originalsatz eingebaut, an der Grundstraße und dem Nürnberger Platz vorgemalt. Die 93 wurde 1972 zwischen Weißig uind Fernsehturm (über Bühlau) als Ersatz für den Obus-Ersatz Linie 60 eröffnet. Ende 1975 wurde sie nach Einstellung des Obus-Restverkehrs zwischen Schillerplatz und Bühlau wie die 61 nach Löbtau geführt, lange Jahre bildete die 61/93 ein unzertrennliches Zwillingspärchen. Auch die erst 1976 eingeführte Linie 16 ist davorgemalt, 1975 war nur die 26 für die mit einem Jahr Verspätung 1976 eröffnete Zschertnitzer Strecke vorgesehen. Heute befährt diese...die Elf!


    Überklebt sind die vor der "Stasi" befindlichen Haltestellen Fischhausstraße (stadtwärts) und Klarastraße (landwärts) zwischen Wilhelminen- und Waldschlößchenstraße (heute Waldschlößchen). 1977/78 waren sie im Netzplan noch verzeichnet. Der Staatsapparat wollte wohl unter sich bleiben. Erst mit der Wende wurde die neue Haltestelle "Angelikastraße" als Ersatz eingerichtet.


    Die "5" am Platz der Einheit wurde nachträglich entfernt und an der Leipziger Straße davorgemalt. Zwischen 1974 und 1977 fuhr die 5 nach Sperrung der Straße der Befreiung und der Georgi-Dimitroff-Brücke einen Umweg über Liststraße und Platz der Einheit.


    Am Dr.-Külz-Ring ist der Anschluss zur Stadtrundfahrt der DVB (mit Bus) vermerkt.


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    Sprung in die Neunziger. 1992 fuhr die 11 noch immer unverändert zwischen Bühlau und Plauen. Zahlreiche Haltestellen wurden 1991 umbenannt und das Liniennetz merklich ausgedünnt.




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    Drei Jahre später, und der südliche Endpunkt heißt (mal wieder!) Zschertnitz. Seit 1995 ist die Streckenführung der "11" übrigens unverändert, keine Selbstverständlichkeit in der heutigen schnelllebigen Zeit! Wieder wurden Haltestellen umbenannt, Linien ausgedünnt und die ominöse "51" erscheint...




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    Selbe Linienführung, neues Netz: Sehr selten sind Seitenschilder des in seinen Grundzügen noch heute gültigen Liniennetzes von 2000, denn die nichtmodernisierten Tatras waren damals schon ein Auslaufmodell. Die 11 gehörte neben der 8, 9 und 13 zu den letzten Linien, wo sie noch relativ regelmäßig eingesetzt wurden.




    Es fallen ins Auge: Neue Zusatzverweise (Krankenhaus, Bergbahn, Fähre), einige neue und umbenannte Haltestellen (z. B. die Hegereiterstraße). Vor allem aber: Seit 2000 werden die Endpunkte wieder wie einst mit ihrem eigentlichen Haltestellennamen versehen, z.B. Bühlau (Ullersdorfer Platz).


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    Nun aber zu unserem Citysprinter 51. Mit diesem Aushang in den Wagen wurde die Einführung Ende 1994 propagiert. Dass es sich in Wahrheit um eine Streichmaßnahme bei gleichzeitiger Ausdünnung der "echten" 11 handelte wurde geflissentlich unterschlagen. Die Haltestelle "Waldschlößchen" wurde später auch angedient.




    Infoflyer der DVB. man beachte den Marketingsprech, der die Ausdünnung der 11 mit keinem Wort erwähnt!





    Das zugehörige Linienschild von 1994. Das Design blieb einzigartig, denn die Einführung weiterer "Schnelllinien", obwohl geplant, unterblieb. Dazu am Ende mehr.




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    Mit der "Linienreform" 1995 wurde die 11 nach Zschertnitz und die 51 nach Gorbitz umgelegt, damit entfiel der ursprüngliche Abkürzungsgedanke. Das Schild zeigt die zwischen 1995 und 1997 bestehende Linienführung über Pirnaischer PLatz und Altmarkt, zuletzt wurde die 51 über die damals brandneuen Verbindungskurven am Carolaplatz und Neustädter Markt wie heute die 8 ab Carolaplatz über Augustusbrücke und Theaterplatz zum Postplatz geführt, wo sie nun in der "alten Drei" vor dem Schauspielhaus hielt. Auch die Cottaer Straße wurde später bedient. Als ich im Pflegeheim Cotta 1996 meinen Zivildienst leistete, guckte bei Schichtwechsel immer eine Menschentraube ungläubig zu, wie die fast leere "51" an den Wartenden vorbeifuhr!






    Der CitySprinter war trotz hochfliegender Erweiterungspläne (so war z.B. eine 57 nach Klotzsche angedacht) eine Fehlgeburt. Zuletzt entfiel die Linie im Ferienfahrplan, und 1999 verschwand sie sang- und klanglos aus den Fahrplänen. Der Misserfolg hatte mehrere Gründe: Der rudimentäre 20-Minuten-Takt war für eine innerstädtische Straßenbahnlinie ebenso wenig förderlich wie die Durchfahrten an z.T. stark belebten Haltestellen. So besserte man nach, und es kam ein Mehr an Halten hinzu. Damit war aber das ursprüngliche Konzept mehr und mehr obsolet.


    In der Theorie fuhr die 51 vor der Plan-11 in Bühlau ab, um freie Bahn zu haben. Die Betriebssicherheit der Straßenbahn war in den 1990ern durch die chaotische Verkehrssituation aber kaum kalkulierbar und nicht mit der heutigen Zuverlässigkeit zu vergleichen. Besonders nach der Verlegung nach Gorbitz kam es häufig vor, dass die 51 hiner einer überall haltenden und meist überfüllten 2 herbummeln musste und damit der theoretische Fahrzeitgewinn in die Binsen ging. Sie fuhr aber trotzdem in Schrittgeschwindigkeit an den auszulassenden Haltestellen durch.


    Die Linie war für den Gelegenheitsfahrgast einfach unzumutbar: Wer wusste denn schon, wo sie denn nun hielt und wo nicht? Verzweifelte Omas an den Türöffnern waren an der Tagesordnung, wenn mit vollem Ballett an der Semmelweisstraße oder der Wilhelminenstraße durchgebrettert wurde und die nächste Haltestelle Kilometer entfernt lag!


    Eigentlich hätte man es wissen müssen: Bereits in den zwanziger und dreißiger Jahren war man an genau den gleichen Problemen mit diversen Eillinien gescheitert. So etwas funktioniert eben nur dann, wenn man hierfür eigene Gleistrassen vorhalten kann (wie bei der New Yorker Subway). Für ein weitgehend straßenbündiges Straßenbahnsystem ist das Konzept schlicht ungeeignet.

  • Löbtauer Verkehrsgeschichten

    Schon sehr zeitig, nämlich bereits 1881, erhielt das damals noch selbstständige Löbtau vom Postplatz über die Freiberger Straße aus Anschluss an das Pferdebahnnetz der Tramways Company of Germany Limited. Der Endpunkt befand sich zunächst an der Bünaustraße, wo auch ein Straßenbahnhof für die Wagen der Linie entstand. Nur nachmittags wurde bis zum Neuen Annenfriedhof an der späteren Ecke Wilsdruffer (Kesselsdorfer)/Kronprinzenstraße gefahren, etwa dort, wo heute die Linie 12 in die Rudolf-Renner-Straße abbiegt.




    Abfahrtsstelle der Löbtauer Linie in Höhe der heutigen Käseglocke auf dem Postplatz 1883 (DVB-Archiv). Im Hintergrund der Cholerabrunnen am originalen Standort, das Adamsche Haus („Stadtwaldschlößchen“) und die noch durchbrochenen neogotischen Turmhelme der Sophienkirche. Auf der Linie fanden kleine zweiachsige Wagen Verwendung, die im Löbtauer Pferdestraßenbahnhof beheimatet waren.




    Fahrplan der Linie von 1885. Nur die unterstrichenen Fahrten verkehrten bis zum Neuen Annenfriedhof, ansonsten endeten die Fahrten an der Bünaustraße. Die Verlängerung nach Wölfnitz, ebenfalls noch mit animalischem Antrieb, erfolgte 1893. Drei Jahre später wurde die Strecke elektrifiziert.




    Beschilderung der Linie Postplatz – Löbtau. Auch nach Verlängerung der Strecke und Elektrifizierung blieben die Schilder gelb, erst mit der Übernahme der „Gelben“ durch die Stadt wurden nach und nach die weißen Einheitsschilder eingeführt.



    Der Straßenbahnhof Löbtau wurde im Frühjahr 1883 eröffnet, seitdem waren alle Wagen der Linie hier unterstellt. Vorher mussten sie (vermutlich) aus dem Depot im Jägerhof über die Augustusbrücke zum Dienstantritt am Postplatz gekarrt werden. Diese Vermutung liegt mehr als nahe, denn über einen weiteren zentrumsnahen Pferdebahnhof verfügte die Tramways Company nicht.
    Das Löbtauer Depot wurde zur Unterstellung der Pferdebahnwagen genutzt und besaß zusätzlich Stallungen für die beträchtliche Kavallerie der Linie. Mit der Elektrifizierung wurde der Bahnhof 1896 aufgegeben und 1902 durch den Straßenbahnhof Naußlitz am Wölfnitzer Endpunkt ersetzt.




    Stadtplanausschnitt von 1890 mit dem noch uneinverleibten Löbtau und dem Pferdebahnhof. Noch endet die Linie vor dem Neuen Annenfriedhof, ab 1893 ging es weiter nach Wölfnitz.


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    Haltestelle Bünaustraße. Die heutige stadtwärtige Haltestelle befindet sich unmittelbar neben der überbauten Einfahrt in den Bahnhof.




    Zwei Eindrücke der heutigen Situation. Anstelle des Flachbaus lag die Einfahrt.





    Bauliche Reste des Bahnhofes sind heute keine mehr vorhanden, bis auf diesen alten Schuppen im Hof der heutigen Wohnanlage.




    Das Gelände blieb auch nach Stilllegung des Bahnhofes im Besitz der Straßenbahn. 1912 entstand hier an der Bünaustraße ums Eck eine Wohnanlage für Angestellte der Städtischen Straßenbahn, die sich wunderbar saniert zeigt. Es lässt sich nicht verbergen, dass die Pläne vom Stadtbaudirektor Hans Erwein höchstselbst stammten.





    Zwei historische Ansichten. Die kriegszerstörte Feierhalle des benachbarten Neuen Annenfriedhofs, die Straßenbahn ist bereits elektrifiziert. Heute bestehen nur noch die Arkaden.




    Das spitze Eck der Werner- und Kesselsdorfer Straße im Bereich der Haltestelle Bünaustraße. Rechts lag der Pferdebahnhof, von dem selbst keinerlei Bilder zu existieren scheinen.




    Ununterbrochen ist seit 1909 die „7“ in Löbtau heimisch. Die Relation Wölfnitz – Löbtau – Innenstadt – Antonstadt – Albertstadt – Klotzsche wird von ihr seit 1909 mit nur kurzen kriegsbedingten Unterbrechungen kontinuierlich befahren – auch wenn sich die Innenstadtdurchquerung seitdem mehrfach änderte. Im folgenden einige Dokumente zu dieser absoluten Ikone des Dresdner Straßenbahnverkehrs.


    Aus dem Verzeichnis der Straßenbahnlinien der Stadt Dresden von 1909 (Paul Zscharnack), nach der Linienreform. Gleichzeitig wurde die zunächst auch von der 7 befahrene Zweigstrecke nach Altcotta eingeführt.




    Detaillierte Erläuterung der Linie 7 im Linienverzeichnis der Städtischen Straßenbahn von 1929, herausgegeben wohl für das Fahrpersonal.




    Der zugehörige Fahrplan von 1929 für das „gemeine Publikum“. Bei der Linie 107 handelt es sich übrigens um eine Zwischenlinie bis zum Industriegelände, die bis 1990 in der 57 und später der E7 (jeweils ebenfalls Wölfnitz bzw. zuletzt auch Gorbitz – Industriegelände) noch jahrzehntelang bestehende „Rechtsnachfolger“ ihr Eigen nennen durfte.




    Schild für die nach Eröffnung der Gorbitzer Gesamtstrecke im Berufsverkehr dahin verlängerte Linie 7 von 1988. Die Bünaustraße heißt noch bis 1991 Otto-Franke-Straße.





    Zur 7 gesellten sich bald weitere Linien. Die seit 1909 von dieser mitbediente Zweigstrecke nach Altcotta erhielt ab 1913 die Nummer 13, ab 1922 befuhr jene Strecke die Linie 20.
    1937 erhielt die 7 ihren langjährigen Zwilling, die „8“, zunächst zwischen Wölfnitz und Hellerau, ab 1948 dann anstelle der 20 von Leutewitz über Altcotta nach Löbtau und weiter nach Hellerau. Die enge Verzahnung von 7 und 8 bestand bis 1995. Hier ein Schild der Linie 8 von 1974.





    1975 erfolgte erstmals nach 1969 die Einführung einer neuen Linie, der 15 von Wölfnitz über Hauptbahnhof nach Loschwitz. An Ausflugswochenenden verkehrte diese anfänglich sogar nach Pillnitz, wovon dieses sehr seltene Schild zeugt. Später wurde die „15“ zu einer Berufsverkehrslinie degradiert und 1983 durch die 10 abgelöst, die bis 2000 in Löbtau heimisch blieb.





    Zum Abschluss blicken wir ums Eck zum Schillingplatz und widmen uns erstmals ausführlicher dem gummibereiften städtischen Nahverkehr. Der Löbtauer Schillingplatz war bis 1998 stadtseitiger Endpunkt der Linien 82 und 90, die von hier aus die Näußlitzer Höhe erklommen. Die 82 ist mittlerweile in der 62 aufgegangen und berührt Löbtau nur noch am südlichen Rand, die 90 endet am Ebertplatz. Die große Wartehalle auf dem Schillingplatz wurde entfernt, heute erinnert nichts mehr an den einst emsigen Busendpunkt, nur wenige Schritte von der Haltestelle Bünaustraße (Otto-Franke-Straße) entfernt. Man beachte hierzu bitte auch die Anschlussangaben auf den vorher gezeigten Straßenbahnschildern!





    Die Linie 82 wurde als Linie N zunächst nur bis Altnaußlitz 1957 eröffnet. Hier der erste Fahrplan aus jenem Jahre.




    1965 gesellte sich zur mittlerweile nach Altdölzschen verlängerten ex-N, nun 82, die 90 nach Pesterwitz und bildete mit dieser bis 1998 ein unzertrennliches Pärchen. Es gab sogar Gesamtverkehrs-Fahrpläne (hier der von 1981/82)!




    Historisches Schild der Linie 90 aus der Mitte der 1970er Jahre. Für die Bus-Vorortlinien wurden oft Schilder ohne Haltestellenlisten produziert, beide Seiten waren identisch mit der eigentlichen Außenseite bedruckt. Die 82-Schilder sahen genauso aus, leider besitze ich kein solches Exemplar.




    Die letzten für die Ikarus-Busse produzierten Seitenschilder der 82 und der 90 von 1992. Nur noch wenige Jahre, dann sollte es mit der Busherrlichkeit am Schillingplatz vorbei sein…







    Zum Abschluss noch ein besonderes Stück. Nach Einführung der Nachtkombinationslinien Ende der 1970er Jahre wurde der Abschnitt Löbtau – Wölfnitz nachts nicht mehr durch Straßenbahnen befahren, denn die Nachtkombi 7/8 bog am Friedhof nach Altcotta und Leutewitz ab. Daher wurde die Linie 70 von Wölfnitz aus zur Otto-Franke-Straße verlängert, wo Anschluss an die besagte Schrägstrichlinie bestand. Damit schließt sich der Kreis, denn erstmals wieder seit dem Pferdebahnzeitalter (und zum bisher letzten Male) fungierte die Bünaustraße als regulärer Linienendpunkt. Diese Praxis wurde in den 1990er Jahren aufgegeben, außerdem fährt ja nun schon seit Jahren wieder die Linie 7 auch nächtens die Kesselsdorfer hinauf…


  • Unterwegs im Lockwitztal (Teil 1)

    Prolog


    Beschaulich geht es noch immer zu im schönen Lockwitzgrund, auch wenn die Idylle seit 2005 durch die neue Autobahnbrücke bei Lockwitz doch etwas gelitten hat. Aber versetzen wir uns zunächst noch einmal in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Als in Sachsen allerorten neue Eisenbahnstrecken aus dem Boden gestampft oder in die Felsen gesprengt wurden, da keimte auch in den verarmten Gemeinden südöstlich Dresdens die Hoffnung auf, bald in den Genuss des neuzeitlichen Verkehrsmittels zu gelangen. Niedersedlitz lag an der Böhmisch-Sächsischen Bahn und war schon seit 1848 mit einem eigenen hübschen Bahnhof gesegnet: So wäre es doch nur konsequent, hier eine Nebenstrecke Richtung Lockwitz, Kreischa und weiter ins Osterzgebirge abzuzweigen…? Vergeblich allerdings waren die Hoffnungen: 1882/83 wurde das Osterzgebirge von Hainsberg aus durch das Tal der Roten Weißeritz in schmalspuriger Form angebunden. Es bedarf wohl nicht viel Phantasie, sich die langen Gesichter der honorigen Herrschaften in Kreischa vorzustellen. Und das, wo das nett gelegene Örtchen doch gerade die ersten Sommerfrischler und Kurgäste anzuziehen begann, die man doch so schön hätte mit der Eisenbahn in Scharen aus der Residenz herbeilocken können!
    Die mussten also weiterhin äußerst mit der Postkutsche über die staubige Lockwitztalstraße herangekarrt werden, eine wenig kommode Aussicht bezüglich der Attraktivität des emporstrebenden Kurortes.


    Erneute, durchaus substanzielle Hoffnung keimte im Lockwitztal auf, als es Ende der 1880er Jahre um die Festlegung der Linienführung einer weiteren Schmalspurbahn ging, die diesmal vom Elbtal aus nach Geising-Altenberg geführt werden sollte. Pustekuchen, und der Mond schien helle: Die Königlich-Sächsische Staats-Eisenbahn sah schnell von der aus ihrer Sicht teureren und schwierigeren Streckenführung durch das Lockwitztal und über die Höhenzüge hinter Kreischa ab und baute lieber gleich durchgehend im Müglitztal. Die Gesichter der Kreischaer Honoratioren wurden noch länger und die Gesäße der Kurgäste weiter in der Postkutsche malträtiert!


    Nun gab es aber mittlerweile in Niedersedlitz einen gewissen Herrn Kummer, von dem im Vorortsbahn-Beitrag schon ausführlich die Rede war. Zu den konzessionierten Strecken seines geplanten Meterspur-Überlandnetzes gehörte auch eine Bahn durchs Lockwitztal nach Kreischa und weiter über Possendorf nach Deuben. 1895 schien die Bahnverbindung endlich zum Greifen nahe, und in der Kreischaer Verwaltung brach Jubelstimmung aus!


    Mal wieder zu früh, denn Kummer legte 1901 einen krachenden Konkurs hin und die Ausführung des Bahnprojektes verzögerte sich auf unbestimmte Zeit. Fast schien es so, als sollte die Postkutschenverbindung noch bis ins 21. Jahrhundert Bestand haben, keine schönen Aussichten für die Allerwertesten der Kreischaer Kurgäste!




    Lockwitztalbahn 1909. Die Anzahl der Haltestellen wurde im Laufe der Jahrzehnte noch stark reduziert. Ansonsten änderte sich bis zur Stilllegung der ab 1941 als Linie 31 der Dresdner Straßenbahn bezeichneten Strecke wenig an der beschaulichen Betriebsführung.



    Weitere drei Jahre strichen ins Land, dann hatten die Gemeinden des Lockwitzgrundes endgültig die Faxen dicke und nahmen das Heft des Handelns in die eigene Hand: Wenn schon die Regierung und die örtliche Privatunternehmerschaft nicht willens oder in der Lage ist, für die langersehnte Bahnanbindung zu sorgen, dann gründen wir halt einen Gemeindeverband! Gesagt, getan, und schon ging es zur Sache. Am 2. März 1906 konnte die elektrische Lockwitztalbahn schließlich mit großem Pomp eröffnet werden und über siebzig Jahre lang die Szenerie im Lockwitzgrund beherrschen. Allerdings brachte die Übernahme des Bahnbaues und -betriebes durch die Gemeinden selbst auch einige Einschränkungen: Eine Weiterführung über Kreischa hinaus musste zu den Akten gelegt werden, und überhaupt war beim Bau strikteste Sparsamkeit vonnöten. So lag die Strecke durchgehend auf der Lockwitztalstraße und mäanderte mit dieser froh durch den Grund, denn auf die Anlage teurer Bahnkunstbauten wurde wohlweislich verzichtet. Nur zwischen Niedersedlitz und Lockwitz gab es einen kurzen Bahnkörperabschnitt neben der Straße...




    Fahrplan der Lockwitztalbahn von 1912


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    Die etwa zehn Kilometer lange Begehung beginnt am Niedersedlitzer Bahnhofsvorplatz, der bereits seit 1899 von der ebenfalls meterspurigen Vorortsbahn angefahren wurde.




    Vergleichsbild. 1924 wurde die Vorortsbahn umgespurt, seitdem verkehrten die Linien 12 und 19 direkt aus der Stadt hierher.




    Auch heute noch herrscht in Niedersedlitz nahverkehrlicher Hochbetrieb, neben der Linie 6 (ex Vorortsbahn) dienen den Bahnhof nicht weniger als drei Stadtbuslinien an.




    Vergleichsbild, Postkarte aus den ersten Betriebsjahren der Bahn. Dank einer Übereinkunft mit der Vorortsbahn konnte ab Oktober 1906 ein gemeinsamer Endpunkt auf dem Bahnhofsvorplatz eingerichtet werden. Bunt durcheinander stehen hier Wagen beider Betriebe. Besonders bemerkenswert ist der kleine Postwagen der Lockwitztalbahn, heute noch im Straßenbahnmuseum Dresden zu bewundern. Durch die Umspurung der Vorortsbahn und die Anlage der noch immer fast unverändert bestehenden Gleisschleife musste der Endpunkt der Lockwitztalbahn 1924 auf die Bahnhofs-Südseite verlegt werden.




    Stadtplanausschnitt mit ursprünglicher Gleislage am Bahnhof Niedersedlitz, um 1911.




    Zu einem echten Bahnhof gehört natürlich auch ein zünftiges Bahnhofsrestaurant.




    Dessen heutiger Zustand ist eher mitleiderregend. An der Stelle des haltenden Busses wurde nach dem Krieg ein Übergabegleis mit versenkter Rampe in der Straße angelegt, über das die Wagen der Lockwitztalbahn auf stadtspurigen Transportwagen in die Hauptwerkstatt Trachenberge überführt werden konnten.




    Ein letzter Blick auf das mittlerweile ebenfalls stark heruntergekommene Empfangsgebäude des Bahnhofs Niedersedlitz.




    Bahnunterführung. Ab Beginn der 1950er Jahre wurde die Abfahrtstelle der Linie 31 unter die Brücke verlegt, um die Umsteigewege für die Fahrgäste zu verkürzen. Dafür gab es ein interessantes Betriebsregime: Die Züge setzten erst hinter dem Bahnhof um, d. h. der Triebwagen wurde abgekuppelt und über die Umfahrung an das Kreischaer Zugende rangiert. Anschließend drückte der umgesetzte Zug rückwärts (!) zur Abfahrtshaltestelle unter den Brücken. Währenddessen fuhr bereits der Folgezug in die Ausweiche hinter dem Bahnhof ein, entließ seine Fahrgäste und wartete die Abfahrt und Passage des nach Kreischa bereitstehenden Zuges ab. Dann ging es weiter wie oben beschrieben. Eine solche Prozedur wäre bei dem heutigen Straßenverkehr undenkbar.




    Lage der besagten Umsetzanlage hinter dem Bahnhof auf der Bahnhofstraße. Reste dieser waren noch bis in die 1990er Jahre vorhanden.




    Umsetzanlage, Bahnhof Niedersedlitz und Wagen der Lockwitztalbahn um 1910.




    Gleiche Situation heute, seit Ende 1977 ohne Straßenbahn.




    Direkt neben der Umsetzstelle findet man dieses Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs.




    Ein kurzer Seitenblick zum Bussektor. Ab 1964 kreuzte hier die Buslinie 88, bis 2000 eine reine Berufsverkehrslinie mit nur sehr wenigen Fahrten früh und nachmittags.




    Für uns geht es nun weiter in die Bahnhofstraße. Das in Richtung Kreischa stets rechts liegende Streckengleis war ebenfalls noch lange nach der Wende vorhanden und verschwand ebenso wie die letzten Oberleitungsmasten bei der grundhaften Sanierung der Straße.




    Das verfallene Gebäude des Gasthofes Niedersedlitz an der Bahnhofstraße.





    Vergleichsbild. Deutlich sind die Bahnanlagen auszumachen.




    Drewag-Häuschen über dem Lockwitzbach.




    Voraus die Niedersedlitzer Dorfstraße. Die Bahn bog links in die Lockwitztalstraße ein.




    Hinter der Kurve lag bereits in der Lockwitztalstraße die erste Zwischenhaltestelle der Linie 31, Dorfstraße. Wir werden uns im folgenden auf die Haltestellen und Namen beziehen, die bei Stilllegung 1977 vorhanden waren. Bis heute hat sich übrigens wenig an deren Lage und Bezeichnungen geändert.




    Vergleichsbild. Die Situation ist noch heute sehr gut nachvollziehbar.




    Noch immer als Bushalt vorhanden: Haltestelle Dorfstraße.




    Lugaer Straße mit Lockwitzbach, der hier auf einer Brücke überquert wird. Hinter dem Bach die Bahnhofsstraße vom Bahnhof Niedersedlitz kommend.




    Blick zurück zur Kreuzung, von rechts kam die Bahn.




    Dörfliche Vorstadtidylle in der Lockwitztalstraße. Niedersedlitz gehört erst seit 1950 zu Dresden.




    An der nächsten Haltestelle, einst Lockwitztal-Apotheke.




    Häuser in der Lockwitztalstraße, Höhe Bedrich-Smetana-Straße.




    Kurz darauf schwenkte die Strecke rechts neben die Straße auf einen eigenen Bahnkörper, der noch immer hervorragend zu erkennen ist.




    Und nicht nur das: An einer Wegüberführung liegt doch tatsächlich vierzig Jahre nach Betriebseinstellung noch ein Gleisrest! Auf dem Bahnkörper waren offensichtlich Vignolschienen der Eisenbahn verbaut und nicht die straßenbahntypischen Rillenschienen.





    Blick hinüber Richtung Luga.




    Ein weiterer Gleisrest auf dem Bahnkörper.




    Wir erreichen Lockwitz. Bis zur Eingemeindung 1930 lag die Lockwitztalbahn komplett außerhalb des Dresdner Stadtgebietes.




    Lockwitztalstraße, Blick zurück nach Niedersedlitz, linkerhand der Straße der eigene Bahnkörper der Straßenbahn.




    Ende des Bahnkörpers im Lockwitzer Niederdorf. Direkt im Anschluss lag die sogenannte „Bambergweiche“, an der wir erst einmal auf den Gegenzug warten.


  • Unterwegs im Lockwitztal (Teil 2)

    Zum Auftakt des zweiten Teils die Streckenführung und die Haltestellen der Lockwitztalbahn 1969. Sie blieb bis zur Stilllegung und darüber hinaus auch in den ersten Jahren des Busersatzes (Linie 96) unverändert.




    Die „Bambergweiche“, benannt nach einem ortsansässigen Doktor, war die erste Ausweiche seit dem Niedersedlitzer Bahnhof, deren Reste sich deutlich unter dem Asphalt abzeichnen. Es ist dies der längste Gleisrest der Lockwitztalbahn. Eine offizielle Haltestelle gab es hier zuletzt nicht mehr, die Ausweiche wurde nur für Zugbegegnungen genutzt.






    Begegnung mit einer 89, die seit 2009 den Abschnitt Niedersedlitz – Lockwitz der Lockwitztalbahn befährt.




    Im Niederdorf, historische Postkarte.




    Bis zur Haltestelle Altlockwitz sind das Streckengleis und dessen Pflasterung unter der Schwarzdecke noch vorhanden und deutlich sichtbar.





    Haltestelle Altlockwitz. Hier bestand Übergang zur Linie 72. Links angeschnitten der Untere Gasthof, von dem ich warum auch immer kein Bild gemacht habe. Leider.




    Daher wieder ein Seitenschwenk zum Kraftomnibus: Linienschild der 72 aus der Mitte der 1970er Jahre. Deutlich erkennbar wurde die „31“ am Anschluss Altlockwitz entfernt und durch die Busersatzlinie 96 ersetzt.





    Kreuzung Dohnaer Straße. Weiter ging es durch das enge Altlockwitz zum Lockwitzer Plan.




    Blick zurück zur Kreuzung. Rechts angeschnitten der Gasthof.




    Wahrlich eng geht es noch immer zu im alten Lockwitzer Dorfkern. Wie fast in allen Dresdner Dorfkernen wurde auch hier mittlerweile „kandelabert“.




    Die Vergleichspostkarte zeigt den Gleisverlauf. Im Hintergrund der Turm der Lockwitzer Kirche.




    Impressionen aus dem Lockwitzer Dorfkern. Vergleichsweise viele Häuser sind noch unsaniert.






    Historische Postkarte mit dem Chor der Lockwitzer Kirche, an der sich rechts das meterspurige Streckengleis unserer Bahn vorbeischlängelt.




    Dieselbe Situation heute. Viel hat sich nicht geändert.




    Der Bus der Linie 86, Nachfolgerin der 96 seit 2009, zeigt augenscheinlich die Enge des Abschnitts. Die Linie 86 wird, obwohl eine auf die DVB lizensierte Stadtbuslinie, seit geraumer Zeit ausschließlich vom RVD gefahren, teilweise in Kombination mit der Freitaler Linie F und der Regionalbuslinie 386. Die Straßenbahnwagen waren übrigens dreißig Zentimeter schmaler…




    An einer Giebelwand findet sich dieser originale Wandkandelaberfuß, leider heute ungenutzt.




    Blick zurück von der Kirche durch Altlockwitz. Die Postkarte zeigt unsere Gaslaterne rechts noch in Benutzung, vor allem aber auch die Gittermasten der Oberleitungsanlage. Wandrosetten waren auf der Lockwitztalbahn unüblich.




    S-Kurve um den Chor der Lockwitzer Kirche.




    Dorfidyll mit elektrischer Gaslaterne, unsaniertem Haus mit gewalmtem Satteldach und fehlendem historischen Straßenschild, das aber üb er dem Zusatzschild deutliche Abdrücke hinterlassen hat.





    Die im Kern mittelalterliche Lockwitzer Schlosskirche, ihre aktuelle Gestalt geht auf einen barocken Umbau von 1699 bis 1703 zurück. Der Turm war zur Wendezeit akut einsturzgefährdet und wurde in jahrelanger Kleinarbeit restauriert.






    Direkt an den Turm angebaut wurde das mehrfach umgebaute Lockwitzer Schloss, das nach Übernahme durch den Freiherrn von Kap-herr 1866 spätklassizistisch umgebaut wurde.





    Vergleichsbild auf einer Brück-und-Sohn-Postkarte.




    Portal der Schlosskirche.




    Turm-Detailaufnahmen.





    Hatte ich gerade eben geschriebselt, Wandrosetten waren bei der Lockwitzgrundbahn unüblich? Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Offensichtlich hatte man sich nicht getraut, direkt vor das barocke Kirchlein einen Gittermast zu pflanzen.




    Die Linie 89 bedient heute den nördlichen Abschnitt der Lockwitztalbahn zwischen Lockwitz und Niedersedlitz und fährt teilweise weiter nach Borthen und Röhrsdorf. Den Rest übernimmt zwischen Altlockwitz und Kreischa die 86, bzw. 86/F/386. Man sollte beim VVO mal dringend über die Struktur und Sinnhaftigkeit der Linienbezeichnungen nachdenken…




    Gegenüber der Kirche. Hübsch drapierte landwirtschaftliche Geräte auf dem Plan.




    Haltestelle Am Plan. Die hiesige Ausweiche lag noch nach der Jahrtausendwende und ist mittlerweile leider auch verschwunden. Am Plan gab es Übergang zu den aus der Stadt kommenden Linien 76 und 85 und zur „Dorflinie“ 87. Was nun kommt, dürfte klar sein. Aber erst im nächsten Teil.


  • Unterwegs im Lockwitztal (Teil 3)



    Zum Einstieg in Teil 3 gibt es mal wieder einen Ausflug zum Omnibussektor. Es wird der letzte sein, denn ab nun bewegte sich die 31 in anschlussfreien Gefilden, zumindest was den Dresdner Stadtverkehr anbelangt.



    Linienschild der 85, Anfang der 1970er Jahre. Noch kann man Am Plan in die 31 umsteigen.





    Linienschild der 76 von 1992. Kurzzeitig hieß die Haltestelle „Am Plan“ einfach „Lockwitz“.





    Und die 87 aus der Mitte der siebziger Jahre. Alle Haltestellen sind auf der Vorderseite des Schildes vermerkt. Es gab nämlich nur drei!




    Heutiges Haltestellenschild mit dem Sammelsurium der dort verkehrenden Buslinien. Eine fahrgastfreundliche Liniensystematik sollte so sicher nicht aussehen…




    Sparkassengebäude am Plan. Man beachte die sorgfältig sanierte historische Inschrift!





    Ein letzter Blick auf den dörflichen Nahverkehrsknoten Am Plan.




    Wir biegen wie weiland die Straßenbahn in die Tögelstraße ein und queren dabei den Lockwitzbach.





    Die Lockwitzer Wettersäule mit dem berühmten Frosch auf der Spitze stammt original von 1913. Zur bewegten Geschichte des hübschen kleinen Bauwerks bitte ich die untenstehend abgelichteten Schrifttafeln zu konsultieren.







    Quak!




    Tögelstraße, das rechte Haus stammt im Kern aus dem 17. Jahrhundert.




    Blick in die Tögelstraße, die die Bahn in ihrem weiteren Verlauf nahm.




    Pfarramt der Schlosskirche in der Tögelstraße.




    Kreuzungsbereich Am Galgenberg/Tögelstraße/Am Hofegarten. Die Bahn bog nun scharf nach links. Die vielen Kurven auf der Strecke waren ein Grund dafür, dass die ersten Wagen der Bahn mit eher ungewöhnlichen Einachs-Drehgestellen geliefert wurden. Heute noch zu bewundern beim Triebwagen 9, der nach der Stilllegung den Weg zur Kirnitzschtalbahn gefunden hat.




    Am Galgenberg, Blick in Richtung Lockwitzgrund.




    Schönes Sanierungsergebnis beim Dreiseithof Tögelstraße 11.




    Blick zurück zur Engstelle am Galgenberg.




    Haltestelle Am Galgenberg. Die platzartige Erweiterung hieß bis zur Eingemeindung 1930 Jacobsplatz.




    Emmrichs Gasthof am Jacobsplatz musste schon mehrere Besitzer- und Namenswechsel über sich ergehen lassen. Aktuell zeigt er sich mal wieder herrenlos. Die Schließung der meisten Gasthöfe im Lockwitztal führte seit den 1960er Jahren zu dramatischen Fahrgastrückgängen im Wochenendverkehr – auch ein Grund für die Einstellung der Bahn 1977.





    Von nun an bewegen wir uns bis Kreischa hochoffiziell im Lockwitzgrund, oder auch Lockwitztal genannt. Wir verwenden beide Bezeichnungen gleichwertig.




    Blick zurück zur Haltestelle „Am Galgenberg“ und den ehemaligen Jacobsplatz.




    Vorbei geht es nun am Sportplatz des BSV Lockwitzgrund.




    „Scharfe Ecke“, einst ein beliebtes Restaurant. Nicht minder begehrt waren die selbstgebrannten Liköre, so dass hier zu Beginn des Bahnbetriebes sogar eine Haltestelle existierte.




    Vorläufer der Bahn war die gute alte Postkutsche. Kaum zu glauben, dass diese vorsintflutlichen Vehikel für die Gemeinden des Lockwitzgrundes bis 1906 tatsächlich das einzige öffentliche Verkehrsmittel darstellten! Hier sehen wir die schwer bepackte Post vor der „Scharfen Ecke“. Ob der Kutscher auch Lust auf die Fabrikate der hiesigen Spirituosenfertigung verspürte?




    Und so trist und nichtssagend zeigt sich die „Scharfe Ecke“ heute. Nichts zeugt mehr von der alten gastronomischen Herrlichkeit!




    Noch einmal der Sportplatz des BSV. Er besitzt die Besonderheit, dass der Strafraum fast bis zur Seitenlinie reicht. Da sind bei Ecken wahre Kunstschüsse gefragt!




    Direkt neben dem Sportplatz lag die Kelterei Lockwitzgrund, ehedem Donaths Obstkelterei, auch ein beliebtes Ausflugslokal. Bis nach der Wende wurden hier die bekannten „Lockwitzgrund“-Obstsäfte produziert. Natürlich darf ein Wagen des zeitgenössisch modernsten Verkehrsmittels nicht fehlen!




    „Unterirdische Welten“ neben dem Firmengelände, ehemalige Lagerkeller der Kelterei.





    Das angebotene Programm ist nun wahrhaft unterirdisch! Grusel…




    Blick von droben auf die Haltestelle „Kelterei“, ehedem „Kelterei Lockwitzgrund“. Auch Haltestellenschilder lassen sich idyllisch in Szene setzen!




    Von der ehemaligen Kelterei ist nur noch das Hauptgebäude erhalten, leider aber hinter dichtem Bewuchs infotografabel versteckt. Zum Abschluss des dritten Teils daher ersatzhalber ein Etikett eines der berühmt-berüchtigten Lockwitzgrund-Produkte.





    Im folgenden verlassen wir die Gefilde der Stadt Dresden. Die Fortsetzung des Themas ist daher hier zu finden.

  • Der 26er Ring (Einleitung)

    Seit 17 Jahren ist die Straßenbahnlinie mit der legendären Nummer 26 Geschichte, und doch lebt sie im kollektiven Gedächtnis der Stadt fort. Jeder Dresdner kennt den „26er Ring“, der sich nahezu kreisförmig um den Stadtkern zieht und diesen von den inneren Vorstädten trennt. Und den meisten
    dürfte bekannt sein, dass der Ringstraßenzug seinen volkstümlichen Namen von jener legendären Straßenbahn-Ringlinie bezieht.


    Es ist also nur konsequent, der Linie 26 eine eigene Beitragsreihe in diesem Strang zu widmen. Wegen des Umfangs der Aufgabe, der Menge der zu verarbeitenden Informationen und der Fülle an grafischem Material, wie meist aus eigener Produktion, werde ich diese in bisher ungewohnter Weise gliedern. Der allgemeine Informationsteil wird auf die einzelnen Beiträge verteilt, und den zu folgenden Straßen stelle ich in ihrer Abfolge jeweils die zugehörige Straßengrafik aus dem Häuserbuch des Adressbuches von 1927/28 voran.



    Historische Genese des 26er Ringes mit durchfahrenen Straßen. In Gelb der eigentliche Ring, farbig abgesetzt die ursprüngliche Streckenführung im Osten und die Verlegungen der Nachkriegszeit.



    ---


    Widmen wir uns im einleitenden Teil zunächst der sehr interessanten und abwechslungsreichen Vorgeschichte unserer Linie 26.


    Am 2. Mai 1896 eröffnete die Deutsche Straßenbahn-Gesellschaft in Dresden ihre elektrische Linie vom damaligen Böhmischen Bahnhof, der gerade dem Neubau des Hauptbahnhofes wich, zu den Neustädter Bahnhöfen, dem Schlesischen und Leipziger Bahnhof. Dabei wurde folgende Strecke befahren: Wiener Straße - Gellertstraße - Lennéstraße - Ausstellung - Grunaer Straße - Kaulbachstraße - Cranachstraße - Holbeinplatz - Schulgutstraße - Ziegelstraße - Lothringer Straße - Sachsenplatz - Albertbrücke - Glacisstraße – Bautzner Straße - Albertplatz - Antonstraße bis zum Endpunkt am Schlesischen Bahnhof.


    Damit wurde bereits die komplette Osthälfte des Ringes so befahren, wie sie bis 1928 Bestand haben sollte. Auffällig ist die Abweichung von der eigentlichen Ringstraße zwischen Stübelplatz und Sachsenplatz durch die heute nicht mehr existenten Kaulbach- und Cranachstraße; die Eliasstraße, heute Güntzstraße, blieb zunächst straßenbahnfrei. Offenbar wollte man das höhere Fahrgastpotential in der damals engstens bebauten und dicht bevölkerten Pirnaischen Vorstadt noch besser von der gelben Konkurrenz, die bereits seit über einem Jahrzehnt die großen Arterien in Richtung Innenstadt befuhr, abschöpfen. Da nahm man auch in Kauf, in den sehr engen Straßenzügen mit dem übrigen Verkehr in Konflikt zu geraten.


    1900 wurde als Vorläuferin der Westhälfte der späteren Ringbahn eine neue elektrische Linie vom Wettiner Bahnhof durch die Könneritz- und Ammonstraße zum Plauenschen Platz und weiter über die Hohe Brücke, Bismarck- und Strehlener Straße zur Ackermannstraße in Betrieb genommen. Die Freigabe der Marienbrücke für den Straßenbahnverkehr erlaubte Ende 1901 die Zusammenlegung der beiden Linien zu einer recht merkwürdigen Konstruktion, die ab nun einen offenen Ring vom Hauptbahnhof (Endpunkt in der Wiener Straße in Höhe des späteren KVG-Busbahnhofes am Ostbau, die Gleise der gelben Konkurrenz wurden noch nicht gekreuzt) über den Ostring zum Neustädter Bahnhof, weiter über den Westring und die Hohe Brücke südlich des Hauptbahnhofes zur Ackermannstraße befuhr. Schon 1904 erfolgte die Verlängerung den Berg hinauf nach Zschertnitz, ein Jahr später die Bezeichnung als Nummer 26.



    Beschilderung der Linie 26 bis zum Ende der 1920er Jahre.




    Fahrplan der Linie 26 von 1908, noch als offene Ringlinie vom Hauptbahnhof nach Zschertnitz.[i]



    Als äußerst wichtig für das weitere Schicksal der Linie sollte sich das Jahr 1909 erweisen: Durch die Übernahme des Straßenbahnverkehrs durch die Stadt wurde die ursprüngliche Trennung von rotem und gelbem Netz nach und nach aufgehoben. Nach Einbau einer Kreuzung auf dem Wiener Platz konnten die Wagen nun direkt von der Wiener Straße über die bestehenden ehemals gelben Gleise der alten Linie 7 zum Plauenschen Platz gelangen und die 26 wurde zu einer echten Rundbahn, die den Ring in beiden Richtungen befuhr. In dieser Form bestand sie mit einigen kurzen Unterbrechungen bis zum Jahr 1948.



    [i]Linie 26 1908 noch als offene Ringlinie und nach der Linienreform 1909. Man beachte die Vielzahl der Haltestellen!




    Fahrplan der Linie 26 von 1910, nun als geschlossener Ring.

  • Der 26er Ring (Teil I)

    Erstes Kapitel: Vom Albertplatz zum „Stadt Metz“




    Unseren Rundgang beginnen wir am Albertplatz und betrachten ehrfurchtsvoll das zum Simmel-Tower mutierte Paulicksche Hochhaus von 1929. Zunächst als Sitz der Sächsischen Staatsbank erbaut, beherbergte das nach der Zerstörung wieder aufgebaute Gebäude jahrzehntelang den Firmensitz der Dresdner Verkehrsbetriebe. Die meisten Eingeborenen nennen es daher nach wie vor das „Verkehrsbetriebe-Hochhaus“ . Auf der Postkarte kreuzt in Bildmitte eine Linie 26, leicht zu erkennen an dem voluminösen Linienverlaufsschild an der Dachkante. Auf dem Oberlicht waren Ende der 20er Jahre oft mächtige Werbetafeln untergebracht, denn um die Finanzen des städtischen Straßenbahnbetriebes stand es nicht zum Besten. Links im Bild befährt ein Büssing-Hochrahmenbus der Städtischen Straßenbahn die Mittelfahrbahn des Albertplatzes, heute den Straßenbahnen vorbehalten. Die Linienkennzeichnung ist nicht zu identifizieren, aber es muss sich um eine A, E oder J handeln.




    Gleicher Blick heute. Durch den Abriss der Seitenflügel und deren Ersatz durch die merkwürdigen Flachbauten ging leider ein gehörig Maß an Urbanität flöten.




    Hochhaus von der Ringhaltestelle am Albertplatz gesehen. Von der Schmalseite wirkt es ohne Seitenflügel, als würde es gleich umfallen.




    Historischer Vergleich. Die großen Bürgerhäuser an der Nordseite des Platzes und am Hochhaus in der Königsbrücker Straße überstanden den Krieg nicht.




    Nordseite des Albertplatzes heute und damals. Von den prächtigen Jugendstilbauten überlebten Reste der Erdgeschosszone bis zum Neubau der Plattenzeile Mitte der 1980er Jahre.





    Hochhaus aus ungewohntem Blickwinkel und Artesischer Brunnen.




    Ringhaltestelle am Albertplatz und der Beginn der Bautzner Straße. Prominent im Bild das Eckhaus zur Alaunstraße…




    …das sich auf dieser historischen Postkarte hinter der vernichteten Nordbebauung des Albertplatzes versteckt. Die Ringhaltestelle existiert hier noch nicht, sie wurde erst in den 1920er Jahren eingerichtet. Zuvor hielten die Bahnen mitten auf dem Platz!




    Brunnentempietto des Artesischen Brunnens von Hans Erlwein, 1906. Die Rekonstruktion des kriegszerstörten Tempelchens erfolgte 1991.




    Die historische Postkarte zeigt die Gegenansicht des Brunnens und das rege Treiben auf dem Platze dahinter.




    Untrennbar verbunden mit der Geschichte des Albertplatzes und der Antonmstadt ist der Name Erich Kästners, der hier als kleiner Junge mit Vorliebe das großstädtische Treiben beobachtete. Das Kästnerdenkmal an der Nordseite des Platzes entstand Ende der 1980er Jahre (Wolf-Eike Kuntsche).






    Wir verlassen den Albertplatz und schauen uns hier am Ende der Reise noch einmal um. Weiter geht es über die Antonstraße am 2000 in der rekonstruierten „Villa Augustin“ eröffneten Erich-Kästner-Museum vorbei zum Bahnhof Neustadt.




    Antonstraße, Blickrichtung Neustädter Bahnhof. Die Antonstraße war Teil des Neustädtischen Environweges außerhalb der Festungsanlage, dem der 26er Ring auf Neustädter Seite übrigens vollständig entspricht.




    Hier finden sich noch immer zahlreiche kleine biedermeierliche Häuschen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Antonstraße 8 von Gottlob Friedrich Thormeyer, 1825.




    Wir befinden uns an der Kreuzung mit der Erna-Berger-Straße, vordem Querallee. Bis Anfang der 1920er Jahre gab es hier, nur einen Steinwurf vom Neustädter Bahnhof entfernt, eine Zwischenhaltestelle.




    Antonstraße am Schlesischen Platz mit Blick auf den Neustädter Bahnhof. Mit ihm fand 1901 die Umgestaltung der Dresdner Eisenbahnanlagen ihren Abschluss.




    Straßenbahnhaltestelle „Bahnhof Neustadt“ mit dem kurz vor dem Ersten Weltkrieg 1912 bis 13 erbauten Hansa-Haus, ehemals ein Hotel.




    Klassischer Blick auf den Neustädter Bahnhof aus der Hansastraße, die hier in Richtung Elbe abbiegt.




    Identisches Postkartenmotiv mit dem gerade erst eröffneten Bahnhof. Das Bild ist vor 1905 entstanden, denn der vom Wilden Mann kommende rote Wagen trägt noch den gelben Stern der späteren Linie 6 als Liniensymbol.




    Einmal ums Eck gebogen, und schon kommt das Wägelchen als Linie 6 daher! Die 6 war wie die 26 eine rote Linie und folgte ihr bis zum Abzweig in die Ostra-Allee. Dies war kein Problem, handelte es sich doch wie bei der Rundbahn um eine „rote“ Linie.




    Die klassizistische Antonstraße 29 von 1840.




    Die anschließende Häuserzeile entstand zur gleichen Zeit.




    Antonstraße 33. Der heutige „Bayerische Hof“ hat eine lange Tradition als Hotel. So firmierte es schon unter den Namen Hotel Bundeshaus, Hotel Royal oder auch Hotel Reichshof.





    Blick zurück Richtung Neustädter Bahnhof mit der klassizistischen Häuserzeile Antonstraße 31 bis 35.




    Wir sind fast am „Stadt Metz“ angelangt. An der Anton-/Ecke Kaiserstraße (Robert-Blum-Straße) befand sich einst eine Dapolin-Station im zeitgenössischen sachlichen Stil der späten zwanziger Jahre.




    Heute wird das Grundstück zum Teil durch ein in den 1990ern entstandenes Bürogebäude eingenommen.




    Am „Stadt Metz“. Das Eckhaus fehlt, die erhaltene Erdgeschosszone beherbergte bis vor Kurzem die örtliche Niederlassung einer bekannten Lust-und Liebeskette in Eigentümerschaft einer Dame mit recht aufgepumptem Dekolleté und ebensolchen Lippen.




    Vorkriegsvergleich. Das Eckhaus böte sich für eine Rekonstruktion an.




    Wir verlassen die Antonstraße und blicken entlang der Hochgleisanlagen zurück Richtung Neustädter Bahnhof.




    Postkartenmotiv aus leicht versetzter Perspektive. Bis auf die ausgebaute Straße mit nunmehr eigenem Gleisbett hat sich hier nur wenig verändert.




    Blick in die Robert-Blum-Straße, vormals Kaiserstraße, noch vormals Teil der vom Weißen oder Leipziger Thore kommenden Leipziger Chaussee, die, zur Straße profaniert, heute erst in der Brückenunterführung beginnt.




    Im nächsten Kapitel wechseln wir die Elbseite und begeben uns zum Wettiner Bahnhof.

  • Der 26er Ring (Teil II)

    Zweites Kapitel: Vom „Stadt Metz" zum Wettiner Bahnhof



    Geschichtliche Vorbetrachtungen


    Nur eine größere Änderung sollte sich für die Linie 26 während ihres langen ersten Lebens ergeben. Im Jahre 1928 gab man die verkehrstechnisch sehr problematische Streckenführung durch die Pirnaische Vorstadt auf und verlegte die Rundbahn auf die Eliasstraße. Damit war der eigentliche „26er Ring“ geboren, denn ab nun befuhr die 26 durchgehend den Ringboulevard um die innere Stadt. Wir werden hierauf an geeigneter Stelle noch einmal näher eingehen.



    Linie 26 noch mit der alten Streckenführung 1926 und nach Verlegung auf die Eliasstraße 1928. Der „26er Ring“ war geboren. Man beachte die erhebliche Ausdünnung der Haltestellen im Vergleich zur Zeit vor dem Ersten Weltkrieg.




    Werktagsfahrplan der Linie 26 von 1929.


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    Für uns geht es weiter am „Stadt Metz“, wo wir von der Ringhaltestelle „Anton-/Leipziger Straße noch einmal die Antonstraße entlang zum Neustädter Bahnhof blicken.




    Wir queren mit der Marienbrücke die älteste der Dresdner Elbbrücken, errichtet 1846 bis 1852 als kombinierte Eisenbahn- und Straßenbrücke. Erst der Bau der parallelen Eisenbahnbrücke direkt stromabwärts ermöglichte 1901 die Verlegung eines Straßenbahn-Doppelgleises über die Brücke und damit den Bau der Verbindungsbahn Neustädter Bahnhof – Wettiner Bahnhof, die den Nordwestabschnitt des Innenstadtringes bildet. In Höhe des Fotografierenden befand sich bis Anfang der 20er Jahre die Haltestelle „Nach dem Kaiser-Wilhelm-Platz“, selbiger, also der heutige Palaisplatz, war von hier aus über einen kurzen Fußweg entlang der sogenannten Kleinen Marienbrücke erreichbar. Direkt auf den besagten Platz schaffte es die „Rote“ nie, denn dort hatte sich schon Jahre vorher die „gelbe“ Konkurrenz breitgemacht!




    Die Linie 6 hat seit 1995 bzw. 2000 von der 26 die Bedienung des Nordabschnittes des Ringes übernommen und kann daher als legitime Rechtsnachfolgerin derselben gelten.




    Blick durch das rekonstruierte Brückengeländer auf die Altstadt. Die Unsitte der Liebesschlösser hat auch hier um sich gegriffen. Vermutlich werden sich die Schlösser als deutlich haltbarer erweisen als die durch sie symbolisierten amourösen Verbindungen...




    Eines der klassischen Dresden-Motive und immer wieder atemberaubend: Altstadtsilhouette von der Marienbrücke gesehen. Dieser Anblick entschädigt für so manches Elend, was wir auf der weiteren Tour noch über uns ergehen lassen müssen.




    Neue Terrasse mit Bebauung des Theaterplatzes, Sächsischem Landtag, Erlweinspeicher und Kongresszentrum. Eine wie ich finde durchaus gelungene Fortsetzung der historischen Dresdner Elbfront.




    Hinter der Eisenbahn-Marienbrücke erhebt sich majestätisch die Yenidze.




    Überfahrt über das Ostra-Ufer, das im Hintergrund auf die Devrientstraße mündet. Im Bild das Kongresszentrum und das Maritim-Hotel im ehemaligen Städtischen Speicher, Hans Erlwein 1913/14.




    Hebestelle für den Brückenzoll an der Marienbrücke/Devrientstraße 20. Nicht zum ersten und letzten Mal defigurieren die brachial ohne jedes ästhetische Empfinden in die Stadtlandschaft gewuchteten technischen Verkehrsanlagen die Szenerie empfindlich. Da ist man früher wirklich mir deutlich mehr Feingefühl zu Werke gegangen…




    Zeit für etwas Straßenschilderkunde. Am Hebestellenhäuschen findet sich dieser emaillierte Vertreter in Sans-Serifen-Ausführung, vermutlich aus den ersten Nachkriegsjahrzehnten. Später wurden die Schilder flach.




    In meiner privaten Sammlung findet sich dieser Vertreter von der Devrientstraße. Das Schild ist zwar noch in traditioneller Type erstellt, wie sie seit Mitte des 19. Jahrhunderts üblich war, zeigt aber bereits die reformierte Orthographie. Ein älterer Vertreter hätte entweder „Devrient-Str.“ oder „Devrient-Strasse“ offenbart. So lässt sich das Schild mit ziemlicher Sicherheit auf das Ende der zwanziger Jahre datieren.




    Die 1909 bis 1912 von Martin Hammitzsch für den Cigaretten-Fabrikanten Hugo Zietz errichtete Yenidze ist heute eine herausragende Dresdner Landmarke. Doch schon damals bedrohte offensichtlich die schleichende Islamisierung den gesellschaftlichen Frieden in der sächsischen Residenz, und Vorläufer der selbsternannten Retter des Abendlandes schrien Zeter und Mordio ob dieser muselmanischen Verunstaltung des deutschen Stadtbildes. Salem Aleikum!





    Postkartenmotiv des mächtigen Gebäudes mit der Zufahrt zur Marienbrücke im Vordergrund. Ein kleiner roter Wagen schickt sich an, die Elbe in Richtung Neustadt zu queren. Die Form des seitlichen Dachschildes lässt vermuten, dass es sich nicht um eine 26, sondern eine 6 handelt.





    Haltestelle Kongresszentrum. Bis 2002 fuhren die Bahnen hier durch, in der Anfangszeit gab es an gleicher Stelle eine Haltestelle Marienbrücke/Ecke Ostra-Allee.




    Wir haben also die Ecke zur Ostra-Allee erreicht. Die enge gründerzeitliche Bebauung der Vorkriegszeit wich in Teilen einer durchgrünten und großzügigen Stadtplanung aus den 1960ern, die sich hier allerdings mit dem Haus der Presse in durchaus angenehmer Form präsentiert. Da gibt es diesbezüglich wahrlich viel schlimmere Ecken, wie wir noch sehen werden.



    Blick in die seit längerem durchgehend breit ausgebaute Könneritzstraße. Den nächsten Kilometer werden wir den Hochgleisanlagen des westlichen Ringes folgen.




    Bis Ende der 1980er Jahre allerdings bestand hier, am Eingang zur Könneritzstraße, eine penible Engstelle. Das Eckgebäude wurde ein Opfer der Bombe, die Häuserzeile dahinter mit dem Eckhaus zur Maxstraße verschwand erst in der Endphase der DDR. (Deutsche Fotothek)






    Könneritzstraße, Blick nach Süden. In unmittelbarer Nähe des heutigen Bahnhof Mitte haben sich einige große Gründerzeitler erhalten.




    So das sehr markante Eckgebäude zur Ritzenbergstraße, die direkt vom Ring zum Schützenplatz führt. Der mächtige Gründerzeitler entstand in den 1890er Jahren.




    Art’otel an der Maxstraße/Könneritzstraße. Die Haltestelle Maxstraße auf dem Ring wurde nach 101 Jahren Existenz 2002 aufgelassen. Die aus der Friedrichstraße unter der Bahn gerade in die Maxstraße kreuzende Strecke wird heute linienmäßig nicht mehr befahren und stammt von einer der ersten „roten“ Pferdebahnlinien, der 1890 in Betrieb genommenen Verbindung Friedrichstraße – Striesen (spätere Linie 2).




    Interessanter Blick aus den Bahnbögen auf die Gründerzeitler an der Könneritzstraße, die hier eine Illusion von Großstadt vermitteln. Ansonsten prägen nach wie vor zahlreiche Brachen die Gegend.




    Eckhaus Könneritzstraße/Laurinstraße.




    Einblick in die Laurinstraße, im Hintergrund das Gewerkschaftshaus am Schützenplatz.





    Könneritzstraße, Blick zurück Richtung Marienbrücke.




    Könneritzstraße/Ecke Jahnstraße.




    Einmündung der Jahnstraße vor der Zerstörung. Der große Klinkerbau ersetzt die Häuser zur Rechten, linkerhand wird das anstehende Nöfer-Projekt den Blockrand wieder schließen und dabei auch das prächtige Gründerzeit-Eckhaus ersetzen, an dem ganz links die Moritz-Kloß-Straße einmündete (zur Zeit überbaut).




    Bahnunterführung Jahnstraße. Erst seit 2002 gibt es die Gleisverbindung mit der neuen Haltestelle Bahnhof Mitte (Ost-West-Verbindung).




    Blick auf den Bahnhof Mitte mit der Ringhaltestelle, heute nur noch durch die Linie 6 bedient. Seit Anfang der 2000er verfügt die ehemalige Haltestelle Wettinerstraße (auch Wettiner Bahnhof genannt) wenigstens wieder über eine Bahnsteigbedachung. Hochtrabende Pläne aus den 1990ern zur Wiederherstellung einer richtigen Hallenkontruktion zerschlugen sich, leider.





    Die mächtige Bahnhofshalle von 1897 diente ausschließlich dem Vorortverkehr der Staatsbahn und entstand nach Vorbild der Stationen an der Berliner Stadtbahn. Trotz Kriegszerstörungen war die Halle strukturell weitgehend intakt und wurde dennoch 1953 abgerissen. Nur der Nordwestpfeiler (nicht im Bild) überlebte, da sich in ihm der Schornstein der Bahnhofsheizanlage befand.




    Mit diesem Bild des Wettiner Bahnhofs, aufgenommen wohl aus einem Haus an der Wettinerstraße (heute Schweriner Straße), verabschiede ich mich für heute. Die weiteren Teile folgen in Kürze.


  • Der 26er Ring (Teil III)

    Drittes Kapitel: Vom Wettiner Bahnhof zur Falkenbrücke



    Geschichtliche Vorbetrachtungen




    Der Winterfahrplan 1942 zeigt bereits die kriegsbedingten Einschränkungen, besonders im Nachtverkehr. Die 26 war wegen ihrer großen Bedeutung im Verkehrsnetz allerdings weit weniger von den umfangreichen Taktausdünnungen betroffen als andere Linien.



    Die Not der Nachkriegszeit sollte die gute alte 26 nur kurz überstehen. Zunächst pendelte sie durch die endlosen Ruinenfelder des Stadtkerns vom Wettiner Bahnhof über den Südring zum Sachsenplatz, denn die Elbbrücken waren in den letzten Kriegstagen gesprengt worden. Nach deren Wiederherstellung konnte ab 1946 der Vollring wieder in seiner Vorkriegsform befahren werden.
    Dieser bot auch zunächst die einzige Möglichkeit, den Hauptbahnhof zu erreichen, denn die Strecke durch die Prager Straße und die Reichsstraße nach Südvorstadt konnte erst 1947 wieder fahrfähig hergerichtet werden.


    Wegen der Stilllegung der meisten Innenstadtstrecken zur Materialgewinnung verkehrten nun zahlreiche Linien, die früher die Innenstadt direkt durchquerten, über den peripheren Ring. Sie doppelten somit abschnittsweise die durchführende Rundbahn, die daraufhin Anfang 1948 eingestellt wurde. Somit erlebte die 26 schon nicht mehr die Stilllegung der Glacisstraße 1949, deren Gleise ebenfalls dringend für Reparaturarbeiten im Streckennetz benötigt wurden. Bis heute ist dies der einzige Streckenabschnitt des 26er Ringes, der nicht mehr existiert, lässt man die Gleisverlegungen im Südwestring außen vor. Als Ersatz nutzte man die parallele Hoyerswerdaer Straße und baute die Kurve an der Bautzner/Rothenburger Straße ein, heute von der Linie 6 befahren. Die meisten denken daher, die besagte Kreuzung gehöre zum „26er Ring“. In Wahrheit aber führt dieser direkt durch die Glacisstraße zum Albertplatz…



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    Weiter im eigentlichen Text. Wir lassen den Bahnhof Mitte hinter uns und laufen die Könneritzstraße entlang zur Schweriner Straße. Auf den Hochgleisanlagen der Eisenbahn herrscht reger S-Bahn-Verkehr.




    Metropolitane Bahnbogenromantik an der Könneritzstraße. Ich träume immer noch davon, dass man die Bögen eines Tages wieder öffnet und geschäftlich nutzt. Es wäre eine ungeheure Aufwertung der tristen Ecke…




    An der Schweriner Straße, vordem Wettinerstraße. Bis 2002 kreuzte hier vom Postplatz kommend die Ost-West-Verbindung den Ring, und es gab eine Umsteigehaltestelle, die zuletzt „Könneritzstraße“ hieß. Vor uns das mächtige ehemalige Straßenbahn-Elektrizitätswerk, errichtet 1926 bis 1928 nach Plänen des Stadtbaudirektors Paul Wolf.




    Blick in die seit 2002 straßenbahnfreie Einmündung der Schweriner Straße auf den ehemaligen Haltestellenbereich der Ost-West-Verbindung, dort, wo noch heute die so gut wie nie genutzten Haltestellenschilder für den Straßenbahn-Ersatzverkehr stehen.




    Kraftwerk Mitte, vordem auch als Westkraftwerk bekannt, von der Könneritzstraße gesehen. Es erübrigt sich glaube ich an dieser Stelle, die rosigen Zukunftsaussichten des Areals noch näher zu beleuchten.




    Noch einmal ein Rückblick mit der alles beherrschenden „Yenidze“ im Hintergrund.




    Heute obliegen der Linie 10 die Aufgaben der 26 auf dem westlichen und südlichen Ring. Wir folgen ihr bis zum Straßburger Platz.



    Das DREWAG-Energiemuseum im Kraftwerk ist wirklich einen Besuch wert, trotz der sehr eingeschränkten Öffnungszeiten.




    Gaslaternen-Freigalerie vor dem Eingang. Eine wahre Fundgrube für den Kandelaberliebhaber!




    Volldampf voraus heißt es ab der Einmündung Ehrlichstraße für die die Linie 10 als Rechtsnachfolgerin der 26. Seit 1990 verlassen die Straßenbahnzüge den angestammten Straßenraum der Ammonstraße und fliegen ungehemmt von sonstigen Verkehrshindernissen auf eigenem Gleiskörper dem Hauptbahnhof entgegen. Angesichts der Trostlosigkeit, die uns auf dem nächsten Abschnitt erwartet, ist es aber vielleicht auch besser so. Für uns aber heißt es Augen zu und durch!




    Blick in die Ehrlichstraße. Die gesamte linke Häuserzeile fiel noch nach 2000 der Abrissbirne anheim.




    Diese Fotothek-Aufnahme bietet einen hervorragenden Blick auf das Kraftwerksgelände zum Ende der 1920er Jahre. Leider musste bekanntlich auch das mächtige Kesselhaus weichen, hier stehen heute die Theaterneubauten. Durch die Schornsteine etwas verdeckt krönt die Jakobikirche den Wettinerplatz, der sich aber ansonsten bis heute erstaunlich intakt erhalten hat. Vorn diagonal aus der Bildmitte führend die Ehrlichstraße mit der besagten Häuserzeile, links der Ring mit dem Wettiner Bahnhof am oberen Bildeck. An der Ehrlichstraße sehen wir unten angeschnitten den weitläufigen Komplex des Maternihospitals, heute Elsa-Fenske-Heim.






    Die Könneritzstraße wird nun zur Ammonstraße, der wir bis fast zum Hauptbahnhof folgen.




    Direkt auf der heutigen Ausfädelung der Straßenbahngleise stand dereinst dieses Vorstadtidyll.




    Ammonstraße mit dem von Hans Erlwein stammenden Westflügel des Maternihospitals.




    Gleich sind wir an der Kreuzung Ammon-/Freiberger Straße angelangt, die seit Mitte der 1990er Jahre durch den mächtigen Baukörper des World Trade Centers beherrscht wird. Hier hatte die 26 mal wieder Feindkontakt, denn es kreuzt die einst „gelbe“ Straßenbahnstrecke nach Löbtau und Wölfnitz.




    Blick in die Freiberger Straße. Der Eckbau des Elsa-Fenske-Heimes ist eine Teilrekonstruktion aus den 1990ern, nur das ursprüngliche Erdgeschoss war hier noch erhalten, erkennbar an der abweichenden Bossierung. Es gibt ja auch in diesem Forum immer noch genügend Leute die behaupten, so etwas sei nur in Leipzig möglich…




    Eingang zur überdachten Passage im WTC.




    Blick zur mittlerweile auch nicht mehr ganz neuen S-Bahn-Station Freiberger Straße. Es bedarf wohl kaum einer Erwähnung, dass sich hier früher überall dichteste städtische Bebauung befand. Der Straßenbahn-Gleiskörper führt also direkt über die verschütteten Keller der Ammonstraße, Gärtnergasse, Rosenstraße, Güterbahnhofstraße…




    Frontalansicht des rekonstruierten Eckgebäudes, ursprünglich ebenfalls von Hans Erlwein.




    Turm des World Trade Centers in voller Schönheit. Obwohl diese ja bekanntlich im Auge des Betrachters liegt…





    Urban Decay an der als LKW-Strecke tiefergelegten Rosenstraße. Vorher war es in der Nachwendezeit fast an der Tagesordnung, dass ein auswärtiger LKW-Fahrer mittels Überschätzung der lichten Höhe seines Vehikels die Oberleitung an der Ammon-/Freiberger Straße herunterholte. Mit dem Ausbau der Rosenstraße schloss man die Kreuzung rigoros für den Autoverkehr, allerdings wurde die Sperrung auf Betreiben gewisser autoaffiner politischer Kräfte recht bald wieder aufgehoben…


    Und noch ein Stück Stadtgeschichte: Anstelle der graffitogeschmückten Betonwand mündete bis zur Zerstörung die parallel zur Ammonstraße gelegene Gärtnergasse. Entlang der Bahnanlagen wurde hier nach dem Krieg großflächig Trümmerschutt abgelagert, mit der Folge, dass sämtliche historischen Strukturen zwischen Ammonstraße und Bahnanlagen im wahrsten Sinne des Wortes verschüttet wurden.




    Rosenstraße mit südlichem Flügel des WTC, Blick in die Seevorstadt.




    Ammonstraße und Bürohaus „Ammonhof“.




    An dieser Stelle verließ bis 1990 die Straßenbahn ihre angestammte Streckenführung auf der Ammonstraße und schwenkte auf den bereits 1969 im Zusammenhang mit dem Bau der Hochstraße eröffneten ersten Bahnkörperabschnitt.




    Nur die Schilder des Parkplatz-Leitsystems verraten, dass wir uns eigentlich in der Dresdner Innenstadt befinden.




    Kreuzung Falkenstraße/Falkenbrücke, wir haben unser nächstes Zwischenziel erreicht. Die Kreuzung habe ich bereits vor geraumer Zeit im Zusammenhang mit der Linie 15 eingehend beleuchtet, denn hier kreuzte die alte Straßenbahnstrecke vom Postplatz über die Chemnitzer Straße nach Plauen.




    Dennoch möchte ich die Vergleichsansicht nicht ersparen.




    Gesamtblick über die in den 1960er Jahren abgebrochene Falkenbrücke zur Kreuzung Falkenstraße. Ab hier musste die „rote“ 26 ab 1901 für einige Meter die Gleise der Konkurrenzgesellschaft mitbenutzen, denn der Abschnitt Falkenstraße – Hauptbahnhof war Teil der „gelben“ Pferdebahnlinie Arsenal – Böhmischer Bahnhof, der späteren Linie 7. Es ist der einzige Streckenabschnitt des 26er Ringes, der nicht von der Deutschen Straßenbahn-Gesellschaft in Dresden erbaut wurde.


  • Der 26er Ring (Teil IV)

    Viertes Kapitel: Von der Falkenbrücke zum Hauptbahnhof



    Geschichtliche Vorbetrachtungen


    Das wäre es ja nun gewesen mit unserer 26, und keiner hätte wohl geahnt, dass die Rundbahn in neuer Form noch einmal wiederauferstehen würde. Doch erstens kam es anders, und zweitens als man denkt…


    Anfang der siebziger Jahre kündigte sich Großes auf der Südhöhe im einst so beschaulichen Dörfchen Zschertnitz an. Selbiges wurde auserkoren, einem der unseligen Wohnbau-Großstandorte Platz zu machen, die seinerzeit in allen ostdeutschen Großstädten auf der grünen Wiese aus dem Boden gestampft wurden. Die alte Zschertnitzer Strecke war nach dem Kriege notdürftig über die Gerhart-Hauptmann-Straße an den Ring angebunden worden, denn die lange, aber mangels noch existierender Bebauung nutzlos gewordene Strehlener Straße, die einst 1900 mit dem Vorläufer unserer 26 eröffnet wurde, bot sich zum Ausbau der Gleise zwecks Zweitverwertung förmlich an. Die verstümmelte Zschertnitzer Strecke, die noch mitten im 2. Weltkrieg 1944 nach „Mockritz“ verlängert worden war (Ein Euphemismus, denn der Endpunkt lag im tiefsten Zschertnitz Höhe Bibrachstraße am alten Entladegleis der Dresdner Schienenreinigungswagen an den Zschertnitzer Lehmgruben, noch vor der heutigen Gleisschleife), wurde 1963 eingestellt, die Gleise aber verblieben zur Weiterbenutzung durch die Arbeitsfahrzeuge, die zumindest bis Ende der 1960er Jahre noch ihren Abfall den Berg hinauf bugsierten.


    Es bot sich förmlich an, diese Strecke zu reaktivieren und für die Anbindung des Neubaugebiets zu nutzen. Nur wie sollte es dann weitergehen? Eine direkte Zentrumsanbindung wie heute mit der 11 war damals noch nicht möglich: Die heute durch die 9 und 11 genutzte Kurve am Hauptbahnhof gab es noch nicht, die Strecken über die Strehlener Straße und Bürgerwiese waren abgebaut; was also tun?


    Offensichtlich gab es im Planungsbüro der Verkehrsbetriebe geschichtsbewusste Experten, denn die Linie 26 feierte nach 28 Jahren Abstinenz ihre Wiederauferstehung! Sie verkehrte mit Inbetriebnahme der Neubaustrecke ab 1976 von Zschertnitz über Hauptbahnhof, den westlichen Ring, die Neustadt bis zur Sachsenallee und von dort weiter nach Johannstadt. Den östlichen Ring befuhr schon seit 1948 die 13, sie wurde nun ergänzt durch eine neue Linie 16 Zschertnitz-Radebeul Ost.



    Schild der neuen Linie 26 in ihrer ersten Konstellation. Die Vorlage stammt von 1980/81, die korrigierten Anschlüsse verraten den Stand von 1985.





    Schild der ebenfalls 1976 neu eingeführten Linie 16 von 1976. Sie bediente neben der 13 den Ostring. Wegen Personal- und Fahrzeugmangel mutierte sie alsbald zu einer reinen Berufsverkehrslinie, erst Ende der 1980er Jahre wurde sie noch einmal kurzzeitig in eine Tageslinie verwandelt, bevor sie 1992 aus den Netzplänen verschwand.


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    Wir folgen weiter der Annenstraße und wagen einen Seitenblick in die Polierstraße mit der Rückfront des AOK-Gebäudes am Sternplatz. Eine hier gelegene Haltestelle ersetzte von 1967 bis 1969 die wegen des Hochstraßenbaus eingezogenen historischen Haltestellen Falkenstraße und Plauenscher Platz.




    Unter der Hochstraße, die kurioserweise zu Beginn noch „Kleine Plauensche Gasse“ genannt wurde, da der Straßenabschnitt vom Dippoldiswalder Platz aus Teile derselben vereinnahmte. Diese für eine Verkehrsanlage dieses Kalibers völlig unpassende Bezeichnung wurde aber schon 1969 in Budapester Straße verändert. Interessant sind die originalen DDR-Topflampen unter der Brücke, die der werktätigen Bevölkerung den Weg zur Nachtschicht erhellten, als sie sich ab 1969 zur neu angelegten Haltestelle Budapester Straße begeben musste, fernab der Wohnbebauung in der Seevorstadt jenseits der Ammonstraße.




    Auch die neue Haltestelle hieß zunächst „Kleine Plauensche Gasse“, wie das Linienschild der 10 von 1969 verrät. Damals gab es übrigens keine 26, diese sollte erst sieben Jahre später wieder eingeführt werden. Die 10 versorgte den Südring damals allein.





    Direkt auf dem heutigen Haltestellengelände lag die Taubstummenanstalt, im Vordergrund zu erkennen die zum Plauenschen Platz führende Brücke Chemnitzer Straße, heute ebenfalls durch die Budapester Straße ersetzt.




    Wir haben den Plauenschen Platz erreicht. Ja, wo ist er denn?





    Weg ist er. Die schmerzlichsten Kriegsverluste sind möglicherweise noch nicht einmal die verlorenen Gebäude, sondern der in Teilen völlige Verlust historisch gewachsener Stadtstruktur, der es unmöglich macht, an dieser Stelle jemals wieder so etwas wie ein Stückchen intakte Stadt herzustellen. Dazu zählen auch Straßenzüge wie die hier rechts einmündende Große Plauensche Gasse, die einst jahrhundertelang die direkte Verbindung vom Dorf Plauen in die Stadt Dresden bildete. Links übrigens die Ammonstraße, deren Charakter hier vielleicht am ehesten mit der heutigen Hoyerswerdaer Straße vergleichbar war.




    Blick in die Große Plauensche Gasse, die Ammonstraße kreuzt. Der Gleisbogen vorn diente ab 1901 der späteren Ringlinie, die hier über die Kohlschütterstraße und die Hohe Brücke quasi durch die Hintertür zum Hauptbahnhof gelangte. Von vorn war es nicht möglich, denn die Ammonstraße war hier ja schon von der Konkurrenz belegt, deren Gleise nur zwischen Falkenstraße und Plauenschem Platz mitbenutzt werden durften. Erst durch die städtische Übernahme beider Gesellschaften konnte diesem Unfug ein Ende bereitet werden, und so wurde ab 1909 auch der Ringschluss möglich, unter Mitbenutzung der einstigen feindlichen Gleise! Über die Hohe Brücke fuhr nun nur noch die aus der Großen Plauenschen Gasse kommende 6 nach Räcknitz. Auch dieser habe ich schon vor längerem eine eigene Beitragsserie gewidmet.




    Eine weitere Vergleichsaufnahme, der Blick geht über die mit Trümmerschutt aufgefüllte Wiese zum Hauptbahnhof. Bis in die 1960er Jahre führte hier die Kohlschütterstraße (auf der Postkarte rechts) zur Hohen Brücke. Die Gleise wurden offensichtlich falsch nachretuschiert, denn der Gleisbogen müsste in die Kohlschütterstraße führen und nicht in die ebenfalls am Plauenschen Platz beginnende Chemnitzer Straße.





    Blick in Richtung Wiener Platz. Hinter dem Tunnelmund beginnt die Bebauung um die Prager Straße. Nach all den Rasenflächen und Asphaltschneisen wirken die Bauten wie Kathedralen in der Wüste.




    Kurz hinter dem entschwundenen Plauenschen Platz treffen wir auf das pompöse Gebäude der Reichsbahndirektion Dresden, erbaut 1936 bis 1938 für die Landesbauernschaft Sachsen. Beim Wiederaufbau für die Reichsbahn verzichtete man auf das propagandistische Bildwerk, und statt des Reichsadlers ziert ein Flügelrad den Hauteingang.





    Wiesenblick zu den Hallen des Hauptbahnhofes.




    Ich vermute nicht, dass es sich hierbei um ein prähistorisches Menhirfeld handelt. Oder ist es gar die steinzeitliche Variante der Nizzasperre?




    Bis 1969 bog die Straßenbahn in einer scharfen Rechtskurve aus der Ammonstraße in die Carolastraße ein, um nach einer weiteren Linkskurve auf den Wiener Platz einzuschwenken. Die Carolastraße bildet heute den südlichen Abschnitt der Reitbahnstraße.








    Die östliche Abschlussbebauung des Wiener Platzes. Hier führt jetzt die Gleistrasse der Straßenbahn entlang.




    Der Königspavillon des Hauptbahnhofes am Wiener Platz wartet noch immer auf eine standesgemäße Nutzung.




    Seltsame Leere auf dem Wiener Platz, und das zur donnerstäglichen Nachmittagszeit. Wir befinden uns vor dem zentralen Bahnhof einer Halbmillionenstadt…




    Die Würfelhausbebauung südlich der Prager Straße soll sich an den historischen Gegebenheiten orientieren. In einem Arbeitszeugnis würde stehen: Man bemühte sich.





    Gesamtansicht des Wiener Platzes mit der Nordhalle des Hauptbahnhofes in den 1920er Jahren.




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    Wir machen einen kurzen Schwenk auf die Südseite des Hauptbahnhofes und entdecken eine verkehrshistorische Sensation. Unter dem Asphalt tauchen hier mit Nachdruck die bis 1909 von der Linie 26 auf ihrem Weg nach Zschertnitz befahrenen Gleise in der Bayrischen Straße, ehemals Bismarckstraße, wieder auf! Blick in Richtung Bergstraße/Hohe Brücke, die Gleistrasse ist im weiteren Verlauf an der Pflasterung noch gut zu erkennen.




    Blick Richtung Friedrich-List-Platz. Das Vorhandensein der Gleise von 1901 ist umso sensationeller, als sie seit 1909 nicht mehr linienmäßig befahren wurden! Möglicherweise dienten sie im Anschluss noch als Betriebsstrecke, aber mit der Stilllegung der Räcknitzer Strecke über die Hohe Brücke 1933 wären sie spätestens da sinnlos gewesen.




    Auf dieser Postkartenansicht sehen wir die Gleisanlage der Strehlener und Bayrischen Straße in voller Schönheit. Die Strehlener Straße wurde 1949 stillgelegt und die Zschertnitzer Strecke von der Parkstraße her neu angebunden.




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    Wieder zurück zum Wiener Platz. Immer wieder bemerkenswert ist die Sensibilität, mit der technische Anlagen gefühlvoll und ästhetisch in das Stadtbild integriert werden.




    Wir legen einen Zwischenstopp ein, nicht ohne einen Blick zurück in die Anfangszeit der Linie. Ein abfahrbereiter Wagen der Linie Hauptbahnhof – Ackermannstraße, später 26, steht am Endpunkt Hauptbahnhof. Bemerkenswert sind die umfangreichen Stumpfgleis-Anlagen, teilte sich die spätere 26 sich diese doch mit der Linie Hauptbahnhof – Pfotenhauerstraße, später Linie 28, die die noch offene Rundbahn bis zum Stübelplatz begleitete.




    Gleicher Standort heute. Weiter geht es in Bälde.


  • Der 26er Ring (Teil V)

    Fünftes Kapitel: Vom Hauptbahnhof zum Großen Garten



    Geschichtliche Vorbetrachtungen



    Die neue Linie 26 zu DDR-Zeiten. 1989 wurden die Endpunkte der Linien 9, 15 und 26 untereinander getauscht, letztere fuhr nun weiter zum Fetscherplatz. Bis auf die Güntzstraße war der historische Ring fast geschlossen!



    Im Jahre 1989 eroberte sich die 26 ein weiteres Stück ihres alten Ringes zurück, nämlich den Abschnitt entlang des Großen Gartens bis zum Fucikplatz. Von hier aus verkehrte sie nun in einer großen Schleifenfahrt zum Fetscherplatz und zurück zum Fucikplatz, diese Strecke übernahm sie von der Linie 15. Nur die Güntzstraße sollte sie im Planverkehr nie mehr unter ihre Räder nehmen, diese verblieb bei der 13 und bis 1992 auch der bereits vorgestellten parallelen 16.




    Schild der Linie 26 von 1989, leider arg zerkratzt.



    Allerdings sollte diese Linienführung nur kurzen Bestand haben, denn am Horizont kündigten sich die größten politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umwälzungen an, die dieses Land in den letzten Jahrzehnten erleben durfte. Diese blieben nicht ohne Auswirkungen auf die Straßenbahn in der Bezirkshauptstadt, die sich bald wieder stolz Hauptstadt des Freistaates Sachsen nennen durfte…


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    Wir aber sind zurück am Hauptbahnhof und sehen einen Wagen der Linie 26 an der Haltestelle „Hauptbahnhof Osthalle“, dem früheren Endpunkt der Linie 26. Die Gleise führen schon quer über den Wiener Platz, und die 26 ist zu einer echten Rundbahn geworden. Man vergleiche mit dem vorletzten Bild des letzten Kapitels.






    Blick in die Wiener Straße, links das 1901/02 errichtete Feuerversicherungsgebäude an der Ecke zur Prager Straße, heute steht hier die Prager Spitze. In der Ferne eines der beiden Direktionsgebäude der Königlich Sächsischen Staats-Eisenbahn, das zweite befand sich südlich des Gleisfeldes zwischen Ostbahn- und Strehlener Straße.




    Noch einmal ein Postkartenmotiv mit dem Hauptbahnhof aus den zwanziger Jahren. Neben dem Ostbau ist der Busbahnhof der KVG Sachsen angelegt worden. Noch bis in die 1990er Jahre fuhren hier die Busse des Kraftverkehrs in die nähere und weitere Umgebung. Aktuell wird die Anlage eines neuen zentralen Omnibusbahnhofes in Hauptbahnhofsnähe wieder rege debattiert.




    Wir blicken über freies Feld zurück zum Hauptbahnhof über den ehemaligen Busbahnhof und das Gelände der Staatsbahndirektion. Nach Auflösung der Länderbahnen hatte hier bis zur Zerstörung die Reichsbahndirektion Dresden ihren Sitz.




    Vergleichsbild mit dem Direktionsgebäude, das den Blick auf den Hauptbahnhof verstellt.




    Gegenüber vergammeln in bester Innenstadtlage die Bahnbauten, darunter das schöne Eckgebäude zwischen Wiener und Sidonienstraße, einer der letzten Vorkriegsbauten der Seevorstadt.




    Wiener Straße/Ecke Beuststraße, heute Teil der Andreas-Schubert-Straße. Die anglikanische All Saints Church entstand bereits 1868/69 für die zahlreich in Dresden lebenden Engländer.




    Eher ernüchternd zeigt sich das Vergleichsbild.




    Haltestelle Gret-Palucca-Straße, wie die Johann-Wolfgang-von-Goethe-Straße seit geraumer Zeit heißt. Erst seit einigen Jahren hält hier auch der Bus – die heutige Linie 66 verkehrte früher ausschließlich südlich der Eisenbahn über die Strehlener Straße, quasi ein später Ersatz für die 1949 eingestellte Straßenbahnstrecke.




    Wiener Straße, Blick zurück Richtung Hauptbahnhof. Links der östliche Tunnelmund des Straßentunnels unter dem Wiener Platz.




    Ein wahrhaftig Dresdner Motiv: schwarzes Haus und gelbe Straßenbahn. Man bemerkt schon rein farblich die sich abzeichnende Annäherung an die Heimstätte der SG Dynamo.




    Das Fäng-Schuhi-Haus aus der Gegenrichtung. Abgesehen von der fragwürdigen Vermarktungsstrategie finde ich das Gebäude durchaus gelungen.






    Wiener Straße/Ecke Gellertstraße, der südlichste Punkt des 26er Ringes. Geradeaus fuhr nie eine Straßenbahn, wohl aber bis in die Kriegszeit die Omnibuslinie C.




    Kurz ums Eck, und wir blicken auf das neue Gymnasium Bürgerwiese.




    Die Ecke zierte einst das repräsentative Palais Kap-herr (1872 bis 1874). Der honorigen Familie sind wir neulich schon in Lockwitz begegnet.




    An der Parkstraße, deren östlicher Teil 1989 in Lennéplatz umbenannt wurde, bog die 26 von 1976 bis 1989 nach Zschertnitz ab. Abgelöst wurde sie von der Linie 15, mit der sie den Endast zum Fetscherplatz tauschte.





    Weiter geht es auf der Lennéstraße, die von 1970 bis 1991 Dr.-Richard-Sorge-Straße hieß.




    Wir kreuzen den Kaitzbach.




    Hinter diesem erhebt sich der örtliche Fußballtempel, in dessen Glasfassade sich der gegenüber liegende Große Garten spiegelt.





    Zwei historische Postkartenmotive des Vorläufer-Sportplatzes, später unter den Namen Illgen-Kampfbahn, Rudolf-Harbig-Stadion oder Dynamo-Stadion bekannt.





    Die Grundausstattung erwirbt die schwarz-gelbe Anhängerschaft in der einschlägigen Ladenlokalität in der Lennéstraße 12. Entgegen anders lautender Gerüchte werden hier allerdings keine Bengalos oder andere pyrotechnische Erzeugnisse vertrieben.




    Der aktuelle Namensschriftzug wird recht werbeunvorteilhaft durch Bewuchs verdeckt. Gott sei Dank gibt es eine Sommerpause!




    Beachtenswerter Wegweiser des Parkleitsystems. Links geht es zur Helmut-Schön-Allee.




    Kurze Ausspanne in der Torwirtschaft, die mit der Rekonstruktion der beiden Thormeyerschen Torhäuser wiederbelebt wurde.





    Bereits vor dem Krieg gab es hier eine gastronomische Einrichtung gleichen Namens.




    Wir machen eine Rast und laben uns an einem kühlen Blonden. Schließlich haben wir an dieser Stelle schon gut sechs Kilometer in den Beinen.

  • Der 26er Ring (Teil VI)

    Sechstes Kapitel: Vom Großen Garten zum Straßburger Platz



    Geschichtliche Vorbetrachtungen


    Zu einer echten Ringlinie, wenngleich unter Auslassung der Güntzstraße und mit fixem Endpunkt in Johannstadt, mutierte die 26 erst 1992, aber nur für drei Jahre. Um Verwechslungen zu vermeiden wurden für den Innenring (also zuerst über Fetscherplatz und Hauptbahnhof) und Außenring (zuerst über Sachsenallee und Bahnhof Neustadt) eigene Schilder ausgegeben. Die Wagen waren vorn mit Ziel „Ringlinie“ beschildert, darunter einem Zusatzschild „Zuerst über Hauptbahnhof“ bzw. „Zuerst über Bf. Neustadt“.






    Ringlinienschilder von 1992. Oben für den Außenring, unten den Innenring.



    1995 gab es schon die nächste „Linienoptimierung“, ein Euphemismus für eine der schlimmsten Rotstiftorgien, die die Dresdner Straßenbahn je erlebt hat. Die 26 wurde nun mit der 6 kombiniert, der Übergang erfolgte am Bahnhof Neustadt. Dies hatte eine Halbierung des Platzangebots zwischen der Johannstadt und der Neustadt zur Folge, die Auswirkungen kann man bis zum heutigen Tage in einem Selbstversuch in der Linie 6 testen! Richtige Fensterschilder gab es nun nicht mehr, denn auf der Kombilinie fuhren ausschließlich modernisierte TATRA-Fahrzeuge. Nur als Ende der 1990er Jahre für etwa ein Jahr der Straßenbahnverkehr über die Marienbrücke wegen deren Sanierung eingestellt werden musste, wurde die 26 noch einmal kurz unabhängig. Ersatzweise fuhr sie aber nun nach Friedrichstadt, die 6 endete am Bahnhof Neustadt.




    Schild der Linie 26 für die Kurzführung nach Friedrichstadt während der sanierungsbedingten Sperrung der Marienbrücke. Es ist das letzte ausgegebene reguläre Fensterschild der Linie.


    Im Jahr 2000 verschwand die 26 dann von den Netzplänen, und seitdem teilen sich die Linien 6, 10 und 13 die Bedienung ihres alten Ringes. Aber wer weiß, vielleicht lebt die 26 ja eines Tages zum wiederholten Male auf? Mit der zunehmenden Reurbanisierung der zentrumsnahen Vorstädte erscheint der Wunsch nach Wiedereinführung einer Verteilerlinie über den Ring nicht so weit hergeholt. Ob es diesmal auch 28 Jahre dauern wird?



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    Wir verlassen gestärkt die Torwirtschaft und beschauen noch einmal die wiederhergestellte Kleinarchitektur. Nördliches Torhaus.




    Das südliche Torhaus. Bei beiden handelt es sich um 1997/98 errichtete Neubauten, denn die Ruinen der Originale wurden 1969 abgerissen. Soviel zu dem Thema, in Dresden würde nur in der Altstadt rekonstruiert.




    Hauptallee mit dem Palais im Großen Garten im Hintergrund. Wann verschwinden endlich die potthässlichen DDR-Topfleuchten?




    Den Zwickel Hauptallee/Johann-Georgen-Allee schmückte einst eine Pfunds-Milchhalle.





    Eingang der Lingnerallee, früher als Johann-Georgen-Allee bis zum Altstadtring durchführend. Der Straßenbahnverkehr wurde hier bereits Anfang der dreißiger Jahre eingestellt.




    Die Herkulesse (oder heißt es Herkulen?) am Eingang zur gleichnamigen Allee stammen von Balthasar Permoser persönlich und wurden im Original um 1690 geschaffen.




    Freier Blick über die „Cockerwiese“ zum Rathausturm. Das von Bauzäunen umzogene Ödland zu dessen Füßen beherbergte einst die prachtvolle Eckbebauung der Johann-Georgen-Allee zur heutigen Blüher-, damals Albrechtstraße.




    Auf schmaler Spur geht es durch den Großen Garten. Hier der Bahnhof Straßburger Platz, versteckt hinter der Gläsernen Manufaktur.




    Diese widmet sich mittlerweile nicht mehr der Produktion von aufgepumpten Passaten, sondern der Elektromobilität. Bloß gut, dass der Volkswagen-Konzern hier nicht auf ein Diesel-Innovations-Zentrum gesetzt hat!




    Wir sind nun fast am Straßburger Platz angekommen, dem Ziel dieser Etappe.




    Soeben hat ein Doppelstockbus der Stadtrundfahrt seine Haltestelle verlassen.




    Der Straßburger Platz hieß von 1951 bis 1991 Fucikplatz, zuvor seit 1898 Stübelplatz zu Ehren des Oberbürgermeisters Paul Alfred Stübel.




    Am Eck zur Grunaer Straße entblättert sich der Fachschulneubau dem geneigten Bewunderer modernen Städtebaus. Bemerkenswert die natooliven Fensterrahmungen, die hervorragend mit der innovativen alpinaweißen Fassade harmonieren.




    Da kann natürlich der Vorgängerbau, die kriegszerstörte Kirche des Ehrlichen Gestifts, nicht mithalten. Rechts der ebenfalls vernichtete Stübelbrunnen.




    Die Ecke zur Grunaer Straße säumte die Ehrliche Gestiftsschule. Bis 1928 bog die 26 hier in die Grunaer Straße ein, um dann über Kaulbachstraße, Cranachstraße, Holbeinplatz, Schulgutstraße, Ziegelstraße und Lothringer Straße den Sachsenplatz zu erreichen. Seitdem führt der Ring geradeaus über die bis dahin gleislose Eliasstraße, heute Lennéstraße.






    Denkmal für den früheren Namensgeber des Platzes, etwa an der Stelle des zerstörten Stübelbrunnens. Es wurde trotz der Neubenennung des Platzes zu Ehren der damals noch taufrischen Städtepartnerschaft mit der elsässischen Metropole in situ belassen.




    Die Nordostecke des Platzes. Hinten an der Stübelallee der Ausstellungspalast (1894 bis 1896), vorn an der Lennéstraße das Neue Städtische Kunstausstellungsgebäude (1914 bis 1916, Hans Erlwein).




    Heute erhebt sich hier die Gläserne Manufaktur.




    Zum Abschluss dieses etwas kürzeren Kapitels betrachten wir die Szenerie noch einmal von oben. Luftansicht des Ausstellungszentrums Mitte der zwanziger Jahre (Hahn, Deutsche Fotothek). Der große Gebäudekomplex des Ausstellungspalastes beherrscht die Szenerie. Mittig links der Stübelplatz, davon ausgehend in Bildmitte die Baumreihen der Stübelallee. Diagonal oben aus dem Bild führend die noch durchgehende Canalettostraße, deren Einmündung in den Platz seit Anfang der siebziger Jahre überbaut ist. Kaum eines der villenartigen Häuser der durchgrünten südlichen Johannstadt hat die Zerstörung überstanden.




    Ebenfalls eine Hahn-Luftaufnahme aus der Deutschen Fotothek. Wir blicken gen Süden über das dichte Häusermeer der Pirnaischen Vorstadt. Links gut zu erkennen die Ehrliche Gestiftskirche, der Austellungspalast und das Städtische Kunstausstellungsgebäude, dahinter der Große Garten. Unterhalb der Gestiftskirche, als grünes Quadrat erkennbar, der Seidnitzer Platz mit der 11. Volksschule, heute Standort der Bauberufsschule. Die rechte Platzkante formt die am linken unteren Eck aus dem Bild führende Kaulbachstraße, bis 1928 von der Linie 26 durchfahren. Viele der Straßenzüge und keines der im Vordergrund zu sehenden Gebäude haben die Zerstörung überstanden…




    …bis auf eines: Das Trafohäuschen vom Seidnitzer Platz, heute an der Seidnitzer Straße im Hinterhofgrün versteckt.


  • Der 26er Ring (Teil VII)

    Siebtes Kapitel: Vom Straßburger Platz zur Sachsenallee



    Geschichtliche Vorbetrachtungen


    Auch die Linie 26 erlebte in ihrem vierundzwanzig Jahre anhaltenden zweiten Leben eine Reihe von Umleitungen, manche recht kurioser Natur. Einige möchte ich hier vorstellen.



    Besonders „lang“ war diese Umleitung. Zur Abwechslung befuhr die 26 hierbei nicht den Westring, sondern es ging von Zschertnitz direkt zum Fucikplatz und von dort aus weiter nach Johannstadt. Das Schild stammt von 1981, die Überklebung kann zeitlich nicht genau eingeordnet werden.




    Hier hat man aus einem Grundschild aus dem Jahre 1979 eine E26 gebastelt. Ursprüngliches zweites Ziel war Wilder Mann. Nun aber ging es vom Bahnhof Neustadt sicher weiter im Zuge der Linie 6 zum Schillerplatz und von dort aus nach Loschwitz. Das Schild muss also definitiv bis 1985 verwendet worden sein, denn in jenem Jahr war Schluss mit dem Straßenbahnverkehr über das blaue Wunder.




    Die beiden folgenden Schilder gehören zusammen und stammen von einer Umleitung aus dem Jahr 1983. Die 26 befuhr mal wieder den Komplettring, aber mit einem Abstecher nach Zschertnitz. Dabei wurde nur der Außenring als 26 bezeichnet….




    …den Innenring bezeichnete man kurzerhand als 36. Früher hatte man da weniger Skrupel…




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    Wir verlassen den Straßburger Platz und folgen auf der Güntzstraße der 1928 eröffneten Ringstrecke zur Sachsenallee. Bis 1938 hieß sie Eliasstraße, benannt nach dem an ihrem Nordausgang liegenden Eliasfriedhof.




    Bereits an der Güntzstraße liegt das Berufliche Schulzentrum für Technik. Als Bauberufsschule wuchs der Altbau als eines der ersten Gebäude bereits Anfang der fünfziger Jahre aus dem Ruinenmeer der total zerstörten Pirnaischen Vorstadt, genutzt wurde hierfür das Grundstück der 11. Volksschule am Seidnitzer Platz. Der Straßenabschnitt vor dem Schulgebäude gehörte ursprünglich zur Comeniusstraße, die am Seidnitzer Platz endete. Nach dem Krieg schlug man es nach Auflassung und Überbauung des Platzes der Seidnitzer Straße zu.




    Die Comeniusstraße war jahrzehntelang wegen Überbauung an der Marschnerstraße unterbrochen. Mit dem Bau des grauenhaften Einkaufszentrums SP1 stellte man wenigstens den Abschnitt zwischen Marschner- und Güntzstraße wieder her.




    Während man die Großplatten am Straßburger Platz selbst abriss (warum eigentlich?), wurde der Nachbarblock an der Güntzstraße in auffälliger Weise saniert.




    Annäherung an die Kreuzung mit der Pillnitzer Straße.




    An der Kreuzung stand die 1874 bis 1878 nach Plänen von Möckel errichtete Johanneskirche, bedeutendster neogotischer Kirchenbau der Stadt. 1951 beseitigte man zunächst die gut erhaltene Ruine des Kirchenschiffs, der fast unbeschädigte Turm wurde 1954 gesprengt. Wie gut täte der Bau doch der arg geschundenen Pirnaischen Vorstadt…





    Hinter der Johanneskirche, ebenfalls noch auf dem heutigen Gelände des St.-Benno-Gymnasiums, befand sich die 1. Volksschule.




    Auf der gegenüberliegenden Straßenseite treffen wir auf das Studentenwohnheim Güntzstraße, errichtet 1953 bis 1955 (Wolfgang Rauda und Kollektiv).




    Davor der „Flugwille des Menschen“ von Max Lachnit, mit Brunnen in zeittypischer Nierentischform. Ja ja, die Fünfziger…




    Geschwungenes Vordach am Haupteingang.




    Nur ein Katzensprung ist es bis zur Holbeinstraße.




    An dieser erspähen wir einen weiteren Altbau, die 1921 durch Schilling und Gräbner errichtete Erweiterung der Sächsischen Landesversicherungsanstalt. Beim Wiederaufbau wurde die Dachpartie verändert, und nach der Wende erhielt sie einen großzügigen Erweiterungsbau an der Holbeinstraße.





    Fassadendetails.





    Blick in die benachbarte Dürerstraße. Die gleichnamige Haltestelle existiert seit Streckeneröffnung 1928 und ersetzte die Haltestelle Holbeinplatz an der stillgelegten alten Route. Wir blicken auf den arg gerupften Südflügel der 1901 bis 1908 durch Lossow und Viehweger errichteten Kunstgewerbeschule. Beim Wiederaufbau des schwer beschädigten Komplexes verzichtete man auf die Rekonstruktion der bewegten historischen Dachlandschaft.




    Eingang der Kunstgewerbeschule an der Güntzstraße. Bei der barocken Tür handelt es sich um die Eingangspforte des abgerissenen Brühlschen Palais.





    Gegenüber befindet sich das einzige noch existierende Vorkriegs-Wohngebäude der Pirnaischen Vorstadt.




    Daneben erstreckt sich bis zur Ziegelstraße der Eliasfriedhof, kulturgeschichtlich sicherlich die bedeutendste Dresdner Begräbnisstätte.




    Blick in das Innere. Der Friedhof wurde 1680 als Pestfriedhof damals noch weit vor den Toren der Stadt am Ziegelschlag angelegt und bereits 1876 geschlossen.




    Wiederhergestellte Grufthäuser von George Bähr entlang der Ziegelstraße.




    Wir sind am Güntzplatz angelangt, den der 26er Ring kreuzt. Auch er hieß bis 1938 analog zur gleichnamigen Straße Eliasplatz.




    Das ehemalige Sparkassengebäude wurde 1912 zugunsten des Stadthauses Johannstadt abgerissen und der Platz erweitert.




    Stadthaus Johannstadt von Hans Erlwein, 1912 bis 1914, nach dem Krieg als Sparkassenzentrale wieder aufgebaut und Anfang der 1990er Jahre beträchtlich erweitert. Vom historischen Bau existiert nur noch der Sockel, die oberen Etagen mussten damals wegen Baufälligkeit komplett neu aufgebaut werden.




    Historische Ansicht des Stadthauses von der Gerokstraße aus.




    Frontalansicht, heute durch Bäume weitgehend verstellt.




    Reger Straßenbahnverkehr am Stadthaus zu Beginn der zwanziger Jahre. Rechts geht es noch heute in die Gerokstraße, links die völlig verschwundene Strecke der Linie 18 durch die Blumenstraße zur Pfotenhauerstraße und weiter über die Emser Allee zum Schillerplatz, erste elektrische Straßenbahnlinie in Sachsen. Noch trennte die Städtische Straßenbahn säuberlich in rote (gerade Nummern) und gelbe (ungerade Nummern) Linien mit entsprechend lackierten Wagen, ein Erbe der Privatbahnzeit und der konkurrierenden Gesellschaften. Es fehlt noch die in die Eliasstraße führende Strecke des 26er Ringes.




    Kunstgewerbeschule, rechts die Güntzstraße.




    Historische Ansicht um 1910. Links angeschnitten das alte Sparkassengebäude, um das die Bahn damals eng herumkurven musste. Die „gelbe“ Strecke bog in die Sachsenallee ein.




    Die Linie 26 nutzte bis 1928 die „rote“ Gleisanlage in der Ziegel- und Lothringer Straße. Am dortigen Amtsgerichtsgebäude findet sich dieses wunderschöne doppelreihige Straßenschild. Legt man die Erbauungszeit des Gebäudes (1888 bis 1892) zugrunde, so dürfte es von etwa 1890 stammen.




    Noch einmal ein Blick auf die Kunstgewerbeschule, diesmal mit der Litfasssäule auf dem Güntzplatz.




    Das war’s für heute, den Weg zurück in die Neustadt setzen wir in Kürze fort.

  • Während man die Großplatten am Straßburger Platz selbst abriss (warum eigentlich?)


    Gute Frage. Für den aufgeweiteten Straßburger Platz waren die Großplatten deutlich passender als dieses gruselige Ding. Manchmal fragt man sich wirklich, was in den Köpfen von Dresdens Stadplanern vorgeht, wenn sie so etwas ermöglichen. Kritik über einen verfehlten Nachkriegswiederaufbau aus selber Richtung verbietet sich da eigentlich.