Visionen & Spekulationen

  • Mit "Realisierbarkeit" triffst Du den springenden Punkt. Die gut gemeinten Zielsetzungen für sich sind nämlich Schall und Rauch, jede Gemeinde hat welche in dieser oder anderer Form.


    Mir fällt leider negativ auf, daß sich die Verantwortlichen in Stuttgart schnell und gern selbst feiern und ihre Stadt zur (heimlichen) Hauptstadt von irgendwas benennen wie zum Beispiel Sportstadt, nur weil man eine zeitlang ein ATP-Turnier zahlen durfte.


    Ich begrüße viele Entwicklungen und Bauten der jüngeren Vergangenheit, vergesse dabei aber nicht die Ausnahmeerscheinung WM-Boom und daß für Handelskonzerne und deren Investitionen in erster Linie die gegenwärtige bzw. kurzfristige Kaufkraft entscheidend ist.


    Die Fakten im Standortwettbewerb um Investitionen anderer Branchen sind leider ernüchternd. Das größte Glück ist noch, daß die heimischen Unternehmen und Branchen recht gut gehen, sonst sähe es düster aus.
    Verlangt ja niemand, daß ausländische Finanzdienstleister ihren Sitz nach Stuttgart legen, aber warum hört man diese Woche, daß Fiat seinen von Heilbronn nach Frankfurt verlegt und nicht nach Stuttgart? Ähnlich Hyundai. Hier rühmt man sich doch der ganzen Mobilitätskompetenz und wäre ein Cluster.


    Ich befürchte, daß man vor lauter Feiern und Konzepten vergißt, auf die tatsächlichen Investoren(wünsche) zuzugehen. Beim Gedanken an langfristig sinkende Arbeitsplätze bei heimischen Unternehmen, gleichbleibendem Mißerfolg bei Akquise auswärtiger Investoren und weiterer Aufblähung der öffentlichen Ausgaben samt Stellen bekomme ich ein ungutes Gefühl, ist ja nicht so daß wir es noch hätten.


    Mir fallen die zwei geplanten großen Bibliotheksneubauten neben zum Beispiel sowas ein. Da werden wohl mehr Bibliothekare eingestellt als neue Arbeitsplätze anderweitig in Stuttgart entstehen :neinnein:. Dabei steht die öffentliche Hand ohnehin schon vor einem großen Problem hinsichtlich Zahlung von Pensionen, welches bald auf uns zukommt.


    Architektonisch mag einen das freuen, aber sinnvoll ist es nicht. Und genauso wie bei den genannten Punkten Anspruch und Wirklichkeit auseinanderfallen, wird es bei diesem Konzept sein. Denn zu viel Blabla und aberwitziger Planungsglaube stecken drin. Nichts dagegen, wenn sich ein Konzept hinterher in ein paar Punkten als falsch herausstellt. Doch hier kann man am Tag 1 schon deutlich erkennen, wo absoluter Bullshit drinsteht.

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    Ein bisschen sich selbst feiern - da spielt Stuttgart noch in der Kreisklasse, im Schlechtreden hingegen in der Champions League. Es bringt nichts, wenn 83% der Bevölkerung in anonymen Umfragen von ihrer Stadt begeistert sind, dies aber nicht nach außen sichtbar vermitteln. Das Imageproblem hat die Stadt offenbar seit einiger Zeit auch erkannt, wenn auch die Imagekampagnen noch etwas holprig und amateurhaft rüberkommen. Da müssen sowohl die Stadtoberen als auch die Bevölkerung dazu lernen, wenn sie diesen weichen Standortfaktor verbessern wollen.
    Ich kenne die Situation in München ein bisschen. Da wird natürlich auch relativ viel rumgegrantlt, letztlich sind die Bewohner aber nie verlegen zu sagen, dass sie stolz sind auf ihre Stadt, und man fällt den Stadtoberen in der Summe eben nicht in den Rücken, wenn versucht wird, ein positives Image aufzubauen.

  • Um es nochmal klarzustellen.


    Bei aller Mahnung und Einzelkritik entwickelt sich Stuttgart zur Zeit in vielen Bereichen hervorragend aus meiner Sicht. Stuttgart spielt in Deutschland in der Topliga. Damit meine ich alphabetisch Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München. (Berlin ist außen vor, weil es einerseits durch die schiere Größe eine konkurrenzlose Angebotsvielzahl besitzt, andererseits bei wirtschaftlichen Kennziffern nicht konkurrenzfähig ist).


    Was einzelne Punkte angeht, steht Stuttgart ganz weit oben. Die Lebensqualität ist enorm. Sämtliche Vorurteile, in Stuttgart sei nichts los, sind kompletter Bullshit.


    Es wäre auch ungerecht, den aktuell Verantwortlichen für jede Fehlentwicklung, die es natürlich vereinzelt gibt, die Schuld in die Schuhe zu schieben. Vielmehr dürften sie in diesen Punkten häufig selbst eine andere Meinung haben, als sich letztlich im politischen Prozeß durchgesetzt hat. Und überhaupt wird es keine Stadt geben, die alles richtig macht. Wahrscheinlich liege ich auch manchmal mit meiner Kritik daneben.



    Wo ich gern draufhaue ist,
    - wo aus meiner Sicht systematisch versagt wird (Beispiel Architektur-Wettbewerbe)
    - wo die Verwaltung zu sehr (populistisch) einknickt (Beispiel unreflektierte Übernahme des Kaltluftarguments)
    - wo Politik über der Sache zu stehen scheint (Beispiel Rohrer Weg)
    - wo ich Geldverschwendung bzw. Aktionismus zu erkennen meine (Beispiel B14-Deckel)
    - wo anders gehandelt als geredet wird bzw. ich einen deutlichen Widerspruch von Anspruch und Wirklichkeit erkenne (Beispiel tatsächlich angezogene auswärtige Investoren).


    Und das muß eben sein, mit (konstruktiver) Kritik läßt sich mehr verbessern. Außerdem läßt sich signalisieren, daß es nicht nur auf Antiseite Kritik und Forderungen gibt, sondern auch auf der Pro-Seite.

  • Schön, dass Du klarstellst, dass sich Stuttgart an und für sich in den letzten Jahren hervor ragend entwickelt hat. Heute ein recht unschwäbisch-euphorischer Kommentar in der StZ "Die Autostadt gibt Gas" aus Anlass der Eröffnung des Neuen MB-Museums:


    - Region hat 1,3 Mio. Arbeitsplätze
    - 3 Mio. zufriedene Einwohner
    - solide Haushaltspolitik
    - Großprojekte wie Neue Messe
    - keine Stadt in Dland sei in den zurück liegenden Jahren so aufgeblüht wie Stuttgart
    - Viele bemerkenswerte Projekte: Kunstmuseum, Königsbau-Passagen, MB-Museum, Porsche-Museum, Porsche-Arena
    - "Zeit" schreibt "Stuttgart ist gar nicht mehr spießig, mit den coolen Lounges und schrillen Läden"
    http://www.zeit.de/2006/19/Stuttgart_xml
    - Übernachtungsgäste (2,3 Mio.) und Tagestouristen (4 Mio.) haben sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt

  • - Region hat 1,3 Mio. Arbeitsplätze
    - 3 Mio. zufriedene Einwohner
    - solide Haushaltspolitik
    - Großprojekte wie Neue Messe
    - keine Stadt in Dland sei in den zurück liegenden Jahren so aufgeblüht wie Stuttgart
    - Viele bemerkenswerte Projekte: Kunstmuseum, Königsbau-Passagen, MB-Museum, Porsche-Museum, Porsche-Arena



    - Übernachtungsgäste (2,3 Mio.) und Tagestouristen (4 Mio.) haben sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt



    Hier sind wir genau bei dem Problem, welches ich anspreche.
    Die oberen Punkte sind alle schön und gut und wirken sich zurecht auf Lebensqualität und Zufriedenheit besonders der hiesigen aus.


    Der letzte Punkt Übernachtungsgäste ist (ähnlich der Zahl auswärtiger Investoren) das Maß, ob sich die Investitionen in die Attraktivität letztlich bezahlt machen. Da klingt eine Verdoppelung in zehn Jahren zunächst gar nicht schlecht. Tatsächlich liegt Stuttgart damit aber deutlich hinter vergleichbaren Städten in Deutschland, also de facto unterdurchschnittliches bzw. enttäuschendes Wachstum. Der Städtetourismus boomt ja regelrecht, u.a. durch die Billigflieger.


    Nun, ich hoffe hier auf Besserung, weil die vielen Attraktionen als auch die Stadt selbst wirklich gut beworben werden können und die Anzahl im Bau befindlicher Hotels Gäste anziehen wird. Auch in grds. Käufermärkten kann sich Angebot eine gewisse Nachfrage schaffen.

  • Naja, ich will ja niemanden beleidigen, aber von fast allen Leuten, die ich kenne, hört man, daß Stuttgart langweilig und häßlich ist. Sie ist zu verschlafen für ihre Größe, nichts besonderes, und außer Arbeitsplätze ist die Stadt völlig unfaszinierend.
    Ich frage mich, woher diese Einstellung kommt, jedenfalls würde das erklären, warum die Touristenzahl nur unterdurchschnittlich stieg.

  • "Es ist schwieriger eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern, als ein Atom"


    "Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir noch nicht sicher."


    (Albert Einstein)

  • Zitat von LeFay

    Naja, ich will ja niemanden beleidigen, aber von fast allen Leuten, die ich kenne, hört man, daß Stuttgart langweilig und häßlich ist. Sie ist zu verschlafen für ihre Größe, nichts besonderes, und außer Arbeitsplätze ist die Stadt völlig unfaszinierend.
    Ich frage mich, woher diese Einstellung kommt, jedenfalls würde das erklären, warum die Touristenzahl nur unterdurchschnittlich stieg.


    Kommt daher, dass sich die Stuttgarter lange Zeit selbst so gesehen haben. Hat mit der Realität allerdings nichts mehr gemein, Clubs und Lounges boomen unglaublich, die früher Nachts ziemlich leere Innenstadt ist heute brechend voll. Das Flair ist mediteran bis International, außerdem dürfte Stuttgart heute wohl zu den Liberalsten Städten in Deutschland gehören.:daumen:

  • Seit wann ist das so? Vor 7 Jahren (jaja, lang ist der letzte Besuch her) hat mir Stuttgart noch nicht so gefallen, aber das Gottlieb-Daimler-Stadion gehörte schon da zu meinen Lieblingsstadien in Deutschland (von der Architektur her).


    Regent: Das wird es wohl sein. Kenne ja selbst Stuttgarter oder Leute, die da längere Zeit dort gewohnt haben und die Stadt nicht besonders toll gefunden haben. Und das hat sich dan rumgesprochen. Aber die Projekte in letzter Zeit müssen ja eine unheimliche Aufwertung bringen!

  • LeFay
    Seit wann ist das so? Vor 7 Jahren (jaja, lang ist der letzte Besuch her) hat mir Stuttgart noch nicht so gefallen


    Wo warst Du überall?



    LeFay, Regent
    Kommt daher, dass sich die Stuttgarter lange Zeit selbst so gesehen haben.


    LeFay
    Das wird es wohl sein. Kenne ja selbst Stuttgarter oder Leute, die da längere Zeit dort gewohnt haben und die Stadt nicht besonders toll gefunden haben. Und das hat sich dan rumgesprochen.


    Die Änderung wird auch mit weiterentwickelten Wertmaßstäben zu tun haben.
    Hörte sich früher "Stadt zwischen Wald und Reben" für die jüngere Altersgruppe ausschließlich spießig bis tot an, schätzt heute fast jeder die daherrührende Lebensqualität. Gerade im Zeitalter der Biergärten, Inliners und Biker lassen sich zudem bestens Natur, Aussicht und jugendliche Location kombinieren.



    Clubs und Lounges boomen unglaublich


    Werden viele Großstädter von ihrer Stadt behaupten - meist sogar zurecht. Ich halte die Entwicklung in Stuttgart dennoch für stark überdurchschnittlich.

  • Max BGF
    Tatsächlich liegt Stuttgart damit aber deutlich hinter vergleichbaren Städten in Deutschland, also de facto unterdurchschnittliches bzw. enttäuschendes Wachstum.
    So weit ich es richtig in Erinnerung habe, ist das Gegenteil der Fall. Nur Leipzig und Dresden hatten stärkeres Wachstum unter den deutschen Großstädten als Stuttgart, woran natürlich gerade die Billigflieger erheblichen Anteil haben.
    Wie es mit den absoluten Zahlen aussieht, kann vielleicht einer mal recherchieren, der Zeit und Muße dazu hat.


    @L Fay
    Naja, ich will ja niemanden beleidigen, aber von fast allen Leuten, die ich kenne, hört man, daß Stuttgart langweilig und häßlich ist.
    Das habe ich auch gedacht, bevor ich hierher zog und nicht viel mehr als die Königstr. kannte. Mittler Weile bin ich sogar fest davon überzeugt, dass die Stadt eine der schönsten in Dland ist - und langweilig - liegt bekanntlich (auch) im Auge des Betrachters. Wenn ich deutsche Städte ähnlicher Größenordnung vergleiche, liegt Stuttgart mittler Weile nach meinem Eindruck gar nicht schlecht, was Einkaufen oder Ausgehen betrifft, und die Stadt wirkt jung und aktiv. Ich bin gespannt auf die weitere Entwicklung.

  • Geht man mal in vergleichbar große Städte wie z.B. Frankfurt, Essen, Dortmund oder Hannover (Ich war schon in allen), wird man schnell merken das die Entwicklung in Stuttgart mehr als Überdurchschnittlich ist.
    Diese Entwicklung ist allerdings keinesfalls auf die Stadtoberen zurückzuführen, in deren Gedankenwelt ist Stuttgart wohl auf Ewig zur "Großstadt zwischen Wein und Reben" verdammt.

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    Da darf man imo nicht zu ungerecht sein. Ich habe das Gefühl, dass in den letzten Jahren ein Umdenken bei der Stadtverwaltung statt gefunden hat und statt findet. So wurden die Entwicklungen z.B. an der Theo-Heuss zwar zunächst argwöhnisch beäugt - jetzt wird die ehemals trostlose Schneise immer mehr auch von der Stadt als potenzieller Boulevard (StEK) forciert. (Ein paar schicke Neubauten (HHer...) an den richtigen Stellen und noch ein paar Läden mehr, und ich bin glücklich). Die Stadt ist also lernfähig.

  • Ja eben, die Theo-Heuss-Strasse hat sich aber nicht auf Grund der Stadtoberen gewandelt, sondern wegen ein paar Mutigen, die an dieser ungeliebten Stelle mit Bars und Lounges den Anfang machten. Die Stadt nützt diese Entwicklung jetzt eben aus. Beim Thema Hochhäuser, bzw. Wohnungsbau zeigt sich aber sehr deutlich das die "Herrn" wenig Konstruktives hervorbringen...

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    Die Stadt nützt diese Entwicklung jetzt eben aus.
    Ich sagte ja: lernfähig. Wahrscheinlich war die Stadt selber überrascht, wieviel Potenzial in dieser Straße schlummerte.


    Beim Thema Hochhäuser, bzw. Wohnungsbau zeigt sich aber sehr deutlich das die "Herrn" wenig Konstruktives hervorbringen...
    Bei HHern gibt sich die Stadt eher offen (etwa Bosch-TTs, S21 A1, City-Prag). Problem ist eher die geringe Büroraumnachfrage und die Skepsis gegenüber HHern in der Bevölkerung. Im Wohnungsbau ist meine ich Einiges am Start, z.B. Häussler-Projekte, Rosensteinviertel, siehe auch Stadtentwicklungskonzept.

  • Diese Entwicklung ist allerdings keinesfalls auf die Stadtoberen zurückzuführen, in deren Gedankenwelt ist Stuttgart wohl auf Ewig zur "Großstadt zwischen Wein und Reben" verdammt


    Naja, das neue Kunstmuseum mitsamt Kl. Schlossplatz und Königsbaupassage kann man nun wirklich als Schusters Kind bezeichnen, das muss man ihm schon lassen...

  • Der kleine Schlossplatz wurde von der Stadt aber auch erst wiederentdeckt nachdem sich dort Clubs und Bars niedergelassen hatten.
    Die Stadt ansich scheint tatsächlich lernfähig zu werden, es mangelt lediglich an durchsetzungskraft.
    Wer genau ist eigentlich gemeint wenn man von "den Bürgern" spricht...:lach:

  • Beim Kl. Schlossplatz würde ich schon zu Puntagordas Deutung tendieren.
    Es macht ja keinen Sinn, ihn erst dann abzureißen, wenn sich dort was entwickelt hat.


    Das mit der Durchsetzungskraft ist auch meine Meinung. Manchmal liegen Wahrheit oder Optimum eben nicht in der ewigen Mitte zwischen Stadtverwaltungsvorschlag und unvermeidlicher Protestgruppenbesserwisseralternative.

  • "Zur Sache Stuttgart", Architekturstudenten-Ausstellung im Rathaus

    Ausstellung im Rathaus, mit interessanten Ideen und Entwürfen der Architekturstudenten der Uni Stuttgart - einige Eindrücke von den für mich schönsten Visionen:


    Hochhaus am Neckartor


    Kommentar: Eigentlich ganz origineller HH-Standort, muss man drauf kommen. Sauberes, schlankes Design, aber als Solitär vielleicht zu charakterschwach?


    Geschäftshaus (?) Silberburgstr.

    Kommentar: Wie schon mehrfach geschrieben, eine tottriste Ecke trotz eigentlich guter Lage. Beruhigt mich, dass das offenbar auch andere so sehen. Eigentlich gehören dort alle Gebäude neu gestaltet.


    Verlagsgebäude an Schlossstr.


    Inselgebäude "im" Österreichischen Platz

    Kommentar: Schöne Idee, da dieser verkehrsreiche Platz ohnehin architektonisch nicht gerade glänzt (zuletzt "Verwaltungszentrum am ÖP, i.B.")


    Neckarinsel


    Architekturmuseum Stuttgart (zwischen Wirtschaftsministerium und Haus der Wirtschaft)


    "Biotop Charlottenhochhaus"

    Bilder: Wagahai