Auf den Spuren ehemaliger Dresdner Straßenbahnstrecken

  • Die heute durch den Kulturpalast überbaute Altmarkt-Nordseite, rechts der Schössergasse das überbordend verzierte und später purifizierte Kaufhaus Hertzfeld von Lossow und Viehweger.


    Dazu ein Vergleichsbild:



    bissel größer: Bild 1 Bild 2


    Cornelius Gurlitt schreibt dazu in den 20er Jahren
    zunächst zur alten...:


    "Die Fassade gereicht nicht der Stadt, wohl aber dem Altmarkt zur Unzierde!"


    ...und dann zur neuen Fassade:


    "Es ist nichts mehr "dran" an der Schauseite, aber sie ist ruhig, einfach, der Umgebung angemessen geworden, hat somit an sich und als Teil der Wand des Marktes in künstlerischer Beziehung ganz außerordentlich gewonnen."

  • ^Schöner Vergleich, vielen Dank! Aus heutiger Sicht ist Gurlitts Urteil wohl differenziert zu sehen. Sicher ist der pompöse Jugendstil eher untypisch für Dresden - der Bau hätte so auch gut und gern in Berlin oder Paris stehen können. Die nüchterne Zwanziger-Jahre-Optik scheint da schon besser zu passen. "Echte" Jugendstilbauten gab es in Dresden ja nur sehr wenige (und umstrittene), mit fällt spontan noch das Central-Theater ein.


    Andererseits: Der Altmarkt war ja ohnehin schon fast völlig verhunzt, da fiel das Herzfeld dann wohl doch nicht so wirklich ins Gewicht. Mir gefällt der Bau in der Jugendstilvariante eindeutig besser - aber das ist ja sowieso nur noch rein hypothetisch. Heute blickt uns hier neuerdings eine bläulich-schimmernde Glasfront an...

  • Die Striesener Blockumfahrung (Teil I)

    ---Prolog---


    Als 1890 die Deutsche Straßenbahngesellschaft in Dresden als Konkurrenzveranstaltung zum englisch beherrschten Platzhirsch aus der Taufe gehoben wurde, da stand naturgemäß die äußerst lukrative Verbindung vom Stadtzentrum ins noble Blasewitz ganz weit oben auf der Agenda. Nicht umsonst hatte die verflossene Vorläuferin der Tramways Company, die Continental Pferdebahn-Aktiengesellschaft, schon 1971 Dresdens erste Straßenbahnverbindung überhaupt eben genau zwischen jenem Blasewitz und dem Böhmischen Bahnhof in Betrieb genommen.


    Und genau hier stellte sich wieder das alte Problem: Wie zum Henker sollte man die kleinen roten Wägelchen denn in Richtung Schillerplatz bugsieren, wenn die einzige sinnvolle Verbindung über die Blasewitzer und Residenzstraße (heute Loschwitzer Straße) schon seit etwa zwanzig Jahren in Beschlag genommen war?


    Die „Rote“ also tat das, was ihr in ähnlichen Fällen immer blieb: Sie suchte sich einen abenteuerlichen und kurvigen Weg, diesmal über die engen Striesener Nebengassen, genauer die Dürer-, Hutten-, Augsburger und Hüblerstraße (in Verlängerung Striesener Straße auf Blasewitzer Flur). Dies hatte allerdings den nicht zu unterschätzenden Vorteil, den bislang von der „Gelben“ links und rechts liegengelassenen Barbarossaplatz und dessen eng bebaute Umgebung unmittelbar von innen und nicht den tangential liegenden Hauptverkehrsstraßen aus zu erschließen, wie es die gelbe Konkurrenz tat. Da konnte man sogar in Kauf nehmen, den Schillerplatz vorerst nicht direkt erreichen zu können und die geneigte Kundschaft die letzten 100 Meter zu Fuß zu schicken. Daran sollte sich übrigens bis in die zwanziger Jahre nichts ändern…





    Innere Striesener Strecke der späteren Linie 2 (in Rot) 1893. Noch durchfährt die Pferdebahn eingleisig in beiden Richtungen die Augsburger Straße. Die große Blockumfahrung über Wartburg, Markgraf-Heinrich-, Augsburger und Huttenstraße im Einbahnbetrieb wurde erst 1896 in Betrieb genommen.


    ---




    Wir rollen die Szenerie allerdings von hinten auf und beginnen am Schillerplatz. Erst ab 1926 erreichte die Linie 2 aus der Hüblerstraße kommend den Schillerplatz direkt und setzte ihre Fahrt über das Blaue Wunder nach Loschwitz fort. Die Verbindung durch die Hüblerstraße bestand bis 1950, wobei der Verkehr hier von 1945 bis En de 1948 ruhte.




    Blick zurück zur Loschwitzer Elbbrücke, die ihren Straßenbahnverkehr 1985 verlor. Durch die Hüblerstraße fuhren schon ab 1950 keine Bahnen mehr…




    Wir befinden uns in Höhe des Endpunktes Blasewitz (bis 1926).




    Blick von der Kreuzung Berggartenstraße in die Hüblerstraße, der wir auf dem weiteren Weg nach Striesen folgen.




    Wir schauen noch einmal zurück durch die einstige Striesener Straße gen Schillerplatz. Hinter der Berggartenstraße lag der alte Endpunkt der Linie 2.




    Uralte Baumdenkmale auf der Hüblerstraße. Neben dem längst verflossenen Straßenbahnverkehr dürften diese selbst die napoleonischen Truppen noch unmittelbar erlebt haben…




    Haltestelle Wägnerstraße. Erst seit 2000 fährt mittels Bus hier wieder ein Nahverkehrsmittel, wobei die alte Straßenbahnhaltestelle ihre Wiederauferstehung feierte.




    Ortstypisches Ambiente am Zwickel Hüblerstraße/Pohlandstraße.




    DREWAG-typisch hübsch gestaltetes Energiehäuschen aus den zwanziger Jahren an der Wägnerstraße. Ein gleichartiger bau findet sich auf dem Schillerplatz.




    Villa an der Justinenstraße.




    Blick zurück. In der Achse die Bergstation der Loschwitzer Schwebebahn.




    Langsam aber sicher nähern wir uns der von 1992 bis 1921 bestehenden Grenze zwischen Blasewitz und Dresden.




    Baulicher Zeuge der jahrzehntelangen Einverleibungsschlacht zwischen der Stadt Dresden und dem widerborstigen Blasewitz ist das Zolleinnehmerhäuschen an der Einmündung der Kyffhäuserstraße. Wir haben die historische Stadtgrenze erreicht.




    Nach 1921 diente es lange Jahre als Pfunds-Milchladen.




    Die aus meiner Sicht recht gelungenen Neubauten in der Hüblerstraße, die auch im einschlägigen Strang recht umfangreich thematisiert wurden. Wir sind nun in Striesen.




    Interessante Einsichten an der Ecke zum Hüblerplatz.




    Am Hüblerplatz befindet sich diese sehenswerte klassische Tankstelle, das Dekor verweist auf die Endzwanziger.




    Blick über den Hüblerplatz in die Hüblerstraße in Richtung Blasewitz.




    Die gleiche Situation aus etwas anderer Perspektive auf einer alten Postkarte, mit Straßenbahnstrecke.




    Vom Hüblerplatz verabschieden wir uns mit einem üblichen Straßenschild-Bild. Es wird nicht das letzte bleiben…




    Unmittelbar hinter dem Hüblerplatz tauchen auf der gleichnamigen Straße die ersten physischen Reste der 1950 eingestellten Straßenbahn auf: Gleiskörper im Grobpflaster. Bis zum Barbarossaplatz ist es nicht mehr weit.




    Der Müllwagen weist den Weg: Wir erreichen den Barbarossaplatz. Der heute verträumt daliegende Rundplatz war einst ein echter Straßenbahnknoten. Heute ist er mittels Nahverkehr nicht mehr direkt erreichbar.




    Die Ostflanke des Platzes ist noch erhalten. Das Rondell zur rechten wurde erst nach der Stilllegung der Straßenbahn angelegt, mitten auf dem Platz befanden sich dereinst umfangreiche Gleisanlagen.




    Historische Vergleichsansicht. Links die Hüblerstraße.




    Beschauen wir den Barbarossaplatz etwas näher. Auf dieser lauschig kolorierten Postkarte im Weihnachtsflair sehen wir einen aus der Markgraf-Heinrich-Straße (Rosa-Menzer-Straße) kommenden Straßenbahnzug der späteren Linie 2 den Platz überqueren und in die Hüblerstraße einfahren. Noch fünf Minuten, dann hat er den Endpunkt in Blasewitz erreicht. Stadtwärts ging es durch die in der Bildmitte erkennbare Augsburger Straße.




    Blick in die Augsburger Straße. In den Bildhintergrund führt das stadtwärtige Gleis in die Augsburger Straße, den Platz querend das Richtungsgleis nach Blasewitz. Die durch die Augsburger Straße weiterführende Strecke zur Altenberger Straße scheint noch nicht zu existieren.




    Nordostseite des Platzes, rechts mittig die Hüblerstraße, links die Augsburger Straße.




    Blick in die Hüblerstraße heute, rechts das einstige Hotel Sachsenhof.




    Ehemaliges Hotel Sachsenhof im Vergleich einst und jetzt.





    Zum Ende des ersten Teils der Fahrplan der Linie 2 von 1908.


  • Die Striesener Blockumfahrung (Teil II)

    Im zweiten Teil widmen wir uns der Striesener Blockumfahrung. Diese entstand 1896, als die eingleisigen Augsburger und Huttenstraße zum alleinig stadtwärtigen Gleis umfunktioniert wurden. Den Barbarossaplatz in landwärtiger Richtung erreichten die Wagen nunmehr über die Wartburg- und Markgraf-Heinrich-Straße, und eine große blockumschließende Gleisschleife war entstanden. Ab 1897 wurde hier elektrisch gefahren.




    Zustand der Blockumfahrung 1911. Seit 1905 existierte die Anschlussstrecke ab Barbarossaplatz Richtung Altenberger Straße, zunächst als Linie 30, dann als verlängerte 22. Die Ausfahrt an der Augsburger/Blasewitzer Straße (für die Linie 3) entstand erst nach Bildung der Städtischen Straßenbahn 1909.



    Barbarossaplatz/Ecke Augsburger. Diese wird seit jeher gastronomisch genutzt, wie diese interessante Vergleichsaufnahme belegt.





    An besagtem Eckhaus findet sich noch heute diese äußerst interessante Schilderkombination aus einem doppelreihigen Emailleschild und zwei(!) Zusatzschildern.




    Auf der Augsburger Straße ist der ehemalige eingleisige Gleisverlauf am rechten Straßenrand noch immer deutlich erkennbar. Seit 1950 herrscht hier Ruhe.




    Kreuzung Alemannenstraße. Bis Anfang der zwanziger Jahre gab es hier eine Zwischenhaltestelle gleichen Namens. Der Gleiskörper ist ab hier als Asphaltstreifen erkennbar.




    Straßenschild aus den ersten Nachkriegsjahrzehnten. Noch sind die Schilder gewölbt, aber sie zeigen eine schlichte schmale Sans-Serifen-Schrift. Das Zusatzschild allerdings ist noch original.




    Am selben Eckhaus, das originale Gegenstück an der Augsburger.




    Augsburger Straße, Blick zurück zum Barbarossaplatz. Links der Pflasterstreifen des Gleisbereichs.




    Striesener Glaslaternenidyll an der Augsburger Straße.




    Augsburger Straße, es mischen sich zunehmend Lückenbauten unter die Altbebauung. Wir nähern uns der Grenze der Totalzerstörungszone.




    Augsburger/Ecke Spenerstraße mit zeitgenössischem Würfel.




    Trotz mitunter zweifelhafter Architektur: Die zur historischen Struktur des Quartiers durchaus passenden neuen Würfel sind ein deutlicher Fortschritt. Vor wenigen Jahren sah es hier meist so aus: Brachen und notdürftig ausgebaute Hausrudimente. Die Straßenbahn fuhr hier von 1945 bis 1950 durch ein Ruinenfeld.




    Weststriesener Kontraste: Gaslaterne und Neubauten! Im Hintergrund einer der typischen 60er-Jahre-Blöcke, die hier quer über die einstigen Würfelhausparzellen gesetzt wurden.




    So wie hier an der Kreuzung Tittmannstraße, einst Standort einer Haltestelle. In der Folge finden sich nur noch vereinzelt Vorkriegsbauten.




    Blick zurück, links der asphaltierte Gleiskörper. Die neuen Würfelhäuser wissen durchaus typisch Striesener Flair zu generieren.




    Gepflasterter Gleiskörper, Gasbeleuchtung und Neubauten verschiedener Generationen an der Augsburger.




    Im nordwestlichsten Zipfel Striesens kann man noch erahnen, wie ganze Straßenzüge hier vor wenigen Jahren noch ausgesehen haben! Der Gleiskörper am rechten Gehwegrand ist mittlerweile wieder gepflastert. Mitunter findet sich aber dennoch der eine oder andere Altbau.





    Kurz vor der Flurgrenze zur Johannstadt. Hier befand sich die Haltestelle „Augsburger Straße“ der den Striesener Block durchfahrenden Linien.




    Die Lage des Gleisdreiecks (ab 1909) der Ausfahrt der Linie 3 zur Blasewitzer Straße zeichnet sich 66 Jahre nach der Stilllegung der Striesener Blockumfahrung noch deutlich im Pflaster ab! Rechts bog die 3 ab, um über die Sachsenallee und den Albertplatz zum Neustädter Bahnhof zu gelangen, links die Kurve der stadtwärtigen Wagen der Linie 2 in die Huttenstraße. Diese entspricht dem ursprünglichen Streckenverlauf der Pferdebahnen.




    Doppelgleiskörper der Linie 3 im Endstück der Augsburger. Das linke landwärtige Gleis führte gerade in die Huttenstraße und vereinigte sich dort mit der Kurve der Linie 2.




    Auch die Kurve in die Blasewitzer ist noch deutlich erkennbar, auch wenn die Fußwegecke später weit vorgezogen wurde.




    Die Kurve der Linie 2 aus der Huttenstraße gesehen. Die Farbunterschiede im Pflaster verraten die Gleislage!




    Auch in der Huttenstraße zeichnet sich das Richtungsgleis noch deutlich im Pflaster ab, rechts am Gehwegrand.




    Blick zurück zur Augsburger/Huttenstraße. Wir befinden uns auf Johannstädter Flur, denn die Huttenstraße bildet die Grenze zwischen Johannstadt und Striesen.




    Ein wundersamer Überlebender der Totalzerstörung an der Huttenstraße, sicher nach dem Krieg vereinfacht wiederaufgebaut.




    Recht gelungen finde ich die neue Ecklösung zur Hassestraße. Auf dieser stand noch vor wenigen Jahren nicht ein einziges Haus!





    Lage der Haltestelle Huttenstraße/Wartburgstraße. Auf der Kreuzung vereinigten sich die Gleise der Linie 2, gerade querte das landwärtige in die Wartburgstraße, das stadtwärtige bog nach rechts in die hier beginnende Dürerstraße. Die Linie 3 wiederum besaß einen nach links von der Hutten- in die Wartburgstraße führenden Gleisbogen. Leider wurde die Kreuzung vor kurzem asphaltiert, so dass das Gleisdreieck nicht mehr erkennbar ist.




    Ein eher wüstes Bild bietet die östliche Dürerstraße.




    Auf wundersame Weise hat dieser Würfel an der Dürerstraße überlebt. Seine Nachbarn hatten weniger Glück.




    Wir erreichen die Fetscherstraße und damit die Ausfahrt des Striesener Blocks in Richtung Innenstadt.




    Ein Vergleichsbild der Situation aus der Gegenrichtung. Die Straßenbahn der Linie 2 biegt in Richtung Fürstenplatz auf die Fürstenstraße (heute Fetscherplatz und –straße). In Bildmitte die Dürerstraße, rechts spitz einmündend die Wormser Straße. Bis auf die vorgezogene Fußwegspitze ist die Situation trotz fehlender Vorkriegsbebauung noch heute nachvollziehbar!





    Der landwärtigen Richtung widmen wir uns in Teil 3.

  • Die Striesener Blockumfahrung (Teil III)

    Teil 3 der Striesener Blockbegehung möchte ich mit dem Werktagsfahrplan der Linie 2 von 1929 beginnen. Auch auf diesem ist der Barbarossaplatz vermerkt.




    Zurück zur Einmündung an der heutigen Fetscherstraße, hier aus leicht geänderter Perspektive.




    Der Turm in der Ferne gehört zur kriegszerstörten und abgerissenen Erlöserkirche an der Ecke Paul-Gerhardt-/Wittenberger Straße. Heute stehen auf dem Gelände nichtssagende 60er-Jahre-Wohnblocks.




    Wir springen zurück ans Ende der Dürerstraße. Vor uns wieder der Bereich des einstigen Gleisdreiecks. Querend die Huttenstraße, aus der links die Straßenbahn kam, halbrechts die Wartburgstraße, der wir nun auf landwärtigem Wege folgen werden. Das gelbe Haus scheint auch eine ausgebaute Kriegsruine zu sein…




    Wartburgstraße. Anders als in Hutten- und Augsburger Straße lag hier das Gleis in Straßenmitte. Die Straßenoberfläche wurde nach dessen Entfernung neu gepflastert, so dass keine Spuren mehr erkennbar sind.




    Zwischen den üblichen Wohnblöcken steht ein einzelner Altwürfel, der offensichtlich beim Wiederaufbau stark vereinfacht wurde. Deutlich erkennbar, wie die geänderte Bauweise der ersten Nachkriegsjahrzehnte die gewachsene Parzellenstruktur zerstörte.




    Wartburg-/Paul-Gerhardt-Straße. Rechterhand Neubauten aus den Neunzigern und folgend. Die Nachwendebebauung nimmt erfreulicherweise die historische Parzellierung wieder auf und hat somit zu einer starken strukturellen Gesundung des Gebietes beigetragen, auch wenn die Häuser selbst zum Teil zum Erbrechen hässlich sind.




    Ein interessantes Schild an der Löscherstraße…




    Kreuzung Tittmannstraße, Standort einer Haltestelle in landwärtiger Richtung.




    An besagter Ecke befand sich einst das Stadtsteueramt. nebst Sparkasse.




    Gegenüber das ehemalige Schwesternwohnheim, heute Eigentumswohnanlage, errichtet 1955 für die Schwestern der unweit gelegenen Medizinischen Akademie. Dieses nimmt alle fünf ehemaligen Würfelhausparzellen zwischen Wartburg- und Wittenberger Straße ein.




    Eine interessante Geschichte hat das ehemalige Stadthaus Striesen vorzuweisen: Erbaut wurde es zunächst 1904 als 24. Bezirksschule, ab 1907 dann als Stadthaus. Links die ehemalige Sparkassenfiliale.




    Zwei Altaufnahmen, links noch als Schule mit Turnhalle, rechts als Stadthaus.



    Link zur Fotothek: Zustand in den dreißiger Jahren.
    http://fotothek.slub-dresden.d…_hauptkatalog_0058732.jpg



    Details des einstigen Stadthauses. Über Geschmack lässt sich ja nicht streiten…






    Den Neuwürfeln an der Wartburg-/Ecke Spenerstraße ist ein gewisser Gestaltungswillen nicht abzusprechen.




    Wartburgstraße, im Hintergrund das sanierte und aufgestockte Postamt 19.




    Selbiges aus der Nähe, davor befand sich die Haltestelle Markgraf-Heinrich-Straße, nach 1945 Rosa-Menzer-Straße, die naturgemäß nur in Richtung Barbarossaplatz bedient werden konnte.




    So sah das Postamt original aus, erbaut 1915.




    Ein letzter Blick zurück. Die Wartburgstraße haben wir auf kompletter Länge durchquert.




    Hier setzt unmittelbar vor der Kurve in die Markgraf-Heinrich-Straße (Rosa-Menzer-Straße) der Gleiskörper wieder ein.




    Der Gleisbogen in die Rosa-Menzer-Straße wird durch den nachträglich vorgezogenen Fußweg durchschnitten. Da dies so toll ist, die Abwicklung in kompletter Länge.






    Die einstige X. Bürgerschule diente nach dem Krieg als 51. POS „Rosa Menzer“, heute 51. Grundschule „An den Platanen“. Sie wurde bereits 1886 noch vor der Eingemeindung als Bürgerschule Striesen errichtet. Die 50er-Jahre-Optik deutet auf Kriegszerstörungen hin, die im Stil der Zeit ausgebessert wurden.





    Bahnkörper in Mittellage in der Rosa-Menzer-Straße, Blick zurück zur Kurve aus der Wartburgstraße.




    Kreuzung Wittenberger Straße.




    Und da sind wir wieder am Barbarossaplatz. Im nächsten Teil widmen wir uns der Anschlusstrecke in der Augsburger Straße.



  • Über die Augsburger zur Altenberger Str. (Teil I)

    Zurück am Barbarossaplatz machen wir uns auf die Spuren der Strecke durch die Augsburger Straße zur Altenberger Straße.


    1905 wurde die Linie 30 Altmarkt – Altenberger Straße als Zwischenlinie zur 2 eröffnet, wobei ab Barbarossaplatz eine Neubaustrecke durch die weitere Augsburger Straße zur Altenberger Straße befahren wurde. 1909 folgte ihr lange Jahre die verlängerte Linie 22, die ab 1923 durch die Linie 8 verstärkt wurde. 1928 übernahmen die Linien 3 und 20, deren Fahrpläne von 1929 wir im Folgenden sehen. An dieser Konstellation sollte sich bis 1945 nichts mehr ändern.





    In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde es unübersichtlich, der 3 folgte 1947 noch einmal die 20, Ende des Jahres hatte die Linie 22 in ihrer alten Streckenführung die zweifelhafte Ehre, das Ende der Straßenbahn in der östlichen Augsburger Straße am 25.2.1948 zu beschließen.



    Wir folgen nun der Augsburger Straße gen Osten.




    Das wilde Pflaster der Augsburger Straße, gesehen vom Rondell des Barbarossaplatzes, verrät nichts mehr vom einst hier gelegenen Doppelgleis.




    Kreisverkehr an der Bergmannstraße. Hier kreuzt seit 2000 die Buslinie 83, seit 2009 63, die ehemalige Straßenbahntrasse.




    Kreuzung Jacobistraße, evangelisch-methodistische Zionskirche, errichtet als schlichter Nachkriegsbau auf dem Standort eines ehemaligen Striesener Würfels.




    Augsburger Straße 61, der unmittelbare Nachbar. Der Architekt war offensichtlich Liebhaber gothisierenden Bauschmucks…




    In Höhe Tzschimmerstraße befand sich bis zuletzt eine Haltestelle der Straßenbahn.





    Augsburger Straße in Höhe des Hermann-Seidel-Parks.




    Zwischen Ermelstraße und Dornblüthstraße. Für eine kurze Strecke begleiten hier die Busse der Linie 61 die ehemalige Straßenbahn. Mittlerweile sind alle Bombenlücken durch Nachwende-Lückenwürfel geschlossen.




    Haltestelle Dornblüthstraße. Eine solche gab es schon bei der Straßenbahn.




    Reizüberflutende Begleitausstattung einer gastronomischen Einrichtung an der Südwestecke Dornblüth- und Augsburger Straße.




    Typisches Straßenbild der heute eher ruhigen Augsburger Straße.




    Kurz vor der Behrischstraße taucht der Gleiskörper wieder auf. Die hiesige Haltestelle wurde Anfang der zwanziger Jahre eingezogen.




    Jugendstil-Eckhaus an der Behrischstraße.




    An der Voglerstraße verrät die Pflasterung den Endzustand der hiesigen Gleisanlagen. Ursprünglich ging es zweigleisig weiter geradeaus zur Altenberger Straße, Ende der zwanziger Jahre wurde eine doppelgleisige Schleifenanlage angelegt, die auch die Voglerstraße (hier nach rechts) und die Schandauer Straße mitnutzte. In den Nachkriegsjahren, als hier nur noch eine Linie verkehrte, wurde die Schleife zurückgebaut und nur noch eingleisig im Uhrzeigersinn befahren.




    Betriebszustände 1945 und 1947.





    Nach dem Ende der Strecke 1948 wurde die Striesener Blockumfahrung nur noch wenige Monate alleinig durch die Linie 2 befahren.




    Betriebszustand 1929 bis 1945. Die noch doppelgleisige Schleifenanlage wurde von den Linien 3 und 20 bis 1945 entgegengesetzt befahren. Interessanterweise wurden dabei jeweils andere Haltestellen bedient!




    Wir folgen der Linie 3 in Uhrzeigerrichtung und begehen zuerst die Voglerstraße.




    Kurve in die Voglerstraße.




    Voglerstraße in Richtung Schandauer, Lage der einstigen gleichnamigen Haltestelle, die nur in Blickrichtung durch die Linie 3 bedient wurde.




    Striesener Türme…




    Fast an der Schandauer Straße mit der Zigarettenfabrik im Hintergrund, auch hier hielt nur die 3, die 20 durchfuhr die Voglerstraße in Gegenrichtung ohne Halt.




    Seitenblick an der ausgebauten Schandauer, mit den Ernemann-Werken.




    Wir aber folgen der ehemaligen 3 in Fahrtrichtung und überqueren dabei den Landgraben.






    Das „Paddy Foley’s“ ist eine Striesener Institution.




    Ehemalige Pentacon-Gebäude an der Schandauer. Bis zur Zerstörung stand unmittelbar an der Straße ein weiteres Produktionsgebäude.




    An der Altenberger Straße. Diese ist noch heute ein Verkehrsknotenpunkt des Nahverkehrs. Straßenbahngleise liegen aber nur noch in der Schandauer Straße.




    Blick in die fortgeführte Altenberger Straße. Der dortige Umsetzendpunkt wurde noch bis in die 1960er Jahre genutzt und verschwand endgültig erst in den Neunzigern beim Straßenausbau.




    Gleiche Situation auf einer alten Postkarte. Das Eckhaus links ist noch grob erkennbar…




    …während der Zwickelbau zwischen Bärensteiner und Altenberger Straße ein Bombenopfer geworden ist.




    Dem Rest widmen wir uns im letzten Teil.

  • Über die Augsburger zur Altenberger Str. (Teil II und Schluss)

    Zum Auftakt des letzten Teils unserer Begehung widmen wir uns erst einmal dem Knoten an der Altenberger Straße. Die historische Postkarte zeigt den Blick in die Schandauer Straße in Richtung Innenstadt, wir erkennen an der linken Straßenseite die heute verschwundenen kriegszerstörten Kamera-Produktionsgebäude.



    Blick Richtung Tolkewitz.




    Das Eckhaus an der Schandauer/Altenberger Straße existiert noch heute.




    Blick in die noch gleislose Altenberger Straße, die Aufnahme muss also vor 1905 entstanden sein. Noch ist die „Gelbe“ hier alleiniger Platzhirsch…




    Um dieses Eckhaus herum lagen die Gleisbögen der Blockumfahrung der Linien 3 und 20. Reste der Pflasterung waren noch bis vor wenigen Jahren sichtbar.




    Die 10 endete einst in der Altenberger rechts, heute kommt sie von der Ludwig-Hartmann-Straße.




    Abschied von der mittlerweile verregneten Schandauer Straße. Klassisches Motiv mit Ernemann-Turm.




    Ehemaliger Endpunktbereich der Linien 3 und 20 in der Altenberger Straße nördlich der Schandauer. Die drei stand rechts nordwärts, die 20 links. Undenkbar heute, dass die vielbefahrene Hauptstraße fast in der kompletten Breite durch Straßenbahnen blockiert war…




    Einmündung der Wittenberger Straße.




    Der „Wittenberger Hof“ stand dereinst anstelle des hässlichen uringelben Neunziger-Jahre-Bunkers, der heute das „Astloch“ beherbergt.




    Hier bogen die Bahnen in bzw. aus der Augsburger Straße, links. Der Rest der Altenberger nordwärts hat nie Gleise gesehen.




    Zurück in der Augsburger Straße, nunmehr nach Westen geschaut.




    Auch hier verrät die Pflasterung die interessante Vergangenheit. Es ist nur noch der Pflasterstreifen des in Richtung Altenberger Straße führenden, zuletzt genutzten Gleises erkennbar. Das Gegenstück wurde ja wie im vorigen Beitrag beschrieben eher entfernt und offenbar überteert. Wir sehen den Bereich der einstigen Haltestelle Lauensteiner Straße (links).




    Erneut queren wir den Landgraben.




    Brücke über den Landgraben nach Norden. Großstadtidyll.




    Blick in südliche Richtung, mit dem Gleispflasterstreifen im Vordergrund.




    Wir sind wieder an der Voglerstraße. Hinter dem regennassen Asphaltflecken erkennen wir die Kreuzung der Gleisschleife in ihrem Endzustand.





    Epilog




    Zustand der Blockumfahrung nach Stilllegung der verlängerten Augsburger Straße bis 1950.



    Der Straßenbahnverkehr in Striesen wurde nach dem Krieg zunächst mit einigen Unterbrechungen fortgeführt. Letztlich fielen die Strecken der Materialknappheit nach dem Krieg zum Opfer.
    Seit der endgültigen Stilllegung des einstigen „roten“ Netzes verbleiben im Raum Blasewitz – Striesen nur noch die älteren „gelben“ Hauptachsen über die Borsberg-/Schandauer und Blasewitzer/Loschwitzer Straße. Der große und heute mehr denn je dicht besiedelte Bereich dazwischen wird zwar mittlerweile durch einige Buslinien gequert, dennoch müssen mitunter weite Wege zum nächsten Nahverkehrsmittel zurückgelegt werden. Die Situation scheint mir auf jeden Fall alles andere als zufriedenstellend.

  • Antonstädter, auch wenn Dein Blick in meinen "Vorgarten" mir nichts wirklich Neues erzählen konnte, danke ich Dir doch sehr für die schöne Zusammenstellung. Die Pflasterung der Augsburger Straße erzählt wirklich einiges aus leider vergangenen Straßenbahntagen in Striesen. Da ist es fast schade, dass die Buckelpiste irgendwann doch mal saniert werden muss.
    Auf jeden Fall bin ich sehr gespannt ob, bzw. wie die Neubaustrecke für die Linie 61 trassiert wird. Ich bin jedenfalls absolut für ihren Bau, setze aber voraus, dass das Denkmalamt sich von der DVB nicht über den Tisch ziehen lässt.

  • Der Straßenbahnhof Neugruna

    Der heutige Beitrag beschäftigt sich ausnahmsweise einmal nicht mit einer ehemaligen Straßenbahnstrecke, sondern einem solchen Betriebshof. Wir bleiben dabei in der Gegend und widmen uns dem einstigen Straßenbahnhof Neugruna, mitunter auch als Blasewitz bezeichnet, etwas näher. Dabei handelt es sich nicht um irgendwein schnödes Straßenbahndepot, sondern den wohl geschichtsträchtigsten Ort der Nahverkehrshistorie der Stadt Dresden überhaupt.


    Eröffnet wurde er als erster Straßenbahnhof Dresdens überhaupt bereits 1872, als hier die Wagen und Pferde der Continental-Pferdereisenbahn AG Unterschlupf fanden – auch wenn Blasewitz natürlich damals noch längst nicht zu Dresden zählte. Bis zum Ende der Privatbahngesellschaften sollte er im Besitz der „Conti“ und derer Rechtsnachfolger, also der Tramways Company of Germany Ltd. bzw. der Dresdner Straßenbahn AG, verbleiben.


    Ab 1893 wurden hier neben den Pferdebahnen (nebst animalischer Zugtraktion) auch die ersten elektrischen Wagen der Linie Blasewitz – Laubegast untergebracht. Es handelte sich bei dieser um die nach der „roten“ Linie Schlossplatz – Blasewitz – Loschwitz zweiten elektrischen Linie der Dresdner Straßenbahn überhaupt und der ersten der „gelben“ Gesellschaft – mit der Besonderheit, zu Beginn als einzige Dresdner Straßenbahnlinie mit Stangen- statt Bügelstromabnehmern ausgerüstet zu sein!




    Strecken im Bereich Blasewitz-Neugruna 1907. Die erste „gelbe“ Elektrische trägt seit 1905 die Liniennummer 27 und wurde zur Ludwig-Hartmann-Straße zurückgenommen, da der Endabschnitt nach Laubegast von der späteren Linie 19, hervorgegangen aus der Pferdebahnlinie Schäferstraße – Striesen, übernommen wurde, um eine direkte Zentrumsanbindung zu ermöglichen. Zur Altenberger Straße fährt noch die Linie 30 (siehe Beiträge zum „Striesener Block“), die höchste im Stadtnetz jemals vergebene reguläre Liniennummer.
    Aus der „27“ wurde noch im selben Jahr die „1“, die nunmehr zwischen Loschwitz und Neugruna „flügelte“. Die Kurse zur Ludwig-Hartmann-Straße hießen ab 1928 „16“, nach dem Krieg verlängert nach Niedersedlitz und ab 1969 durch einfache Streichung der eins als „6“ bezeichnet. Womit wir in der Jetztzeit angekommen wären…



    Der Betriebshof wurde mitunter wie eingangs erwähnt oft auch als Straßenbahnhof Blasewitz bezeichnet. Wie falsch diese Bezeichnung ist zeigt der folgende Stadtplanausschnitt von 1911, denn eindeutig liegt er hier auf Grunaer (seit 1901 Dresdner) Flur, die Grenze verläuft zwischen Bahnhof und Bahnhofstraße (nach der Eingemeindung von Blasewitz Heinrich-Schütz-Straße).



    Nachdem bereits vorher zur Ergänzung der historischen Halle von 1872 hölzerne Bauten errichtet worden waren, erhielt der Straßenbahnhof 1925 eine hochmoderne Erweiterung in Spannbetonbauweise. Diese wurde jedoch nur kurz für die Straßenbahnen genutzt, denn ab 1936 diente der Bahnhof ausschließlich als Busdepot und -werkstatt - und dies noch bis 1997!


    Von 1947 bis 1975 beherbergte der Bahnhof zudem alle Dresdner Obusse. Spätestens nach dem Krieg wurde die falsche Bezeichnung „Omnibushof Blasewitz“ dann auch mehr oder weniger amtlich. Dies beweist das einzige Schild meiner Sammlung, das aufgrund fehlender Datierung zeitlich schwer einzuordnen ist. Vermutlich handelt es sich um Ausrückeschilder für den Klotzscher Werksverkehr, der am Platz der Einheit seinen Ausgangspunkt hatte.



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    Wir versetzen uns jedoch zunächst einmal ganz weit zurück, irgendwann in die 1880er Jahre, und blicken einem Wagen der ehemaligen „Conti“-Linie hinterher, der seine Fahrt in Richtung Residenz angetreten hat. Er hat offenbar seine grüne Originallackierung bereits verloren und kommt im Gelb der „Tramways Company“ daher. Mindestens ebenso interessant ist jedoch die dörfliche Ursprungsbebauung des Blasewitzer Ortskerns, die nur wenige Jahre später den großstädtischen Gründerzeitlern weichen musste…



    …die bis heute den Schillerplatz prägen. Rechts ging es damals zum eigentlichen Dorfanger, der heute hälftig mit der Rampe der Loschwitz-Blasewitzer Elbbrücke überbaut ist.




    Bis zum Straßenbahnhof der Linie ist es ein gutes Stück. Ursprünglich war die Strecke über die heutige Tolkewitzer Straße eine reine Betriebsstrecke. Erst seit 1893 wurde sie mit Eröffnung der erwähnten elektrischen Linie Blasewitz – Neugruna – Laubegast planmäßig befahren. Die später wie beschrieben zur Ludwig-Hartmann-Straße zurückgezogene Linie erhielt 1905 die Nummer 27. Aus demselben Jahr stammt der folgende Fahrplan, veröffentlicht im „Dresdner ABC“ desselben Jahres.




    Seit 1872 findet man an dieser Stelle Straßenbahngleise, auch wenn der Bahnhof Neugruna längst geschlossen ist…




    Straßenbahnhof Neugruna zur Pferdebahnzeit im ursprünglichen Zustand. Links sehen wir einen der großen Decksitzwagen der Linie Blasewitz – Böhmischer Bahnhof, später Linie 1. In der Mitte posieren stolz zwei elektrische Triebwagen der Laubegaster Linie. Beachtenswert die riesigen Warnschilder am Perron, die die Aufnahme auf einen Zeitpunkt unmittelbar nach Betriebsaufnahme datieren lassen. Der Anblick der ohne Zugtier heranrumpelnden Gefährte muss für die damalige Dorfbevölkerung wohl mindestens äußerst gewöhnungsbedürftig gewesen sein!
    Nicht minder interessant: die Arbeitslore 1 und das stolz posierende Personal.




    Annähernd identische Perspektive heute. Der markante Turm fiel den Erweiterungsarbeiten 1925 zum Opfer.




    Die Einfahrten wurden erst beim 2010 erfolgten Umbau zum Einkaufszentrum wieder geöffnet und waren vorher jahrzehntelang halb vermauert, halb verglast. Kaum zu glauben, dass hier tatsächlich ein Straßenbahnwagen hindurchpasste, aber das obige Bild liefert den Beweis!




    Dem Ursprungsbau von 1872 aufs Hinterteil geschaut. Deutlich zeichnet sich der Giebelabdruck der anschließenden und beim Umbau 2010 abgerissenen alten Wagenhalle an der Fassade ab.




    Belassen wurde die Trägerkonstruktion der bereits vor dem Umbau nicht mehr vorhandenen Holzveranda an der Landgrabenseite. Insgesamt hinterlässt die Sanierung mit den belassenen Gebrauchsspuren einen hervorragenden Eindruck!




    Kommen wir zum Erweiterungsbau von 1925. Unverkennbar hatte hier Paul Wolf als Stadtbaudirektor seine Finger im Spiel. Die Ähnlichkeit mit dem etwa zeitgleich entstandenen Straßenbahnhof Waltherstraße ist nicht zu verkennen.




    Südliche Seitenwand der Halle, die seit 2010 als Supermarkt genutzt wird. Expressionistische Gestaltungsmittel waren Mitte der Zwanziger en vogue




    Inneneindrücke. Bemerkenswert die Spannbeton-Dachkonstruktion mit den belassenen großen Oberlichtbändern. Auch diese erinnern an die Waltherstraße…




    Blick durch den Fensterbogen der Einfahrtsfassade.




    Viel Wert hat man beim Umbau darauf gelegt, die Geschichte des Ortes nicht vergessen zu lassen. Drei großformatige Bilder zur Geschichte des Bahnhofes zieren den Eingangsbereich des Supermarktes. Zunächst ein Blick in die neue Halle Ende der zwanziger Jahre. Auch in den Zwanzigern gab es schon Reklamewagen, wie der als „1“ beschilderte große MAN-Triebwagen 1604 beweist. Die Linie 1 war übrigens die unmittelbare Nachfolgerin von Dresdens erster Pferdebahnlinie und bestand in der Linienführung Altplauen – Loschwitz bis zum Abend des 13. Februar 1945.




    Das zweite Bild zeigt die Halle nach Umwidmung zum Bushof. Das Bild muss mit ziemlicher Sicherheit am 24. Oktober 1949 entstanden sein, dem Tag der Wiedereröffnung des Kraftomnibusbetriebes nach dem Krieg. Dies verraten die geschmückten Wagen der Linie A Wölfnitz – Gompitz, die bis zu ihrer eigentlichen Strecke noch ein ganzes Stück Wegs zurückzulegen haben. Nach Wiedernutzbarmachung des Bushofes Naußlitz wurde die Linie dann auch folgerichtig von dort aus gefahren, heute ist sie historischer Kernbestandteil der mittlerweile sehr langen Buslinie 70.




    Mitte der 1970er sonnt sich dieser Ikarus 180, aufgeschildert als Linie 85, vor der Halle. Die 85 (heute 65) war wohl diejenige Buslinie, die dem Bahnhof am nächsten kam. Beachtenswert die verschiedenartigen Seitenschilder!




    Heute parken keine Busse mehr im zum Einkaufszentrum umfunktionierten Gelände.




    Da war doch was…? Das Schild der Linie 85 lässt sich ziemlich eindeutig auf 1972/73 datieren und ist identisch mit dem vorderen Exemplar in unserem Ikarus 180.





    Fassade der Spannbetonhalle heute und auf einer Reklame der Baufirma aus den zwanziger Jahren.





    Langsam müssen wir uns von unserem ehemaligen Straßenbahnhof verabschieden. Noch einmal eine Totale des Geländes von der Tolkewitzer Straße aus. Links der Originalbau von 1872, der von der über fünfzig Jahre später errichteten „neuen“ Halle im Sinne des Wortes in den Hintergrund gedrängt wird.




    Noch einmal zurück zum Beginn des Jahrhunderts. Mittlerweile hat die „Elektrische“ den Bahnhof fest in ihrer Hand. Entstanden ist das Bild aber definitiv vor 1905, denn noch tragen die Wagen ihre originalen Wagennummern der „Gelben“ – und noch viel wichtiger: die in besagtem Jahr eingeführten Liniennummerntafeln auf den Dächern fehlen noch.



    ---


    Zum Abschluss einige historische Betrachtungen zum Straßenbahnverkehr in Neugruna. Von 1928 bis 1969 war hier die Linie 16 alleinig zu Hause, die ab etwa 1965 Seitenschilder mit Haltestellen erhielt. Aus der einstigen Station am Bahnhof Neugruna war bereits seit geraumer Zeit die „Heinrich-Schütz-Straße“ geworden, deren Name bis heute allen Umbenennungswellen zum Trotz überlebt hat. Das Schild lagert im Archiv des Straßenbahnmuseums.





    1969 wurde aus der „16“ der Einfachheit halber die „6“, die Linienführung blieb unverändert. Dieses schöne Exemplar aus meiner Sammlung stammt von 1975. Die Linie 6 fährt mittlerweile (genauer seit 1995) längst nicht mehr zum Wilden Mann.




    Mit der Einstellung der Pillnitzer Strecke erhielt die „6“ ab 1985 mangels Endpunkt im Raum Blasewitz auf dem Neugrunaer Abschnitt erstmals eine „Zweitlinie“ zur Seite gestellt. Die wiederauferstandene „18“ ersetzte die nach Johannstadt zurückgezogene „4“ auf dem Abschnitt Blasewitzer Straße – Schillerplatz. Der Zustand des Schildes zeugt von häufiger und intensiver Nutzung.





    Die neue Linie 18 erwies sich aber als sehr kurzlebig und wurde nach längeren Bauarbeiten 1989 klammheimlich durch die „4“ abgelöst. Dieser folgte 1990 die „1“ (die damit seit 1945 erstmals wieder an ihren Ursprungsort zurückkehrte), die wiederum 2000 der noch heute hier anzutreffenden Linie 12 Platz machen musste. Damit ist das Netz seit über 16 Jahren weitgehend stabil geblieben.





    Schönes Wochenende!

  • Hallo antonstädter,


    ich muss das hier mal öffentlich sagen:
    Nachdem ich im Oktober '15 mitbekommen hatte, dass Du Dich etwas frustriert aus dem DAF zurück gezogen hast, war ich gestern umso erfreuter, als ich die tonnenweisen Artikel, Bilder und Informationen des letzten guten halben Jahres von Dir zu Stadtgestaltung, Bergbahnen, Wasserläufen, O-Bussen und was nicht allem noch entdeckt habe. WOW!!! Das ist echt toll!!! :applaus::banana::rock:

  • Der Jägerhof. Errichtet ab 1569 und damit ältestes Baudenkmal der Neustadt, diente er dereinst als Jagdstützpunkt der sächsischen Kurfürsten, später als Kavalleriekaserne, Armenhaus, Werkstattgebäude und Lagerschuppen.



    Die größten Teile der Anlage mussten Ende des 19. Jahrhunderts dem Bau der Königin-Carola-Brücke und der Anlage des gleichnamigen Platzes plus anschließender König-Albert-Straße weichen. Nur der Süd- und Westflügel blieben bestehen, hier wurde nach umfangreicher Sanierung ab 1913 das Museum für Sächsische Volkskunst untergebracht. Während der Südflügel den Bombenangriffen anheimfiel. wurde der Westflügel wieder aufgebaut und zeugt noch heute, fast etwas deplatziert inmitten der großen Plattenbauten und im Schatten des Finanzministeriums, von der Vergangenheit Altendresdens vor dem großen Brande 1685.



    So weit so gut. Nur was bitteschön hat das denn mit dem Thema dieses Stranges zu tun!?!



    Der genaue Blick auf den Stadtplanausschnitt von 1890 verrät den Zusammenhang. Ausgehend von der bis 1974 bestehenden Gleisschleife am Goldenen Reiter zweigt ein Gleis gen Osten ab, kreuzt fast diagonal die östliche Platzseite des Neustädter Marktes und schlängelt sich anschließend durch die äußerst enge Große Klostergasse, um just im Jägerhof zu enden. Was hat es damit auf sich?




    Wir machen uns auf die Spuren des mysteriösen Gleises und begeben uns auf den winterlichen Neustädter Markt.




    Hier zweigte unsere Strecke aus der genannten Gleisschleife ab, die sich bis zur Stilllegung der Strecke durch die Hauptstraße 1974 zwischen deren Richtungsfahrbahnen erstreckte.




    Reste sind heute naturgemäß keine mehr zu entdecken, wurde der Bereich zwischen Haupt- und Albertstraße doch bis auf den Jägerhof mit dem Wiederaufbau völlig überformt. Halten wir uns daher an die Bilder Ermenegildo Antonio Donadinis, die in der Deutschen Fotothek einzusehen sind, und begeben uns in die 1890er Jahre.


    Noch herrscht reger Pferdebahnbetrieb. Links hinter dem Goldenen Reiter sehen wir die Weiche zu unserem Jägerhofgleis.




    Deutlich erblicken wir im Hintergrund die Kurve der eingleisigen Strecke in die Große Klostergasse. Links ein Einspänner der Linie Albertplatz – Zoologischer Garten – Strehlen, der nur bis zum Zoo fährt, erkennbar an dem großen Löwenkopf auf dem Dach (übrigens die direkte Vorläuferlinie der späteren elektrischen „9“!), rechts ein Wagen der Linie Neustädter Bahnhöfe – Georgplatz mit gelben Schildern und dem „Briefchen“ auf dem Dach (daher auch der Name „Briefchenlinie“), aus der später die Linie 25 hervorging. Siehe hierzu meinen Beitrag zum Innenring in diesem Faden.




    Östliche Front des Neustädter Marktes. Links mündet die heute nicht mehr vorhandene Kasernenstraße ein, rechts blicken wir direkt in die Große Klostergasse mit dem verwinkelten Jägerhof-Gleis. Heute ist die Gasse vollständig im überbreiten Verkehrszug der Köpckestraße aufgegangen. Unbedingt zu beachten der Pferdebahnwagen im Hintergrund auf unserem Gleis in Höhe Klosterplatz, dahinter das Finanzministerium im Bau!




    Äußerst interessant ist die folgende Luftaufnahme von 1925 (ebenfalls Deutsche Fotothek). Auch mir war bis zu den Recherchen zu diesem Beitrag nicht bewusst, dass selbst in den zwanziger Jahren noch die Gleisreste auf dem nördlichen Neustädter Markt vorhanden waren – vermutlich verschwanden sie erst im Zuge der Trümmerberäumung und der anschließenden Umgestaltung des Platzes!




    Was aber hat es denn nun mit unserem Gleis auf sich? Das Geheimnis lüften wir, wenn wir am nur wenige Schritte entfernten Ziel der Reise angelangt sind.
    Der heutige Neustädter Markt verdient wahrlich keine eingehendere fotografische Betrachtung, insbesondere bei dem aktuellen trüben Wetter wirkt er noch trostloser als ohnehin schon. Es genüge daher dieser Blick auf den rechten, einst im Pan Coupé des Rathaus-Gegenstücks eingearbeiteten Thomaeschen Brunnens im Schnee.




    Kein Beitrag ohne Schilder: Dieses überklebte, nicht normgerechte Straßenschild fand meine ungeteilte Aufmerksamkeit.




    Gegenstück vom Ende der Siebziger, Erbauungszeit der heute äußerst ranzigen Plattenbauten. Das Ambiente verkörpert wahrlich Endzeitstimmung.





    Wohlan hinfort o grus‘lig Ort! …Einst querte die Jägerhof-Strecke hier den vollständig verschwundenen Klosterplatz.




    Der Blick, er schweift zum Markt zurück - wo’s Blockhaus, weiland hausumstünd, allein von einst’ger Größe künd‘t. Tschuldigung, der musste sein…




    Durch den versifften Durchgang des Plattenbaus hindurch erspähen wir das Ziel der Reise. Die Rückfront des Jägerhofs…




    …säumte dereinst den nördlichen Teil der zum Beaumontplatz und der Ritterakademie führenden Wiesentorstraße, benannt nach dem früheren elbseitigen Eingang nach Altendresden. Heute existiert von ihr nur noch der kurze Abschnitt am Finanzministerium, südlich der Köpckestraße.



    Westflügel des Jägerhofes mit original Renaissancegiebel.




    Vergleichsbild, wohl vor 1900. Zu beachten das Straßenbahngleis in der Einfahrt!




    Wir begutachten zunächst die Reste der nördlichen Wiesentorstraße. Pflaster und Fußweg unter dem Schnee scheinen noch original zu sein.



    (Deutsche Fotothek)





    Blick nach Süden. Wiesentorstraße mit Kuppel der Frauenkirche.




    Zwei weitere Fotothek-Bilder. Das erste zeigt den Jägerhof noch mit Mauer (und Gleis!), das zweite den Zustand bis zur Zerstörung 1945. Der auf dem zweiten Bild sichtbare Südflügel wurde nicht wiederaufgebaut. Im Hintergrund ist dort der auf Ex-Jägerhof-Gelände errichtete Rundbau des Circus Sarrasani von 1912 sichtbar.





    Vergleichsbild. Es wäre zu überlegen, ob nicht mit einem Neubau in alter Kubatur eine Abschottung des Jägerhofes von der vielbefahrenen Verkehrsschneise wünschenswert wäre….




    Jägerhof-Westflügel, Blick in den einstigen Innenhof, heute und nach 1913 (Deutsche Fotothek).





    Und um 1890. Die Weichenstraße, der Pferdebahnwagen im Hintergrund und die angeschnittene Holzhalle ganz rechts verraten den Zweck der „Jägerhof-Strecke“: Es handelt sich um nichts anderes als die Zufahrt des in dem Areal untergebrachten Pferdebahnhofes Neustadt der Tramways Company of Germany Limited! Womit zu der langen Nutzungsliste des Jägerhofs zu Beginn dieses Artikels ein weiterer wichtiger Baustein hinzuzufügen wäre.




    Wie lange der Bahnhof in Betrieb war ist nicht mehr exakt zu ermitteln. Vermutlich wurde er gleichzeitig mit den über die Augustusbrücke in die Neustadt führenden Strecken 1881 eingerichtet. Aufgegeben wurde er wohl 1897, mit Aufnahme des elektrischen Betriebes. Die Baulichkeiten verschwanden dann mit den Abrissen bis spätestens 1910. Die Postkarte zeigt den Jägerhof bereits beräumt, aber noch vor Sanierung des Westflügels für das Volkskunstmuseum.




    Einblicke um 1890. Der rechts sichtbare Flügel mit Wendelstein wurde ebenso wie der winkelige Nordflügel vor 1910 abgerissen. Heute befindet sich hier der Parkplatz vor dem Neubaublock. Die Holzhallen links dienten wohl als Stallungen der Straßenbahn.
    Der Blick geht zum Beaumontplatz, erkennbar ist das hohe Dach der Ritterakademie im Hintergrund.




    Heutiger Einblick in die Gegenrichtung. Das massige Finanzministerium scheint den zierlichen Renaissancebau fast zu erdrücken. Links wäre die Wagenhalle des Pferdebahnhofes gewesen.




    Jägerhof-Details. Ein Winteridyll zwischen sozialistischer Kotz- und wilhelminischer Protzarchitektur.






    Wendelstein und Brunnen.




    Besuchen wir den Circus Sarrasani. Vor Fertigstellung der festen Unterkunft wurde auf dem einstigen Gelände des Jägerhofs ein Zeltbau errichtet. Bis auf Süd- und Westflügel sind alle restlichen Baulichkeiten bereits beseitigt.




    Ein weiteres Sarrasanibild mit dem 1912 eröffneten „Theater der 5000“. Statt Pferdebahnwagen parken jetzt die Zirkusvehikel auf dem Gelände. Erwähnenswert ist auch das lange Gleisdreieck in der heute überbauten Briestraße – es diente den mittlerweile elektrischen Straßenbahn-Einsatzwagen nach Vorstellungsende als Aufstellort. Die „5000“ mussten ja auch wieder nach Hause bugsiert werden!




    An der ehemaligen Briestraße sieht es heute so aus.




    Wir verabschieden uns langsam aber sicher von dem weitgehend unbekannten Pferdebahnhof im Jägerhof. Interessant ist die unterschiedliche Dacheindeckung der Wendelsteine: Während der mittlere über eine Kupferhaube verfügt, sind seine Geschwister links und rechts mit Schiefer gedeckt.




    Erst seit 1977 führt die Straßenbahn wieder am Jägerhof entlang – diesmal aber mit Fahrgästen und in der Achse der zur riesigen Verkehrsschneise mutierten einstigen Großen Klostergasse.




    Brechen wir auf und stoßen ins Horn! Ein abendliches Halali allerseits!

  • Wir gehen zunächst durch die Waltherstraße zur Friedrichstraße, um noch dem 1926 eröffneten Straßenbahnhof Waltherstraße einen Besuch abzustatten.

    Da komm ich gerne mit... :D


    ...und weil ich Vergleichsbilder mag, gibt es dazu


    noch eins von 1926:



    größer



    Wir erblicken die mächtige Christuskirche, erbaut 1903 bis 1905 durch Schilling & Graebner. Es handelt sich wohl unzweifelhaft um den bedeutendsten Dresdner Jugendstilbau.



    Das vergleichsweise neue Dach sieht ja zwischen den schwarzen Steinen bisschen seltsam aus... ist da mal eine Sanierung geplant?



    Sind Jugendstilinventar und Originalfenster ebenfalls erhalten?

  • Achtung! Bahn frei! Electrisch von Blasewitz nach Laubegast (I)

    Nach langer Pause und Ausflügen in die sächsische Provinz war ich heute wieder einmal auf hauptstädtischen Geschichtsgeleisen unterwegs. Gegenstand der heutigen Betrachtungen ist die Verbindung Blasewitz – Tolkewitz – Laubegast. Wie jetzt, wird sich der aufmerksame Leser fragen, was hat die denn in diesem Strang verloren? Eine nicht ganz unberechtigte Frage, freut sich die aktuell in der Linie 6 verarbeitete Verbindung doch bester Gesundheit.


    Bei besagter Relation handelt es sich allerdings um einen für die Dresdner Straßenbahngeschichte sehr besonderen Abschnitt, der definitiv einer eingehenderen Betrachtung lohnt. Dazu müssen wir jedoch zunächst einmal etwas ausschweifend werden und uns wieder dem allseits beliebten Drama „Die Gelbe, die Rote und die böse Stadt“ widmen.


    Beamen wir uns zurück ins Jahr 1891. Die „Gelbe“, oder besser „Tramways Company of Germany Ltd.“, stand bereits seit geraumer Zeit mit der Stadt Dresden auf Kriegsfuß, wollte diese doch zukünftige Strecken nur noch an eine deutsche Gesellschaft vergeben. Als solche trat 1890 die konsequenterweise so genannte „Deutsche Straßenbahngesellschaft in Dresden“ auf den Plan, die bereits in den vergangenen Beiträgen vielzitierte „Rote“ – im Volksmund so benannt wegen der leuchtenden Wagenfarbe ihrer Vehikel. Die Beziehungen zwischen Stadt und englischer Gesellschaft verschlechterten sich in der Folge derart, dass Erstere schließlich auch die Einführung des elektrischen Betriebes nur noch einer deutschen Firma gestatten wollte. Die Tramways Company konzentrierte daher ihre einschlägigen Bemühungen auf die Verlängerung der Pferdebahnlinie Schäferstraße – Striesen über den Pferdebahnhof Geisingstraße hinaus nach Neugruna, Tolkewitz und Laubegast, schließlich lagen alle genannten Ortschaften damals noch außerhalb der Residenz und damit des Zugriffs der Dresdner Stadtverwaltung.




    Die sehr umtriebige Niedersedlitzer Firma Kummer & Co. bot sich als Partner an und bastelte ab 1892 auf ihrem Werksgelände an den notwendigen Wagen. Deren Wagenkästen ähnelten den Pferdebahnwagen der Epoche sehr.



    Zeichnung eines elektrischen Wagens der „Gelben“ bei Versuchsfahrten im Kummerschen Fabrikgelände in Niedersedlitz. Der bizarre Stromabnehmer wurde so nicht übernommen.


    Alles wäre so schön gewesen, wenn nicht die Stadt Dresden sich am 1. Juni 1892 der bis dato eigenständigen und der neuen Traktionsart gegenüber sehr aufgeschlossenen Gemeinde Striesen bemächtigt hätte. Es kam, was kommen musste: Die Stadt zeigte sich hartleibig und bewies sofort, wer hier Chef im Ringe war: Sie verbot umgehend die Elektrifizierung der bereits in Planung und teilweise im Bau befindlichen Verlängerung auf ihrem Gebiet. Die Flüche in den Fluren der Verwaltung der Tramways Company sind nicht überliefert, man darf aber vermuten, dass den Gentlemen ihre gute englische Kinderstube in diesem Augenblick bloody egal gewesen sein dürfte. Es half aber alles nichts: Eine neue Lösung musste her, und zwar schleunigst, for heaven‘s sake!


    Eine solche bot sich glücklicherweise an, indem man die Strecke nicht an die Striesener Linie, sondern die alte Blasewitzer Verbindung vom Schillerplatz nach Dresden anschloss. Deren Straßenbahnhof Neugruna lag unmittelbar an der Blasewitz-Grunaer Flurgrenze und war mit dem Schillerplatz über eine lange Verbindungsstrecke angeschlossen. Noch besser: Der Bahnhof konnte gleichzeitig als Unterstellmöglichkeit für die elektrischen Bahnen genutzt werden, was teure Investitionen vermied. Die Geisingstraße wäre hierfür nur bedingt geeignet gewesen. Die Strecke wiederum sollte dann direkt über die Tolkewitzer Straße zum Wasserwerk und weiter über die Pllnitzer Straße durch den Tolkewitzer Ortkern und die Hauptstraße nach Laubegast zum Forsthaus führen.



    Elektrische Linie Blasewitz – Laubegast der Tramways Company. Gebaut wurde letztlich durch die Ludwig-Hartmann-Straße und die direkte Führung durch die Tolkewitzer Straße nicht umgesetzt.


    Von dieser Idee kam man aber schnell aus zweierlei Gründen wieder ab: Erstens hatte man in der heutigen Wehlener Straße vor dem Friedhof bereits die Gleise verlegt, zum anderen war der Johannisfriedhof der einzige ernst zu nehmende Generator für irgendwelche nennenswerten Fahrgastzahlen in der damals noch sehr dörflichen und dünn besiedelten Gegend. Somit baute man durch die enge Ludwig-Hartmann-Straße und bog am „Goldenen Löwen“ scharf nach links in die Pillnitzer Straße (seit 1904 Wehlener Straße). Dort ging es weiter am Johannisfriedhof und dem Pahlitzschen Gut vorbei, wo wenige Jahre später der Straßenbahnhof Tolkewitz entstehen sollte, um schließlich am Wasserwerk Tolkewitz auf die ursprünglich geplante Streckenführung zu treffen. Diesen auf den ersten Blick recht unmotiviert wirkenden Umweg, der einzig und allein der Friedhofsanbindung diente, gibt es bekanntlich noch heute – Provisorien wären halt am Längsten!


    Am 18. November 1893 konnte schließlich der elektrische Verkehr auf der Verbindung Blasewitz – Laubegast eröffnet werden. Die Pferdebahnlinie hatte man vom Schillerplatz über die Betriebsstrecke zum Straßenbahnhof Neugruna verlängert, um einen Anschluss in die Stadt sicher zu stellen – nach erfolgtem Umbau der Oberleitung und Elektrifizierung der weiterführenden Strecke erfolgte der Umstieg ab 1896 am Schillerplatz. Dennoch blieben die betrieblichen Ergebnisse ernüchternd. Zum Einen war der Weg über Blasewitz nach Dresden doch recht umständlich, zum Anderen konnten sich große Teile der dörflichen Bevölkerung die Bahn schlichtweg nicht leisten.


    Außerdem handelte es sich um einen Versuchsbetrieb mit entsprechenden Kinderkrankheiten: Hatte die „Rote“ für ihre ein halbes Jahr eher eröffnete Linie Schlossplatz – Blasewitz – Loschwitz von Beginn an Bügelstromabnehmer verwendet, die später nicht nur in Dresden, sondern ab 1897 in ganz Sachsen vorgeschriebener Standard werden sollten, experimentierte die „Gelbe“ mit der Dickinson-Rolle. Erst der Umbau der Oberleitungsanlagen 1896 ermöglichte schließlich die Einbeziehung des Inselbetriebes in das gesamtdresdnerische elektrische Netz – bis dahin handelte es sich um einen waschechten Inselbetrieb…


    1899 wurde die ursprünglich geplante Strecke über die Borsberg- und Schandauer Straße am „Goldenen Löwen“ eingebunden und über sie jener geradlinig durchgehende elektrische Verkehr in die Residenz eröffnet, den heute die Linie 4 vollführt. Die inzwischen zum Schillerplatz verlängerte Linie Blasewitz – Laubegast wurde entsprechend bis zur Ludwig-Hartmann-Straße verkürzt, blieb aber trotz ihres provisorischen Charakters erhalten. Dabei blieb es unter wechselnden Liniennummern bis nach dem Zweiten Weltkrieg, als die damalige Linie 16 zunächst nach Laubegast, dann nach Niedersedlitz verlängert wurde. Seitdem wird die ursprüngliche Strecke wieder durchgehend befahren, seit nunmehr 1969 ununterbrochen durch die Linie 6! Damit möchte ich den diesmal etwas ausführlicheren Eingangsexkurs in die Dresdner Nahverkehrsgeschichte beenden und mich endlich der Bildstrecke zuwenden.



    Beschilderung der Strecke Blasewitz – Laubegast. Seitenbaken auf dem Dach mit dem Linienverlauf, wie bei den „städtischen“ Linien, gab es nicht.
    Die Hinweisschilder erachtete man wohl für notwendig, um der ländlichen Bevölkerung den pferdelosen Charakter der elektrischen Wagen zu verdeutlichen….-



    ---



    Beginnen wir unseren Ausflug am Straßenbahnhof Neugruna, den ich um Weihnachten hier bereits etwas näher vorgestellt habe. Noch einmal das Postkartenmotiv mit den Laubegaster elektrischen Wagen zur Eröffnungszeit, die noch ihre Hinweisschilder tragen.




    Kopfbau der Wagenhalle von 1872, ältester baulicher Zeuge der Dresdner Straßenbahnhistorie.




    Unmittelbar neben dem Straßenbahnhof fließt der Landgraben. Die Straßenbahn steht in der stadtwärtigen Haltestelle „Heinrich-Schütz-Straße“, Nachfolgerin des ersten elektrischen Endpunktes aus Richtung Laubegast.




    Der Endpunktbereich der zweiten elektrischen Dresdner Linie heute. Er hieß zwar „Blasewitz“, lag aber östlich des Straßenbahnhofs und damit eineindeutig auf Grunaer Flur! Falsche Endpunktbezeichnungen haben bei der Dresdner Straßenbahn also eine sehr lange Tradition…




    Endpunkt Neugr…, ähh Blasewitz in der Eröffnungszeit. Sehr auffällig sind die halbkreisförmigen Plattformen mit den für die „Gelbe“ typischen, sehr niedrigen und damit elegant wirkenden Plattformblechen. Das Warnschild sollte wohl verdeutlichen, dass die Bahn sich auf einen hinzu- und nicht wegbewegte! Nicht, dass noch irgendeiner dächte, er hätte das zugtierfreie Hinterteil einer Pferdebahn vor sich…




    Habe ich schon erwähnt, dass ich Schilder mag? Dieses handgefertigte Exemplar am Weg neben dem Landgraben verdient es, hier verewigt zu werden!




    Ein letzter Blick auf den Bahnhof Neugruna von der Landgrabenseite.




    Bei dieser Lithografie von Förster’s Restaurant ist das Größenverhältnis Haus – Straßenbahn wohl etwas verunglückt.




    Das Haus gegenüber des Straßenbahnhofs existiert noch heute und ist sehr ansprechend saniert.




    Kurz nach dem Endpunkt passiert die Strecke die Einmündung der Tauscherstraße. Die Villa Haenel mit ihrem markanten Turm entstand schon 1889 und damit vier Jahre vor der Strecke, die sich hier im Bau befindet. Man beachte die dicht an dicht stehenden hölzernen (!!!) Fahrleitungsmasten der ursprünglichen Oberleitung!




    Heute ist die Villa hinter dichtem Dickicht verborgen und hat ihren hohen Turmhelm eingebüßt.




    Straßenbahn kurz nach Eröffnung an der Tauscherstraße, rechts die Villa. Die zu Beginn eingleisige Strecke lag in einer unbefestigten, geschlemmten Fahrbahndecke. Beachtenswert auch die ursprüngliche Oberleitung: Die Dickinson-Rolle erlaubte sehr kurze Ausleger, da die Oberleitung nicht in der Gleisachse verlegt werden musste, denn ähnlich wie bei einem Obus konnte die Oberleitungsstange stark ausschwenken. Der Nachteil der Rolle lag in der Notwendigkeit von Luftweichen an Knotenpunkten, damit diese in die richtige Richtung wechselte. Aus diesem Grunde setzten die meisten größeren Straßenbahnbetriebe alsbald auf einfacher handhabbare Bügelstromabnehmer, Dresden bekanntlich seit Beginn.




    Kurvenreich ist die Tolkewitzer Straße. Die Strecke der Linie 6 zwischen Schillerplatz und Ludwig-Hartmann-Straße vermittelt trotz sanierter Gleise und barrierefreier Haltestellen noch echtes Straßenbahnflair und gehört ob ihrer Schönheit eigentlich in jeden Reiseführer!



    Derartige Details werden leider immer seltener. Solch dekorative Straßenschildhalterungen waren in Blasewitz und Neugruna einst weit verbreitet.




    Mietvillen an der Tolkewitzer Straße.




    Provisorische Umleitung für den Autoverkehr durch die Ludwig-Hartmann-Straße. Eine solche fährt auch die Straßenbahn, und das bereits seit 1893…





    Vor uns taucht die Einmündung der Ludwig-Hartmann-Straße auf.




    „Provisorisch“ biegt die Bahn in die enge Ludwig-Hartmann-Straße ein, um den Johannisfriedhof anzudienen. Ursprünglich sollte die Strecke links aus dem Bild hinaus weiter der Tolkewitzer Straße bis zum Wasserwerk folgen. Warum man diese Verlegung nicht vornahm, nachdem ab 1899 die Straßenbahn über die Schandauer Straße nach Dresden durchfahren konnte, wird wohl ein ewiges Geheimnis bleiben. Stattdessen betrieb man die alte Strecke als Verbindungslinie (später 27) weiter, die später in der 1, dann 16, heute 6 aufging. Unglaublich, dass diese Vorstadtverbindung noch immer existiert,vor allem wenn man bedenkt, dass manche Stammstrecke der Bahn bis heute nicht wieder reaktiviert ist…




    In dem Eckhaus residierte einst das „Restaurant Ludwigsburg“.




    Eine der ganz wenigen unsanierten Villen an der Tolkewitzer Straße. Es handelt sich hoffentlich um Sanierungs- und nicht etwa Abbrucharbeiten. Das wäre in der Gegend ja nichts Neues.




    Ein Blick zurück in die Tolkewitzer Straße, die wir nun verlassen, um weiter der „LuHa“ zu folgen, wie die Ludwig-Hartmann-Straße im Straßenbahnerjargon genannt wird.




    Prächtige Mietvillen in der Ludwig-Hartmann-Straße, die beim Umbau der Strecke vor zwei Jahren leider viel ihres Flairs eingebüßt hat.




    Ludwig-Hartmann-Straße, Blick nach Norden zur Tolkewitzer Straße. Die rustikale Ursprünglichkeit der eingleisigen Strecke ist leider Geschichte, wenngleich sie aus betrieblicher Sicht bei der aktuellen Belegung mit zwei Linien natürlich ein arges Hindernis darstellte und der zweigleisige Ausbau unumgänglich war.




    Friedliches Miteinander einer historischen Gaslaterne und eines modernen Haltestellenschildes an der Gustav-Freytag-Straße.




    Neugrunaer Idyll. Kurze Pause, dann geht es weiter…


  • Achtung! Bahn frei! Electrisch von Blasewitz nach Laubegast (II)

    Eine „6“ nach Niedersedlitz hält an der Gustav-Freytag-Straße. Wir werden ihr bis Laubegast per pedes folgen.




    Kurz noch etwas Schilderkunde: Irgendwann im Jahre 1975 fuhr die Linie 6 selbst nur bis Laubegast, und am Forsthaus musste in Pendelwagen umgestiegen werden. Solche bunten Papp-Umleitungsschilder in allerlei Farben fanden bis etwa 1987 Verwendung, als sie durch ein neues „Design“ abgelöst wurden.




    In der Gegenrichtung passiert eine „12“ die Gustav-Freytag-Straße. Auffällig viel farbenfrohes Wagenmaterial kam mir heute unter die Linse…




    Das schöne Erlweinsche Gebäude der „Siebenschwabenschule“ in der Hofmannstraße beherbergt mittlerweile die 32. Oberschule. Der Blick ist heute durch Gesträuch und buntes Blech verstellt.





    Brunnen an der Außenmauer des Schulgeländes, Ludwig-Hartmann-/Gustav-Freitag-Straße.




    Ungewöhnliche Anordnung von Straßen- und Zusatzschild.




    Das Haus Ludwig-Hartmann-Straße 12 stand 1893 noch allein auf weiter Flur zwischen allerhand Busch- und Baumwerk. Die Bebauung setzte danach rasch ein, die Gleislage blieb allerdings bis 2015 unverändert!





    Ursprünglich gab es an der Maystraße eine Haltestelle, heute fährt die Bahn hier durch.




    Ein weiteres Motiv, wie es sich so nur in Dresden finden lässt. Es sind Details wie diese, die den besonderen Charakter einer Stadt maßgeblich bestimmen. Leider scheint dies viel zu Wenigen, Entscheidungsträger inklusive, klar zu sein. Wie sonst könnte man noch immer allen Ernstes die Beseitigung der Gasbeleuchtung verfolgen und alte Straßenschilder wie dieses gedankenlos durch Nullachtfuffzehn-Mast-Schild-Kombinationen ersetzen?




    Die hübsche Villa hat offensichtlich einen sehr verständnisvollen Besitzer. Dies zeigt sich u.a. an der neuen Hausabspannung, während in andere Vorgärten, auch dort wo es baulich möglich gewesen wäre, dicke Oberleitungsmasten gerammt wurden. Offensichtlich weigerten sich dort die Hausbesitzer, das Anbringen einer Fahrleitungsrosette zu genehmigen. Ausnahmsweise kann man hier den Verkehrsbetrieben also keinen Vorwurf machen.




    Vor uns liegt die Polenzstraße, ebenfalls einst mit einer eigenen Haltestelle angedient.




    Nach Norden geblickt. Eine 12 kreuzt die Polenzstraße.




    Einige Impressionen von der völlig neugestalteten Haltestelle „Ludwig-Hartmann-Straße“ der Linien 6 und 10/12. Sehr bemerkenswert ist die gewählte Haltestellenbeleuchtung, die ziemlich einzigartig sein dürfte: Sie besteht aus elektrischen Trapp-Replikalaternen, die mit der historischen Gasbeleuchtung der Straße und dem modernen Haltestellenmobiliar ein stimmiges Bild erzeugen. Daumen hoch!





    Aber warum zum Henker heißt die Haltestelle „Striesen, Ludwig-Hartmann-Straße“? Korrekt wäre b]Neugruna[/b], Ludwig-Hartmann-Straße“. Aber wir haben ja bereits zu Beginn gesehen, falsche Endpunktnamen haben Tradition…




    Bemerkenswert sind die elektronischen Fahrplanaushänge im Wartehäuschen. Diese waren mir bislang unbekannt.




    Eine „6“ legt sich schnittig in jene Kurve, die seit 1893 elektrisch und schienengebunden befahren wird. Erst 1899 folgte die Einbindung der Striesener Strecke von rechts, die ab da die Erschließung von Tolkewitz und Laubegast übernahm.




    Am „Goldenen Löwen“. Rechts die Ludwig-Hartmann-Straße mit der Kurve der Linie 6, links die Schandauer Straße mit Blick in Richtung Striesen.




    Würfelhäuser an der Wehlener Straße.




    Beim jüngsten Straßenausbau wurde die Haltestelle „Johannisfriedhof“, einst „Straßenbahnhof Tolkewitz“, in Richtung Ludwig-Hartmann-Straße verschoben und befindet sich jetzt an der Berggießhübler Straße.




    Am Johannisfriedhof, Höhe Ankerstraße. Ab hier spottet der Straßenzustand jeder Beschreibung. Der Bau soll aber noch dieses Jahr erfolgen.




    Einige Friedhofsimpressionen: Kreuztor:




    Kapellentor und Totenhalle von 1881, die von niemand geringerem als einem gewissen Paul Wallot stammt.




    Totenhalle auf einer historischen Postkarte.




    Gegenüber lebt allerlei Kleingewerbe seit Generationen ganz hervorragend vom Friedhofsgeschäft.




    Die niedliche Blumenhalle ist selbst historisch und lässt sich bis ins Jahr 1881 zurückverfolgen. Davor lag bis vor Kurzem die landwärtige Haltestelle „Straßenbahnhof Tolkewitz“, alias „Betriebshof Tolkewitz“, alias „Johannisfriedhof“.




    Sehr eindrucksvoll ist die Friedhofsmauer mit den Rückfronten der imposanten Grabmonumente.




    Als die Bahn 1893 eröffnet wurde, war die heutige Wehlener Straße abgesehen vom Friedhof weitgehend von Feld, Wald und Wiese gesäumt. Auf dem Gelände des späteren Straßenbahnhofes lag Pahlitzschs Gut. Vor diesem sehen wir emsige Arbeiter beim Bau der Oberleitung der Strecke im Jahr 1893. Der Straßenzustand war damals auch nicht wirklich schlechter als heute…




    …denn die Wehlener Straße ist eine echte Buckelpiste, gezeichnet von Rudimenten der Bahnhofseinfahrt. Die Perspektive dürfte in etwa der des vorigen Bildes entsprechen.




    Gottseidank startet der Ausbau der Strecke wie gesagt noch dieses Jahr!




    Der Straßenbahnhof Tolkewitz wurde gemeinsam mit der Streckendurchbindung nach Striesen 1899 eröffnet. Lange Jahre beherbergte er die Straßenbahn-Hauptwerkstatt. Von der einstigen Pracht war nach Kriegszerstörungen zuletzt aber herzlich wenig geblieben, als der Bahnhof 2009 geschlossen und schließlich im letzten Jahr abgerissen wurde, um Platz für die Tolkewitzer Schulneubauten zu schaffen.




    Vor dem 1945 zerstörten Verwaltungsgebäude posiert stolz das Personal vor einem typischen „gelben“ Triebwagen der Linie Cotta – Laubegast, der beidseitig verlängerten ehemaligen Pferdebahnlinie Schäferstraße – Striesen, später bis 1969 Linie 19.




    Vom Bahnhof zeugt straßenseitig nur noch das einstige Einsatzleiterhäuschen, ein Nachkriegsprovisorium.




    Hinter diesem wachsen in atemberaubendem Tempo die Neubauten für den großen Schulkomplex empor, der eine vierzügige Oberschule und ein fünfzügiges Gymnasium beherbergen soll. Satdt Verkehrs- also nun Schulfabrik!





    Die verbliebenen Gebäude, Teile der Hauptwerkstatterweiterung von 1927 und das ehemalige Kraftwerk, später Volksbad, werden saniert und teilweise in den Schulkomplex einbezogen. Davor lagern Träger der rasierten Wagenhallen, die wohl wieder verbaut werden sollen und von der Straßenbahnhofsvergangenheit der Immobilie künden werden.




    An der Ecke Schlömilchstraße befand sich weiland das Café Waldfrieden.




    Dieses wurde mittlerweile grekifiziert und nennt sich „Athen“. Davor das Gleisdreieck Schlömilchstraße, das in Bälde durch eine neue Gleisschleife ersetzt werden wird.




    Wir machen für heute erst einmal Pause und setzen den Weg nach Laubegast erst morgen fort. Schönes Wochenende!

  • Achtung! Bahn frei! Electrisch von Blasewitz nach Laubegast (III)

    Den dritten Teil auf den Spuren Dresdens zweiter elektrischer Straßenbahnstrecke eröffnen wir - mit einem Straßenbahnschild! Ab 1979 wurde ein neuer Typus Seitenschild eingeführt, der durch die auffällig große Liniennummer auf der Außenseite gekennzeichnet war. Dies verbesserte die Lesbarkeit enorm, allerdings war der besagte Stil nur von kurzer Dauer. Schon 1983 wurden die Zahlen wieder kleiner, und auf der Innenseite wichen die geschwungenen Ziffern wieder der Standardform. Beibehalten wurden allerdings stets die Schrifttypen der Fahrtziele und die Gestaltung der Haltestellenlisten. Unser Sechserschild zeigt die Namen der Haltestellen, wie sie unverändert viele Jahrzehnte bis Mitte der 1990er in Gebrauch waren. Zwischen Heinrich-Schütz-Straße und Leubener/Österreicher Straße (heute nur noch Leubener Straße) folgt die „ 6“ exakt der Linie Blasewitz – Laubegast von 1893.





    Blick in die Schlömilchstraße, mit den an den Straßenbahnhof angrenzenden Altbauten in Arbeit. Nur noch wenige Monate wird das Gleisdreieck seinen Dienst erfüllen.




    Nur wenige Schritte sind es von der Schlömilchstraße zum Krematorium Tolkewitz im Urnenhain. 1911 eröffnet gilt es, so makaber es klingen mag, neben der Strehlener Christuskirche als bedeutendster Bau des Jugendstils in Dresden.




    Nächste Haltestelle: Wasserwerk Tolkewitz. Die Wehlener Straße kurz vor der Einmündung der Tolkewitzer Straße am Wasserwerk.




    In Richtung Laubegast fahrend ziert ein pinkfarbener Straßenbahnwagen die hier ansonsten etwas gesichtslose, baumbestandene Wehlener Straße. Er wirbt für die neue Staatsoperette im Kulturkraftwerk Mitte.




    Wasserwerk Tolkewitz, eröffnet 1898. Vor dem Hauptbau mündet die Tolkewitzer Straße in die Wehlener Straße. Nach den ursprünglichen Plänen wäre hier die Straßenbahnstrecke aus Neugruna auf die heutige Wehlener Straße gestoßen.




    Stattdessen trifft die Bahn seit eh und je von der Ludwig-Hartmann-Straße kommend am Wasserwerk ein.




    Der schöne Industriebaus des Wasserwerks von der Wehlener Straße aus gesehen.




    Wohnhaus des Wasserwerks. Es passt sich stilistisch den Industriebauten an.




    „Sachsenhof“ Bellingrathstraße 1/Salbachstraße, vor der Eingemeindung Laubegaster Straße/Schulstraße. Davor ein Wagen der Linie 19 auf der Fahrt in Richtung Laubegast.




    Auch heute noch ist die interessante städtebauliche Situation erhalten, hier aus einer abweichenden Perspektive. Links die Wehlener Straße.




    Wasserwerk, liebevoll saniertes Ensemble von Wohnhaus und Hauptbau aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert.




    Wasserwerk Tolkewitz auf einer historischen Postkarte.




    Kurz danach wird es richtig ländlich. Eine 19 strebt vor dem Ersten Weltkrieg nach Laubegast. Die erhöht stehenden Mietshäuser an der Wehlener Straße sind noch heute erhalten, allerdings in etwas billigem Sanierungszustand. Auf ein Vergleichsbild habe ich daher verzichtet.




    Frühlingserwachen im Altelbarm zwischen Neu- und Alttolkewitz.




    Blick über den Altelbarm nach Alttolkewitz. Großstadtidylle.




    Die fehlende Bebauung des Altarms ermöglicht einen ungehinderten Blick auf die Wachwitzer Elbhänge und den Fernsehturm.




    Einmündung der Marienberger Straße, Blick Richtung Neutolkewitz.




    Wir nähern uns Alttolkewitz in malerischer Lage am Elbestrom.




    Blick zurück Richtung Blasewitz. Am Horizont ist das „Blaue Wunder“ erkennbar.




    Der gut gefüllte Landgraben fließt der Mündung in die Elbe entgegen. Kaum zu glauben, doch in der Goldstaubzeit der 1990er Jahre gab es ernsthafte Bestrebungen zur Bebauung des Altelbarms. Diesen hat gottseidank das Hochwasser 2002 ein abruptes und schmerzhaftes Ende bereitet, so dass uns dieser fantastische Naturraum noch lange erhalten bleiben wird.




    Im Mittelalter wurden Steinkreuze als Sühnezeichen für begangene Verbrechen errichtet. Im Dresdner Stadtgebiet existieren noch einige Exemplare, eines der schönsten und größten findet sich an der Wehlener Straße unmittelbar am Ortseingang von Alttolkewitz. Näheres zu Tathergang, möglichen Tatwaffen, Beschuldigten und Geschädigten ist unbekannt.




    Elbwiesen mit Wachwitzer Elbhang nebst Fernsehturm von der Wehlener Straße aus. Rechts die ersten Anwesen von Alt-Tolkewitz.


  • Achtung! Bahn frei! Electrisch von Blasewitz nach Laubegast (IV)

    Im letzten Teil geht es vom Tolkewitzer Ortskern zum Endpunkt nach Laubegast. Blick vom nordwestlichen Rand des Dorfkernes in die Wehlener Straße. Tolkewitz wurde 1350 erstmals als „tolkenwicz“ urkundlich erwähnt. Im Ort haben sich viele der ursprünglichen kleinen Häusleranwesen bis heute erhalten. Die Straßenbahn windet sich seit eh und je in Schrittgeschwindigkeit durch die enge, kurvenreiche Ortsdurchfahrt.




    Blick zurück zum Eingang des Dorfes und in den Altelbarm.




    Tolkewitz wurde schon 1912 der Stadt Dresden „einverleibt“, wie es im Ton der Zeit hieß. Im Dorfkern könnte man glatt vergessen, dass der Ort damit schon mehr als 100 Jahre Teil der Großstadt ist.




    An so manchem Häuschen lassen sich noch interessante Details entdecken, wie diese Kombination aus Haus- und Brandkatasternummern. Beim Fotografieren sprach mich der Besitzer an, mit dem ich dann noch einen netten Plausch führte. So hat er das Straßenschild selbst erworben und bezahlt, da in Alttolkewitz kein solches vorhanden war. Das ist mal Engagement…




    Ehemaliges Gemeindeamt.




    Alttolkewitz 16 und 18, zwei Vertreter der kleinen Häuschen, die für viele Dörfer im Elbtalraum einst so charakteristisch waren.




    Direkt daneben steht der stattliche Gutshof von August Hähnichen, daher auch „Gut Augustushof“ genannt. Besonders bemerkenswert ist der stattliche Taubenschlag im Hof.




    Blicken wir noch einmal kurz in die Vergangenheit: Alttolkewitz, Blick auf Donath’s Neue Welt nach der Jahrhundertwende…




    …und heute. Der Nachfolge“bau“ von 2011 ist so ziemlich das Hässlichste, Unsensibelste, Widerlichste und Grauenvollste, was in den letzten Jahren in Dresden aus dem Boden gestampft wurde. Dies ist umso krimineller, als das Ding direkt in der Blickachse der Straßenkrümmung liegt und damit den ganzen Charakter des historischen Dörfchens zerschießt.




    Zur Erholung blicken wir noch einmal in den intakten Teil des Dorfkerns zurück.




    Wie man solch ein Monstrum mitten im historischen Dorfkern genehmigen konnte, bleibt mir schleierhaft. Bleibt nur zu hoffen, dass die Hütte genauso billig gebaut ist, wie sie aussieht.




    Donath’s Gasthof, später „Donath’s Neue Welt“, war bis zur Schließung 1956 einer der beliebtesten Vergnügungsplätze des Dresdner Ostens. In den 1990er Jahren gab es tatsächlich Bestrebungen zu einer Reaktivierung das baulich noch gut erhaltenen Grundstücks. Im Jahr 2004 allerdings brannte der Fachwerkteil mit dem Saal wohl nicht ganz freiwillig komplett ab, man munkelt von thermischem Abriss. Warum dann aber auch noch der intakte, denkmalgeschützte und für das Dorfbild so immens wichtige Steinbau dran glauben musste, entzieht sich der Kenntnis. Der hierfür Verantwortliche gehört geteert und gefedert aus dem Dorfe gejagt…




    Vor Donath’s Gasthof in den 1890ern. Die Straßenbahnanlage befindet sich noch im Ursprungszustand.




    Vergleichsbild. Nur der Information halber…




    Der Blick zurück zeigt, wie rücksichtslos und brutal das gewerblich genutzte Neumonstrum in den Dorfkern gekachelt wurde.




    Gegenüber eine weitere Tolkewitzer Institution: der Eisgarten Huss, dessen Saison bald beginnen wird.




    Die Donathstraße bildet die Grenze zwischen Laubegast und Tolkewitz. Von 1912, dem Jahr der Tolkewitzer Eingemeindung, und 1921 lag hier auch die Stadtgrenze zwischen Dresden und Laubegast. Die Wehlener, ex Pillnitzer Straße wird zur Österreicher, einst Hauptstraße.




    Seitenblick in die Niederpoyritzer Straße. Seit Ewigkeiten geht es hier zur Fährstelle nach Niederpoyritz.




    Laubegaster Vorortszenenerie an der Österreicher Straße. Blick zurück nach Tolkewitz.




    An der Hermann-Seidel-Straße kann seit 2000 von der Straßenbahn in den Bus umgestiegen werden.




    Die stadtwärts fahrende 4 hält an der Hermann-Seidel-Straße. Im Hintergrund das Eckhaus Zur Bleiche/Österreicher Straße – Zur Bleiche hieß bis 1926 Gartenstraße und besaß dereinst eine eigene Haltestelle.




    Die farbenfrohe Häuserzeile an der Österreicher Straße zwischen Zur Bleiche und Neuberinstraße entstand 1908, noch lange vor der Eingemeindung Laubegasts nach Dresden.





    Als die Postkarte entstand, hieß die Österreicher noch Hauptstraße.




    Laubegast, kurz vor der Einmündung der Leubener Straße. Längst hat die „19“ die Wägelchen der Anfangszeit verdrängt. Hinter dem Zug der Städtischen Straßenbahn lugt das Rathaus Laubegast hervor.




    Das ehemalige Laubegaster Rathaus heute.




    Daneben das ab 1843 errichtete Laubegaster Herrenhaus, heute gewerblich genutzt.




    Vor uns liegt das Forsthaus Laubegast, 1893 Endpunkt der Straßenbahn. Erst Jahre später wurde die Strecke bis zum Bismarckplatz (Kronstädter Platz) verlängert. Wir haben das Ziel erreicht.




    Das markante Eckhaus an der Einmündung der Leubener Straße.




    Schon ab 1899 konnte am Forsthaus in die meterspurige Vorortsbahn nach Leuben und Niedersedlitz umgestiegen werden. Bau und Betrieb erfolgten zunächst durch die umtriebige Firma Kummer & Co. aus Niedersedlitz, die bekanntlich auch die Hände bei der Errichtung unserer Laubegaster Strecke im Spiel hatte. Nach deren Konkurs wurde die Vorortsbahn als Gemeindeverbandsbahn betrieben, um schließlich nach Eingemeindung und erfolgter Umspurung 1924 in das Dresdner Stadtnetz einbezogen zu werden. Ich habe der Vorortsbahn vor geraumer Zeit eine eigene Artikelserie gewidmet.




    Ein letzter Blick aus der Leubener Straße von der einstigen Abfahrtstelle der Vorortsbahn zum Endpunkt der ersten Laubegaster Strecke in der Hauptstraße (Österreicher Straße).




    Zum Abschluss noch einmal etwas einschlägige Schilderkunde: Seit 1969 befährt die Linie 6 anstelle der 16 die Blasewitz-Laubegaster Strecke. Fast genau 100 Jahre nach Streckeneröffnung, genau 1992, wurde dieses schwarze Seitenschild ausgegeben. Leider kam man von der edlen, aber durch den Mehrfarbdruck wohl auch recht teuren Aufmachung nach kurzer Zeit wieder ab. Bis zum Ende des klassischen Seitenschilds durch Digitalisierung um 2002/03 wurden die Schilder dann gelb.





    Schönen Sonntag!

  • Die Linie 5 - eine Geschichte in Schildern

    Seit nunmehr fast 17 Jahren klafft eine empfindliche Lücke in der Nomenklatura der Dresdner Straßenbahnlinien. Am 28. Mai 2000 hörte die zuletzt arg gerupfte Linie 5 auf zu existieren. Eine Wiedereinführung auf völlig neuer Strecke ist bekanntlich aktuell mal wieder in der Diskussion. Grund genug, der verschollenen Liniennummer in diesem Rahmen einen besonderen Beitrag zu widmen. Auch wenn dieser mit Stadtentwicklung und Städtebau vordergründig recht wenig zu tun hat, so denke ich doch, dass die gezeigten Dokumente für den stadtgeschichtlich Interessierten durchaus von Interesse sein dürften.



    TATRA-Vorsteckschild der letzten Generation – in Gebrauch bis 2000.


    Die erste Linie 5 hatte ihren Ursprung in der 1882 eröffneten Pferdebahnlinie Georgplatz - Bautzner Straße, die nach beidseitigen Verlängerungen 1887 schließlich zwischen Alaunplatz und Reichenbachstraße verkehrte. Nach Einführung des elektrischen Betriebes 1896 entfiel der Südast, und die Linie verkehrte fortan nur noch zwischen Alaunplatz und Georgplatz.


    Vier Jahre später wurde sie vom Alaunplatz über den Bischofsweg und -platz zur Hechtstraße verlängert und firmierte mit Wirkung vom 1.1.1906 unter der Liniennummer 5. Ab 1909 erhielt sie ihren Südast über die Prager Straße zurück und verkehrte nunmehr nach Zschertnitz. Im Norden wurde sie schließlich 1926 entlang der Hechtstraße zum Sankt-Pauli-Friedhof verlängert (der eigene Bahnkörper am Hechtpark ist heute noch zu erkennen), im Süden wechselten die Endpunkte mehrfach. So erreichte die Linie 5 später wahlweise die Nürnberger Straße, den Hauptbahnhof, den Strehlener Platz, Zschertnitz und schließlich mitten im Krieg 1944 Mockritz, wo sich der Endpunkt an der Bibrachstraße in Höhe der heutigen Schleifenausfahrt des Endpunktes Zschertnitz befand. Am 13. Februar 1945 kam schließlich das vorläufige Aus.


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    Erst 1950 erschien die Linie 5 wieder auf den Netzplänen. Wegen der großen Zerstörungen im Stadtzentrum experimentierte man mit Vorortlinien, die den Stadtring nur westlich und östlich tangierten. Die westliche Linie erhielt die Nummer 5 und verkehrte von Übigau über Leipziger Straße, Marienbrücke, Großmarkthalle, Schäferstraße, Hamburger Straße nach Leutewitz.


    Diese durchaus etwas komische Streckenführung bewährte sich offensichtlich nicht, und schon ein Jahr später begleitete die 5 die 13 auf ihrem Weg nach Strehlen. Der Fahrtweg, der sich bis 1969 nicht mehr ändern sollte, lautete nun: Übigau – Mickten – Liststraße – Bischofsweg – Rothenburger Str. – Sachsenallee – Fucikplatzb – Strehlen – Straßenbahnhof Reick. Nun wird es für uns interessant…



    Ab Anfang der 1960er Jahre wurden mit dem Ende des Schaffnerbetriebes echte Linienschilder eingeführt, bis dahin baumelten in den Wagen seitlich je ein kleines Liniennummernschild und ein Zielschild. Die handgemalten Vorlagen zeigten zunächst eine sehr spartanische Außenseite, auf der Innenseite wurden die wichtigsten Zwischenstationen eingefügt. Dieses und das folgende Schild finden sich im Archiv des Straßenbahnmuseums Dresden.





    Schnell fand man wohl die Fahrgastinformation nicht mehr ausreichend (und einen Schaffner, den man fragen konnte, gab es ja auch nicht mehr) - die folgende Generation ab 1965/66 erhielt daher eine ausführliche Liste aller Haltestellen nebst Anschlüssen. Zunächst noch alles handgeschrieben! In den letzten Jahren war die „alte“ 5 übrigens wegen Wagen- und Personalmangels zu einer Berufsverkehrslinie degradiert worden…





    1969 wurde aus der alten 5 die neue Berufsverkehrs-E13 - und aus der alten 15 die neue 5. Diese übernahm zunächst auch die LOWA-Züge von ihrer Vorgängerin, nur der südliche Endpunkt wurde von Plauen zur Nürnberger Straße verlegt. Das Schild ist ein Original von 1969 und zeigt noch die alte Streckenführung durch die innere Neustadt und über Postplatz, mit den Anschlüssen der durch die Straße der Befreiung (Hauptstraße) kommenden Linien 3, 7 und 8 am Neustädter Markt. Einen TATRA-Wagen hat es nie von innen gesehen.





    1974 wurde der Straßenbahnverkehr durch die Straße der Befreiung und über die Georgi-Dimitroff-Brücke eingestellt, für immer, wie es zunächst schien. Die 4 fuhr ab jetzt über die Marienbrücke, die 5 machte einen weiten Umweg ab Mickten über Bürgerstraße, Großenhainer Straße, Bahnhof Neustadt, Platz der Einheit, Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke und Pirnaischer Platz. Ein solches Schild besitze ich leider nicht.


    1977 konnten die neuen Gleisanlagen in der inneren Neustadt in Betrieb genommen werden, und die 5 kehrte auf die Leipziger Straße zurück – nunmehr aber mit TATRA-Kurzzügen. Begleitet wurde die Aktion von mehreren Änderungen: Mit der 4 tauschte die 5 den Endpunkt Weinböhla (die Stromversorgung der Außenstrecke ließ noch keinen TATRA-Betrieb zu) und fuhr nun nur noch nach Radebeul-West, dafür aber im Süden nach Plauen, wo sie die ersatzweise nach Südvorstadt umgelegte 3 verdrängte. Das entsprechende Schild weist einige Besonderheiten auf, so ist die Schrift recht klein und es wurden teilweise unübliche Schrifttypen verwendet.





    Ab 1982 war die Weinböhlaer Strecke TATRA-tauglich, und die 5 kehrte dorthin zurück. Richtige Linienschilder wurden aber erst ab 1984 ausgegeben, leider eine weitere Lücke in meiner Sammlung.


    Ende 1989 war es mal wieder soweit, und Weinböhla erhielt die Linie 4 zurück. Die Schilder der nach Radebeul-West verkürzten 5 waren mit den gleich gestalteten der 4 die ersten in einer neuen Optik, zwar noch nicht schwarz, aber bereits mit Antiqua-Beschriftung und umgestalteter Haltestellenliste.





    Nur etwa ein Jahr später, und die Schilder wurden schwarz. Noch aber sind die alten Straßen- und damit Haltestellenbezeichnungen in Gebrauch. Die ersten schwarzen Schilder fielen durch wahrhaft riesige Liniennummern auf der Vorderseite auf.





    Die „Linienoptimierung“ von 1992, in Wahrheit ein reines Streichkonzert, machte die 5 zum Platzhirsch in Radebeul und damit einer recht komplexen Angelegenheit. Gefahren wurde aller 20 Minuten von Südvorstadt nach Weinböhla und aller 10 Minuten bis Coswig, im Berufsverkehr gab es eine E5 nach Radebeul-West. Mittlerweile wurde viele Haltestellen umbenannt.







    Ab 1993 wurden die Schilder zwecks Kostenersparnis gelb. Hier die entsprechende E5.





    Wenig später kehrte man zur traditionellen Gestaltung der Haltestellenseite zurück. Mittlerweile wurde weiter gekürzt, und die E5 entfiel. Dafür fuhr jede zweite Stamm-5 nunmehr nur noch nach Radebeul-West, ab dort bis Weinböhla herrschte ein 20-Minuten-Takt.





    Das entsprechende „Langläufer“-Schild zeigt bereits die nächste Änderung: Alle Punkte der Haltestellenliste sind nun schwarz, auch die ohne Anschlüsse. Diese Gestaltung wurde bis zum Ende der nichtmodernisierten TATRA-Wagen (und damit der Fensterschilder) beibehalten.





    Das Ende der 1990er Jahre dürfte bislang den absoluten Tiefpunkt in der Geschichte der Dresdner Straßenbahn markieren. 1995 wurde, nur drei Jahre nach der ersten großen Nachwendereform, wieder einmal kräftig zusammengestrichen. Die 5 musste die lange Strecke nach Radebeul und Weinböhla an die 4 abtreten (die heute noch unverändert so fährt) und sich mit dem eigentlich überflüssig gewordenen Ast nach Übigau begnügen.




    Diese Schilder waren bis zum Ende der Linie am 28.5.2000 in Gebrauch. Doch bereits vorher starb die Übigau-5 auf Raten. Der anfängliche 10-Minuten-Takt wurde 1997 auf einen 20-Minuten-Takt gedehnt und die Einsatzzeiten stark reduziert. Samstags war gegen 16 Uhr Schluss, und sonntags fuhr überhaupt keine 5 mehr, abgesehen von einem Kleinbus, der zwischen Mickten und Übigau pendelte. Seitdem ist die Linie Geschichte, mittlerweile jedoch hat die 9 ihre Aufgaben im Pieschner und Micktner Raum übernommen und erfreut sich auch sonntäglich bester Gesundheit…



    Fast zuletzt noch ein ganz besonderes Umleitungsschild, ich glaube von 1997 oder 1998. Man baute am Pirnaischen Platz, und um den Studentenverkehr nicht ganz allein der umgeleiteten 3 und der 11 überlassen zu müssen, fuhr die 5 immerhin zwischen Südvorstadt und Fetscherplatz. Die wenigen Haltestellen wurden extra groß gedruckt, damit überhaupt etwas auf der Innenseite des Schildes zu lesen war…





    Und zuallerletzt noch die Rückseite des Vorsteckschildes vom Anfang – sie zeigt die orangene Umleitungsvariante passend zum vorigen Schild. Somit war man immer bestens informiert, ob die betreffende Linie auf dem Standardweg oder abweichend unterwegs war. In den 1990ern auf jeden Fall beispielhaft.


  • Der Straßenbahnhof Striesen

    Seit 1873 verband eine Pferdeomnibuslinie das aufstrebende Örtchen Striesen mit der Residenz. Bei den damaligen Straßenverhältnissen muss die rumpelige Fahrt über die Straße 4 (heutige Tittmannstraße) und Straße J (Borsbergstraße) alles andere als vergnügungssteuerpflichtig gewesen sein, und so sann man schnell auf Abhilfe. Eine Pferdebahn musste her!


    Vorher galt es aber noch, den auf Striesener Gemeindeflur gelegenen, als „Straße J“ bezeichneten Teil der Pillnitzer Chaussee entsprechend zu begradigen und auszubauen. Nach langwierigen Debatten und Verhandlungen (wie könnte es im oberen Elbtal auch anders sein) konnte der Betrieb der vom Fürstenplatz (Fetscherplatz) nach Striesen verlängerten Pferdebahnlinie schließlich am 31. Mai 1884 bis in Höhe des Striesen-Grunaer Communicationsweges, der heutigen Geisingstraße, eröffnet werden.



    Ausschnitt aus dem Plan von Striesen 1884. Noch fehlt die Pferdebahn, und der neue Verlauf der begradigten und verbreiterten Straße J ist gestrichelt eingezeichnet. Deren Ausbau in Richtung Dresden war eine Grundvoraussetzung für die Gleistrassierung und damit die Einführung des Pferdebahnbetriebes. Der Pfeil markiert die spätere Lage des Pferdebahnhofes.



    Viele Jahrzehnte war nun die Linie Schäferstraße – Striesen hier beheimatet. Mehrfach verlängert, elektrifiziert und seit 1905 als Linie 19 bezeichnet kam ihr Ende erst 1969, abgelöst durch die Linien 2 und 10, heute 4 und 10.



    Schilder der Linie Schäferstraße – Striesen. Als besonderes Kennzeichen führten die Wagen ein weißes „S“ auf grüner Scheibe, das sehr an das Berliner S-Bahn-Symbol aus den Zwanzigern erinnert. Ob die damaligen reichshauptstädtischen „Marketingexperten“ ihre Inspiration gar in der sächsischen Residenz gefunden hatten…?



    Schnell stellte sich das Problem der Beheimatung der Vehikel der neuen Linie, denn eine Wagenhalle gab es an ihr nicht. So trat die Tramways Company an den Striesener Gemeindevorstand heran, um eine Ausnahmegenehmigung für die Errichtung einer Wagenhalle an der Ecke der Straße J mit der zukünftigen Straße 5 (heutige Spenerstraße) zu erhalten. Eröffnet wurde dieser schließlich am 16. September 1885, also über ein Jahr nach Inbetriebnahme der Striesener Strecke.



    Ausschnitt aus dem Plan von Striesen 1887. Deutlich ist der Pferdebahnhof am Endpunkt der Strecke zu erkennen.



    Der Bahnhof verfügte über zwei Hallen und umfangreiche Nebengebäude, die für den Pferdebahnbetrieb unabdingbar waren: Stallungen, Heuboden, Hufschmiede, Geräteschuppen. Aber auch ein Beamtenwohn- und Verwaltungsgebäude direkt an der Straßenecke entstand und diente noch lange nach Einstellung des Bahnhofsbetriebes als Domizil für Straßenbahnangestellte. Da die Hallen recht nah an der Straße platziert waren und somit kein Platz für eine Weichenharfe gegeben war, musste man improvisieren: die westliche Halle wurde mit einer Drehscheibe versehen, die östliche erhielt eine Schiebebühne. Insgesamt standen pro Halle vier Gleise zur Verfügung, zudem gab es zwischen westlicher Halle und den Pferdeställen zur Straße 5 (Spenerstraße) zu noch ein Freiabstellgleis.



    Ausschnitt aus dem Plan von Blasewitz (1897). Mittlerweile ist Striesen nach Dresden eingemeindet worden, und die nüchtern mit Zahlen und Buchstaben betitelten Striesener Straßen haben richtige Namen erhalten. An der Geisingstraße ist der Endpunkt der kurzlebigen Pferdeomnibuslinie nach Gruna und Seidnitz erkennbar, die im „Altgruna“-Beitrag bereits vorgestellt wurde.



    Nachdem die ursprünglich 1892 geplante und durch die Eingemeindung Striesens nach Dresden und den Streitereien zwischen der Stadt und der englischen Gesellschaft zunächst ad acta gelegte Verlängerung der Pferdebahn als elektrische Bahn nach Tolkewitz und Laubegast schließlich 1897 doch Realität wurde, plante man zunächst eine großzügige Erweiterung und den Umbau des Straßenbahnhofes Striesen für den elektrischen Betrieb. Da man aber mittlerweile in Tolkewitz wesentlich umfangreicher klotzen konnte, unterblieb die Anpassung der erst zwölf Jahre alten Anlagen in Striesen und die inzwischen zur Dresdner Straßenbahn umfirmierte „Gelbe“ gab die Pläne auf. Den leerstehenden Bahnhof vermietete man nach Ausbau der Gleise und technischen Anlagen ab 1901, zunächst an eine Baufirma und einen Fuhrbetrieb, später zogen eine Zuckerwarenfabrik und schließlich ein Automobilhandel ein, zu dem sich bald eine Chauffeurschule gesellte.



    Ausschnitt aus dem Stadtplan von Dresden 1912. An der Geisingstraße endet die Linie 23, der Straßenbahnhof steht abgeklemmt und dient wie beschrieben diversen wirtschaftlichen Zwecken.



    Ab Ende der zwanziger Jahre mietete sich ein gewisser Leonhard Kreß in die mittlerweile mal wieder leerstehenden Hallen ein (angeblich wurden sie Mitte der Zwanziger noch einmal kurz von der Städtischen Straßenbahn selbst zur Abstellung von Omnibussen genutzt) und baute hier eine HANOMAG-Generalvertretung auf. Als 1945 das Gebiet um den Striesener Ortskern schwerstens von Bomben verwüstet wurde, erwischte es auch den ehemaligen Straßenbahnhof schwer, der bis zuletzt baulich noch nahezu im Originalzustand vorhanden war. Nur die westliche Halle wurde stark vereinfacht wiederaufgebaut und diente weiterhin jahrzehntelang als Reparaturbetrieb, bald volkseigen als VEB Kraftfahrzeugreparaturwerk. Die östliche Halle, sämtliche Nebengebäude und das Wohnhaus verschwanden spurlos. Nach der Wende zog ein Renault-Autohaus ein, und noch heute kann man hier französische Automobile erwerben. Wohl keiner der werten Kunden dürfte ahnen, dass er seine Geschäfte in einem ehemaligen Straßenbahnhof tätigt, zu wenig ist von der Originalsubstanz äußerlich noch zu erahnen.


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    Begeben wir uns also auf Spurensuche. Jahrzehntelang ließen die Straßenbahnen den alten Pferdebahnhof links bzw. stadteinwärts rechts liegen und legten zwischen Tittmannstraße (heute Mosenstraße) und Bergmannstraße im Eiltempo einen der längsten Zwischenabschnitte im Dresdner Straßenbahnnetz zurück. Erst seit 2013 wird hier wieder gehalten. Leider bewiesen die Verkehrsbetriebe wenig Sinn für Verkehrshistorie, als sie dem Haltepunkt an geschichtsträchtigem Ort den Namen „Spenerstraße“ verpassten. Ich hätte ihn definitiv „Geisingstraße“ genannt!





    Beamen wir uns noch einmal kurz zurück in die Pferdebahnzeit. Auf dieser Lithographie verewigte man stolz den hiesigen Straßenbahnhof, von dem ansonsten kaum Aufnahmen existieren.




    Aus der Ruine der westlichen Halle entstand das heutige Renault-Autohaus.




    Fahrpreisübersicht und Fahrplan der Linie Schäferstraße – Striesen, aus Neuester Uebersichtsplan der Dresdner Strassenbahnen. Johannes Pässler, Dresden 1885.





    Gesamtansicht des Autohauses von der Borsbergstraße.




    Im linken Teil verbirgt sich die Originalsubstanz der Westhalle.




    Dies ist die einzige Fotografie aus Betriebszeiten des Bahnhofs, die mir bekannt ist. Vor der Westhalle pausiert ein Wagen der Linie Schäferstraße – Striesen. Das Originalbild entstammt dem DVB-Archiv.




    Seit Jahrzehnten dient der alte Straßenbahnhof nunmehr dem Verkauf und der Reparatur von Automobilen verschiedenster Produzenten, heute der Créateurs d’automobiles aus La France.




    So bereits in den 1910er Jahren, wo zudem die Chauffeurlehrer stolz mit ihren Eleven posen. Automobile waren damals schließlich noch etwas ganz Besonderes! Links das Verwaltungs- und Wohngebäude des Bahnhofs an der Ecke zur Spenerstraße.




    Baracken statt Stallungen: der Blick in die Spenerstraße. Rechts befanden sich einst besagte Domizile führ die behufte Traktionsbelegschaft.




    Nicht weniger ernüchternd der Blick der stadtwärtige Blick in die Borsbergstraße, wo sich rechts das pottenhässliche Kaufland und links das nicht minder unästhetische Studentenwohnheim ins Blickfeld schieben. Monstrositäten aller Epochen, vereinigt euch!




    Das wohl unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg entstandene Vergleichsbild zeigt ganz rechts die einstigen Einfahrtsfassaden beider Hallen des entwidmeten Straßenbahnhofes und die damals noch brandneue Eckbebauung an der Spenerstraße. Der Turm der Herz-Jesu-Kirche verrät die ungefähre Übereinstimmung der Perspektive.




    Aus der Pferdebahnlinie Schäferstraße – Striesen entstand ab 1905 die Linie 19. Zu dieser gesellten sich die verstärkenden Zwischenlinien 21 (Bahnhof Friedrichstadt – Tolkewitz) und 23 (Bahnhof Wettinerstraße – Geisingstraße), ab 1906 übernahm die 21 auch die neue Außenbahnstrecke nach Cossebaude. Hier sehen wir die entsprechenden Fahrpläne aus dem Dresdner Verkehrsbuch von 1908. Die Linienreform ein Jahr später sollte in Striesen zunächst nur wenig ändern, nur die 23 wurde nun zu einer vollwertigen, aber recht merkwürdigen Linie von der Geisingstraße zur Pfotenhauerstraße über Amalienplatz, Postplatz, Hauptbahnhof und Ausstellung, die sich am Fürstenplatz selber kreuzte!




    Die 19 existierte bis 1969. Hier ein Seitenschild von 1965/66.





    Seit 120 Jahren wird der Striesener Straßenbahnhof nicht mehr genutzt. In Anbetracht der Kriegszerstörungen im unmittelbaren Umfeld grenzt es fast an ein Wunder, dass diese Spurensuche heute überhaupt noch möglich war. Erschwert wurde diese außerdem durch das sehr spärliche Bildmaterial. Sollte irgendjemand hier über weitere Bilder verfügen, so wäre ich wirklich ausgesprochen dankbar, wenn er oder sie diese hier teilen könnte.


    Altstriesen werde ich mich in Kürze noch einmal getrennt und ausführlicher widmen. Die Bilder sind im Kasten, hoffentlich werde ich im Laufe der Woche die Zeit finden, einen entsprechend qualitätsvollen Beitrag zu verfassen, der diesem ganz besonderen Ort würdig sein wird. In diesem Sinne: Guten Abend!

  • Auf den Spuren des 5-Pfennig-Omnibusses (Teil I)

    Zu einer Zeit, als sich die beiden privaten Straßenbahngesellschaften aufgrund der nicht mehr zu negierenden Vorteile der elektrischen Antriebskraft gegenseitig darin überboten, sich schnellstmöglich ihrer Pferdchen zu entledigen und ihre Vehikel zukünftig verstromt zu bewegen, bahnte (oder besser: omnibuste) sich ein wahrer verkehrstechnischer Anachronismus an.



    Geschichtlicher Einwurf


    Die sächsischen Landstände, die die heruntergekommene Residenz ihres Königshauses wohl erheblich schlimmer fanden als der ohnehin im lauschigen Strehlen in einer schicken Villa domizilierende Monarch selbst, bewilligten anlässlich des 800jährigen Dienstjubiläums ihro Majestät Dynastie im Jahre 1889 erhebliche finanzielle Mittel, um den kasernenhaften städtebaulichen Schlossmissstand zu beseitigen und der Hauptstadt endlich eine würdige Residenz zu kredenzen. Dies beinhaltete auch den nahezu kompletten Abriss und Neubau des auf das 16. Jahrhundert zurückgehenden Georgenbaues, was den krönenden Abschluss der bis 1901 andauernden Arbeiten darstellen sollte. Zur Verbesserung der Verkehrssituation translozierte man dabei das alte Renaissancetor kurzerhand an die Nordseite des Neubaus und schuf eine deutlich breitere Durchfahrt, die den Verkehr von und zur Augustusbrücke erheblich erleichterte. Im Vergleich: die alte und die neue Tordurchfahrt.





    Der Bau einer Straßenbahnstrecke durch das neue Tor wäre nunmehr ein Leichtes gewesen. Und dennoch verbot die Stadt kurzerhand den Bau einer solchen direkten Nord-Süd-Verbindung entlang der Schloßstraße mit dem nicht völlig aus der Luft gegriffenen Argument nicht ausreichender Breite der betroffenen Verkehrswege. Ob hier das Königshaus seine Hand im Spiel hatte werden wir wohl nie erfahren. Jedenfalls war es weder die Deutsche Straßenbahngesellschaft noch die „gelbe“ Konkurrenz, sondern ein gewisser Herr Oswald Hofmann nebst eigenem Fuhrunternehmen, der sich um den Betrieb einer Pferdeomnibuslinie bewarb. Schließlich bestand hier eine erhebliche Erschließungslücke im damals noch sehr engen altstädtischen Gefüge.




    „5-Pfennig-Omnibus“ im Betriebsgeländer der Dresdner Fuhrwesengesellschaft an der Bautzner Straße. Zum Ziehen der winzigen Wägelchen reichte ein Pferd.



    Die Stadt war einverstanden, und so rumpelten ab dem 12. Dezember 1899, rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft, die ersten kleinen grün-weißen Omnibusse über das Pflaster von Altmarkt, Schloß- und Seestraße, um über die Prager Straße parallel zur Straßenbahn den Hauptbahnhof zu erreichen. Vermarktet wurde das neue Verkehrsmittel wohl recht geschickt, denn alsbald war es als „5-Pfennig-Omnibus“ in aller Munde und wurde rege genutzt. Am Fahrkomfort kann es wohl kaum gelegen haben. außerdem kostete die Gesamtstrecke locker das Doppelte, aber dies erfuhr auf den ersten Blick nur, wer das Kleingedruckte auf den Wagenschildern genau studierte! So schien sich die Aktion zu rentieren, und bereits zwei Monate nach Eröffnung wurde die Strecke bei unverändertem Tarif bis in die aufstrebende Südvorstadt zur Reichenbachstraße ausgedehnt.




    Schilder der Pferdeomnibuslinie Brühlsche Terrasse (Schloßplatz) – Reichenbachstraße der Dresdner Fuhrwesengesellschaft. Der überdeutliche Verweis auf den Fahrpreis von nur 5 Pfennig auf den Seitenschildern (für eine Teilstrecke!) brachte ihr bald ihren volkstümlichen Spitznamen ein.



    Die Wagen verkehrten aller acht, teilweise aller vier Minuten ab sechs Uhr morgens bis gegen Mitternacht, zu Theaterschluss gab es einen Sonderverkehr. Nach Verlängerung der Linie standen insgesamt dreizehn Omnibusse zur Verfügung, für deren Fortbewegung 40 hippomobile Mitarbeiter zuständig waren. Über das Kontingent ihrer menschlichen Kollegen ist nichts bekannt.




    Ab 1900 bestand die Linie bis zur Einstellung Anfang 1913 in ihrer Konfiguration unverändert. Neben den modernen elektrischen Wagen der Dresdner Straßenbahngesellschaft, denen sie zwischen Victoriahaus und Reichenbachstraße unmittelbare Konkurrenz machten, müssen die grün-weißen kutschenähnlichen Omnibusse wie aus der Zeit gefallen gewirkt haben.



    Auch nach dem Aufkauf der privaten Straßenbahnbetriebe durch die Stadt Dresden und der Bildung der Städtischen Straßenbahn 1906 blieb der „5-Pfennig-Omnibus“ im Besitz der Dresdner Fuhrwesengesellschaft. In den Adressbüchern und meisten Reiseführern wurde die Linie zwar erwähnt, Eingang in die Stadtpläne der Zeit hat sie jedoch nie gefunden. Daher bleibt vieles, wie beispielsweise die Lage der Haltestellen und die genaue Streckenführung in der Südvorstadt, sehr spekulativ und kann nur über zeitgenössische Postkartenmotive erschlossen werden.


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    Kommen wir zur eigentlichen Begehung. Mehr als gewohnt werde ich hier mit direkten Vergleichsmotiven arbeiten. Da die Streckenführung entlang der Hauptverbindung durch die Altstadt von Norden nach Süden noch heute vollständig nachvollziehbar ist, bietet sich dies natürlich an. Wir beginnen am nördlichen Endpunkt, der laut Fahrzeugbeschilderung als „Brühlsche Terrasse“ bezeichnet wurde, in mancher Quelle aber auch als Schloßplatz aufgeführt wird. Bei Streckeneröffnung war der neue Georgenbau noch längst nicht fertiggestellt.




    Vergleichsbild mit dem links im Bau befindlichen Ständehaus. Ganz rechts angeschnitten das Endpunktschild der Pferdeomnibuslinie. Reklame ist alles!




    Vor dem alten Italienischen Dörfchen, „Helbig’s Etablissement“, wartet ein „5-Pfennig-Omnibus“ auf die Fahrt in Richtung Stadt.




    Aktuell endet an gleicher Stelle die Stadtrundfahrt, heute morgen noch ohne Doppeldeckerbus.





    Blick hinüber zum Theaterplatz, heute und nach der Jahrhundertwende.





    Von der Brühlschen Terrasse schauen wir ebenfalls zum Theaterplatz. Fast scheint es, als ob der rote Wagen der Inneren Ringlinie und unser kleiner Omnibus in Bildmitte auf Kollisionskurs wären – letzterer wendet gerade und fährt die Endstelle an. Die Omnibuslinie agierte als direkte Konkurrenz zur späteren „roten“ Linie 4 (Schloßplatz – Schnorrstraße – Neumarkt) und zur „gelben“ Linie 25 Neustädter Bahnhof – Schloßplatz – Prager Straße – Hauptbahnhof – Reichenbachstraße.




    Die gleiche Szenerie heute.




    Noch herrscht Ruhe auf dem Schloßplatz, der wenig später von Heerscharen von Touristen heimgesucht werden wird.




    Vor etwa 110 Jahren kommt ein Omnibus aus der Stadt und schickt sich an, für die Rückfahrt den Endpunkt anzufahren. Rechts die seit 1947 verschwundene Straßenbahnhaltestelle auf dem Schloßplatz. (Deutsche Fotothek)




    Stillleben auf dem Schloßplatz.




    Denkmal für Friedrich August den Gerechten. Er durfte sich von Napoleons Gnaden zwar ab 1806 König von Sachsen nennen, war aber auch der unglückliche Monarch, dem die Preußen auf dem Wiener Kongress über die Hälfte seines Territoriums raubten, nachdem ihnen die komplette Annexion des gebeutelten Landes wegen des Widerstands der anderen Großmächte nicht gelingen wollte. Ernst Rietschels Denkmal entstand bereits 1842 und zierte zunächst lange Jahre den Zwingerhof, von 1929 bis 2008 fristete es ein Schattendasein neben dem Japanischen Palais. Seit neun Jahren befindet es sich nun auf dem Schlossplatz.



    Da steht es an illustrer Stelle. Vier Jahre nach seinem Tod erhielt der selige König Albert 1906 sein persönliches Denkmal auf dem Schloßplatz. Es überstand den Bombenangriff unbeschadet, nicht jedoch den kommunistischen Bildersturm nach 1945, den werten Genossen war der pickelbehaupte Monarch wohl zu revanchistisch. Auf dem benachbarten Fürstenzug wiederum haben sie ihn wohl übersehen.




    Wer hier wohl gestanden hat…? Die napoleonischen Schauplätze rund um die Schlacht bei Dresden wären doch sicher auch einmal ein spannendes Thema, oder?




    Wir machen uns nun aber auf die Socken und durchqueren das Georgentor. Auf der Postkarte erkennt man gerade noch das Heck eines Omnibusses auf der Fahrt zur Reichenbachstraße.





    Die Schloßstraße voraus. Die Lichtverhältnisse waren heute morgen nicht wirklich ideal zum Fotografieren.




    Gewölbe im Georgenbau.




    Georgenbau von Süden.




    Vergleich mit dem klassizistisch stark überformten Vorgängerbau.




    Wir passieren den wiederentstandenen Ostflügel des Residenzschlosses und dabei das renaissancene Torhaus mit dem prächtigen Hauptportal.





    Südosteckturm des Schlosses. Am Südflügel begann 1889 der erst 1901 abgeschlossene Umbau des Residenzschlosses unter Dunger und Frölich.





    Der kleine namenlose Platz südlich des Schlosses sollte ursprünglich mit einem Funktionsneubau wieder geschlossen werden. Mit Fertigstellung der Ostfront der Schloßstraße wird er aber eine angenehme begrünte Oase in der wiedererstandenen Altstadt bilden.




    Die Originalbebauung zwischen Taschenberg und Kleiner Brüdergasse fiel, wie nahezu alle bürgerlichen Bauten der Altstadt, den Bombenangriffen zum Opfer.




    Wir nähern uns dem Altmarkt und beenden den ersten Teil.


  • Auf den Spuren des 5-Pfennig-Omnibusses (Teil II)

    Weiter geht’s am Altmarkt. Zum Auftakt zwei Bilder meines kürzlich entstandenen Omnibusmodells im Maßstab 1:87. Diese Bastelei war der Aufhänger zu den hiesigen Beiträgen.




    Altmarkt von der Schloßstraße gesehen, Blick zur Kreuzkirche.




    Nur sehr wenige Postkarten bieten den „5-Pfennig-Omnibus“ in derartiger Großaufnahme.




    Blick in die enge Wilsdruffer Straße, noch mit alter Löwenapotheke. Der Omnibus links war wohl derart rasant unterwegs, dass der Fotograf ihn nicht mehr scharf auf die Platte bannen konnte!




    Vergleichsbild mit der heute sehr viel breiteren Wilsdruffer Straße.




    Die alte Löwenapotheke, 1913 durch einen Neubau Hans Erlweins ersetzt. Dieser nahm den heutigen Laubengang vorweg.




    Blick zurück in die Schloßstraße. Die Baucontainer nehmen tatsächlich die alte Gebäudeflucht ein.




    Der gleiche Blick. Ausnahmsweise ist einmal kein Omnibus zu sehen.




    Altes Rathaus mit Erlweinscher Löwenapotheke.




    Und heute. Das ehemalige Centrum-Warenhaus.




    Wir tauchen einmal kurz ab in den Untergrund. Dort findet sich jenes interessante Hinweisschild.




    Altmarkt-Südseite, aus dem Untergrund. Fast könnte man meinen, Dresden hätte eine U-Bahn oder einen Citytunnel…




    Altmarkt-Westseite, der Dachreiter über der Webergasse ist als Reminiszenz an das Altstädter Rathaus zu verstehen.




    Altmarkt-Westseite mit Germania-Denkmal. Und wieder das allseits beliebte Suchspiel, diesmal heißt es: Wer findet den Omnibus?




    Das Germania-Denkmal war natürlich noch untragbarer als der pickelhäubige König Albert und musste weg. Gottseidank legte Walter Ulbricht persönlich den Grundstein für den Neuaufbau der sozialistischen Großstadt, wie wir heute noch am Eingang der Seestraße erfahren.




    Blick in die Seestraße in Richtung Prager Straße.




    Die mondänen Arkaden des „Café Prag“. Bemerkenswert die Beleuchtung, die an 1930er Art-Déco-Stromliniendesign erinnert. Die Qualität der 50er-Jahre-Bauten am Altmarkt ist auch in Hinblick auf die aktuell allerorten wuchernde Billigarchitektur mehr als bemerkenswert.




    Seitenblick. Über der in den 1990ern neu erfundenen Kramergasse lugt der Kreuzkirchturm hervor.




    Arkaden, Blick zurück gen Norden.




    Und gen Süden, in Richtung Prager Straße.




    Die schönen Vitrinen in der Seestraße wurden zum Glück erhalten.




    Vor uns tauchen der Ring und die Prager Straße auf.




    Straßenbahnhaltestelle Prager Straße, leider unvermeidbarerweise als Gegenlichtaufnahme. Genau im Haltestellenbereich stand das Victoriahaus.





    An dieser jener Stelle war beim „5-Pfennig-Omnibus“ Zahlgrenze. Wer weiter mit dem rumpelnden Vehikel zur rechten zum Hauptbahnhof wollte, durfte noch einmal 5 Pfennig berappen. Skandal!




    Ring mit Victoriahaus. Die Straßenbahn befährt den Inneren Ring, später Linie 4.




    Noch einmal die Seestraße, gesehen von Süden.





    Hinter dem Victoriahaus entstand ab 1912 das Residenzkaufhaus. Der Omnibus war da schon fast Geschichte.




    An gleicher Stelle erhebt sich heute das Karstadt.




    An der Zahlgrenze legen auch wir noch einmal eine Pause ein und erledigen einige Besorgungen im REKA. Dass der Omnibusbetrieb mit Hotte-Hü-Traktion schon damals nicht mehr unbedingt als zeitgemäß betrachtet wurde, das mag die folgende Spottpostkarte belegen, mit der ich zur allgemeinen Erbauung den zweiten Teil beende.