Boulevard West | Europacity

  • Die Nazi-Regierung war zu sozialistisch geprägt und ideologisch um das als "natürliche Stadtentwicklung zu sehen".


    Lassen wir den Quatsch mit den "sozialistischen" Nazis mal beiseite – was soll denn bitte eine "natürliche" Stadtentwicklung sein? Städtebau ist immer ein kulturelles Phänomen und abhängig von sozialen, ökonomischen, technischen und rechtlichen Bedingungen. Und die sehen im 21. Jahrhundert nun mal anders aus als im 19.

  • @ UrbanFreak


    ... auch wenn du weiter als 1900 zurückblickst bleibt in diesem Bereich nur eine städtebauliche Nutzung als Gleisanlagen für den Bereich des Lehrter Bahnhof beziehungsweise Hamburger Bahnhof, flankiert auf der westlichen Seite von großräuimigen Exzerzierplätzen und Kasernen. Also mit natürlichen Strukturen die Du ansprichst hat es wenig zu tun. Es ist ein schon ziemlich geplanter Bereich seit langem und erst recht jetzt. Insofern für mich eine der ganz großen vertanen Chancen in Berlin


    Hier ein Situationsplan von 1883:


    http://gedenkmal-berlin.de/fritz-schloss/terrainbeschreibung

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  • Die Frage von UrbanFreak war ja nach der Bebauung VOR den NS-Umgestaltungen. Hier stand der Lehrter- und der Nordbahnhof und das Areal war Bahngelände.


    "Nordbahnhof"? Wohl der "Hamburger Bahnhof".


    Das Areal *westlich* der Heidestraße (bis hin zur Lehrter Straße!) war in der Tat Güter-/Rangierbahnhof.


    In Ergänzung von Bau-Lcfrs Aufzählung käme mir noch ein - ebenfalls aus einem ehemaligen Güterbahnhof hervorgegangenes - Areal in den Sinn: der Kölner https://de.wikipedia.org/wiki/Mediapark :)


    Zitat von Bau-Lcfr


    Und überhaupt - normalerweise werden überall die Lagen am Wasser nicht als Einschränkung gesehen, sondern sind gerade besonders begehrt. Dass die Lage des HBf zentral ist, muss man sich vielleicht noch gewöhnen, aber langsam entwickelt sich da was - man kann sie unmöglich genauso als Niemandsland begreifen wie kurz nach dem Mauerfall.


    Was die Publikumsverkehrsströme am Hbf anbelangt, dürfte mit der Anbindung der U55 (Stummellinie) an die U5 und der Inbetriebnahme der S21 - beides 2020 - eine spürbare Verbesserung einhergehen. Kurzfristig - ab 10.12.2017 - dürfte der Hauptbahnhof selbst - laut Deutsche Bahn erst zu ca. 50% (!) ausgelastet - mit Inbetriebnahme der Hochgeschwindigkeits-Neubaustrecke durch Thüringen über Erfurt und somit Erreichbarkeit per Sprinter-ICE von München in unter 4 Stunden und z.B. nach Frankfurt/Main im 30-Minuten-Takt schon eine deutliche Aufwertung erfahren.


    Und was die Wasserlage im Gegensatz zum *vermeintlichen* "Boulevard" Heidestraße anbelangt, sei hier auf den wohl passenderen Thread verwiesen: http://www.deutsches-architekt…hp?p=579398&postcount=179

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  • Lassen wir den Quatsch mit den "sozialistischen" Nazis mal beiseite – was soll denn bitte eine "natürliche" Stadtentwicklung sein? Städtebau ist immer ein kulturelles Phänomen und abhängig von sozialen, ökonomischen, technischen und rechtlichen Bedingungen. Und die sehen im 21. Jahrhundert nun mal anders aus als im 19.


    Natürlich bedeutet für mich auf Basis eines freien Marktes. Sozialismus beschreibt einen Markt der sich nicht frei entwickeln kann und von Ideologie geprägt ist. Du willst doch nicht etwa behaupten der Nationalsozialismus wäre nicht durch Ideologien geprägt worden? Oder denkst du, das Projekt "Germania" wäre so etwas wie eine natürliche Stadtentwicklung? Natürlich hatte das Nazi Regime sozialistische Ideen, das liegt doch auf der Hand.


    Konstantin: Danke!

  • Natürlich bedeutet für mich auf Basis eines freien Marktes


    Der "freie Markt" ist aber auch nur eine Konstruktion, bzw. das Herbeifantasieren eines solchen als "Naturzustand" eine Fiktion.


    "Natürlich", bzw. artgerechte Haltung für nackte Affen wäre eher das Herumziehen in mehrere Dutzend Mitglieder umfassenden Sippenverbänden bei Ressourcenbeschaffung durch Jagen und Sammeln.


    Dein Post ist ein schönes Beispiel dafür wie jahrzehntelange vulgärneoliberale Propaganda und Gehirnwäsche es vermocht haben die Köpfe der Leute mit dem entsprechenden Unsinn zuzumüllen.


    Zukünftige Historiker werden sich darüber freuen (wenn sie aus dem Klump der mal ein Datenträger war dann noch irgendwas auslesen können). :D

  • Na, "vulgärneoliberale Propaganda" ist auch nicht gerade der passende Ausdruck dafür, wenn ein Mitforist beschreiben möchte, was ohne staatliche Regulierung in einem Areal passieren würde (zumindest verstehe ich das so). Stell doch bitte die Maobibel wieder in den Schrank.


    Natürlich würden potenzielle Investoren ohne staatliche Regulierung Gewinnmaximierung betreiben. Das tun sie aber heute auch. Sie würden wahrscheinlich eine andere Archietktur und einen anderen Städtebau errichten, weil dieser besser verkauf- und vermietbar ist. Vermutlich wäre auch der Anteil an Sozialwohnungen gleich null (wieviele hat Regula Lüscher hier festgeschrieben)?

  • Oh Mann Konstantin, das Wohnraumversorgungsgesetz ist am 01.01.2016 in Kraft getreten, also nach der Beplanung des Geländes und das wissen Sie auch.

  • Konstantin:


    Wir schweifen schon wieder krass vom Thema ab :46:,
    aber natürlich gibt es Theorien zu "freiem Markt" und Neoliberalismus und folglich auch eine entsprechende "Propaganda" dafür. Und der schwarz-gelbe Anteil der zukünftigen Bundesregierung wird uns, auch bei Themen die dieses Forum betreffen, ganz schnell wieder zeigen wie das geht.
    Google mal z.B. Friedrich August von Hayek.
    Dagegen zu sein, hat nichts mit Mao zu tun...

  • ^ Ich versuche mal, beide Themen zusammenzuführen. Entschuldigt die Länge, aber wenn man über Schlagworte hinaus will, braucht man manchmal Platz.


    Natürlich bedeutet für mich auf Basis eines freien Marktes.


    Die Ideologie vom "freien Markt" entstand mit dem Übergang der ökonomischen Dominanz vom Land auf die Städte und vom primären auf den sekundären Sektor ab dem 18. Jahrhundert. Sie hat nichts mit "Natur" zu tun - genauso wenig wie die Ideologie vom Sozialismus, die aus dem 19. Jahrhundert stammt und mit dem Industrie-Arbeiter in die Welt kam. So etwas wie eine "natürliche", überhistorische Wirtschaftsordnung gibt es überhaupt nicht. Es gibt nur Bedingungen (Sozialstruktur, Ökonomie, Technik, Macht, etc.), die immer, in jeder Epoche, kulturellen und geschichtlichen Veränderungen unterliegen.


    Entsprechend gibt es auch keine "natürliche" Stadtplanung, sondern für ihre Zeit und ihren Ort spezifische Planungsformen. Die Berliner Erweiterungen des 19. Jahrhunderts beruhen auf dem Plan der Hobrecht-Kommission, der im Auftrag des preußischen Innenministeriums entstand. Auf dessen Grundlage kamen dann private Gesellschaften ins Spiel, aber entworfen wurde der Mietskasernen-Gürtel auf dem Reißbrett einer Behörde – was der von mir sonst geschätzte Hans Stimmann gern unterschlägt, weil es ihm nicht in den Kram passt. (Exkurs: Vollends absurd wirkt der Begriff der "natürlichen Entwicklung", wenn man sich die Tätigkeit von Baron Haussmann, dem Präfekten von Paris im Zweiten Kaiserreich, anschaut: Dieser ließ ganze Stadtviertel niederreißen, breite Schneisen durch die Altstadt schlagen und rund 150 Kilometer Straßennetz auf bereits zuvor bebautem Terrain anlegen. Er hat das alte Paris zerstört und die neue "Hauptstadt des 19. Jahrhunderts" geschaffen – was in aller Welt ist daran "natürlich" gewesen?)


    Richtig ist, dass heutige Reißbrett-Planungen wie die Europacity anders aussehen als vor 130 Jahren. Nur hat das nichts mit "Sozialismus" zu tun. Ein Hauptgrund ist m.E. tatsächlich eine Veränderung der Wirtschaftstruktur – aber nicht gegen die Märkte, sondern durch sie: In der Gründerzeit entwickelten lokale Bauunternehmen ein, zwei Parzellen; die Konzentrationsprozesse seit damals haben Baukonzerne hervorgebracht, die ganze Straßen-Blöcke entwickeln müssen, weil sich kleinere Dimensionen für sie nicht mehr rentieren. Hinzu kommt, dass der Stand der Technik heute eine andere Optik begünstigt als damals: In der Gründerzeit war bei aller Standardisierung noch viel Handwerk nötig, was eine gewisse Qualität und Kleinteiligkeit in der Ausführung hervorbrachte. Heute sind Stahlbeton plus industrielle Vorfertigung die prägenden Mittel; entsprechend öde und großflächig ist das Ergebnis – von einzelnen Prestigebauten mal abgesehen.


    Die genannten Gründe mögen nicht die einzigen sein, aber sie tragen erheblich zum optischen Einerlei der Europacity bei. Schön wäre es, wenn Konstantin & Co. sich dies zugestehen könnten – dann fiele es mir vielleicht nicht so schwer, Kritik am Senat und an der Architektenschaft mitzubedenken. Wir kommen aber kaum weiter, solange sich die Debatte darauf beschränkt, ständig "Sozialismus" zu wittern (wo keiner ist), und als Allheilmittel ein freies, mittelständisches Unternehmertum zu preisen (das in der Form der Gründerzeit nicht mehr existiert).


    Ab jetzt Off-Topic:


    Natürlich hatte das Nazi Regime sozialistische Ideen, das liegt doch auf der Hand.


    Dass etwas "auf der Hand liege", "allgemein bekannt" sei, "natürlich", "evident" oder was auch immer, bleibt selbst bei der zehnten Wiederholung eine bloße Behauptung. Ich bringe mal Argumente: Tatsächlich gab es in der NSDAP vor 1933 eine (stark antisemitisch geprägte) "national-bolschewistische" Strömung; den sogenannten Strasser-Flügel, der im Wahlkampf immer mal wieder von der Kette gelassen wurde, wenn das der Führung propagandistisch opportun erschien (siehe z.B. den berüchtigten Transportarbeiterstreik von 1932). Dominant war dieser Flügel aber nie, spätestens nach der Machtübernahme mit Hilfe der alten Oberschicht verlor er jeglichen Einfluss, und seine Protagonisten ließ Hitler 1934 im Zuge des sogenannten "Röhm-Putsches" gemeinsam mit der SA-Führung von der SS ermorden.


    Wie grausam das deutsche Unternehmertum in der NS-Zeit durch "sozialistische Ideen" gegängelt wurde, kannst Du ja mal in den Lebensläufen des Stahltycoons Friedrich Flick, des Rheinmetall-Chefs Hellmut Röhnert oder des Vorstandsvorsitzenden der Allianz-Versicherung, Kurt Schmitt, nachlesen – drei von über fünfzig illustren Vertretern aus Industrie und Hochfinanz, die gemeinsam den "Freundeskreis des Reichsführers-SS" bildeten und für den einen oder anderen, lukrativen Vernichtungskrieg offen waren, aber bestimmt nicht für "Sozialismus".

  • Hobrecht und die Mietskasernen

    Kleiner Nachtrag: Von Arte gibt es eine vierteilige Dokumentation, die parallel die Geschichte von Berlin und Paris ab dem 17. Jahrhundert erzählt. Interessant gemacht mit tollen Animationen über die Entwicklung der Städte im politischen Wechselspiel. Im zweiten Teil werden sowohl der Haussmann- wie der Hobrecht-Plan behandelt. Sehr deutlich wird dabei, dass die Mietskasernen der Gründerzeit nicht das Ergebnis einer "natürlichen Entwicklung" waren – und bereits kurz nach ihrer Entstehung alles andere als die Idylle, als die sie sich heute präsentieren, sondern Horte von Armut, Krankheit und Elend. Thema vor allem ab der 48. Minute.


    Man kann Hobrecht und seiner Kommission m.E. kaum Vorwürfe machen. Er stand angesichts des damaligen Bevölkerungswachstums vor unlösbaren Aufgaben und war für die Verhältnisse seiner Zeit und seiner Klasse ein sozial engagierter Mann. Vor der Stadterweiterung haben viele Arbeiter in Wellblech- und Bretterbuden gehaust. Nur entzaubert sich, wenn man diese Bilder sieht, der Nimbus der perfekten und nie wieder erreichten Stadtplanung, wie ihn Stimmann & Co. dem Gründerzeit-Berlin so gerne andichten. Es gab gute Gründe, warum – in diesem Falle tatsächlich – sozialistische Stadtplaner der Weimarer Republik ganz andere Konzepte verfolgt haben. Auch wenn deren Ergebnisse uns heute wiederum weniger attraktiv erscheinen... Hach, es ist kompliziert! ;)

  • Architektenkind


    Interessanter Beitrag, bestätigt meine Sichtweise.
    Die Gebäude des Siedlungsbaus, die seit kurz vor dem 1. Weltkrieg gebaut wurden (Ein Teil dieser Siedlungen ist heute UNESCO Weltkultrerbe, es gibt aber noch viele weitere.) und die Zeilenbauten in Ost und West nach dem 2. Weltkrieg, sehen nicht so schön aus wie die zwischenzeitlich entkernten, sanierten und renovierten Gründerzeithäuser. Sie boten aber oftmals den besseren Wohnraum.

  • Das lasse ich nur teilweise gelten. Die von Ideologie geprägte Neuplanung Berlins als "Germania" ist ein anderes Kaliber als die Neuplanung Paris oder die Gründerzeit in Berlin, die eben auch durch entsprechend hohe Nachfrage durchgeführt wurde.


    Ohne Nachfrage, hätte es keine Gründerzeit in Berlin gegeben.


    Natürlich gibt es bei dem Bau ganzer Stadtviertel (aufgrund hoher Nachfrage), immer auch einen Plan.


    Ich lasse aber auch nicht gelten, das die Häuser damals schöner waren, weil noch so viel Handwerkskunst einfloss. Man hätte die Handwerkskunst nämlich auch schlicht und ergreifend weglassen können, niemand braucht ja unbedingt Ornamente und Gesimse.


    Aber das Thema "Handwerkskunst" hatte einen "natürlichen" Grund: Nämlich die private Nachfrage. Schönere Gebäude konnten auch besser verkauft werden.


    Vielleicht hatte der einzelne Käufer/Mieter mehr Macht als heute wo vor allem Investoren die Rendite berechnen und das sehr rational?

  • Hobrecht

    [..] Im zweiten Teil werden sowohl der Haussmann- wie der Hobrecht-Plan behandelt. [..] Thema vor allem ab der 48. Minute.


    "[..] Was vor allem eine Folge der spektakulären industriellen Entwicklung ist.", sagt ein Sprecher dort, "[..] 1862 erstellt James Hobrecht einen neuen Bebauungsplan für Berlin [..]".
    Letzterer B-Plan ist in der 49. Minute zu sehen - und darunter eben auch die Heidestraße. Genau darauf nehmen mehrere Begründungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt für die Europacity Bezug (z.B. zum "vorhabenbezogenen Bebauungsplan 1-92 VE"), worin es heißt:
    "Der Hobrecht-Plan von 1862 sah zwischen der Hamburger Bahn und dem Kasernengelände westlich der Lehrter Straße ein städtisches Quartier mit einer repräsentativ verbreiterten Heidestraße und einem zentralen Schmuckplatz vor. Diese Planung wurde jedoch nur durch die Wohnbebauung in einem Teilbereich westlich der Heidestraße umgesetzt, die Anlage der Lehrter Bahn verhinderte die weitere Entwicklung zu einem geschlossenen Quartier."


    Eine "Folge der spektakulären industriellen [sic!] Entwicklung" Berlins verhinderte quasi die Umsetzung von Hobrechts Plan für die Heidestraße. :)


    Die Investoren vom "Quartier Heidestraße" - wir schreiben 2017 - nehmen nun ihrerseits darauf Bezug: http://quartier-heidestrasse.com/index.php?id=38
    Dort unter "Die Geschichte – Zurück in die Zukunft"


    Dies wiederum zitiert z.B. der "Tagesspiegel" hier: http://www.tagesspiegel.de/wir…chste-runde/19352874.html
    Ein auch sonst lesenswerter Artikel zum Einstieg, beispielsweise sieht demnach Christine Edmaier, Präsidentin der Architektenkammer Berlin, es kritisch, dass das Areal als öffentliches Eigentum von der Bahn schnell und ohne große Auflagen privatisiert wurde und somit die "Chance, hier wirklich etwas Modellhaftes zu verwirklichen", nicht genutzt worden sei. Zwar seien im Masterplanverfahren Anregungen von Anwohnern eingeflossen, aber scheinbare Kleinigkeiten, wie bestimmte Baumgruppen, altes Kopfsteinpflaster oder historische Mauern, die identitätsstiftend wirken können, würden nur an manchen Stellen erhalten.


    http://www.berliner-zeitung.de…es-hauptbahnhofs-24821040
    Demnach hat die Quartier Heidestraße GmbH Ende 2014 etwa drei Viertel des 11,5 Hektar großen Areals zwischen der Heidestraße und den Gleisanlagen zum Hauptbahnhof von der Deutschen Bahn gekauft. Eigentümer ist eine Familie, die nicht in Erscheinung treten will und das riesige Vorhaben finanziert. Die Investitionen werden wohl weit mehr als eine halbe Milliarde Euro betragen, das sind aber lediglich erste Schätzungen.


    Zitat von Architektenkind


    Man kann Hobrecht und seiner Kommission m.E. kaum Vorwürfe machen. Er [..] war für die Verhältnisse seiner Zeit und seiner Klasse ein sozial engagierter Mann. [...]
    ;)


    http://www.manager-magazin.de/…fotostrecke-153090-5.html
    Auf Platz 1 der reichsten deutschen Familien steht demnach Familie Reimann, die Milliarden mit Kaffee, Reinigungsmitteln und Kosmetik gemacht haben.
    Der jüngste Vermögenszuwachs von 4 Milliarden Euro auf 33 Milliarden Euro sollte zur Finanzierung mehrerer solcher Kleinstädte wie die Europacity genügen.


    Man kann der Eigentümerfamilie m.E. kaum Vorwürfe machen. Sie ist für die Verhältnisse unserer Zeit und ihrer Klasse eine sozial engagierte Familie.
    ;)

  • ^ Danke für die vielen Links. Nur der Vergleich zwischen Familie Reimann und James Hobrecht haut nicht hin. Der war ja kein Milliardär, sondern ein Beamter. Mit "sozial engagiert" meinte ich also keine Spenden für soziale Projekte oder ähnliches, sondern seinen Gedanken, sozial durchmischte Viertel ohne große Klassentrennung zu bauen. Er wollte das Elend der Arbeiterfamilien lindern, das hat nur nicht geklappt. Davon ab ist die Familie Reimann natürlich nur so reich, weil da alle von klein auf bis ins hohe Alter von morgens bis abends schuften - nur durch wirklich harte Arbeit bekommt man 33 Mrd. Euro zusammen, und deshalb muss das Vermögen der Familie auch unbedingt steuerfrei werden – wie bitte? Das ist es schon? Na, dann ist ja gut! ;)


    Die von Ideologie geprägte Neuplanung Berlins als "Germania" ist ein anderes Kaliber als die Neuplanung Paris oder die Gründerzeit in Berlin, die eben auch durch entsprechend hohe Nachfrage durchgeführt wurde.


    Ich hatte "Germania" gestern mit keinem Wort erwähnt, es ging mir um Hobrecht vs. Europacity. Aber auch, wenn man Germania mit Hobrecht vergleicht, ist der Gegensatz nicht "ideologischer" vs. "natürlicher" Städtebau, sondern hoheitliche Repräsentationsarchitektur vs. private Wohn- und Geschäftsarchitektur. Beides gehört zur Stadt, seit es Städte gibt, und hat per se wenig mit einer spezifischen Epoche zu tun: Der Repräsentation der Herrschaft (bzw. ihrer ideologischen Legitimation) dien(t)en die Kaiserforen in Rom ebenso wie die National Mall in Washington D.C. oder das Forum Fridericianum in Berlin. Das spezifisch-ideologische an der Germania-Planung war nicht der Zweck (staatliche Repräsentation), sondern die ins Monströse aufgeblähte Dimension des Ganzen.


    Ohne Nachfrage, hätte es keine Gründerzeit in Berlin gegeben.


    Ach, nee! Hat irgendwer behauptet, dass es im Berlin des 19. Jahrhunderts keinen Markt gab? Ich nicht, ich habe nur widersprochen, dass er a) völlig "frei" gewesen und b) ohne öffentliche Planung ausgekommen sei. Außerdem erweckt das Wort "Nachfrage" einen zu harmlosen Eindruck, weil man es heute meist in Sätzen wie "Im Juli steigt die Nachfrage nach Sonnenbrillen" hört. In Berlin gab hunderttausende von Leuten, die verzweifelt einen trockenen Platz zum Schlafen brauchten, und dankbar waren, wenn sie sich für viel Geld mit acht Personen ein Zimmer im Soutterrain teilen konnten.


    Ich lasse aber auch nicht gelten, das die Häuser damals schöner waren, weil noch so viel Handwerkskunst einfloss. Man hätte die Handwerkskunst nämlich auch schlicht und ergreifend weglassen können, niemand braucht ja unbedingt Ornamente und Gesimse.


    Ich hatte nicht von Handwerkskunst gesprochen, sondern von Handwerk. Die Schnörkel, die man auch damals schon im Katalog bestellen konnte, meinte ich damit nur am Rande. Eher ging es mir um den Einsatz von Backsteinmauerwerk, Holzbalken und Dachziegeln. Diese Bauweise war damals Stand der Technik und deshalb im Rahmen der Konkurrenz nicht zu teuer. Heute würde ein Unternehmen, das so bauen wollte, keine konkurrenzfähigen Preise mehr zustande bekommen. Stahlbeton mit Flachdach ist halt billiger und geht schneller.


    Aber das Thema "Handwerkskunst" hatte einen "natürlichen" Grund: Nämlich die private Nachfrage. Schönere Gebäude konnten auch besser verkauft werden. Vielleicht hatte der einzelne Käufer/Mieter mehr Macht als heute wo vor allem Investoren die Rendite berechnen und das sehr rational?


    Du widersprichst Dir selbst: Wenn man Gebäude vor 130 Jahren wegen ihrer Schönheit besser verkaufen konnte, warum sollte es dann heute rational sein, weniger schön zu bauen? Dein Denkfehler: Du denkst nur an den Markt, also an die Distribution, lässt dabei aber den Einfluss der Technik auf die Produktion (in diesem Fall: von Häusern) außer acht. Ein Grundproblem der liberalen VWL. Nochmal: Die Bauherren haben auch 1890 schon rational gerechnet, aber damals hatten sie Konkurrenten, die selbst das gleiche Maß an Handwerk einsetzen mussten. Inzwischen gibt es günstigere Möglichkeiten, und deshalb ist das Handwerk (zumindest vom Massenmarkt) verschwunden. Zumal die Bauherren von heute Käufer finden, die 32.000 Euro pro Quadratmeter (!) für verputzten Styropor ausgeben.


    Das Gros der "privaten Nachfrage" zu Hobrechts Zeiten war völlig machtlos und fragte, wie gesagt, nach einem Dach über dem Kopf. Über "Schönheit" nachzudenken, hatten die Hinterhofbewohner in Kreuzberg oder im Wedding weder Geld noch Zeit (12-Stunden-Schicht).

  • Die Gebäude des Siedlungsbaus, die seit kurz vor dem 1. Weltkrieg gebaut wurden (Ein Teil dieser Siedlungen ist heute UNESCO Weltkultrerbe, es gibt aber noch viele weitere.) und die Zeilenbauten in Ost und West nach dem 2. Weltkrieg, sehen nicht so schön aus wie die zwischenzeitlich entkernten, sanierten und renovierten Gründerzeithäuser. Sie boten aber oftmals den besseren Wohnraum.


    Genau: Die Gründerzeitler haben eine bessere Bausubstanz als das meiste, was nach dem Krieg gebaut wurde, können diesen Vorteil aber erst ausspielen, seit sie mit moderner Technik ausgestattet sind und nur noch ein Viertel der Einwohnerzahl beherbergen, die früher dort gewohnt hat. Eine Ausnahme bilden die großbürgerlichen Prunkbauten in Charlottenburg: Am Kudamm ließ es sich auch um 1900 schon hervorragend leben (vorausgesetzt man gehörte zur Herrschaft und nicht zum Gesinde).

  • Insofern für mich eine der ganz großen vertanen Chancen in Berlin


    Ich glaube, hier war es zuletzt zum Thema. Auf der vorherigen Seite habe ich ein paar Quartiere am Wasser aufgelistet, wo mehr architektonischer Vielfalt und interessanter Gestaltung gelungen ist. Sie wurden mW privat errichtet, also allerlei Vergleiche Markt/Planwirtschaft kann man sich sowieso sparen. Man kann nur hoffen, dass einige Nachbesserungen hier doch noch wesentlich interessantere Architektur schaffen.


    Beim Düsseldorfer Quartier LeFlair wurden mal differenziertere Fassaden als zunächst geplant geschaffen, um den Eindruck einer Großsiedlung zu vermeiden, damit man die Wohnungen besser vermarkten kann. Anscheinend können auch Privatinvestoren manchmal ein wenig nachbessern.

  • Ich glaube, hier war es zuletzt zum Thema. Auf der vorherigen Seite habe ich ein paar Quartiere am Wasser aufgelistet, wo mehr architektonischer Vielfalt und interessanter Gestaltung gelungen ist. [..]


    Hier in diesem Thread geht es um ein Areal, zu errichten auf einem ehemaligen Güterbahnhof der Deutschen Bahn.
    Ein Quartier "am Wasser" wird dieses Areal *westlich* der Heidestraße allerdings nicht, wie z.B. der auch schon verlinkten Animation leicht zu entnehmen: https://www.youtube.com/watch?v=CLaLG8h7Li8


    Man kann aber durchaus (angesichts der Vielzahl an BV) den Überblick verlieren, die im Entstehen befindliche "Wasserstadt Mitte" findet man im Nachbar-Thread :) http://www.deutsches-architekt…hp?p=578738&postcount=132

  • ^ Im Ausgangsposting ist diese Übersicht verlinkt, Wasserlagen sind dort nur wenige Schritte enfernt. Ob direkt am Wasser oder 100 Meter weiter - eine Rechtfertigung für geplante Langeweile kann dies nicht sein.


    Es handelt sich jedenfalls insgesamt um ein größeres Quartier, in dem sich die Architekten (und Investoren) so richtig austoben können - tun aber merkwürdigerweise bisher nicht. Warum? Selbst im konservativen London sind die neuesten City-Hochhäuser (ebenso nicht direkt am Wasser gebaut) nicht rechteckig, sondern bieten interessantere Formen - langgestrecktes Ei, uminterpretierte Pyramiden, ein oben breiteres Walkie-Talkie usw. Alles schön privat finanziert, also auch diese Ausrede fällt hier weg.

  • ^ Abgesehen davon, dass ich hier eine fehlende Aufsicht der Deutschen Bahn (Verkäuferin des Areals in diesem Thread hier) und der neuen Eigentümerin (einer Milliardärs-Famile, die sich - wohl aus gutem Grund - im Hintergrund hält) sehe, halte ich dieses BV für eine Debatte über (City-)Hochhäuser für das Falsche.


    In Zusammenhang mit der "Europacity" gibt es seitens des - anderen - Eigentümers CA Immo drei Hochhaus-Pläne, einer davon sehr vage:
    http://www.deutsches-architekt…um/showthread.php?t=13086


    http://www.deutsches-architekt…um/showthread.php?t=13087


    http://www.deutsches-architekt…p?p=578604&postcount=1200


    Wie wäre es also, jeweils im passenden Thread zu posten?