Ich würde den vorrangigen Bezug auf Wohnhäuser nicht überbewerten. Sie machen nunmal den deutlich überwiegenden Teil aller historischen Bauten aus. Die Spezialisierung zu Funktions-dedizierten Bauten setzte ja in großem Umfang erst im letzten Jahrhundert ein. Bei älteren Sakral- und Profanbauten waren Erhaltungsdruck bzw. Rekonstruktionswille meist auch höher ausgeprägt, so dass hier heute weit weniger Verluste zu beklagen sind. Dort, wo der Wunsch nach Wiedererrichtung von Kirchen, Schlössern, alten Schul- oder Verwaltungsbauten etc. gegeben ist, wird der Kampf ja umso vehementer ausgetragen. Schließlich sind diese Gattungen wesentlich identitätsstiftender, da sie oft einen sehr konkreten Bezug zum Ort und zur Geschichte aufweisen und da sie - im Gegensatz zu vielen Wohnhäusern - oft wahre Meisterwerke von 'richtigen' Baumeistern waren. Ausserdem verlagere ich persönlich diese Art Debatte gerne in Richtung Wohnhaus, da man dort recht allgemein gültig über historische Zusammenhänge informieren kann ;).
Ich gebe Dir recht, dass die Kritik am Neubau sich heute vorrangig auf die Einzelarchitektur bezieht, bez. beziehen sollte. Aber auch wenn die CvA-Leitsätze heute in Europa kaum noch angewendet werden, so sind doch die damaligen Ergebnisse überall vorhanden. Und die Kritik an der Moderne/ der Rekonstruktionswunsch beziehen sich ja nicht nur auf aktuelle Projekte, sondern gerade auch auf den Ersatz der Ergebnisse der frühmodernen Ära. Selbst in urbanen Stadtzentren findet man noch vielfältige Relikte der aufgelockerten Stadt: rückversetzte Bauten, die die spätere autogerechte Stadt vorwegnehmen sollten, Höhendominanten, die im historischen Blockrand keine wirkliche Funktion besitzen oder unglückliche Eckausbildungen mit Zeilenbauten, die meist als Resultat der Unvereinbarkeit von Typisierung, Industrialisierung und historischem Straßenraster gelten können (wobei sich auch die Gründerzeitler schon mit Eckgrundstücken schwer taten; die waren wegen der notwendigen individuelleren Planung und der schlechteren Grundstücksausnutzung anfangs rel. schlecht zu vermarkten)