Leipzig: Gentrifizierung (ehem. "Windmühle vs. Abschwiff")

  • Leipzig: Gentrifizierung (ehem. "Windmühle vs. Abschwiff")

    Was die Windmühlenstraße betrifft: welcher Konsens wird denn seitens der Casa Concept gesucht? Eine Woche, nachdem man die Bestandsmieter als "Kultmieter", die man unbedingt halten wolle, bezeichnet hat, ist dem Tschau Tschüssi die Kündigung ins Haus geflattert. Auch wurde betont, behutsam zu sanieren und die Mieten moderat zu erhöhen, kurz darauf stellt sich heraus, dass dies nur bis zum Ende der Renovierungsarbeiten gelten soll. Sehr großzügig. Was man dann von den anderen Versprechungen, den Innenhof, oder die Sanierung selber betreffend schlussfolgern kann, kann sich jeder selbst denken. Ich weiß jedenfalls nicht, inwiefern dort ein Aldi-Markt, der sogar dem Zentren-Konzept der Stadt zuwiderläuft, ein Zeichen des Fortschritts darstellen soll. Genau wie die Stadt strukturelle, städtebauliche und architektonische Vorgaben macht, wenn neugebaut wird, um den Wildwuchs des "Laufes der Zeit" in geordnete Bahnen zu lenken, ist auch der Schutz funktionierender Milleu- oder Kiezstrukturen ein legitimer Wunsch - der auch ohne weiteres zu erfüllen wäre, wenn die LWB wenigstens ein paar Vorgaben hätte, was den Verkauf ihrer Liegenschaften angeht. Was nicht heißt, dass dort alles so bleiben soll, wie es ist. Das hat aber auch keiner gefordert.

  • ungestalt Ich glaube nicht, dass in der Windmühlenstraße Angst vor Veränderung herrscht. Es ist auch, denke ich Konsens, dass sowohl die bauliche Hülle des Karrees als auch im Inneren eine Sanierung stattfinden muss. Die Frage ist aber in welchem Ausmaß das geschieht bzw. wie mit den Mietern umgegangen wird. Zwischen dem heutigen Zustand und einer Luxussanierung gibt es viele Graustufen. Es hätte sich sicher eine Mitte mit moderat steigenden Mieten und einer Aufwertung finden lassen können. Wohingegen die jetzige Entwicklung eher in eine andere Richtung zeigt.
    Viel spannender ist doch die Frage, warum die LWB die Immobilie nicht selbst weiter entwickelt. An anderer stelle tut sie das doch auch.

  • die diskussion um die sanierung der windmühlenstraße wird meines erachtens seitens der ig windmühlenstraße unseriös geführt.


    vorwurf "luxussanierung": es werden nur dach, fassaden und fenster erneuert, hinzu kommen balkone. das sind dinge, die jeder andere vermieter auch machen müsste.


    vorwurf "drastische mieterhöhung": natürlich werden die mieten nach der sanierung prozentual gesehen stark steigen. aber diese steigerung erfolgt doch von einem extrem niedrigen niveau aus. derzeit liegt dort die durchschnittsmiete bei 2,87 euro! da ist es irreführender unfug, die formel mieterhöhung = hohe mieten zu verbreiten. mehr als die ortsüblichen rund 5 euro werden die wohnungen nicht kosten, sonst würde dort ja niemand einziehen. niedriger geht auch nicht, die sanierungskosten müssen ja wieder eingespielt werden. außerdem werden die heizkosten sinken, bisher wird ja dort nach außen geheizt.


    vorwurf "kleinteiligkeit vs. supermarkt": um die wohnungsmieten gering halten zu können, will der neue eigentümer mehr gewerbemieten einnehmen werden. darum der geplante supermarkt - mit nur 700 qm und nur 2 schaufenstern. die bisherige reinigung hat 6 schaufenster...


    vorwurf "mangelnde mitbestimmung": ob und welche sanierungen innerhalb der wohnungen vorgenommen werden, kann jede mietpartei individuell abklären. auch für die gestaltung des innenhofs erhofft sich der neue eigentümer vorschläge, hat dafür extra ein mieterbüro eingerichtet. bis heute sind dort noch keine 5 leute vorbei gekommen.


    wenn man das alles zusammenfasst, kann man sich nur an den kopf fassen, dass diese ig gar nicht begreift, was für ein glück die leute mit dem neuen eigentümer haben. wobei auch mal hinterfagt werden muss, wie repräsentativ diese ig eigentlich ist. ich war ende oktober bei der "mieterdemo", dort waren (von rund 700 betroffenen mietern) maximal 60 leute da. der ig-chef rief durch megafon sätze wie "redet nicht mit dem neuen eigentümer! redet nicht mit den gewerbetreibenden! macht druck auf die stadt!"


    ehrlich gesagt: ich verstehe nicht, wie erwachsene menschen sich der logik verschließen können, dass die häuserzeile endlich saniert werden muss und die mieten danach höher sein müssen. mir ist auch unerklärlich, dass ausgerechnet ein prgmatisch agierender eigentümer dafür auch noch als buhmann herhalten soll. zumal er offensichtlich klarer denkt, als die ig.


    anbei noch das passende interwiew in der l-iz:
    http://www.l-iz.de/Politik/Bre…n-Casa-Concept-30282.html

  • ^ Ein sehr aufschlussreiches Interview. Ich würde mir wünschen, dass es auch zu einem mit der IG kommt.


    Es herrscht sicher Konsens darüber, dass akuter Sanierungsbedarf des 1950er-Jahre-Ensembles besteht. Zudem ist es unstrittig, dass eine Durchschnittsmiete von 2,87 Euro für diese zentrale Lage lächerlich ist, und wenn die Miete nach der Sanierung auf 5 Euro steigt, ist das gewiss auch nicht zuviel verlangt. Den Mietern (außer dem tschautschüssi, die Gründe dafür sind mir nicht bekannt) wird nicht gekündigt, die Wohnstruktur soll weitestgehend beibehalten werden. Eine Gentrifizierung, wie sie gegenwärtig medial kursiert und Parallelen zu Berliner Verhältnissen schlägt, findet demnach nicht statt. In der Hauptstadt wird oft rigoros den Mietern gekündigt, um teure Eigentumswohnungen für Vermögende zu schaffen und dadurch entstehen ganz andere Wohn- und Sozialstrukturen. Das Gegenteil passiert nach meiner Wahrnehmung mit dem Wohnensemble in der Windmühlenstraße.



    Ein paar (wenn auch leider nur kleine) Visualisierungen des Investors für besagtes Areal Windmühlenstraße:






    ...und noch eine schöne Bestandsaufnahme:

    Bilder: casa-gobau.de

  • @ cowboy: dem Tschau Tschüssi wurde gekündigt, da laut neuem Eigentümer das Vertrauensverhältnis zerstört war/ ist. Das geht aus einem Brief hervor, den die Stadtratsfraktionen in dieser Woche erhalten haben. Miriam Paulsen (die Inhaberin) wird durch die Blume vorgeworfen, dass sie andere Mietparteien gegen den neuen Eigentümer aufgebracht hat.
    Das die derzeitigen Mieten lächerlich niedrig sind mag sein. Aber wie DaseBLN schon geschrieben hat, gibt es gar keinen Bestandsschutz für die Mieter bzw. eine Äußerung seitens der neuen Eigentümer wie hoch die Mieten nach der Sanierung tatsächlich liegen.
    Es gibt zudem kein Konsens zwischen Casa Concept und der IG Windmühlenstraße bzw. irgendwelcher anderer Mieter was tatsächlich gebaut wird. Bestes Beispiel ist der geplante Discounter. Er wird gebaut, auch wenn alle Mieter dagegen sind.
    Zu den viel zitierten Mietergesprächen: Bei ihnen hat es häufig vollkommen divergierende Angaben gegeben, was aus dem Karree werden soll. So wurde den Gewerbetreibenden etwas anderes erzählt als den privaten Mietern.
    Von dem unbefriedigten baulichen Zustand einmal abgesehen, frage ich mich was die Verwaltung denn für eine Stadt haben will. Vor einem Jahr wurden noch ganz selbstverständlich Bewohner des Gängeviertels in Hamburg nach Leipzig eingeladen, um ihnen hier "Asyl" zu geben bzw. die Möglichkeit günstige Arbeits- und Lebensräume zu bekommen. Durch die bevorstehende Sanierung wird sich das Viertel sozial wandeln. Vielen Mietern, den der bisherige Zustand recht und billig war, weil sie sehr niedrige Mieten bezahlten, werden sicher in andere Stadtteile ziehen. Ob man das nun gut oder schlecht findet ist egal. Das Karree bzw. das umliegende Viertel wird in einigen Jahren weniger sozialer gemischt sein und es wird einen ähnliche Entwicklung wie in der Südvorstadt stattfinden: wer es sich leisten kann bleibt dort, alle anderen ziehen weiter.

  • sorry, aber das ist in weiten teilen unsinn.
    in deutschland ist alles gesetzlich geregelt, natürlich auch der mieterschutz. ebenso die rechte von hauseigentümern. beides ist zu respektieren, auch von dieser ig.


    sätze, wie "das die derzeitigen mieten lächerlich niedrig sind mag sein" und "von dem unbefriedigten baulichen zustand mal abgesehen..." sind pure lyrik. jetzt zur prosa:


    der marode zustand des hauses ist nicht zu übersehen und die derzeitigen mieten sind tatsächlich zu niedrig, um das gebäude erhalten und erneuern zu können.


    der eigentümer hat daher ein finanzierungskonzept für die sanierung des hauses ausgearbeitet, welches den bau eines supermarktes beinhaltet. sollte dieser - wie auch immer - verhindert werden, würden ihm fest eingeplante einnahmen aus den gewerbemieten fehlen. folglich wäre er gezwungen, diese einnahmeausfälle durch höhere als die bisher kalkulierten wohnungsmieten zu kompensieren.
    denn die derzeitige kalkulation läuft darauf hinaus, dass die gewerbemieten die wohnungsmieten quasi quersubventionieren sollen. scheitert diese idee, schießen sich die mieter damit also selbst ins knie.


    was ist daran so schwer zu begreifen? man kann über gott und die welt kontrovers diskutieren, aber doch nicht über mathematik.


    nebenbei bemerkt: leipzigs mieten gehören zu den niedrigsten aller deutschen großstädte. wenn aldi & co als zeichen für gentrifizierung fehlgedeutet werden, dann sei gesagt: sie findet dort statt, wo lebensmittelgeschäfte zugunsten von klim-bim-shops verschwinden. von solchen - wirklich ernsten - problemen ist die stadt zum glück meilenweit entfernt.


    man kann wirklich nur hoffen, dass die weitere diskussion sachlicher verläuft.

  • ^ Ich weiß nicht, ob es sachlicher ist, die Ansiedlung eines Supermarktes (der dann sein derzeitiges Domizil nicht weit entfernt verlassen würde, das dann entweder leer steht oder mit einem noch nicht in der Gegend vorhandenen Kettenmarkt gefüllt werden würde), als Voraussetzung für die Sanierung eines Gebäudes zu akzeptieren. Da fragt man sich schon, wie es sich andere Sanierer die Kosten leisten können, Gebäude zu sanieren, ohne dort einen dem Zentrenkonzept widersprechenden Discounter ansiedeln zu müssen. Zumal die avisierten Mieten einer (ja angeblich angedachten) Nicht-Luxus-Sanierung entsprechen. Die Querfinanzierung ist für mich daher erst einmal eine Behauptung. Genausowenig zielführend ist es, die Aussagen und Behauptungen einer der beiden Parteien als pure, ungeschönte Wahrheit in die Diskussion einzubringen.


    Hier geht es im Übrigen weniger um Gentrifizierung (der Ursprungsartikel handelte von Connewitz), sondern darum, zu erkennen, dass in einer Stadt, die das Label "Kreativ" für sich beansprucht, entsprechende Millieus als schützenswert erkannt werden sollten. Das finge dann allerdings idealerweise mit dem Verkaufsgebaren seitens der LWB an.

  • dann fangen wir doch mal mit der lwb an. die zahlen für 2010:


    schuldenstand: 794 millionen euro
    operativer verlust: 1,2 millionen euro


    angesichts dessen wäre auch ein weitaus rigoroseres verkaufsgebaren gerechtfertigt. denn aus eigener kraft ist die lwb nicht in der lage, ihre bestände zu erhalten und zu sanieren.


    und vor was soll denn das - angeblich dort geballte - "kreative millieu" geschützt werden? vor einem supermarkt unter einem begrünten hochgarten? das ist doch albern.


    der "protest" kommt aus dem bauch heraus. darum ist er so laut, heftig und letztlich auch kontraproduktiv, wie das beispiel tschau-tschüssi zeigt. der chef vom cantona hat hingegen kein problem mit der sanierung und dem supermarkt und denkt sogar an eine erweiterung seines lokals. weil er seine rechnungen und angestellten bezahlen muss und dafür mehr umsatz, eine erträgliche miete und endlich niedrigere heizkosten braucht.


    wer gehört denn da zum "kreativen millieu", dass "schützenswert" sein sollte? diejenigen, die sich angeblich keine normalen mieten leisten können, es aber gleichzeitig ablehnen, in der nähe von einem aldi zu wohnen? oder nicht eher jene, die den ist-zustand nicht verklären und dafür offen sind, etwas neues zu kreieren?

    Einmal editiert, zuletzt von dj tinitus () aus folgendem Grund: fehlerhafte großschreibung

  • @ Dj Tinitus Im Moment gibt es zwei gegensätzliche Interessen im Windmühlenstraßen-Karree. Jede Seite wird versuche ihre Interessen durchzusetzen. Wenn der IG der Discounter oder etwas anderes an der Sanierung nicht passt, dann kann sie alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einsetzten, um diese Entwicklung abzuwenden. Ob sie sich dadurch ins eigene Fleisch beißt ist zweitrangig. Vorrangig ist es ein Interessenkonflikt, den eine der beiden für sich entscheiden wird. Sie können gerne eine der beiden Seiten vertreten oder dessen Meinung, aber Sie können es niemanden vormachen, dass sie oder er einfach nur eine Entwicklung mitgestalten will.

  • nebenbei bemerkt: leipzigs mieten gehören zu den niedrigsten aller deutschen großstädte.


    Das hängt sehr von der Wohnungsgröße ab. Nach wie vor gibt es viel Raum für wenig Geld. Wer aber wenig Raum für wenig Geld sucht, hat in Leipzig keinen Vorteil gegenüber vielen anderen Großstädten.

    wenn aldi & co als zeichen für gentrifizierung fehlgedeutet werden, dann sei gesagt: sie findet dort statt, wo lebensmittelgeschäfte zugunsten von klim-bim-shops verschwinden.


    Wichtiger Punkt. Aldi und Parkplatz sind zuverlässige Degentrifizierungsmaßnahmen. Eigentlich müssten die Bewohner das begrüßen. Gefahr geht von Cantona und Tschau Tschüssi aus. Die müssten ausgetauscht werden durch Automatenvideothek und Erotikmarkt.

    die Ansiedlung eines Supermarktes (der dann sein derzeitiges Domizil nicht weit entfernt verlassen würde, das dann entweder leer steht oder mit einem noch nicht in der Gegend vorhandenen Kettenmarkt gefüllt werden würde)


    Der Aldi wird nicht abgeworben, er muss (oder will?) ohnehin raus aus der Sternwartenstraße.

    darum, zu erkennen, dass in einer Stadt, die das Label "Kreativ" für sich beansprucht, entsprechende Millieus als schützenswert erkannt werden sollten.


    Deshalb sollte die Stadt jetzt den Fokus auf das Atelierhaus legen. Dort ist noch nichts entschieden und viel zu retten.


    Label "kreativ": Die Hauptmieter auf dem Spinnereigelände sind der Computermarkt "Zur 48" und ein Callcenter. Die Künstlerkolonie taugt eher zum Marketing, trotzdem haben sich die Atelierkosten seit dem Eigentümerwechsel mehr als verdoppelt.

  • Der Aldi wird nicht abgeworben, er muss (oder will?) ohnehin raus aus der Sternwartenstraße.


    Natürlich will er sich vergrößern. Ist doch immer so. Ändert aber nichts daran, dass dort dann Netto oder das dänische Bettenlager einzieht und damit Summa Summarum ein weiterer Discountmarkt entsteht.


    Deshalb sollte die Stadt jetzt den Fokus auf das Atelierhaus legen. Dort ist noch nichts entschieden und viel zu retten.


    Wobei hier die Einflussmöglichkeiten geringer sind, da das Grundstück und Gebäude dem Bund gehören und die Stadt es (wenn ich richtig gelesen habe) nur verwaltet. Zumindest aber ist die Stadt sensibilisiert und will auf den neuen Eigentümer (wer auch immer das ist) zugehen. Die 450.000 Euro waren für das Künstlerkollektiv innerhalb eines Monats ja nicht zu stemmen.


    Label "kreativ": Die Hauptmieter auf dem Spinnereigelände sind der Computermarkt "Zur 48" und ein Callcenter. Die Künstlerkolonie taugt eher zum Marketing, trotzdem haben sich die Atelierkosten seit dem Eigentümerwechsel mehr als verdoppelt.


    Worauf die Stadt aber leider keinen Einfluss (mehr) hat.

  • zum halb leer stehenden spinnereigelände: das zeigt doch nur, dass es in leipzig viel mehr (potenzielle) atelierräume gibt, als von künstlern überhaupt bespielt werden könnten.


    was freilich nichts daran ändern wird, dass bei einer sanierung des jetzigen frühauf mal wieder der kulturelle weltuntergang prophezeit werden wird...

  • Natürlich will er sich vergrößern. Ist doch immer so. Ändert aber nichts daran, dass dort dann Netto oder das dänische Bettenlager einzieht und damit Summa Summarum ein weiterer Discountmarkt entsteht.


    Ist das eine reine Mutmaßung oder hast Du konkrete Informationen dazu? Der neue Aldi soll ja auch nicht groß sein, und der alte ist nicht klein.

    Zumindest aber ist die Stadt sensibilisiert und will auf den neuen Eigentümer (wer auch immer das ist) zugehen. Die 450.000 Euro waren für das Künstlerkollektiv innerhalb eines Monats ja nicht zu stemmen.


    Den Verkauf des Atelierhauses hatte ich nicht mitbekommen. Im Blog wird er nicht vermeldet, und dass sich Paule Hammers Rede auf das Atelierhaus, nicht auf das Wohnhaus bezog, erschloss sich mir nicht. Wie auch?


    "Innerhalb eines Monats" klingt so, als wären die Nutzer überrumpelt worden. Aber das kann man nun wirklich nicht behaupten. Ich war um 2004 bei offenen Ateliers (zum Rundgang?) das erste Mal in dem Hinterhaus, und schon damals hieß es, dass man ja vielleicht bald raus müsse, weil das Haus verkauft werden soll. Schon damals gab es die Idee, das Haus selbst zu kaufen. Sie hatten also mindestens sieben Jahre Zeit, darauf hinzuwirken.


    Das ist auch, was mich stört: Ich sehe den Grund für die Empörung nicht. Alle wussten schon lange, was passieren wird, der Aktionismus setzt zu spät ein. Auf mich wirkt das nun allzu strategisch und scheinheilig. Der Blog dient nicht der Information, sondern der reinen, nicht mal gutgemachten
    Stimmungsmache.


    Prinzipiell teile ich die Ziele, aber nicht in dieser Engstirnigkeit und Unfairness.


    Eine Verdopplung der Miete hielte ich für inakzeptabel.

  • Ist das eine reine Mutmaßung oder hast Du konkrete Informationen dazu? Der neue Aldi soll ja auch nicht groß sein, und der alte ist nicht klein.


    Die Lageoptimierung und Vergrößerung bei Umzug ist absolute Discounter-Standard-Praxis und im gesamten Bundesgebiet seit Jahren zu beobachten. Darum ging es mir aber nicht: problematisch ist, dass auch die alte Immobilie höchstwahrscheinlich weiter ähnlich genutzt werden würde. Nach allem, was ich weiß, hätte man als Stadt dort keine rechtliche Handhabe dagegen.


    Den Verkauf des Atelierhauses hatte ich nicht mitbekommen. Im Blog wird er nicht vermeldet, und dass sich Paule Hammers Rede auf das Atelierhaus, nicht auf das Wohnhaus bezog, erschloss sich mir nicht. Wie auch?


    "Innerhalb eines Monats" klingt so, als wären die Nutzer überrumpelt worden. Aber das kann man nun wirklich nicht behaupten. Ich war um 2004 bei offenen Ateliers (zum Rundgang?) das erste Mal in dem Hinterhaus, und schon damals hieß es, dass man ja vielleicht bald raus müsse, weil das Haus verkauft werden soll. Schon damals gab es die Idee, das Haus selbst zu kaufen. Sie hatten also mindestens sieben Jahre Zeit, darauf hinzuwirken.


    Sowohl im Interview mit Paul Hammer als auch in einem L-IZ-Artikel gibt es dazu Informationen. Es ist auch müßig, jetzt darüber zu mutmaßen, ob man da seitens der Mieter auf etwas hätte hinwirken können. Das Bundesamt für Immobilienaufgaben, dem das Grundstück seit geraumer Zeit gehört, ist jedenfalls ähnlich wie die TLG keine Institution, bei der man als Mieter oder Kaufinteressent großartig was zu melden haben wird. Die halten, wenn sie halten wollen und verkaufen, wenn sie verkaufen wollen. Entsprechend wurde das Angebot augenscheinlich Anfang Oktober für 450.000 Euro eingestellt und ist zum 28. Oktober ausgelaufen. Eine Verlängerung hat man laut L-IZ abgelehnt und eine halbe Million Euro (die als Summer vorher sicherlich auch nicht bekannt war) legt man sich ja nicht jahrelang unters Kopfkissen, um sie dann, wenn der Besitzer endlich verkaufen möchte, aus dem Hut zu zaubern.


    Das ist auch, was mich stört: Ich sehe den Grund für die Empörung nicht. Alle wussten schon lange, was passieren wird, der Aktionismus setzt zu spät ein.


    Nur - das Kleinod Windmühlenstraße mit den Synergieeffekten und dem Kiezgefühl hat sich so richtig erst in den letzten Jahren entwickelt. Und gerade dieses ist doch einer der Hauptgründe für die Proteste.

  • Die Lageoptimierung und Vergrößerung bei Umzug ist absolute Discounter-Standard-Praxis und im gesamten Bundesgebiet seit Jahren zu beobachten.


    Dass Vergrößerung tatsächlich "absolute Discounter-Standard-Praxis" ist, wage ich zu sehr bezweifeln. Discounter haben ein, zwei Standardgrößen, die sie nach ihrem Standard bestücken. "Zu groß" ist für sie genauso blöd wie "zu klein". Aber das ist in der Tat egal, denn eine Zielgröße steht im Raum: 678 Quadratmeter. Sind das viel oder wenig? Sind das mehr oder weniger Quadratmeter als in der Sternwartenstraße?


    Was ist an einem Aldi eigentlich so schlimm? Wäre ein Pizzalieferservice besser? Wie könnte eine für die IGW genehme Lösung aussehen? Leerstand?


    Ich lese immerzu von einem idyllischen grünen Hof. Wo ist der eigentlich? Vermutlich unter den ollen großen Betonplatten, die den Hof bedecken.


    In Leipzig gibt es etliche Discounter-Zumutungen, die aktuellste wird künftig den Lindenauer Markt verschandeln. Integriert in einen Altbau gefallen mir Discounter besser. Mögt Ihr den Barackenbau an Hauptverkehrsadern lieber?

    problematisch ist, dass auch die alte Immobilie höchstwahrscheinlich weiter ähnlich genutzt werden würde.


    Was ist daran problematisch? Hässlicher wird es nicht mehr, und falls sich Discounter und Drogerien gegenseitig kanibalisieren: sollen sie doch! Von den Ketten verdrängt werden kann dort nichts mehr.


    Leipziger Stadtplanung überzeugt mich selten und erscheint mir oft dumm. Aber in der Windmühlenstraße fehlt mir jegliches Skandalpotential.

    Es ist auch müßig, jetzt darüber zu mutmaßen, ob man da seitens der Mieter auf etwas hätte hinwirken können.


    Es ist müßig, jetzt den Aufstand zu proben. Es wäre redlich, sich einzugestehen: Wir haben geahnt, dass es so kommen wird, wir haben uns beizeiten nicht angestrengt, es abzuwehren.

    das Kleinod Windmühlenstraße mit den Synergieeffekten und dem Kiezgefühl hat sich so richtig erst in den letzten Jahren entwickelt.


    Definiere "letze Jahre". Wenn Du sieben, acht Jahre meinst, dann könnte das hinkommen. Das ist in meinen Augen eine stattliche Vorlaufszeit. Aber ob das ausreicht, um "Milieuschutz" zu beanspruchen?


    Warum "Kleinod", wo "Synergieeffekte"? Sehe ich beides nicht.


    Schall und Rausch sitzt dort schon viele Jahre, hatte zuvor jedoch keine Probleme mit raschen Umzügen, Barfußgasse, Nikolaistraße ...


    Hauptattraktion ist das Cantona, und das mag sich nicht so recht auf die Seite der IGW schlagen. Auch viele Bewohner reagieren auf die Mobilisierungsversuche wohl nur mit Achselzucken.


    In einem klassischen Mietshaus hat der Mieter keinen Einfluss auf die Vermietung der Ladenlokale im Erdgeschoß. Wer Einfluss haben will, kann ein Hausprojekt starten oder muss sich Vermieter suchen, die Mitgestaltung wünschen. Tapetenwerk könnte so etwas sein oder die Alte Handelsschule. Das Noch Besser Leben hat sich meines Wissens nach Problemen in der Könneritzstraße das Haus in der Karl-Heine-Straße gekauft und kann dort nach Belieben walten. Die Gieszer16 hat sich nach Besetzung und Stress einen Weg in die Legalisierung erkämpft (glaube ich zumindest, den aktuellen Status kenne ich nicht). In Zollschuppen- und Georg-Schwarz-Straße gibt es spannende Entwicklungen.


    Wenn sich in der Windmühlenstraße wirklich eine Gemeinschaft gefunden hat (ein Kiez ist es nicht), dann wäre das Klugste, aus der Erfahrung zu lernen und, sofern man das wirklich will, gemeinsam etwas Zukunftsträchtiges, Eigenes zu starten.


    Mich irritiert auch, dass hier ausgerechnet "Kreative" Immobilität beweisen. Umziehen ist im Milieu eher die Regel denn die Ausnahme. Und Flexibilität Kernkompetenz.


    Nebenbei erwähnt: Dort wohnen zu bleiben, steht allen weiterhin offen. An der Modernisierungsumlage wären die Mieter auch dann nicht vorbeigekommen, wenn die LWB Eigentümer geblieben wäre.


    Ich verstehe den Aufstand nicht.

  • Nur ein ganz kurzer Einwurf am Rande:



    Das Noch Besser Leben hat sich meines Wissens nach Problemen in der Könneritzstraße das Haus in der Karl-Heine-Straße gekauft und kann dort nach Belieben walten.


    Nein, das ist ein "normales Mietshaus" mit Besitzern, die nicht im Haus und auch nicht in Leipzig leben. Das NBL, Dr. Seltsam und alle anderen Bewohner_innen haben Mietverträge, wenn auch zu - vor allem für die Karl-Heine-Straße - mittlerweile günstigen Bedingungen. Nichtsdestoweniger gibt wohl Überlegungen der NBL-Crew, diesen Zustand zu ändern. Dazu dann mehr, sobald es spruchreif ist.



    Die Gieszer16 hat sich nach Besetzung und Stress einen Weg in die Legalisierung erkämpft (glaube ich zumindest, den aktuellen Status kenne ich nicht).


    Der Verein Stadtteilförderung, Wohnen und Kultur e.V. als Betreiber der Gieszer16 hat das Gelände 2009 von der Stadt Leipzig für einen ortsüblichen und damit auch nicht wirklich günstigen Preis gekauft, auch wenn die FDP das gerne noch verhindern wollte.
    http://mephisto976.uni-leipzig…e-16-verzoegert-sich.html
    http://www.feierabendle.net/index.php?id=104



    In Zollschuppen- und Georg-Schwarz-Straße gibt es spannende Entwicklungen.


    Lützner und Merseburger Straße könnten hier noch hinzugefügt werden.



    Wenn sich in der Windmühlenstraße wirklich eine Gemeinschaft gefunden hat (ein Kiez ist es nicht), dann wäre das Klugste, aus der Erfahrung zu lernen und, sofern man das wirklich will, gemeinsam etwas Zukunftsträchtiges, Eigenes zu starten.


    All diese Projekte sind aber mit der Windmühlenstraße überhaupt nicht vergleichbar. Bei den genannten Hausgemeinschaften/Wohnprojekten geht es darum, eine ehemalige Industriebrache oder ein leerstehendes, oft ruinöses Mehrfamilienhaus aus der Gründerzeit mit 500 bis 1000 qm Wohnfläche für zwischen ca. 10.000 und 100.000 Euro zu kaufen und dann für ungefähr den doppelten Betrag bewohnbar zu machen oder mit viel Eigenleistung aufwendig zu sanieren. Danach wohnen dort zwischen 10 und 20 Leute mit ähnlichen Interessen und zumeist in einer Altersgruppe, die sich schon vorher als Gruppe gefunden hatten und dann durch den Ausbau noch enger zusammenrückten.


    Im "Windmühlen-Kiez" wohnen fast 250 Leute mit völlig unterschiedlichen sozialen und familiären Hintergründen, Interessen und (finanziellen) Möglichkeiten. Die Gesamtfläche beträgt über 1.500 qm (http://windmuehle-unser-kiez.de/), über den Kaufpreis wurden Stillschweigen vereinbart (15 - 20 mal die Jahresnettokaltmiete könnte vielleicht eine Vorstellung davon geben, in welchen Dimensionen sich das bewegte). Ein Kauf des Blocks und Betrieb in Selbstorganisation ist hier nie möglich und damit auch nicht Gegenstand der Debatte gewesen. Selbst wenn sich hier nun 10, 20 oder sogar 40 Leute zusammenfinden und gemeinsam am Rande des Gründerzeitgürtels um das Zentrum ein Wohnprojekt aufbauen würden, so würde das nichts an der Gesamtsituation ändern. Und es wäre genau die Verdrängung aus dem Stadtzentrum an dessen Rand, die hier kritisiert wird.


    Hier geht es um die meines Erachtens berechtigte Forderung nach sozialverträglicher Umgestaltung, die künftig auch weniger gut verdienenden Menschen und Bezieher_innen von staatlichen Transferleistungen ein Leben im Stadtzentrum ermöglichen soll. Es geht nicht um das Ob, sondern das Wie der Sanierung. Und über die Preisvorstellungen NACH der Sanierung hat sich der neue Eigentümer meines Wissens nach nicht geäußert.


    Ich zitiere von der Website der IG:



    Es gehört zu den Aufgaben der Stadt, bezahlbaren Wohnraum auch in Zentrumsnähe zu sichern. Er soll den Menschen, die hier leben und arbeiten, auch weiterhin zustehen.


    Das Areal ist sanierungsbedürftig. Doch private Investoren versuchen die zukünftigen Mieten in die Höhe zu treiben. Eine angemessene und sozial verträgliche Anpassung der Mieten nach der Sanierung würde hingegen den Erhalt des eingenständig Gewachsenen und der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung fördern. Spekulation und Luxussanierung müssen im Sinne dieses Erhalts gerade im Zentrumsbereich gestoppt werden! Wir sind die Stadt!


    Die in den letzten Jahren hier angesiedelten kleinen Gewerbe, welche auch wesentlich zur positiven Außenwahrnehmung des Viertels beigetragen haben, sollen erhalten werden. Ein tragfähiges Konzept zur Förderung kleiner und nachhaltiger Gewerbeeinheiten stärkt den Kiez. Discounter und Ketten hingegen zerstören den Charakter dieser ökonomischen Alternative. Der geplante Discounter ist, da zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten bereits existieren, überflüssig und nur von Profitinteresse geleitet am Bedarf vorbei konzipiert. Neue Geschäfte, wenn sie einen wirklich vorhandenen Bedarf decken und zum Viertel passen, sind natürlich willkommen.


    http://deinkiez.blogspot.com/p…rojekt-dein-kiez-der.html

  • Dass Vergrößerung tatsächlich "absolute Discounter-Standard-Praxis" ist, wage ich zu sehr bezweifeln.


    Schau dir die Durchschnittsgrößen von Discountmärkten in den letzten 20 Jahren an. In Leipzig im Speziellen ist kaum noch Platz für zusätzliche Märkte, also ist jetzt Lageverbesserung angesagt, die fast immer auch mit Vergrößerungen einhergeht. Dazu gab es u.A. bereits Artikel in der L-IZ.


    Was ist an einem Aldi eigentlich so schlimm? Wäre ein Pizzalieferservice besser? Wie könnte eine für die IGW genehme Lösung aussehen? Leerstand?


    Nein, ein Erhalt des Tschau Tschüssi wäre besser.



    In Leipzig gibt es etliche Discounter-Zumutungen, die aktuellste wird künftig den Lindenauer Markt verschandeln. Integriert in einen Altbau gefallen mir Discounter besser. Mögt Ihr den Barackenbau an Hauptverkehrsadern lieber?


    Dir scheint der Unterschied zwischen einem Discounter und einem Vollsortimenter nicht bewusst zu sein. Kaufland ist jedenfalls Letzteres.


    Was ist daran problematisch? Hässlicher wird es nicht mehr, und falls sich Discounter und Drogerien gegenseitig kanibalisieren: sollen sie doch! Von den Ketten verdrängt werden kann dort nichts mehr.


    Das Problem ist nicht, dass Discounter und Drogerien sich gegenseitig verdrängen, sondern dass ihr Anteil am gesamteinzelhandel stetig steigt. Diese Entwicklung muss nicht auch noch gefördert werden.



    Wenn dir "Kleinod" nichts sagt, ist das für dich eben keins. Offensichtlich ist es für die Bewohner und auch zahlreiche jüngere Bewohner Leipzigs aber eins. Synergieeffekte bestehen dann, wenn im Tschau Tschüssi Produkte der Künstler aus dem Atelierhaus verkauft werden, Bewohner oder Mitarbeiter der Ladengeschäfte im Cantona Mittag Essen oder ein Feierabendbier trinken oder man gemeinsam ein Straßenfest feiert.


    Schall und Rausch sitzt dort schon viele Jahre, hatte zuvor jedoch keine Probleme mit raschen Umzügen, Barfußgasse, Nikolaistraße...


    Und hat sich jetzt seit Jahren dort etabliert. Woran das wohl liegt?

  • Mich irritiert auch, dass hier ausgerechnet "Kreative" Immobilität beweisen. Umziehen ist im Milieu eher die Regel denn die Ausnahme. Und Flexibilität Kernkompetenz.


    Kreative sind aber keine Projektentwickler, die irgendwo eintrudeln, dem entsprechenden Stadtvierteln Leben einhauchen und danach weiter ziehen, um das Spielchen von vor zu beginnen. Gerade die Gießerstraße 16 zeigt was es für einen Kampf bedeuten kann, an einem Ort, den die Menschen vor Ort aufgebaut haben zu bleiben. Nach deiner Logik könnte das Tschau Tschüssi und alle anderen Bewohner des Gevierts z.B. in die Georg-Schwarz-Straße ziehen und dort neu anfangen. Wenn es in ein paar Jahren richtig gut läuft, bleiben den "Kreativen" dann zwei Möglichkeiten, entweder weiter ziehen oder, wie ja von dir gefordert, aus der Portokasse ein paar Häuser zu kaufen, um ein Bleiberecht zu erwirken.