Gute Reko - böse Reko (Grundsatzdebatte)

  • Ich würde den vorrangigen Bezug auf Wohnhäuser nicht überbewerten. Sie machen nunmal den deutlich überwiegenden Teil aller historischen Bauten aus. Die Spezialisierung zu Funktions-dedizierten Bauten setzte ja in großem Umfang erst im letzten Jahrhundert ein. Bei älteren Sakral- und Profanbauten waren Erhaltungsdruck bzw. Rekonstruktionswille meist auch höher ausgeprägt, so dass hier heute weit weniger Verluste zu beklagen sind. Dort, wo der Wunsch nach Wiedererrichtung von Kirchen, Schlössern, alten Schul- oder Verwaltungsbauten etc. gegeben ist, wird der Kampf ja umso vehementer ausgetragen. Schließlich sind diese Gattungen wesentlich identitätsstiftender, da sie oft einen sehr konkreten Bezug zum Ort und zur Geschichte aufweisen und da sie - im Gegensatz zu vielen Wohnhäusern - oft wahre Meisterwerke von 'richtigen' Baumeistern waren. Ausserdem verlagere ich persönlich diese Art Debatte gerne in Richtung Wohnhaus, da man dort recht allgemein gültig über historische Zusammenhänge informieren kann ;).


    Ich gebe Dir recht, dass die Kritik am Neubau sich heute vorrangig auf die Einzelarchitektur bezieht, bez. beziehen sollte. Aber auch wenn die CvA-Leitsätze heute in Europa kaum noch angewendet werden, so sind doch die damaligen Ergebnisse überall vorhanden. Und die Kritik an der Moderne/ der Rekonstruktionswunsch beziehen sich ja nicht nur auf aktuelle Projekte, sondern gerade auch auf den Ersatz der Ergebnisse der frühmodernen Ära. Selbst in urbanen Stadtzentren findet man noch vielfältige Relikte der aufgelockerten Stadt: rückversetzte Bauten, die die spätere autogerechte Stadt vorwegnehmen sollten, Höhendominanten, die im historischen Blockrand keine wirkliche Funktion besitzen oder unglückliche Eckausbildungen mit Zeilenbauten, die meist als Resultat der Unvereinbarkeit von Typisierung, Industrialisierung und historischem Straßenraster gelten können (wobei sich auch die Gründerzeitler schon mit Eckgrundstücken schwer taten; die waren wegen der notwendigen individuelleren Planung und der schlechteren Grundstücksausnutzung anfangs rel. schlecht zu vermarkten)

  • Auch wenn wir gerade ein wenig vom Strang-Thema abweichen sollten, komme dann unten wieder darauf zurück.


    ja, AeG und mik, danke, gut zu lesen. Bis dahin so meine ich, durchdachte und fundierte Analysen. Bin auch überwiegend dabei. Auch wenn man nicht in allen kleinen Details übereinstimmen muss.
    Ich selbst setze nun mal lieber bei meinen optischen Wahrnehmungen an (dem Augenschein sozusagen) und nehme wenig Bezug auf Fachliteratur (dies soll keinesfalls eine Kritik an anderen sein).
    Bei dem Punkt Wohnbauten oder Geschäftshäuser, speziell auch Hochhäusern, spielt das großräumige Bild eine wesentliche Rolle. Sind die Gebäude niedriger, so sehe ich den schmückenden Aspekt schon in Richtung Wohnhäuser gehend.
    Ich denke, dass dies ein ganz entscheidender Faktor bei Neubauten ist.


    Am Beispiel der aktuellen Situation am Opernturm möchte ich das beschreiben.


    Der Opernturm mit seiner davor gesetzten Blockrandbebauung (Podiumsgebäude), sieht auf den Renderings ziemlich gut aus, zumal wenn rechts noch die Alte Oper zu sehen ist. Die Alte Oper gewinnt auch noch an Attraktivität dadurch. Zumal sie als "Solitär" etwas entfernt steht. Beide Gebäude profitieren durch den Abstand.


    Wenn man aber die gesamte Szene jetzt in "Natura" betrachtet, gibt es ein anderes Bild. Auch mit Gerüst schon erkennbar, sieht das Podiumsgebäude und nur dieses meine ich, nicht mehr so gut aus. Das Gebäude könnte in dieser Form auch vor 40 Jahren erbaut worden sein. Uninteressante einförmige Fassade und Gebäudeform. Woran liegt das?


    Zum einen, weil man die Ecke an der Bockenheimer Landstraße rund gebaut hat, ist die Formensprache des Podiumsgebäudes im Nierentischzeitalter angekommen. Der Grund war wohl eine gewünschte Harmonie mit dem gegenüber liegenden Gebäude Ecke Taunusanlage.
    Zweiter Grund, im Vergleich mit dem Gegenüber, was im Rendering nicht zu sehen war, stellt sich die Fassade extrem schmucklos und langweilig dar, weil die beiden Gebäude ja durch Bauhöhe, Lage und groben Umriss miteinander konkurrieren, sich zum Vergleich stellen.


    Diesen Effekt gibt es unter Hochhäusern und gegenüber niedrigen Häusern im Allgemeinen so nicht.
    Einmal weil sie häufig weiter auseinander stehen, zum anderen, weil der Betrachter, wenn er davor steht, eh nur das eine Gebäude sieht und nicht mal das ganze Gebäude erfassen kann.


    Deshalb ist das Podiumsgebäude leider nur eine "halbe Sache" geworden. Man wollte es freundlicherweise nicht zu modern gestalten (Opernplatz), aber man hat es nicht konsequent genug an die vorhandene Umgebung angepasst (was im Übrigen typisch für Mäckler ist) und weil man es auch gar nicht anders konnte. Das ist das Dilemma.


    Hätte man das Podiumsgebäude mit schmückenden Fassaden-Elementen ausgestattet (quasi eine Art Reko), wäre ein Aufschrei durch die Architektenszene gegangen. Das konnte man nicht riskieren, soweit ist man noch nicht.
    Bauherren (wenn sie denn den Preis bezahlen wollen) und das Publikum sicher schon eher.


    Die gesamte Szenerie dort, mit dem Hochhaus dahinter, wäre einfach toll gewesen. Dann müssten noch unter der Galerie Räume für kleinere Läden vorhanden sein und es wäre perfekt.


    So stelle ich mir den Hochhausbau mit Zukunft und Akzeptanz vor Die Hochhäuser von der Straße zurückversetzt, davor niedrige Gebäude in Höhe und Gestaltung an die Umgebung angepasst mit immer noch etwas schöneren Details an den Fassaden als am vorher errichteten Nachbargebäude (in Konkurrenz). Dann auch mit den Wohnhäusern wetteifernd oder gar selbst als Wohnhäuser errichtet. Wenn irgend möglich mit Urbanität im Erdgeschoss.
    Das könnte dann auch eine Reko vor dem Hochhaus sein. Gute Beispiele gibt es schon in Frankfurt.


    Eigentlich hat Mäckler erkannt, dass man in historischer Umgebung nicht radikal modern bauen sollte und sucht deshalb den Kompromiss. Sicher mit ein Grund für die öffentlichen Aufträge der Stadt. Leider entstehen dadurch oft "halbe Sachen".
    Man sieht den Gebäuden dann den Konflikt an, den Mäckler hat. Mit der Alten Stadtbibliothek (Literaturhaus) ist ihm zwar eine überzeugende Rekonstruktion gelungen, dass muss man zugestehen. Doch er kann meist dort, wo es erforderlich ist, nicht den letzten Schritt zur Reko gehen. Podiumsgebäude am Opernturm misslungen, Kunstkiste auf der Maininsel misslungen.

  • Schade, ich hatte gehofft, am Ende kriegst Du noch die Kurve zur Rekonstruktion ;).


    Über die reale Wirkungsweise der Opernturm-Fussbebauung kann ich leider nicht mitreden. Aber vielleicht so viel dazu: eine feingliedrig dekorative Fassade verträgt sich in aller Regel schlecht mit großen Bauvolumen. Ich bin ein großer Freund des Woolworth-Buildings - nicht so sehr, weil es wie eine gestreckte gotische Kathedrale wirkt, sondern da dessen vorwiegend keramischer Fassadenschmuck noch bis in 240 Meter Höhe reicht, wo ihn kaum noch jemand mit bloßem Auge wahrnehmen kann. Aber der Bau entspricht dem Selbstverständnis jener Zeit, als sich Magnaten Denkmäler errichten ließen, deren Erscheinung nicht mehr rational zu erklären ist. Heute muß man üblicherwesie um jeden Euro des Budgets kämpfen. Eine anonyme Investorenschar erwartet ein Höchstmaß an Rendite und dekorative Details lassen sich nur schwer verbindlich festlegen - möglicherweise ein Grund, weshalb der Ruf nach Rekonstruktionen so laut ist, da funktioniert das nämlich noch am ehesten. Wenn Geld 'über' ist, wird es zu anderen Dingen genutzt, als ein Gebäude "sinnlos" zu verschönern. Irgendwann ist nämlich der Peak erreicht und eine weiterführende "Verschönerung" amortisiert sich nicht mehr durch adäquate Mehreinnahmen. Das haben wir u. a. der - gegenüber z. B. der Gründerjahre völlig veränderten - Kostenstruktur am Bau zuzuschreiben.


    Übrigens dort, wo tatsächlich noch private Einzelkämpfer 'nach alter Väter Sitte' agieren, sind die Resultate oft von deutlich höher Qualität, siehe etwa das Beispiel Otto Beisheim (Gründer des Metro-Konzerns) am Potsdamer Platz in Berlin. Dessen 'Ritz Carlton' -Hotelbau hebt sich wohltuend vom, in der Kubatur sehr ähnlichen und sicher auch nicht schlechten, Kollhoffschen P5 ab (gilt auch für andere Häuser dieses Ensembles). Dabei kann man Hans Kollhoff nun wirklich nicht nachsagen, er würde besonderen Wert auf die Meinung hartnäckiger Verfechter der Moderne legen. Zeitgleich entwarf der Kollege auch neoklassizistisch inspirierte Villen. Ich denke, dieses Beispiel zeigt sehr gut, dass unsere gebaute Umwelt weit weniger von ideologischen Fragen bestimmt wird (ich weiß, dass das häufig ein komfortabler Erklärungsversuch ist ;)), als von ganz banalen Dingen, zu denen eben u. a. das effizientes Bauen gehört. So weit mir Mäcklers Arbeiten und Positionen bekannt sind glaube ich auch nicht, dass die - aus Deiner Sicht übertriebene - Schlichtheit der Opernplatz-Bebauung eine Frage der gesellschaftlichen oder politischen Reife darstellt. Es gibt auch genügend Projekte verschiedenster Größenordnungen, bei denen sich ausdrücklich zum traditionell Dekorativen bekannt wird, wo etwa die Kollegen Kollhoff oder Nöfer oder die Familie Patzschke zum Zuge kommen (oder kommen könnten). An weit hörbare Aufschreie kann ich mich dabei nicht erinnern - schon gar nicht an solche, die irgend einen Einfluss gehabt hätten. Vielleicht sollte man einfach nicht immer mutmaßen, dass dort, wo keine historisierenden oder zumindest feingliedrigen Formen Verwendungen finden, stets die "Modernisten-Mafia" ihre Hände im Spiel hat ;).

  • AeG: Bei den neueren Bildern im Strang "Opernturm" kann man jetzt teilweise das von mir benannte Gebäude links gegenüber dem Podiumsgebäude sehen. War früher immer von Bäumen verdeckt.


    Meinst du bei der "Verträglichkeit" den HH Opernturm, oder auch das Podiumsgebäude davor? Die Größe dieses Gebäudes ist ja gerade ähnlich dem Gegenüber mit seiner reich gegliederten Fassade. Und was die Verträglichkeit eines klar gegliederten HH mit anderen Gebäuden betrifft, so hat man in Frankfurt schöne Beispiele, wo gerade dieses Zusammentreffen Hochhäuser/historisches Solitär sehr gut wirkt. Neben den Türmen der Deutsche Bank gibt es ein historisches Gebäude und am PalaisQuartier baut man gerade so etwas in "Neu". Kann man auch aus Berlin hier in verschiedenen Strängen gut sehen.


    Bei der Frage des Geldes ist es sicher in vielen Fällen so wie Du es darstellst. Auf der anderen Seite ist z. B. der genannte Opernturm mit seinem Anbau ein recht aufwendiger und teuerer Prestigebau. Hier "nur" am Podiumsbau eine Reko-Fassade anzubringen wäre sicherlich in der Gesamtbilanz nicht entscheidend gewesen.


    Bei Mäckler oder anderen, mutmaße ich nicht über gesellschaftliche oder politische Reife, noch mutmaße ich über eine "Modernisten-Mafia". Habe so etwas mit keinem Satz gesagt oder gemeint. Ich rede nur über das was ich sehe und wie ich das gesehene beurteile. Bei Mäkler zieht sich die von mir genannte Problematik durch einige seiner Projekte die ich kenne hindurch.
    Ich finde ja, dass Mäckler prinzipiell im Frankfurter Raum ein Gewinn ist, er ist hier so ziemlich der Einzige, der mit seinen Projekten die jeweils vorhandene Umgebung berücksichtigt und eine Anpassung sucht. Aber er geht meist nur den halben Weg zum Ziel, schade (Dies sage ich, weil seine Gebäude auf mich so wirken).


    Noch ein Beispiel: Gerade hat der scheidende Erste Stadtrat und Leiter des Baudezernats von Kronberg sein ehemaliges Lieblingsprojekt am Berliner Platz in Kronberg noch mal verteidigt mit dem Hinweis, der Entwurf von Prof. Mäckler sei eine unheimlich gute Lösung gewesen, wenn er sich an die Alternativlösungen erinnere. Damit liegt er auch vordergründig richtig. Aber, dieser ziemlich umfangreiche Gebäudekomplex mit Säulenarkaden, Marktplatz und verschachtelten Läden sowie mit kleinem Park, wird von den meisten Kronbergern abgelehnt, obwohl die Gestaltung historische Zitate aufweist und auch farblich recht gelungen ist. Heute treiben sich da überwiegend randalierende Jugendliche herum und eine dauerhafte Streife vom Ordnungsamt dreht ihre Runden.
    Das Ensemble wirkt künstlich, halbherzig, glatt. In den Proportionen und kleinteiligen Elementen sehr bemüht und das praktisch mitten in der Altstadt. Eine richtige Reko/Retro oder halt dann richtig modern wäre da noch besser gewesen.


    Tut mir leid, was die Kurve zur Rekonstruktion betrifft, wenn ich das nicht verständlich rübergebracht habe. Mein gesamter Beitrag sollte eigentlich für eine Reko sprechen, aber immer nur da, wo es wegen der Umgebung oder auch dem einzelnen Gebäude wichtig ist, mal nur so in zwei Sätzen gesagt.

  • Noch ein Beitrag:


    wenn man über die Frage nachdenkt, warum niemand das im "Krieg" zerstörte World Trade Center in New York so wie es einmal war rekonstruieren will, aber vielfach die Forderung nach Rekonstruktion von im Weltkrieg II zerstörter Gebäude erhoben wird, kommt man auch zu Antworten über den Wert von Architektur und warum eine Rekonstruktion Sinn macht.


    PS: Dennoch hätte ich befürwortet, dass das WTC, so wie es war wieder aufgebaut wird, nur noch etwas höher und eventuell mit einem Flugabwehrgeschütz auf dem Dach.

  • Das liegt vermutlich daran dass das WTC im Prinzip nur die üblichen Glas- und Stahlkästen waren. Wäre das Empire State Building oder das Chrysler Building zerstört worden, da bin ich mir sicher hätte man die sofort wieder aufgebaut.

  • warum niemand das im "Krieg" zerstörte World Trade Center in New York so wie es einmal war rekonstruieren will


    Doch, man hat unter den Alternativen auch die genaue Rekonstruktion erwogen - und sich nach langen Diskussionen für eine andere Lösung entschieden, die vom Stil her den zerstörten Türmen entspricht ( (Neo)-Moderne ).


    Zum großen Teil sehen sich so viele Menschen deswegen nach Rekonstruktionen, weil sie menschlich ansprechend wirken - was die gegenwärtige "Architektur" meist einfach nicht bietet. Kein Wunder, wenn viele "Architekten" vorwiegend nur daran denken, die Menschen mit denkbar billigsten Mitteln zu provozieren - statt an harmonische Ensembles, positive visuelle Erlebnisse usw. Mich wundert nur, dass die Investoren den Unfug immer noch dulden - sehr oft zumindest.

  • ^:daumen:


    Bewacher, wenn du ein wenig von den bisher hier geschriebenen Beiträgen gelesen hättest wäre dir vielleicht klar geworden, dass die Kausalkette Investor-Architekt andersrum geknüpft ist. Du sagst ja selbst, es gibt keinen vernünftigen Grund, warum sich die Bauherren das angebliche 'Provozieren' gefallen lassen sollten (zumindest, so lange es private Geldgeber sind). Also nenne mir einen vernünftigen Grund dafür, dass Architekten die Welt manipulieren! Könnte es sein, dass diese Mutmaßung nur ein Hirngespenst ist, die dein Kartenhaus aus abenteuerlichen Thesen zusammenhält? Das Einzige, was hier provoziert, ist deine strunzdoofe Signatur*!


    Zum WTC: nach meiner Kenntnis war der Rückhalt bez. eines originalgetreuen Wiederaufbaus in der 'Bevölkerung' am größten. Das ist auch nur logisch und erklärt nebenbei wunderbar das Prinzip Ornament: die 'Masse' (mit all ihren Professionen, bei denen es aber nie um Architektur und Städtebau geht) wünscht sich in den Randbereichen ihres Lebens üblicherweise Beständigkeit, u. a., da diese zu Orientierung verhilft, Identität stiftet und die Aufmerksamkeit nicht übermäßig beansprucht. Deshalb ist es im Grunde völlig egal, wie das Bestehende aussieht, es wird im Zweifelsfall stets das Rennen machen. Die gleiche imaginäre dumme Masse, die sich 1972 so vehement gegen die Entstehung des damals neuen WTC engagiert hat, protestiert heute für dessen Wiederaufbau. So ist das überall: Bei der Abstimmung zum Flughafen Tempelhof war gerade unter den direkten Anwohnern eine deutliche Mehrheit für dessen Erhalt und beim Palast der Republik gab es, auf den Osten bezogen, auch eine deutliche Pro-Haltung.


    Dass hierzulande das Ornament an der klassischen Fassade populär ist, liegt nicht unbedingt an dessen unterstellter Kunstfertigkeit oder angeblichen "Schönheit" (mehrheitlich finden wir aufwändig tätowierte Körper, Männer in geklöppelten Leibchen oder handgemalte Blümchentapeten nicht so prall, obwohl das mindestens ebenso kunstfertig ist), sondern darin, dass es als Relikt der Vergangenheit (von heute aus betrachtet, morgen kann das schon wieder ganz anders sein!) diese Beständigkeit transportiert. Als es seinerzeit neu war - jedenfalls in der maßlosen Übertreibung der Gründerjahre - war sein Wert ebenso wenig gegeben wie der beliebiger heutiger Fassaden. Genau diese geringe Wertschätzung führte übrigens zu den frühesten Entstuckungswellen und zur Initiierung neuer, weniger schmuckreicher Baustile - und nicht irgendwelche Verbrechen!


    Man kann den sich stetig verändernden, dialektischen Zusammenhang zwischen Altem und Neuem sowie dessen jeweilige Wertschätzung nicht mit einer willkürlichen Zäsur aushebeln, etwa, indem man versucht, das Gefüge von einem beliebigen Zeitpunkt festzusschreiben!




    * Ich wette, du hast nicht einen Satz der Schrift gelesen, aus der das entstellte Original kommt, sonst müsste dir die verballhornende Negierung in deinem Kontext nämlich sehr peinlich sein. Geht es doch bei Loos um alles Mögliche, nur nicht um 'Provokation'.

  • Versuchst Du hier ernsthaft noch Niveau reinzubringen, AeG? :D
    Ich glaube kaum, dass man in der Investoren-Architekten-Volk Beziehung einen Schuldigen für den Unmut eines großen Teils der Bevölkerung ausmachen kann. Es ist zwar meistens so, dass die Investoren, gelenkt durch die Manager, die von Aktionären bestimmt werden, versuchen nach einem wirtschaftlichen Optimum zu bauen. Gerade im Wohnungsbau, wo der Eigentümer mehr auf die qm als auf die Fassade achtet wird's da auch schon extrem billigst.
    Andererseits gibt es in der modernen Architektur ja auch jede Menge Prestige-Bauten, die wahrscheinlich schlechter bei der Ornament-Fan-Gruppe ankommen, als irgendwelcher postmoderne Kitsch. Da stecken dann doch mehr Interessen, als nur Geld dahinter.
    So z.B. das Selbstverständnis der Gruppe der "Intellektuellen", die weitaus umfassender ist als die Architekturprofessoren allein und die von den Feuilletons der großen Zeitungen vertreten und bestimmt wird.
    Dann sind es natürlich auch teilweise Architekten selbst, die in ihrer Ausbildung in einer Weise erzogen werden, die wenig Rücksicht auf allgemeine Zugänglichkeit ihrer Kunst nehmen und sich zugegebener Weise auch ein klein wenig in ihrem elitären Selbstverständnis ergehen. Jedoch erfolgt dieser Prozess keinesfalls bewusst oder gelenkt, sondern ist (durchaus intellektuell begründeter) Mainstream einer berufsständigen Subkultur.
    Dann ist es auch die Bevölkerung, die auf die Moderne steht. Es ist nicht so, dass jeder Schnörkel haben will. Ganz im Gegenteil können Neon-Lichter, moderne Grundrisse und sogar großmaßstäbliche Fassaden gefallen.
    Zu letzt ist auch zu beachten, dass durch die Sozialisation mit moderner Architektur als "Arbeitsplatz-/Industriearchitektur" und dem vormodernen Bauen im Gegensatz ausschließlich als Vergnügungs- oder Wohnarchitektur eine entsprechende Voreinstellung vorhanden ist.


    Ein Pauschalbeschuss einer vermeintlich einheitlichen Berufsgruppe ist in jedem Falle vollkommen verfehlt. Die kulturelle Marschrichtung (die ich jetzt auch nicht unbedingt für falsch halte) der westlichen Architektur wird aus meiner Sicht von einer weitaus größeren Szene bestimmt, als nur einem Berufsstand und der finanzielle Part der Machtausübung liegt gleichermaßen im Geschmack des Volkes als auch der Investoren.


    Was das WTC betrifft: Ich finde es ein sehr gutes Beispiel für die Reko-Debatte. hier hätte ich mir ehrlich gesagt auch die Rekonstruktion gewünscht.
    Ich habe mir diesen persönlichen Wunsch zunächst mit der Schockiertheit über die Anschläge erklärt. Mittlerweile denke ich jedoch, dass das alte WTC einfach nur sehr gut war. Einer der besten Vierkantbolzen aller Zeiten. Die Simpelheit, Monumentalität, die Tatsache, dass man von weitem keine Fenster in der Fassade erkennen konnte und die Türme so noch monumentaler - wie 400m Betonstelen wirkten, das war schon genial.
    Dagegen können der Freedomtower und Co nicht anstinken. Trotzdem haben die Nachfolgebauten ja eigentlich die komplexere, reflektiertere politische Aussage. Insofern bin ich hier etwas hin und hergerissen.
    Bei Gebäuden die jedoch wesentlich älter sind gibt es ja eigentlich keine zwangsläufige politische Aussage in der Reko. Zumindest kann ich die Kriegswundendebatte im allgemeinen nicht ganz nachvollziehen, genausowenig wie eine reininterpretierte Kampfansage an die Moderne.
    Der Krieg braucht unbedingt seine Denkmäler, dem stimme ich zu. Aber deswegen überall Stunde 0? Auch wenn man ein kulturell oder baugeschichtlich wertvolles Gebäude per Rekonstruktion anschaulich machen könnte?
    Letztendlich sind viele Einstellungen zu Rekos reine Interpretationssache zum Stand des Jahres 2008 in der deutschen Gesellschaft. Diese zeitlich fließende Beurteilung der Architektur ist eine unumstößliche Wahrheit, die das Thema einerseits interessant macht, allerdings jegliche absolute Aussage ein wenig ins lächerliche zieht.
    Deshalb, wenn es um Rekonstruktionen "sehr guter" Gebäude geht oder um geschichtliche Zitate (allerdings nicht dominierend) in eine moderne Umgebung zu bringen, dann bin ich auf jeden Fall nicht auf Tod und Teufel dagegen.

  • Ich finde, diese Debatte besteht in erster Linie aus Schwarz-Weiß Malerei. Es wird von Suchenden um den heißen Brei geredet, keiner kann etwas konkretisieren.


    Daher versuche ich es mal und kopiere einige meiner Beiträge aus anderen Threads hierher.


    aus "Deutschlands schönste Bausünde":
    Deutschlands schönste Bausünden kenne ich nicht, aber der Welt größte Bausünde ist mir wohl bekannt.


    Es handelt sich um die Internationalistische Architekturpartei Moderne, welche seit ca. 90 Jahren die Welt terrorisiert und, um ihr radikales und reduziertes Architekturweltbild durchzusetzten, eine Gruppe von Gestaltungselementen im höchsten Maße diskriminiert und eliminiert, nämlich das Ornament.


    Diverse Gefreite der bildenden abstrakten Künste haben sich in den 20iger Jahren des letzten Jahrhunderts aufgeschwungen, um die tausende Jahre alte Geschichte der Architektur und deren gesunde, langsame Weiterentwicklung in einem globalen Angriff mit den Waffen der Abstraktion und der Reduktion zu vernichten.


    In Ausbildungslagern (z.B. Dessau) wurden Spezialisten herangebildet, die das architektursozialistische Gedankengut in der Welt verbreiteten. Dies war sehr erfolgreich, alle Feinde der Moderne wurden weitgehend eliminiert, ab und zu auftretende Konterrevolutionsversuche wurden im Keim erstickt. Doch gibt es immer noch Widerstandskämpfer, die Unterstützung von nicht unwesentlichen Teilen der Bevölkerung erhalten.


    Inzwischen ist jedoch die Erziehung zur modernen Architektur so erfolgreich, dass ein Anknüpfen an alte Baustile oder die Verwendung von klassischen Elementen als "historisierend" bezeichnet wird, was in der Assoziation inzwischen allgemein als gerechtfertigte Abwertung wahrgenommen wird. Gegen diese in den Ausbildungslagern der Moderne vorgenomme "Gehirnwäsche" gilt es anzugehen. Für alle Studenten deshalb dieses Flugblatt !!!


    Heute erscheint einzig der konkrete Kontext des Ortes, an welchem gebaut wird, als gerechtfertigtes Kriterium für den Neubau, Weiterbau, Wiederaufbau oder der Rekonstruktion eines Gebäudes.


    Angesichts des der Allgemeinheit zu Verfügung stehenden Wissens um Architektur(geschichte) fällt es schwer zu verstehen, weshalb nicht spezifisch für jeden Ort die passenden - also den Kontext erfüllenden - architektonischen Mittel verwendet werden.


    Erläuterung : --- zu architektonischen Gestaltungsmitteln gehört ebenfalls die Baukonstruktion. Zum Kontext gehört ebenfalls die Zeit, in der wir leben. Beispiel. In einem Gründerzeitensemble wird eine Baulücke geschlossen. Um den Kontext zu erfüllen, wählt man als Fassadengestaltung die Formensprache der umgebenden Bebauung. Auf 65 cm dicke Mauern kann man verzichten. Das Gebäude wird in Stahlbeton errichtet. ---


    Die Tabuisierung des Einsatzes von bestimmten architektonischen Gestaltungsmitteln (aller Epochen) erscheint genau so unsinnig wie deren willkürliche Anwendung an Orten, an welchen kein dafür entsprechender Kontext existiert.


    Ich plädiere daher für die Schaffung einer neuen Architekturphilosophie, welche keinen speziellen Stil zum einzig richtigen erhebt, gleichzeitig aber auf die willkürliche Anwendung irgendwelcher Stile an speziellen Orten verzichtet.


    So nenne ich dich mal......kontextueller Multistilismus.


    ...@ RobertKWF
    Deiner Erklärung des Begriffes "Bausünde" in "32" schließe ich mich an. Sie beschreibt im weiteren die Grundlage für die "kontextuelle Entwurfsweise", also die Entwicklung eines Gebäudes primär aus der vorhandenen Umgebung heraus. Dies kann so weit gehen, dass der Ort sozusagen das Gebäude entwirft.


    aus "Visionen für München":
    ...Wobei die "Idee" meist nur der Ausweg aus der Unfähigkeit zu architektonischer Gestaltung ist. Diese architektonische Gestaltung kann nur eine kontextuelle sein, also eine alle Parameter berücksichtigende und diese in architektonischen Raum umsetzende Entwurfsweise.


    Hauptsächlich wird ein Parameter fast nie berücksichtigt. Es ist der erste und wichtigste Baustein im Entwurfsprozess, nämlich der Ort, an dem gebaut wird. Was gibt der Ort her, also welche Bezüge (Kontexte) existieren, und, falls keine oder nur geringe existieren, welche kann man dann schaffen !


    Es geht darum, nicht nur gute Innenräume zu schaffen, nein, der Stadtraum will gestaltet werden. Eine Straße oder ein Platz ist wie ein Zimmer, welches man betritt. Wie sind die "Wände" dieses Zimmers gestaltet ? Glatt und poliert, zu groß oder zu klein ist wohl weniger erfreulich, mit "Kunstwerken" behängt, wird es schon spannender, wenn der Hintergrund noch ein Relief ist, umso besser. Vor- und Rücksprünge und Raumbildungen in einer für den Menschen erfassbaren Größe, in seinem Maßstab, erzeugen Wohlbefinden und Geborgenheit, eine Qualität, die "Stadt" haben sollte.


    Monotone Aneinanderreihung, isoliertes setzen von Solitären, die funktional keine sind, immer gleiche Größe, Fassaden ohne Volumen, ewige Wiederholungen und ungefasste Räume die zerfallen und als Raum nicht mehr wahrnehmbar sind machen das durchqueren der Stadt zur unangenehmen Notwendigkeit.


    Das ist der Grund, weshalb die neuen Gebäude so "widerlich" sind. Nicht weil sie intern schlecht gestaltet wären oder konstruktiv mangelhaft wären, nein, sie bilden keinen guten Stadtraum, also den Raum, der durch sie beschrieben wird !


    Entscheidend ist die Lage/Form des Baukörpers, d.h. welchen Raum bildet der Baukörper mit seiner Umgebung. Dann sein Fassadenvolumen, d.h. das Maß von der Außenkante Fassade bis zur Innenkante Fassade. Mit einer Tiefe von 5mm wird man keinen guten Stadtraum bilden können. Er wird immer glatt, kalt und abweisend wirken. Auch mit Löchern darin (Loggias) oder dem Gegenteil (Balkone) kann dies nicht kompensiert werden.


    Heutige Architektur scheitert am Städtebau. Heutige Gebäude scheitern am Stadtraum, den sie bilden.


    Heutige Gebäude scheitern oft an ihrer Aufdringlichkeit, an den "Ideen" ihrer Erbauer. Vieles will sich herausstellen, nichts mehr einordnen. Vieles will sich durchsetzten, nichts mehr ergänzen. Vieles will etwas besonderes sein, und ist dadurch oft besonders schlecht.


    Anderes will wiederum nichts besonderes sein, aber groß. Damit ist es etwas besonderes, aber stellt nichts dar. Der Klotz entsteht...



    Ich bin der Meinung, man sollte aufhören, zu pauschalisieren, zu polarisieren und zu monopolisieren. Differenzieren ist wohl die Kunst des 21. Jahrhunderts. Für die vielfältigen Erfordernisse angepasste, individuelle Lösungen zu entwickeln ist angesichts des zur Verfügung stehenden Wissens und der technischen Möglichkeiten jetzt machbar.


    Der "Farbkasten Baukunst" steht weit offen ! Bitte zugreifen und "Malen" !



    Viele Grüße
    Jaguar-XKSS


    P.S
    Zitat eines Kommentars eines Lesers im Rahmen einer Bewertung (leider nicht öffentlich gepostet)


    Du pauschalisierst selber, indem Du Kriterien für einen guten Stadtraum setzt, wie z.B. "mit 5mm wird man keinen guten Stadtraum bilden können. Er wird immer ...." In Venedig sind 98% der Fassaden einfache Putzfassaden die deinen Kriterien widersprechen.



    Richtig, pauschal bin ich gegen Pauschaulisierung, was wiederum eine Pauschalisierung ist. Grundsätzlich bin ich für Vielfältigkeit, was wiederum eine Monotonisierung ist, also die Monotonie der Vielfalt.


    ...Dann hätte man Venedig wohl deutlich besser gestalten können, aber da viele der Wasserstraßen sehr eng sind, fallen die glatten Fassaden nicht so auf. Hinzu kommt noch die "farbliche Variation" durch die Patinierung usw. Die Fassadentiefe ist nur ein Kriterium für die Bildung eines guten Stadtraums. Alte südländische Dörfer haben auch einfach verputzte Fassaden, allerdings sind die 3 - 10 cm Fassadenvolumen schon durch die handwerklich bedingten Unebenheiten der Fläche bewerkstelligt (krumme Wände, grober Putz), dazu kommt noch, dass die Fläche meist sehr klein ist (Proportion von Tiefe und Fläche).
    Die Straßen sind meistens sehr eng, die Häuser stehen versetzt entsprechend der Topografie, die Wegeoberflächen sind oft sehr differenziert und "grob"....usw.usw.



    .

    Einmal editiert, zuletzt von Jaguar-XKSS ()

  • Hinweis der Moderation: Dieser und nachfolgender Beitrag wurden aus dem Thread "Dresden-Waldschlösschenbrücke" hierhin verschoben. Cowboy.


    Schade nur, dass es diesen Kampf nicht da gegeben hat, wo es sinnvoll gewesen wäre. Denn die Kulturlandschaft, die sich dort befindet, ist historischer und bedeutender, als dieses potemkinsche Dorf "Neumarkt".

  • ^ Ähm, den Kampf gab es sehr wohl. Aber es kam eben trotzdem zu dem nun bekannten Ergebnis. Da ja gern behauptet wird, der Neumarkt sei ein potemkinsches Dorf: Was wäre denn die konkrete Alternative gewesen? Die üblichen Glas- und Stahl-Buden wie sie jetzt am Brühl in Leipzig und z.B. auch bei der neuen Leipziger Uni entstehen? Na prima!


    Statt zu meckern und alles als zu polemisieren, sollte man mal die Mitglieder der GHND für ihr gesellschaftliches und bürgerliches Engagement loben, dass sie über 10 Jahre gegen die Politik, die Modernisten-Gilde und die übliche Investoren-Lobby ein Konzept größtenteils durchgesetzt haben, welches echte Aufenthaltsqualität geschaffen und auf den gesichts- und geschichtslosen Städtebau in Deutschland seit der Zerstörung deutscher Städte, eine identitätsstiftende Anwort gegeben hat. Da engagieren sich Bürger ehrenamlich, kostenlos, für die Wiedergewinnung eines Teils komplett untergegangener Stadt um ihr wenigstens in gewissen Teilen wieder ein wenig von dem zu geben, was sie einst zur europaweit bekannten Stadt machte.


    Und ganz wichtig: Welches unter dem Strich einen echten Mehrwert für die Bürger Dresdens, als auch seiner Besucher geschaffen hat und von den Bürgern mehrheitlich gewollt und unterstützt wurde und wird! Wer, wenn nicht die Bürger sollen über den Städtebau entscheiden? Sollen lieber Geschichtshistoriker, Investoren oder der Baubürgermeister darüber entscheiden? Dann schaffen wir reine Kommerzstädte, in denen heute immer weniger Bürger leben wollen, weil sie sich nicht wohl fühlen.

  • Es lag die Welt in Scherben

    Geschichte der Rekonstruktion des Goethe-Haus in Frankfurt am Main.

    Gehört vielleicht eher in einen Frankfurter Strang, passt aber vielleicht auch hier. Ein Artikel in der FAZ.NET vom 27. August 2009 aus Anlass des Goethe-Geburtstags:
    http://www.faz.net/s/RubFAE83B…Tpl~Ecommon~Scontent.html

    Jeder mag für sich selbst entscheiden, ob hier eher Argumente gegen eine Rekonstruktion beinhaltet sind, oder ob der Artikel, bzw. die Geschehnisse um das Goethe-Haus, Anregung sind, weitere kriegserstörte wertvolle Gebäude, Ensembles oder Areale zu rekonstruieren. Dabei werden diejenigen, die eher sachlich kühl und nur nach vorn schauend daherkommen wollen, sicher anders entscheiden, als diejenigen, die der Geschichte, der Historie, den Gefühlen und auch der Romantik, für sich selbst Raum geben.

    Um wie viel ärmer wäre Frankfurt heute, ohne das rekonstruierte Goethe-Haus und die sonstigen, nach dem Krieg rekonstruierten Gebäude. Kritiker der Rekonstruktion werden jetzt vielleicht anmerken wollen, dass aber teilweise noch Substanz vorhanden war. Doch wo genau liegt da die Grenze? Und, wie weit unterscheiden diese sich dann wirklich von einer Total-Rekonstruktion? Und, sollen also die Stadt und ihre Bürger für immer auf all diese wunderbaren, im Krieg zerstörten Gebäude verzichten, die auch so wertvoll für die eigene Identität sind, nur wegen der ideologisch gefärbten Ansichten einiger Weniger. Sehr oft schon wurde diese Frage durch einen Wiederaufbau oder eine Rekonstruktion erfolgreich beantwortet.

  • Es ist an der Zeit, endlich mal die bestehenden Möglichkeiten, zerstörte historische Gebäude oder Ensembles auf dem Originalgelände rekonstruieren zu können als Glücksfälle und einmalige Chancen zu begreifen. Es ist meist die sehr seltene Möglichkeit, faszinierende Bauten und Ensembles für die Menschheit praktisch zu retten. Ähnlich wie bei einem alten Gemälde welches für enormes Geld erworben und mühevoll restauriert wird, damit es im öffentlichen Museum von Jedermann betrachtet und in Natura nämlich erlebt werden kann.

    Wenn auf einem in Frage stehenden Gelände irgendetwas anderes gebaut wird und sei es noch so schön und wertvoll, so wird das ursprüngliche Werk aber für immer für die Menschheit verloren sein. Nur noch in Bildern ist es dann noch sichtbar. Sinnbildlich in etwa so, als wenn ein Gemälde in einer Privatsammlung verschwindet und wenn überhaupt, nur noch Fotos davon zugänglich sein werden. Einen guten Neubau kann man immer auch auf einem anderen Gelände ohne wertvolle, bauliche Vorgeschichte verwirklichen.

    Wenn ein Gemälde beispielsweise einmal verbrennen sollte, wäre man überglücklich, wenn dann doch noch die Kopie (Reko) eines hervorragenden Fälschers auftauchen würde.


    Postet von RKWF am 07.12.2009 im DAF Strang "Gute Reko – böse Reko (Grundsatzdebatte)" direkt hinter #35

    Einmal editiert, zuletzt von RobertKWF ()

  • Rekonstruktion Denkmalpflege

    Zur Zeit beschäftige ich mich mit dem Thema der Rekonstruktion in der Denkmalpflege - sprich meist im Krieg zerstörte Gebäude werden wieder aufgebaut.


    Oftmals werden die Fassaden auf Grundlage alter Fotos und Pläne rekonstruiert, dahinter verbirgt sich allerdings ein neuer Grundriss mit dem neuesten Stand der Technik (Attrappen-Architektur). Städte wollen so den Tourismus ankurbeln (Frankfurt Main Römer / Dresden Neumarkt?).
    Natürlich gibt es auch Fälle, wie den Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden, bei dem die Bevölkerung dies vorantrieb und Spenden sammelte.


    Nun würde ich gerne ein allgemeines Stimmungsbild zu diesem Thema einholen.
    Was sind Gründe für oder gegen die Rekonstruktion von zerstörten Gebäuden. Gibt es gute Beispiele für geglückte Rekonstruktionen? Wie ist die allgemeine Auffassung zu diesem Thema?...

  • Ich kann nur für Hamburg sprechen:


    Wurde in HH bereits diskutiert:
    http://www.deutsches-architekt…rum/showthread.php?t=5532


    Mangels royaler Residenzen besitzen wir hier weder Schlösser , noch Burgen (ausgenommen Bergedorfer Schloss) . Dank des Großen Brandes 1842 und der Bombardierung Operation Gomorrha 1943 wurde die Stadt 2 mal innerhalb kürzester Zeit fast komplett zerstört. Nur zehn Prozent aller Gebäude in Hamburg sind 100 Jahre oder älter


    Die größte Zerstörung gab es allerdings erst nach der Bobardierung, als sie Stadherren meinten, alles alte verschwinden lassen zu müssen, Stadtteile "modern" umgestalten wollten und Gebäude wie den alten Altona Bahnhof in den 70ern abrissen. Heute bereut man den Abriss zutiefst.


    Hier gibt es schlichtweg nichts zu rekonstruieren. Bis auf die Kirche St Nikolai
    http://www.deutsches-architekt…owthread.php?t=332&page=4


    Fragt sich, ob ein Mahnmal bedeutender ist als eine Rekonstruktion.


    Ansonsten gilt hier eher das Aufheben von Nachkriegsbausünden wie die Re-Urganisierung der Innenstadt z..B. Cremon Insel und Katharinenquartier oder dem komplett ausgebombten Wohnviertel Hammerbrook (DAF) und Wiederherstellen von Straßenzügen wie an der Nikolaikirche DAF.


    zudem ist hier gerade sehr angesagt, die alte Fassade stehen zu lassen und das ganze Gebäude komplett neu aufzubauen Stadthöfe , Alter Wall, Work Life Center im Stephanspalais oder in Eppendorf ein Wohnprojekt Martini44.


    Somit erschafft man neues Leben in alten Gebäuden, die dem heutigen Standard angepasst werden.


    Generell zum Thema Rekonstruktion ist zu sagen, dass durch die Zerstörung der Städte im 2. Weltkrieg sehr viel Identität der Deutschen genommen worden ist.


    In meiner Schulzeit in den 90ern gab es nur ein Thema: 2. Weltkrieg und - du bist schuld!
    Woher wir vorher gekommen sind, wurde nie thematisiert. Es gab nur 39-45. In Geschichte und Deutsch, 8-10 Klasse. Das Thema hing uns zu den Ohren raus.


    Nun ist der Drang bei der neuen Generation enorm, wie die Stadt vorher aussah. Man will keine 50er-70er Jahre Betonnachkriegsbauten mehr sehen. Hannover will nicht mehr hässlich sein. Berlin besinnt sich neben Mauer und NS Zeit auch auf seine Preußenzeit. Es ist die Rebellion gegen die "Klappe zu Affe tot" Menschen, die am liebsten Geschichte abreißen wollen und so tun, als hätte diese niemals existiert.


    Es ist das Wiederaufleben unserer Wurzeln. Die Deutsche Geschichte fing nicht erst 1939 an.
    Rekonstruktion soll nicht den Krieg vergessen lassen, jedoch zeigen, dass es auch ein Leben vorher gab.


    Meine Meinung.