Bebauung des Hauptmarkts

  • Dass die Bautätigkeit der letzten 15 Jahre die Attraktivität gesteigert hätten, kann ich nicht so recht nachvollziehen. Ich bin auch etwas skeptisch bezüglich der Entwicklung der Stadt. Meiner Meinung nach hat Nürnberg besonders unter OB Schönlein einfach den Anschluss verschlafen. Und solch ein Fehler lässt sich nur schwer wieder aufholen.
    ...
    Nachdem die Gebäude am Hauptmarkt ja wohl kaum unter Denkmalschutz stehen, wird die Stadt eher keine Sprossenfenster vorschreiben können. Es gibt zwar so einen Ensembleschutz für die gesamte Altstadt, ich glaube aber nicht, dass bei solchen Häusern so viel Einflussmöglichkeit besteht.


    Was auch vielfach gewünscht wird ist eine Begrünung des Hauptmarkts. Ich glaube nicht, dass das passend wäre. Es entspricht einfach nicht der Tradition in der Altstadt.

  • harher:
    Ich kenne mich zu wenig aus um beurteilen zu können, wie strikt die Vorgaben durch die Stadt sein können; falls hier nicht viel möglich wäre, dann wäre ein guter Draht zu den Eigentümern umso wichtiger, um diese zu überzeugen, freiwillig entsprechende Maßnahmen durchzuführen - natürlich nicht jetzt und sofort, das kann man niemandem zumuten, sondern dann, wenn sowieso im entsprechenden Bereich (Dach, Fassade, Fenster) Änderungen vorgenommen werden, möglicherweise mit Unterstützung durch die Altstadtfreunde. Ich frage mich aber schon, welchen Sinn der Ensembleschutz haben sollte, wenn im geschützten Bereich sogar passend gestaltete Fenster nur für Einzeldenkmäler vorgeschrieben werden könnten.


    Dexter:
    Mit den Bauvorschriften in der Altstadt im Königreich Bayern/Kaiserreich, Weimar und im Drittem Reich kenne ich mich auch nicht aus. Daß es auch damals teilweise massive Umbauten oder Neubauten gegeben hat ist klar, aber erhebliche Bereiche der Altstadt waren davon nicht betroffen und teilweise wurde auch sensibler vorgegangen. Der Abriß von Hauptmarkt 7 vor 100 Jahren etwa ist für uns heute sicher schwer verständlich, aber der Neubau war dem Vorgänger sehr ähnlich; ob der Bauherr dazu verpflichtet war oder ob das für ihn (möglicherweise als Nürnberger Bürger und nicht eine mehr oder weniger anonyme Investmentgesellschaft) selbstverständlich war, entsprechend zu bauen, das weiß ich nicht.
    Ich bin auch Realist genug, um zu sehen, daß die Altstadt zu groß ist, in vielen Bereichen zu beschädigt war und somit eine flächendeckende Rückkehr zu einem zumindest sehr stark an die Vorkriegssituation erinnerndes Stadtbild illusorisch ist. Der vor einigen Jahren entstandene Neubau am Spitzenberg beispielsweise gefällt mir zwar nicht, aber dort ist er mir auch ziemlich egal. Aber in den wenigen noch mit historischen Gebäuden gesegneten Ecken - und dazu gehören eben die Füll und die Wörthstraßen - erwarte ich keine 08/15-Katalogsarchitektur, sondern Auseinandersetzung mit der örtlichen Tradition - und zwar keine angebliche Auseinandersetzung durch bewußtes Setzen von Kontrasten. Und da das offensichtlich nicht funktioniert, habe ich auch keine große Hoffnung für den Hauptmarkt, obwohl es mittelfristig sicher den einen oder anderen möglichen Ansatzpunkt geben wird.
    Natürlich ändern sich Bewohner und ihre Bedürfnisse und Akteure in den Verwaltungen, aber das derzeitige Geschehen weckt bei mir nicht die Hoffnung, daß es sich dabei um eine Verbesserung handelt.

  • Wie heute die Online-Ausgabe der NZ berichtet, wird das Gebäude Hauptmarkt Ecke Waaggasse nun von Gerd Schmelzer und seiner Alpha-Gruppe umgebaut.


    Die Modernisierung des knapp 3000qm Fläche bietetenden Baus aus den 1960ern soll etwa 13 bis 15 Millionen Euro kosten. Die Fassade wird leicht verändert. Die "Borde" entlang des ersten Stocks verschwindet, gläserne Kuben entstehen dort stattdessen. Auch die Erdgeschosszeile wird umgebaut. Ansonsten ändert sich von aussen recht wenig.
    Im Inneren wird es ein neues Hotel (Eingang in der Waaggasse) und Gastronomie (zum Hauptmarkt hin und im Erdgeschoss) geben.


    Schmelzer betont die zügige Umsetzung. Im Herbst 2013 soll bereits alles fertig sein.


    In dem Artikel ist eine Grafik der Fassade nach ihrem Umbau.


    http://www.nordbayern.de/nuern…schonen-brunnen-1.2075401


    Also nach meinem Geschmack hätte es durchaus etwas mehr Veränderung sein dürfen. Wobei die Kubatur des Hauses eigentlich schon ganz gut ist. Eine recht wertig wirkende Sansteinfassade hat es auch. Trotzdem fehlt irgendwie was.


    d.

  • Eine zweite Reihe Dachgaupen wäre ganz nett gewesen.
    Ich bin da eher verhalten erfreut darüber, dass wieder "Kunst am Bau", auch wenn sie aus den sechzigern ist, wegsaniert wird zu gunsten einer weiter vereinfachten äußeren Gestalt. Hat das denn dieser Vereinfachungswahn nie ein Ende?

  • Ich fand die Fenster eigentlich auch ganz nett. Mag ja sein, dass die Dinger etwas aus der Mode sind, aber sie sind sicher schöner als "naggerde" Glasscheiben.

  • Irgendwann schauen alle Häuser aus wie rechteckige Spielzeugklötze, mit der einzigen Variation dass mal kein Dreieck als Dach drauf liegt, mal schon...

  • also ich kann die "trauer" um die Borde nicht nachvollziehen.
    Das Ding sieht mit dem verspiegeltem Glas und der ungeschickten Gliederung nach dem neureichen schick der 1980er aus. Ich würde mal behaupten das sie nicht aus der Erbauungszeit des Hauses (1960er) stammt.


    Flächiges Dekor, war im alten Nürnberg an Fassaden übrigens meist verpönt. Das was dann doch über die Jahrhunderte so dran kam wurde vor allem in der kurzen Zeit der Nazi-Regentschaft gern entfernt. Dem puristischen, mittelalterlichen Nürnberg gab man den Vorzug vor den nachfolgenden Epochen.


    Was ich noch gern gesehen hätte wären neue, zweigeteilte Fenster mit anderen Rollolösungen. Aber da wird offenbar nichts verändert (und auch nicht erneuert). Vielleicht kommt da ja später noch was. Ein klein wenig mehr Finisch an den Fenstern würde dem Haus sehr gut zu Gesicht stehen.


    d.

  • Na da sind wir doch mal mehr oder minder einer Meinung: Das gebäude stimmt schon von seiner Dimension und material her, aber die Fenster sind der Knackpunkt. Ich hätte es gut gefunden, die 80'er Erker zu erhalten. In der jetzigen Form sind sie keien Schönheit, aber wenn man daraus zwei jeweils 2 Fenster lange Erker machen würde und dazwischen vermauern oder verglasen würde bekäme das Haus richtig Stil. Aber einfach ausbauen und durch Alu-Einscheibenfenster ersetzen finde ich fantasielos.


    Außerdem finde ich dass gerade Nürnberg besonder fantasievolle und vielgliedrige Fassaden kennt. Das sticht wirklich hervor.

  • also ich kann die "trauer" um die Borde nicht nachvollziehen....


    Zitat gekürzt. Bitte nur das notwendige (Kernaussage), auf die Bezug genommen werden soll, zitieren. Danke.


    Trauer nicht, ist halt auch immer die Frage, was danach kommt. Und ob das besser wird, da habe ich so meine Zweifel. Meist werden doch heute irgendwelche 08-15-Normteile verwendet.
    Das Haus selbst an dieser Stelle ist übrigens auch insgesamt zu wuchtig, vor allem so direkt neben dem Schönen Brunnen.

  • @ harher,



    ja, das Gebäude ist schon recht wuchtig, aber das hat meines Erachtens auch seinen Grund. Früher war die Waagasse in der Tat hier nur ein schmales Gässchen, zwischen dem Haus der IHK und der Nachbarbeauung war nur wenig Abstand.


    Heute ist es da doch recht zugig. Das haus muss also optisch irgendwie dominieren um der Ecke halt zu geben. und ich finde das tut es auch.


    Noch mal ein Exkurs zu den Fassaden:


    Früher, also zu Reichsstädtischer Zeit, lag das Maß des Möglichen stark im Detail. Daher waren es vor allem die Erker und Figuren die ein Gebäude besonders aufwerteten, oder eben seine Lage an einer Ecke (Fembohaus) und dergleichen. Der Bauordnungszwang der alten Stadt Nürnberg schrieb bis ins Detail vor wie was wo sein darf, wie hoch und wie tief bebaut werden kann. Das berühmte Pellerhaus mit seinem Giebel zum Platz war zum Beispiel eine absolute Ausnahme und wirkte daher umso mehr als solche im Häusermeer. Die Dächer der Häuser waren praktisch immer im Verbund angeordnet, in Reih und Glied (so wie eigentlich heute auch).


    Das was im Historismus in Nürnberg praktiziert wurde, war, bei aller Wertschätzung dieser Häuser, eine stark verzerrende Darstellung altnürnberger Baukunst und wich auf vielerlei Weise von der Bautradition ab. Jener Stil war dann nach dem ersten Weltkrieg auch etwas verpönt, er war nicht puristisch genug und stahl den Leitbauten häufg etwas die Show. Es gibt daher durchaus stellen, an denen die heutige Gliederung der der unmittelbaren Vorkriegszeit überlegen ist.


    siehe hier zum Beispiel:
    Bild entfernt und durch Link ersetzt: http://static1.akpool.de/images/cards/7/76129.jpg
    1935
    http://www.akpool.de/ansichtsk…isebuero-in-koenigstrasse



    heute
    http://www.baukunst-nuernberg.…Gotik&objekt=Lorenzkirche



    Wie deutlich zu sehen ist, gibt die heutige Dachlandschaft der Lorenzkirche den Vorzug. Die Dächer der Häuser halten sich zurück und sind einander in Höhe und Ausrichtung angeglichen...



    d.

  • Gerade der heutige Retro-Brei der Nürnberger Altstadt lässt mich sehr fremdeln mit dieser monoton-defensiven Beinahe-Homogenität.


    Auch wenn das dem Nürnberger Rat früherer Tage entgangen sein mag, hat sich seit jener Zeit in der der Kirchturm das Maß aller Dinge war eben schon etwas in der Architektur und Stadtplanung weiterentwickelt.


    So manches aus jedem Raster fallenden Bauwerk - wie der Komplex des GNM -machte gerade das Salz in der Suppe des Nürnbergs in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts aus.

  • Gerade der heutige Retro-Brei der Nürnberger Altstadt lässt mich sehr fremdeln mit dieser monoton-defensiven Beinahe-Homogenität.


    Was meinst du bitte mit dem "heutigen Retro-Brei"?


    Beziehst du das auf die letzten fertig gestellten Bauvorhaben?

  • Kann ich ja verstehen, denn außer der Frauenkirche, dem schönen Brunnen und meinetwegen noch das neue Rathaus gibts da nichts schönes, was man fotografieren kann. Daher lieber hinter Bäumen verstecken.


    Anderer Ansatz: Wenn man da schon hunderttausende EUR investieren will, dann ist den meisten (mir eigentlich auch) das Austauschen des Fußbodenbelages zu wenig. Dann hat man nämlich wahrscheinlich eine Saison lang eine Baustelle und hinterher ist alles wie vorher, sofern man nicht auf die eigenen Füße starrt.


    In meinen Augen ist die vorgesehene Neugestaltung des Hauptmarktes völlig überflüssig.

  • Ja eben, ich finde eine Neupflasterung und ein paar neue Lampen sind wirklich überflüssig wie ein Kropf.
    Dass die Bebauung (vor allem die Südseite) grausam ist, das ist klar. Sollte man über diesen Kasten vielleicht ein Tarnnetz aus Efeu ziehen?
    Ich finde, Bäume engen die Nutzung zu sehr ein. Außerdem bringen Laubbäume im Winter gar nichts und Nadelbäume schauen auch recht trist aus.

  • Jap, die Leserkommentare sprechen mir aus dem Herzen. Die Stadt ist reif für die Erkenntnis, dass die Nachkriegszeit sehr viel Bebauung mit provisorischem Charakter hervorgebracht hat, der an einigen Charakterbildenden Stellen der Stadt eigentlich heute nicht mehr sein darf. Nicht ohne Grund ist die Architektur der Nachkriegszeit schlicht und schnörkellos. Nur wenn man zulässt, dass die Stadt schlicht und schnörkellos bleibt, und sie es auch durch "moderne" Architektur immer mehr wird, dann ist sie unatrraktiv. Ganz einfach unattraktiv und hässlich.


    Der Hauptmarkt als gute Stube sollte wirklich verschönert werden. Aber Pläne, dort vereinfachte Laternen ("Stelen") aufzustellen, neumodische Papierkörbe und Betonpflastersteine zu verlegen stellen ihn in Konkurrenz zu einem Lidl-Parkplatz, und katapultieren ihn aus der Liga der historisch bedeutenden Plätze hinaus.


    Ich verstehe echt nicht, wieso man architekturinteressierten Nürnbergerinnen und Nürnbergern immer wieder so frech ins Gesicht schlägt mit diesen Entwürfen. Das Geld für den Hauptmarkt gehört direkt umgeleitet in die Kasse für den Wiederaufbau des Pellerhofs.

  • Pellerhof wäre gut ;)
    Aber da hält sich die Stadt ja sehr vornehm zurück!


    Noch zur Nachkriegsarchitektur. Ich finde das "Neue Rathaus" am Hauptmarkt gar nicht schlecht, im Gegenteil. Viele Details sind liebevoll gestaltet. Bei den meisten Gebäuden sieht es da natürlich schon nicht so schön aus. Da hätte man schon mal was Neues und vor allem Besseres machen können. Ich glaube aber, dass die meisten Gebäude Versicherungen gehören und die denken wohl nicht gerade in ästhetischen Kategorien.

  • Jap, die Leserkommentare sprechen mir aus dem Herzen. Die Stadt ist reif für die Erkenntnis, dass die Nachkriegszeit sehr viel Bebauung mit provisorischem Charakter hervorgebracht hat, der an einigen Charakterbildenden Stellen der Stadt eigentlich heute nicht mehr sein darf. Nicht ohne Grund ist die Architektur der Nachkriegszeit schlicht und schnörkellos. Nur wenn man zulässt, dass die Stadt schlicht und schnörkellos bleibt, und sie es auch durch "moderne" Architektur immer mehr wird, dann ist sie unatrraktiv. Ganz einfach unattraktiv und hässlich.


    Das sehe ich ähnlich.


    Hier noch ein Bild aus der guten alten Zeit (aus meiner Sicht).Man haben wir in dieser Hinsicht vieles verloren.:nono:


    Na, wer erkennt den Standdort des Gebäudes?


    Quelle:Eine fast 100 Jahre alte Postkarte.

  • Wenn ich mich nicht irre, ist das das Hotel "Monopol" mit der Eckkneipe "Zum Patrizier", Königstraße 52/Ecke An der Mauthalle, dort, wo heute der Kaufhof steht. Es ist 1890 von Franz Xaver Ruepp gebaut worden, der auch die Herz-Jesu-Kirche in Lichtenhof geplant hat.


    Wenn ich sowas sehe, dann tut es mir um die vielen Verluste schon leid... aber man sollte auch der Nachkriegszeit eine Chance geben. Immerhin laufen die Bauten aus dieser Zeit gerade akut Gefahr, noch vor den Gründerzeitbauten allesamt platt gemacht oder kaputt gedämmt zu werden...