Nbger Süden: WBG-Ensemble SCHILLINGSTRASSE

  • Abriss und Neubau WBG-Ensemble Schillingstrasse



    Im Rahmen des Europäischen Wettbewerbes EUROPAN-12 für Stadtentwicklung hat die WBG Nürnberg die Neubebauung eines ganzen Areals in der Südstadt ausgelobt. Genauer gesagt geht es dabei um einen gesamten Häuserblock vis á vis zum Südpunkt, der von der Pillenreuther Straße, der Sperberstraße, der Schillingstraße und der Galvanistraße eingerahmt wird. Derzeit befindet sich dort noch günstiger Wohnraum, d.h. kleiner, unsanierte Altbauwohnungen mit nicht mehr ganz zeitgemäßen Grundrissen, die zwischen 1919 und 1920 direkt nach dem ersten Weltkrieg erstellt wurden.





    Insgesamt wirkt das Ensemble eigentlich absolut denkmalwürdig, da äußerlich weitgehend im Originalzustand, aber dennoch recht gepflegt. Die WBG hat sogar einige Gebäudeteile bereits saniert und energetisch zu ertüchtigen versucht. Mir, der ich zwischenzeitlich eigentlich meine ein Auge dafür zu haben, ob die Ästhetik eines Hauses durch halbherzige Dämmaßnahmen verunstaltet worden ist, ist das tatsächlich erst nach der Klopfprobe auf die Fassadenhaut aufgefallen. Der rechte Gebäudeteil ist gedämmt worden, man kann es auch am verkleideten Klinkersockel gut erkennen:



    Dabei ist man m.E. überaus vorbildlich vorgegangen. Detail:



    Doch lt. Bericht im heutigen Stadtanzeiger lohnt es sich für die WBG nicht, das Ensemble zu erhalten und zu sanieren, denn es sei zu marode, die Grundrisse nicht mehr zeitgemäß, und das ganze Ensemble würde sowieso mehr in die Gartenstadt denn an die Pillenreuther Straße passen.


    Nun denn, ich denke hinter dem Wort "lohnen" steckt eher, dass man mit anderen Maßnahmen einfach mehr herausholen kann, z.B. über einen eurpopäischen Wettbewerb, den man entsprechend einschient, Fördergelder zu erhalten. Denn klar war natürlich, dass man in diesem Bereich aufstocken müsse und auch dürfe. Nun, sei es so. Ich bin ja ein Liebhaber von Altbausubstanz und es schmerzt mich gerade dann besonders, wenn so gut erhaltene Ensembles wie dieses, die zweifellos einen gewissen Seltenheitswert besitzen, verschwinden sollen. Aber es muss eben auch Platz für Neues geschaffen werden dürfen, und hier sprechen viele Gründe gegen das Ensemble und eine effizientere Ausnutzung des raren, innerstädtischen und hervorragend in die bestehende Infrastruktur eingebundenen Stadtraumes.


    Die Ergebnisse des Wettbewerbes sind nun veröffentlicht und können unter http://www.europan.de/europan12/e12-nuernberg.html eingesehen werden.


    Die Entwürfe hinterlassen bei mir jedoch gemischte Gefühle, insbesondere die Tatsache, dass der Entwurf eines spanischen Architekturbüros mit dem Titel "Sonnenblume" gleich angekauft worden ist. Dieser sieht eine Bebauung in "zeitgemäß" schlichter Gestaltung vor, und ist m.E. der schlimmste unter den Beiträgen, bestehend aus drei balanalst gestalteten solitären Wohnblöcken. Die intime Hofsituation wird vollkommen aufgegeben und eine "Banlieue"-Situation geschaffen, in der die m.E. Angsträume entstehen.
    Blick von der Pillenreuther Straße aus (etwa auf Höhe des Südpunktes):



    "Sonneblume", Architekten: Pau Bajet Mena (ES), Oscar Linares De La Torre (ES), Maria Giramé Aumatell (ES), Laura Bonell Mas (ES), Daniel López-Dòriga Sagalés (ES)


    Heute:


    Blick in die Schillingstraße:



    "Sonneblume", Architekten: Pau Bajet Mena (ES), Oscar Linares De La Torre (ES), Maria Giramé Aumatell (ES), Laura Bonell Mas (ES), Daniel López-Dòriga Sagalés (ES)


    Heute:


    Ich kann es kaum erwarten, bis man diese kubistische, auf die einfache Verarbeitung von Polystyrolplatten hin optimierte Würfelbauweise endlich mal überwunden hat. Die unmotivierte Komposition aus geraden Linien mit viel Beton, die versiegelte Fläche mit gelegentlichem Einstreuen von wenigen Bäumen, die wie in Blumenkästen stehend verortet sind, wirklen schon in der Visualisierung sehr trostlos. Wer immer die Entwürfe gekauft hat, ich hoffe nur deshalb, um sie in Schubladen verschwinden zu lassen. Denn die übrigen Entwürfe haben m.E. deutlich mehr Potenzial, auch um das angestrebte Ziel zu erreichen, die Südstadt als attraktiven Wohnraum fortzuentwickeln. Zumindest erhofft sich die örtliche SPD diesen Impuls davon. Quelle: http://www.spd-in-der-suedstad…icklung-in-der-suedstadt/


    Sieger des Wettbewerbes ist der Entwurf "Yourban" eines deutschen Teams:



    Architekten: Christian Wolff (DE), Benjamin Scharf (DE), Anne Scholz (DE)


    Dieses zeichnet sich durch seine offene Bauweise aus, die mit großen Fenstern helle Wohnungen erzeugt, und die sich konzeptionell auf einen gemeinschaftlichen Hof konzentriert. Hierauf richtet sich alles aus. Auch mir gefällt dieser Entwurf deutlich besser. Ich kann nur hoffen, dass die WBG eher diesen Entwurf realisiert, als den angekauften. Immerhin will man ja auch Eigentumswohnungen unter den geplanten 1 - 5-Zimmerwohnungen vorsehen, die für viel Geld gekauft werden wollen. Alle Entwürfe werden ab Mai im Südpunkt ausgestellt werden, und es ist hier noch nichts in Steinb gemeißelt, wird berichtet.


    Ich fürchte jedoch, dass man sich eher an der "Sonnenblume" orientieren wird, womit man das Stadtbild von gegenüber in der Galvanistraße fortsetzt:



    Denn man hat leider nicht aus den städtebaulichen Erfahrungen der letzten 60 Jahre gelernt, und daher prophezeihe ich, dass schon in 30 Jahren diese Neubausiedlung so bemitleidenswert aussieht wie der jetzige Bestand.

  • Das sind ja deprimierende Aussichten. Derartiger Wohnungsbau aus der frühen Zwischenkriegszeit ist absolut denkmalwürdig. Zeigt der Denkmalschutz sich angesichts der Abrissplanungen völlig unbeteiligt?

  • Die Entwürfe lassen Schlimmes erahnen: Klötze mit sinnfrei verteilten Löchern.


    Das Bild in dem von "Gelber Löwe" zitierten Link zeigt die formale Stimmigkeit der Anlage. Sicherlich sind Gärten, die der Selbstversorgung dienen, heutzutage nicht mehr erforderlich.


    Andererseits scheint es eine Nachfrage dafür zu geben, wie manch hilflos wirkender Versuch in "urban gardening" zeigt.


    Der Entwurf von "Yourban" ist zwar um Klassen besser, aber dass der "Statt-Garten" samt Bebauung wie ein Krankenhaus wirkt, schmälert meine Begeisterung um ein ganzes Stück.

  • Die WBG hat die Wettbewerbsergebnisse nun der Öffentlichkeit präsentiert:


    http://www.nordbayern.de/nuern…-in-hummelstein-1.3657704


    Interessant, auch im Hinblick auf die Leserkommentare, ich habe im Vorfeld versucht in Erfahrung zu bringen, wann die wo die Entwürfe zu besichtigen seien. Weder bei der WBG noch im Südpunkt, der als Ausstellungsort seinerzeit im Stadtanzeiger genannt wurde, konnte man mir weiterhelfen. Was dann passierte, ist, dass es im Rauschen der übrigen Alltagsmeldungen unterging.
    Aber auch aktuell kann ich auf der Webpräsenz der WBG keinerlei Informationen zum Projekt finden.


    Unterdessen berichtet der Artikel, dass die WBG mit dem Abriss auch die Umsiedlung der jetzigen Bewohner beabsichtige, die das wiederum selbst anscheinend nicht schade finden. Die WBG bezahlt die Umzüge, wobei diese Großzügigkeit nicht überbewertet werden sollte: Ein durchschnittlicher Ein-Mann-Haushalt zieht innerhalb Nürnbergs problemlos für 1.000 EUR um, bei einem drei-Personen-Haushalt kann man mit vielleicht 3.500 EUR rechnen. Der Quadratmeter Eigentumswohnung wird vermutlich das gleiche kosten. Die WBG als Großvermieter wird wohl keine weiteren Maklerkosten zu bezahlen haben. Insofern scheinbar also eine rundherum runde Sache....(?)

  • Online Petition FÜR den Erhalt des Ensembles "Hummelstein"

    Ich habe FÜR den Erhalt des Ensembles "Hummelstein" eine Online Petition gestartet und würde mich über Unterstützung sehr freuen:


    https://www.openpetition.de/pe…-aus-den-jahren-1919-1920


    Die Argumentation der WBG bzw. ihres Pressesprechers Dieter Barth und dem Technischen Leiter, Harald Behmer ist vollkommen falsch.
    Die Wohnanlage hat 1919/1920 5,5 Mio Mark gekostet. Das war ein sehr hoher Preis, höher als bei anderen Wohnanlagen.
    Die verwendeten Materialien waren keineswegs billiger Nachkriegsschutt, wie seitens der WBG behauptet wird. Vielleicht ist es den Herren der WBG nicht bekannt, aber im ersten Weltkrieg gab es in Deutschland keinerlei Kriegshandlungen, es fiel deswegen auch kein Schutt an. Es sei denn, die WBG hatte damals z.B. Schutt aus Belgien importiert.
    Im zweiten Weltkrieg wurden lediglich drei Häuser zerstört: Das zweite Haus in der Pillenreuther Straße (damals Katzwanger Stra. 58) und die beiden Häuser, Ecke Schilling/Sperberstraße. Diese drei Häuser wurden 1952 komplett neu aufgebaut, mit den alten Grundrissen. Und genau diese drei Häuser wurden vor einigen Jahren komplett saniert und renoviert, wie auf Bildern zu erkennen ist. Ich bin die Tage in der Wohnanlage gewesen, um mir Vorort ein Bild zu machen: Die Wohnungen besitzen in der Regel 55qm, drei Zimmer und Wohnküche. In jedem Haus ist im zweiten Stockwerk eine Vierzimmer-Wohnung mit Wohnküche und zusätzlich zwei Kammern. Von einem ungünstigen Schnitt der Wohnung oder von zu kleinen Wohneinheiten kann also ebenfalls nicht gesprochen werden, wie seitens WBG immer behauptet. Zu jeder Wohnung gehört ein Gartenanteil mit 25 bzw. 30 qm. Letzeres für die größeren Vierzimmer-Wohnungen. Die Keller der Häuser weisen keinerlei Feuchtigkeit oder Schäden auf. Es gibt keine Risse im Mauerwerk der Fassaden, weder im Innenhof noch zur Front.
    Seitens WBG wird versucht, die Wohnanlage möglichst schnell und unbürokratisch abzubrechen, um einen großen Teil Eigentumswohnungen zu errichten.
    Nett, wenn die WBG behauptet, die Anlage wäre nicht denkmalwürdig oder ein Vergleich mit ähnlichen Häusern in der Gartenstadt, der Werderau, der Fliegersiedlung etc. komme nicht in Frage... Entscheidet jetzt schon die WBG, welche Häuser denkmalwürdig sind?
    Herr Barth erklärte außerdem, "ALLE" wären gegen einen Erhalt des Ensembles. Auf meine Nachfrage, wer "ALLE" sind, erklärte er mir, es handelt sich dabei um die 37 europäischen Architekten, die an einem Wettbewerb für eine geplante Neubebauung teilgenommen haben. Diese Aussage entbehrt auch jeglicher Logik und Intelligenz.
    Die WBG hat die Wohnanlage "Hummelstein" seit Jahrzehnten, peu a peu dem Verfall preisgegeben. Die dort getätigten Investitionen waren gleich null. Trotzdem ist die Wohnanlage noch in einigermaßen guten Zustand.
    Vor zehn Jahren publizierte die WBG zusammen mit Bernd Windsheimer ein Buch, anlässlich des 90-jährigen Bestehens. Die Wohnanlage "Hummelstein" fand schon damals keinerlei Erwähnung mehr. Deshalb ist davon auszugehen, dass schon damals der Plan reifte, die Wohnanlage abzubrechen, damit möglichst viel Eigentumswohnungen gebaut werden können, die der WBG hohen Profit versprechen. Auch wenn die WBG keine gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft mehr ist, sollte primär bezahlbarer Wohnraum geschaffen und erhalten werden. Herr Barth sieht diese Sachlage anders. Er erklärte mir wortwörtlich, die WBG lebe nicht von Steuergeldern. Barth hat sich wahrscheinlich noch nie Gedanken gemacht, wer den Bestand der WBG finanziert hat, zumindest den größten Teil wie Langwasser, Nordbahnhof, Nordostbahnhof, Johannis, Dr.-Lupe-Platz, Hasenbuck, Ludwigsfeld, Nordring etc. Diese Siedlungen wurden ausschließlich durch die öffentliche Hand finanziert, also durch den Steuerzahler. Auch entspricht es nicht der Tatsache, das die Geschäftsführer der WBG über deren Politik entscheiden. Selbstredend muss nicht jeder Tausch einer Türklinke im Stadtrat behandelt werden, die Politik und die Richtung werden jedoch im Stadtrat beschlossen.
    Es kann nicht angehen, dass die WBG aus wirtschaftlichen Gründen einen nahezu original erhaltenen Wohnblock aus der Zeit, direkt nach dem ersten Weltkrieg, schnöder Profitgier opfert. Das Ensemble steht ganz beispiellos für das Bauen nach dem ersten Weltkrieg mit einer Architektur, die sich noch sehr am Bauen der ausgehenden Kaiserzeit orientiert.
    Mittlerweile haben sich zum Glück auch schon Stadträte für den Erhalt der Wohnanlage ausgesprochen und es ist zu hoffen, dass sich noch möglichst viele Mitstreiter für den Erhalt des Ensembles finden werden.

  • Ich habe FÜR den Erhalt des Ensembles "Hummelstein" eine Online Petition gestartet und würde mich über Unterstützung sehr freuen:


    Danke, an der Petition habe ich mich mal beteiligt. Obwohl die Planungen schon sehr weit gediehen sind, die Ergebnisse sind ja der Öffentlichkeit bereits vorgestellt worden, ist es trotzdem interessant zu erfahren, auf wieviel öffentliches Interesse die Planungen stoßen. Schließlich hat Verdichtung positive aber auch negative Auswirkungen, insbesondere auf die Verkehrs- und Lärmbelastung in einem Viertel.


    Um die stadtbildprägende Substanz ist es in jedem Falle schade.

  • Am 07.08. um 17:00 Uhr lädt der Initiator der Petition zu einem Vor-Ort-Termin in der Pillenreuther Straße Ecke Sperberstraße ein, für diejenigen, die sich ein genaueres Bild vom Ensemble machen wollen! Die Info wurde nur über FB verteilt, daher kann ich hier leider nichts verlinken.

  • Nun hat sich auch die Stadtbild-Initiative eingeschaltet, um gegen den Kahlschlag des Nürnberger Stadtbildes an dieser Stelle einzutreten:


    http://www.nordbayern.de/regio…det-fursprecher-1.3874470


    Erstaunlich ist immer wieder, die die Stadt Nürnberg versucht Touristen und Investitionen anzulocken mit dem Hinweis auf Nürnbergs einmaliges Stadtbild, und auf der anderen Seite die Pflege und Entwicklung des Stadtbildes im richtigen Gleichgewicht anscheinend keinerlei Rolle spielt.
    Mit der Stadtbildinitiative haben sich nun weitere Vereine und Initativen für einen Erhalt stark gemacht. Wer ausführlich wissen möchte worum es geht:


    http://stadtbild-initiative-nuernberg.de/?page_id=190

  • WBG-Wohnungsbau sorgt für Ärger

    titeln die Nürnberger Nachrichten online und in der heutigen print-Ausgabe, in der gleich sage und schreibe drei Artikel zur Anlage in der Schillingstraße zu lesen sind:


    http://www.nordbayern.de/regio…r-1.3877737?cid=19.285017


    Im Hauptartikel kommt die WBG zu Wort, die ihre wirtschaftlichen Überlegungen für die Planungen zum Abriss der 71 Bestandswohnungen und Errichtung von neuen 130 Neubauwohnungen darlegt. Die Überlegungen sind sicherlich durchaus nachvollziehbar. Genau gelesen ist aber schnell sichtbar, dass die derzeitigen 71 Wohnungen, die allesamt dem einzig in Nürnberg wirklich raren Segment des günstigen Wohnraumes genommen werden und die WBG so zunächst zur Wohnungsknappheit in diesem Segment beiträgt. Versprochen wird, dass beim Neubau ca. 1/3 der 130 Wohnungen, also ca. 42 Stück, geförderter Wohnungsbau sein werden. Bedeutet also, dass erhebliche Investitionen unternommen werden, um am Ende doch 30 Wohnungen weniger im nachgefragtesten Segment anbieten zu können. Da muss man sich schon die Frage gefallen lassen, ob das in der fast 100-jährigen Tradition der WBG steht. In der Fachsprache nennt man das "Gentrifizierung".


    Dass die derzeitigen Bewohner auch bei einer Sanierung mit Erhalt der Anlage ausziehen müssten, ist allerdings eine Behauptung, die durch entsprechende Organisation der Maßnahme schnell haltlos wird. Innerhalb des Ensembles umzuziehen denke ist wird für die Mehrheit wohl kein Problem sein, und bei schrittweiser Sanierung ist das problemlos.


    Doch der Vorschlag der Stadtbildinitiative geht noch weiter. Anstatt hier nur zu sanieren, also neue Leitungen, neue Böden, Fenster, Klingeln, Elektrik und Sanitär, bietet sich die Schillingstraße in der jetzigen Form für ein besonderes Konzeptwohnen an, wovon es in Nürnberg noch viel zu wenig gibt. Gärten zur Selbstversorgung, kurze Wege, Generationenwohnen, Nachbarschaftsprojekte. All das ließe sich hier perfekt ausprobieren, denn die Sazialstruktur ist bereits vorhanden. Man bedenke, die Anlage ist voll vermietet. Einige der Bewohner haben sich dem Vernehmen nach bereits selbst angeboten, Renovierungsarbeiten vorzunehmen, erfuhren jedoch seitens der WBG leider keine Unterstützung.


    Unter dem Strich bleibt das wirtschaftliche Interesse, (130-42) 88 hochpreisige Wohnungen auf den markt zu geben, um die Bilanz aufzubessern. Für ein Wirtschaftsunternehmen ist das auch durchaus nachvollziehbar. Allerdings darf man sich dann nicht Traditionsbewusstsein und soziale Verantwortung auf die Fahne schreiben.


    Völlig richtig, dass sich die Öffentlichkeit gegen dieses Vorhaben wehrt. Der Vorstand der WBG, gleichsam Stadtspitze Nürnbergs, könnte der WBG durchaus alternative Grundstücke anbieten. Am Nordostbahnhof, gegenüber des Leipziger Platzes gähnt einen bereits seit Jahren die Brache eines baureifen Grundstücks in bester Lage an.

  • Abriss hat begonnen



    Der Abriss des historischen Ensembles Schillingstraße hat begonnen. Als eine der ersten und ältesten sozialen Wohnungsbauprojekte in Nürnberg verschwindet diese architektonisch nicht uninteressante Siedlung im Reformstil aus dem Stadtbild. Der Charakter des Wohngebietes rund um die Sperberstraße geht an dieser Stelle verloren.



    Ersetzt wird das Ensemble durch ein etwa zweieinhalbfach größeres Bauvolumen aus einem Architektenwettbewerb. Fertigstellung ist in zwei Jahren geplant.



    Die Stadtbildinitiative Nürnberg, die sich für den Erhalt des Ensembles eingesetzt und für eine alternative Planung für die Häuser geworben hatte, begleitet den Verlust im Stadtbild auf ihrer Website:


    http://stadtbild-initiative-nuernberg.de/


    Ob es der Neubau wieder auf 100 Jahre Nutzungsdauer mit diesen verhältnismäßig geringen und zuletzt keinerlei Instandsetzungsaufwand bringen wird, werden wir wohl noch sehen. Während früher ein Architekt nur im absoluten Ausnahmefall sein Bauwerk wenige Jahrzehnte später unter der Abrissbirne sehen musste, wird das wohl in Zukunft häufiger werden. Die Frustrationstoleranz unter den Architekten wird zunehmend gefordert sein.

  • Das langweilige Ding ist aus einem Architektenwettbewerb hervorgegangen? Eine simple Baumassenstudie könnte nicht viel anspruchsloser aussehen. Dafür völlig intakte Gebäude abzureißen, ist schon ziemlich verrückt.

  • Nothor kommt mir zunehmend wie der hilflose Chronist der fortgesetzten Vernichten des historischen Nürnbergs und seiner Identität vor. Ich bin immer wieder zwischen Fassungslosigkeit und Wut hin- und hergerißen, wenn ich im Nürnbergforum stöbere. Inhaltlich kann ich dieses Projekt ohne Kraftausdrücke nicht kommentieren, meinen Unmut wollte ich dennoch zum Ausdruck bringen. :Nieder::Nieder::Nieder: dass es sowas 2016 noch geben kann!


    Damit die Bürgeriniativen nichts mehr erreichen können, müssen natürlich jetzt noch kurz vor der Frostperiode unumkehrbare Fakten geschaffen werden indem man noch rasch abreißt, in Bayern sind Unterschriften für einen Bürgerentscheid nämlich schnell gesammelt und die städtische WBG könnte in solch einen Bürgerentscheid über die Eigentümerstellung der Stadt Nürnberg einbezogen werden. Die Frostperiode hätte das Projekt politisch vielleicht nicht mehr überlebt.


    (PS: "Im Rahmen des Europäischen Wettbewerbes EUROPAN-12"... da wundern wir uns, dass die Menschen an der Basis auf dieses institutionalisierte Europa nicht mehr mit Begeisterung reagieren? Wie soll man sich mit einem Apparat identifizieren, der solch Stadtbildzerstörung auch noch finanziell fördert? Die Bildunterschrift "Sonnenblume" der Visualisierung in #1 hat mich sogar unfreiwillig zum Lachen animiert. Irgendwas stimmt bei uns tatsächlich nicht mehr, beschleicht mich)

  • Naja jede (Stadt-)Gesellschaft bekommt was sie verdient. In Nürnberg gibt es durchaus einiges an Engament in vielen verschiedenen Vereinen, allen Voran die Altstadtfreunde, die sogar gefährdete Gebäude selbst kaufen um sie zu erhalten. Andere Vereine und Gruppen, wie auch die hier aktive Stadtbild-Initiative Nürnberg setzen sich ebenso stark für oder gegen Bauvorhaben ein. Mein Eindruck ist aber, dass die Stadt - Verwaltung und Räte - gemeinsam mit den Investoren dergestalt reagiert, entsprechende Projekte möglichst geheim zu halten, in Hinterzimmern vorzubesprechen und durchaus auch von den Medien fern zu halten. Mit dem Ziel, dass möglichst niemand etwas mitbekommt wird auf dem minimal gesetzlich erforderlichen Niveau informiert, z.B. in irgendwelchen Stadtratsvorlagen versteckt oder auf speziellen Websites veröffentlicht, die der Bürger im Alltag nicht regelmäßig checkt. Wenn dann alles fix ist, Stadträte zugestimmt und Behörden genehmigt haben, dann landet eine erste Mitteilung in der Presse und schreckt natürlich alle auf.
    So war es hier und so war es in anderen Fällen wie dem krassen Abriss des denkmalgeschützten Landeskirchlichen Archivs in der Veilhofstraße. So kommts dass ich in diesem Forum immer erst berichten kann wenns zu spät ist. Dieses Vorgehen schadet allerdings wie du schon sagst dem Vertrauen in die Politik.


    Hinzu kommt auch dass allzu oft Wettbewerbe nicht die erwartbare Qualität liefern. Alle Vorschläge aus diesem Wettbewerb hier finde ich komplett unzumutbar, zumindest für das Stadtbild.


    Würden sich hier mehr Leser zu den Projekten äußern wäre das natürlich ein riesen Gewinn, denn hier lesen bestimmt einige mit, auch aus Entscheidergremien, und abgesehen von den genannten Vereinen wüsste ich keinen Ort, wo man seine Sicht auf Architekturfragen nachvollziehbar und strukturiert darlegen kann.

  • Moderne Architektur und heutige Baumaterialien können die unfassbarsten Gebäude entstehen lassen. Man schaue sich nur mal an, was für lichte, elegante, organische Formen Zaha Hadid, Frank Gehry oder Santiago Calatrava in die Welt gestellt haben.


    Nun ist mir klar, dass Nürnberg Schillingstraße als Standort und die WBG als Bauherr nicht unbedingt Weltklassearchitektur erwarten lassen. Aber die in "des Reiches Schatzkästlein" heute völlige Nonexistenz jedes gestalterischen Ehrgeizes ist schon erschütternd.

  • Nothor für dich aber nicht nur für dich hier eine kleine Anregung.


    Ich erinnere mich noch an einen verdammt ähnlich gelagerten Fall vor 4 Jahren in Augsburg. Dort wollte die WBG Augsburg ein Ensemble, das auch zu großen Teilen aus der Zwischenkriegszeit stammte, klang und sanglos abreißen und durch "ökonomischere" Neubauten ersetzen:


    http://www.architekturforum-augsburg.de/archives/2959


    auch eine durch und durch lebenswerte, grüne Siedlung mit Charme - Inhaber eines Wohnberechtigungsscheins müssen zusätzlich zu ihrer ökonomischen Armut ja nicht immer auch mit Armut an Lebensqualität in ihrem Wohnumfeld abgespeist werden. Auch wenn die zeitgenössischen Wohnungsbaugesellschaften dies irgendwie vergessen haben.


    Auch hier hat die WBG sogar schon in Sanierungen investiert.


    Der Unterschied hier war, was dann kam. Zunächst einmal haben die Bewohner, die weg sollten, Widerstand geleistet. Dann nahmen sich engagierte Bürger und Bürgervereine der Sache an. Die WBG ward aufgeschreckt und ruderte alsbald öffentlich zurück:


    http://www.architekturforum-augsburg.de/archives/3035


    denn in Augsburg hat die Stadt und haben städtische Betriebe inzwischen eine jahrelange Erfahrung mit dem Begriff "Bürgerbegehren", die sie schlaflose Nächte bekommen lässt, sobald er auch nur erwähnt wird.


    Und dann schließlich der Sieg, es konnte eine Eintragung in die Denkmalliste erwirkt werden - es ist erstaunlich wenig bekannt, aber prinzipiell kann sich jeder Privatmann mit etwas fachlichem Hintergrund dahingehend engagieren, man muss nicht auf die Eigeniniative der Denkmalbehörde warten:


    http://www.architekturforum-augsburg.de/archives/3326


    und damit bleibt das Ensemble und die WBG muss sanieren (auch wenn, als sich die Ereignisse überschlugen, da nicht ganz denkmalgerecht vorgegangen wurde, s. o., zwischenzeitlich sollte sich das ausgegangen haben, in jedem Fall bleibt das Ensemble als solches). Hätte sie mal lieber den Kopf unten gehalten, gleich von einer Abrißsanierung abgesehen, dann wäre das Ensemble vielleicht bis heute nicht unter Denkmalschutz gestellt worden und die WBG könnte deutlich günstiger sanieren. Das hat sich also für die WBG gerächt - und genau so sollte es auch sein.


    Allgemein müssen wir Bürger uns mehr auf die Hinterbeine stellen und können nicht mehr nur einfach an die lieben, lieben Politiker appellieren und uns dann hilflos ärgern, wenn sie uns überraschenderweise ignorieren. Darum wurde zB auch die in Deutschland bisher beispiellose Gesellschaft für Freiheitsrechte gegründet (https://freiheitsrechte.org/) die sich nun der sehr durchwachsenen Gesetzesarbeit der Politik annehmen und diese professionell per Verfassungsbeschwerden, systematisch, vor das Bundesverfassungsgericht bekommen möchte. Viele Gesetze sind zumindest teilweise schwebend verfassungswidrig, sie bleiben aber in Kraft, denn wo kein Kläger, da kein Richter. Die Parteien, politischen Fraktionen, Landesregierungen usw. nehmen ihre Kontrollaufgabe, wofür sie besondere Klagerechte haben, nicht mehr wahr, falls sie das überhaupt jemals ausreichend gemacht haben. Also müssen wir uns einfach selbst helfen und, wenn man so will, das System mit seinen eigenen Mitteln zu einer Änderung zwingen. Das ist der Bürgergeist, den unser Land braucht.


    Du kannst doch nicht der einzige in Nürnberg sein, der wie du denkt. Such dir Mitstreiter, organisiert euch, gründet einen Verein. Dann die Arbeitsteilung, der eine hat vielleicht ein Händchen für Kleingedrucktes und überwacht die spärlichen Pflichtmitteilungen der Stadt und städtischer Betriebe auf solche potentiellen Probleme, die, wie du es beschreibst, versucht werden möglichst unbemerkt durchzuboxen. Der nächste ist vielleicht studierter Architekt und kann fachlich korrekte und überzeugende Kurzgutachten verfassen, wenn es um Beantragung bzgl. einer Eintragung in die Denkmalliste geht. Das muss die Denkmalbehörde ja dann auch stets pflichtgemäß prüfen. Der nächste hat vielleicht ein Talent mit Leuten umzugehen und kann Unterschriftensammlungen organisieren. Immer gleich mit Bürgerbegehren anfangen! In Bayern habt ihr bundesweit beispiellose Möglichkeiten direkter Demokratie. So einfach kann nirgendwo sonst ein Bürgerbegehren angestoßen und ein Bürgerentscheid erzwungen werden, wie das in Bayern in Kommunen möglich ist.


    Keine unverbindlichen, appellativen, Unterschriftensammlungen oder die heute in Mode gekommenen "Online-Petitionen". Die werden zu 99,999 % schlicht postwendend ignoriert, absolute Zeitverschwendung. Immer gleich mit dem "Hammer" Bürgerbegehren anfangen. Und dazu, damit das rechtssicher formuliert ist - der einzige aber auch machtvolle Weg, mit dem sich eine Kommune unliebsamer Bürgerbegehren entledigen kann, ist wenn die Fragestellung des Bürgerbegehrens formal rechtswidrig ist - sollte auch ein Volljurist mit im Bunde sein, der sein Fachwissen unentgeltlich einbringt. Bei Bürgerbegehren, die absehbar eine Mehrheit in der Stadtgesellschaft haben, verzichten viele Kommunen dann auch auf den Bürgerentscheid und übernehmen die Forderungen des Bürgerbegehrens sofort selbst im Stadtrat. D. h. schon alleine das Begehren, die rechtswirksame Unterschriftensammlung, kann eine Änderung herbeiführen.


    Und schon ein wie beschrieben zusammengesetztes Dreigespann kann viel bewegen (wobei für die Gründung eines rechtsfähigen Vereins mind. 7 Gründungsmitglieder nötig sind) und weitere Unterstützer rekrutieren und dann können sich Bürger effektiv wehren. In Augsburg hat das auch zu einem radikalen Umdenken geführt. Dort geht die Stadt, aus Angst vor weiteren Begehren, bereits im Vorfeld bei streitbaren Vorhaben ohne jegliche Rechtspflicht auf Gegner zu, macht Gesprächsangebote, diskutiert deren Kritik öffentlich. Und investiert auch in "Gegenpropaganda", siehe zB http://www.projekt-augsburg-city.de nachdem es gleich vier Bürgerentscheide zum Umbau des Königsplatz nebst Umfeld binnen weniger Jahre gab, bis die Stadt am Ende endlich so geplant hat wie die Mehrheit der Bürger das wollte, aber das ist ja auch legitim.


    Vielleicht kann hier in Nürnberg der Anfang gemacht werden und ihr bekommt noch im Eiltempo eine Prüfung zur Eintragung in der Denkmalliste durch. Ich kenne mich in dem Rechtsgebiet absolut nicht im Verfahrensrecht aus, ich halte es da aber zB für möglich, dass man im Zuge solch eines Antrags über Eintragung in die Denkmalliste einen flankierenden, sofortigen Abrißstopp erwirken kann, damit keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden können bevor der Antrag auf Denkmalschutz geprüft werden kann. Dann kann vielleicht noch ein Teil des Ensembles gerettet werden. Du hast ja selbst einige Indizien für eine Denkmalschutzwürdigkeit erwähnt. Es ist nie zu spät, solange auch nur noch ein Haus des Ensembles steht.

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    Danke dir für deine Schützenhilfe! Es ist schon so dass ich mit meiner Meinung bei Weitem nicht der einzige bin, nur meine kann man hier halt nachlesen.


    Das Vorgehen "Bürgerbegehren zuerst" ist sicherlich überlegenswert. Hiermit hat die Stadt Nürnberg ebenfalls schon schmerzliche Erfahrungen gemacht:


    http://www.deutsches-architekt…4&highlight=augustinerhof


    Während sich die Lokalpolitik freute einen Entwurf internationalen Ranges präsentieren zu können stieß dieser auf komplette Ablehnung einer sich im Bürgerbegehren äußernden Bevölkerungsmehrheit. Und weg war das Ding! Angestoßen haben das Ganze damals die Altstadtfreunde Nürnberg, die in vorderster Reihe gegen diesen Entwurf an diesem Ort gewesen sind. Jetzt entsteht hier etwas deutlich Passenderes, womit das Altstadtbild nicht noch zusätzlich belastet wird.


    Speziell im Fall Schillingstraße war die noch relativ junge Gruppe Stadtbildinitiative aktiv, in der ich selbstverständlich mitmache. Und sicherlich haben wir uns zusammengesetzt und ausgewertet, was man daraus lernen könne, um es beim nächsten Mal besser zu machen. Wir haben die Sache jedenfalls nicht so eingeschätzt, dass ein Bürgerbegehren hier zum Ziel geführt hätte. Ich kenne Anwohner, für die ist das Ensemble schon lange ein Schandfleck gewesen, und die sich wünschten dass hier endlich was passiert. Allerdings bezieht sich das eben nicht auf die Architektur und Struktur, sondern auf den zunehmend verwahrlosten Zustand der letzten Jahre und die Vermietungspolitik der WBG und der Stadt Nürnberg, die hier auch ein paar Wohnungen besitzt.
    Ich bin daher immernoch der Meinung, das hier ein Bürgerbehren gelinde gesagt "in die Hose gegangen wäre", da die Problemstellung zu komplex war. Leider hat der Weg, mit den Verantwortlichen zu sprechen und die Bevölkerung mit mehreren Veranstaltungen für das Ziel zu gewinnen, nicht zum Erfolg geführt. Ein aus meiner Sicht wesentlicher Grund dafür war, das man erst von den Plänen erfahren hat, als der Wettbewerb bereits entschieden war und der Stadtrat dem Ergebnis zugestimmt hatte. Zu einem früheren Zeitpunkt hätte das wohl anders ausgehen können.


    Jetzt hat sich aber jeder mit dem Abriss abgefunden, die Mieter sind in andere Wohnungen umquartiert worden und das Viertel kommt weg. Wir werden sehen wie sich das dann entwickelt, und auch verlorene Kämpfe helfen einem sich auf künftige vorzubereiten. Unterdessen gibt es ja noch viele andere Projekte in Nürnberg anzugehen, die sich unsere Stadtpolitik aus Mangel an Ideen nicht vorstellen mag (z.B. Quelle, Umladehallen etc). Der nächste Abrissskandal kommt bestimmt!