Abriss und Neubau WBG-Ensemble Schillingstrasse
Im Rahmen des Europäischen Wettbewerbes EUROPAN-12 für Stadtentwicklung hat die WBG Nürnberg die Neubebauung eines ganzen Areals in der Südstadt ausgelobt. Genauer gesagt geht es dabei um einen gesamten Häuserblock vis á vis zum Südpunkt, der von der Pillenreuther Straße, der Sperberstraße, der Schillingstraße und der Galvanistraße eingerahmt wird. Derzeit befindet sich dort noch günstiger Wohnraum, d.h. kleiner, unsanierte Altbauwohnungen mit nicht mehr ganz zeitgemäßen Grundrissen, die zwischen 1919 und 1920 direkt nach dem ersten Weltkrieg erstellt wurden.
Insgesamt wirkt das Ensemble eigentlich absolut denkmalwürdig, da äußerlich weitgehend im Originalzustand, aber dennoch recht gepflegt. Die WBG hat sogar einige Gebäudeteile bereits saniert und energetisch zu ertüchtigen versucht. Mir, der ich zwischenzeitlich eigentlich meine ein Auge dafür zu haben, ob die Ästhetik eines Hauses durch halbherzige Dämmaßnahmen verunstaltet worden ist, ist das tatsächlich erst nach der Klopfprobe auf die Fassadenhaut aufgefallen. Der rechte Gebäudeteil ist gedämmt worden, man kann es auch am verkleideten Klinkersockel gut erkennen:
Dabei ist man m.E. überaus vorbildlich vorgegangen. Detail:
Doch lt. Bericht im heutigen Stadtanzeiger lohnt es sich für die WBG nicht, das Ensemble zu erhalten und zu sanieren, denn es sei zu marode, die Grundrisse nicht mehr zeitgemäß, und das ganze Ensemble würde sowieso mehr in die Gartenstadt denn an die Pillenreuther Straße passen.
Nun denn, ich denke hinter dem Wort "lohnen" steckt eher, dass man mit anderen Maßnahmen einfach mehr herausholen kann, z.B. über einen eurpopäischen Wettbewerb, den man entsprechend einschient, Fördergelder zu erhalten. Denn klar war natürlich, dass man in diesem Bereich aufstocken müsse und auch dürfe. Nun, sei es so. Ich bin ja ein Liebhaber von Altbausubstanz und es schmerzt mich gerade dann besonders, wenn so gut erhaltene Ensembles wie dieses, die zweifellos einen gewissen Seltenheitswert besitzen, verschwinden sollen. Aber es muss eben auch Platz für Neues geschaffen werden dürfen, und hier sprechen viele Gründe gegen das Ensemble und eine effizientere Ausnutzung des raren, innerstädtischen und hervorragend in die bestehende Infrastruktur eingebundenen Stadtraumes.
Die Ergebnisse des Wettbewerbes sind nun veröffentlicht und können unter http://www.europan.de/europan12/e12-nuernberg.html eingesehen werden.
Die Entwürfe hinterlassen bei mir jedoch gemischte Gefühle, insbesondere die Tatsache, dass der Entwurf eines spanischen Architekturbüros mit dem Titel "Sonnenblume" gleich angekauft worden ist. Dieser sieht eine Bebauung in "zeitgemäß" schlichter Gestaltung vor, und ist m.E. der schlimmste unter den Beiträgen, bestehend aus drei balanalst gestalteten solitären Wohnblöcken. Die intime Hofsituation wird vollkommen aufgegeben und eine "Banlieue"-Situation geschaffen, in der die m.E. Angsträume entstehen.
Blick von der Pillenreuther Straße aus (etwa auf Höhe des Südpunktes):
"Sonneblume", Architekten: Pau Bajet Mena (ES), Oscar Linares De La Torre (ES), Maria Giramé Aumatell (ES), Laura Bonell Mas (ES), Daniel López-Dòriga Sagalés (ES)
Heute:
Blick in die Schillingstraße:
"Sonneblume", Architekten: Pau Bajet Mena (ES), Oscar Linares De La Torre (ES), Maria Giramé Aumatell (ES), Laura Bonell Mas (ES), Daniel López-Dòriga Sagalés (ES)
Heute:
Ich kann es kaum erwarten, bis man diese kubistische, auf die einfache Verarbeitung von Polystyrolplatten hin optimierte Würfelbauweise endlich mal überwunden hat. Die unmotivierte Komposition aus geraden Linien mit viel Beton, die versiegelte Fläche mit gelegentlichem Einstreuen von wenigen Bäumen, die wie in Blumenkästen stehend verortet sind, wirklen schon in der Visualisierung sehr trostlos. Wer immer die Entwürfe gekauft hat, ich hoffe nur deshalb, um sie in Schubladen verschwinden zu lassen. Denn die übrigen Entwürfe haben m.E. deutlich mehr Potenzial, auch um das angestrebte Ziel zu erreichen, die Südstadt als attraktiven Wohnraum fortzuentwickeln. Zumindest erhofft sich die örtliche SPD diesen Impuls davon. Quelle: http://www.spd-in-der-suedstad…icklung-in-der-suedstadt/
Sieger des Wettbewerbes ist der Entwurf "Yourban" eines deutschen Teams:
Architekten: Christian Wolff (DE), Benjamin Scharf (DE), Anne Scholz (DE)
Dieses zeichnet sich durch seine offene Bauweise aus, die mit großen Fenstern helle Wohnungen erzeugt, und die sich konzeptionell auf einen gemeinschaftlichen Hof konzentriert. Hierauf richtet sich alles aus. Auch mir gefällt dieser Entwurf deutlich besser. Ich kann nur hoffen, dass die WBG eher diesen Entwurf realisiert, als den angekauften. Immerhin will man ja auch Eigentumswohnungen unter den geplanten 1 - 5-Zimmerwohnungen vorsehen, die für viel Geld gekauft werden wollen. Alle Entwürfe werden ab Mai im Südpunkt ausgestellt werden, und es ist hier noch nichts in Steinb gemeißelt, wird berichtet.
Ich fürchte jedoch, dass man sich eher an der "Sonnenblume" orientieren wird, womit man das Stadtbild von gegenüber in der Galvanistraße fortsetzt:
Denn man hat leider nicht aus den städtebaulichen Erfahrungen der letzten 60 Jahre gelernt, und daher prophezeihe ich, dass schon in 30 Jahren diese Neubausiedlung so bemitleidenswert aussieht wie der jetzige Bestand.