Leipzig: Sanierung Deutsches Buchgewerbehaus (realisiert)

  • Ich finde, wenn man jetzt am inneren Zuschnitt der Wohnungen rumkritisiert, mag das aus objektiven Gesichtspunkten durchaus korrekt sein, wenn man sich aber den Zustand des Gebäudes vor Augen hält und die Tatsache, mit welcher Energie man hier versucht hat, zumindest die äußere Erscheinung wiederherzustellen, obwohl es sicher viel billigere Optionen gegeben hätte, dann muss ich sagen, dann muss man die Kröte schlucken.


    Zur Qualität des Innenausbaus kann ich nix sagen. Fakt ist aber auch, dass wenn es so desolat schlecht ist, wird der Eigentümer eh nachbessern müssen. Spätestens wenn es schimmelt oder niemand mehr da wohnen will. Schließlich hat der Eigentümer ja auch ein Interesse daran, dass seine Investition erhalten bleibt. Dass die Qualität der abgelieferten Arbeit aber nicht so ist als wenn man das Haus für sich baut, auch da muss man realistisch sein, das ist eben so.


    Ich bin einfach nur dankbar, dass sich überhaupt jemand dem Bau angenommen hat. In vielen anderen deutschen Städten hätte man einfach noch 5 Jahre gewartet um dann endlich abreißen zu können und dann ein weiteres dieser Dämmmonster an die gleiche Stelle gesetzt.


    Und zweitens bin ich noch dankbarer, dass man sich für eine äußere Rekonstrution inklusive Dach entschieden hat. Wenn ich z.B. sehe, dass selbst heute noch in vielen westdeutschen Städten selbst wenn der Rohbau erhalten bleibt, man dann munter 3 Glasstaffelgeschosse oben draufkloppt statt die originale Dachlandschaft zu rekonstruieren, dann muss man über das Ergebnis sehr glücklich sein auch wenn es wie immer noch Potential zur Verbesserung gibt.

  • In dem Fall gilt wohl einfach, "der Markt wirds richten". Wenn die Wohnungen Abnehmer finden, hat man alles richtig gemacht.

  • Werden die Dachbalken dann eigentlich nachträglich gekürzt, wenn wie auf der Perspektivzeichnung zu sehen seitlich eingelassene Balkone entstehen sollen?




    Eingangsportal:


    Details werden vervollständigt:


    Leider unscharf - am Gerichtsweg wurden ebenfalls bereits die Giebel wieder errichtet:

  • Zur Qualität des Innenausbaus kann ich nix sagen. Fakt ist aber auch, dass wenn es so desolat schlecht ist, wird der Eigentümer eh nachbessern müssen. Spätestens wenn es schimmelt oder niemand mehr da wohnen will. Schließlich hat der Eigentümer ja auch ein Interesse daran, dass seine Investition erhalten bleibt.


    Das ist ja ein Hildebrandt & Jürgens-Objekt - im Normalfall (man korrigiere mich, wenn ich hier falsch liege) werden solche Wohnungen über Strukturvertriebe an Kapitalanleger vertrieben, die vor allem auf die Steuerabschreibungen aus sind. Deshalb tauchen die typischerweise auch nicht als Eigentumswohnungen in den Immo-Portalen auf, sondern erst nach dem Verkauf als Mietwohnungen. Fast 100 Prozent der Käufer von frisch sanierten, denkmalgeschützten Leipziger ETW leben nicht in Leipzig, ihr Bezug zum Objekt ist eher mau - ist eben eine Kapitalanlage und ein Steuersparmodell. Und es gibt eben nicht einen Eigentümer, sondern hier im Extremfall bis zu 135, die sich dann in den Eigentümerversammlungen über etwaige Instandhaltungs/Instandsetzungsarbeiten einigen müssten.
    Damit wäre es vor allem an der Hausverwaltung (bei Hildebrandt & Jürgens typischerweise HGV), Initiative zu zeigen - die sollen für die Kapitalanleger aber natürlich vor allem wirtschaftlich arbeiten. Deshalb werden typischerweise auch Instandhaltungsrücklagen in solchen Objekten möglichst gering gehalten, schaden ja der Rendite (und beim Weiterverkauf darf der Alteigentümer seinen Anteil daran nicht mitnehmen).
    Die strukturellen Voraussetzungen für Nachbesserungen/Erhalt sind in der Konstellation in meinen Augen schlechter als in einem WEG-Objekt voller Eigennutzer, die ja wirklich im Objekt leben. Nun müssen hier ja nicht gleich Probleme auftreten, aber irgendwann wird Instandhaltung/-setzung dann schon zum Thema werden. Eleganterweise sitzt man das als Kapitalanleger die zwölf Jahre bis zum Ende der Abschreibung aus und verkauft seine Wohnung dann irgendeinem Eigennutzer, dem es weniger um die Rendite geht, sondern der auch bereitwillig noch etwas mehr in sein trautes Heim investiert (dass diese Konstellation für den zwischenzeitlichen Mieter eine Eigenbedarfskündigung bedeutet - eine Gefahr, die viele Mieter in solchen Objekten wahrscheinlich noch nicht einmal erahnen und vor denen sie auch keine 10 Euro/kalt schützen - steht auf einem anderen Blatt).

  • das ist jetzt aber futur drei mit zu vielen wenns.


    wenn die wohnungsgrundrisse so verschnitten sein würden und wenn es baupfusch gäbe und wenn die instandhaltungsrücklagen zu gering wären - warum sollte dann überhaupt jemand dort in zwölf jahren eine solche wohnung kaufen und auch noch den mietern wegen eigenbedarfs kündigen wollen?
    deine ganzen befürchtugen passen doch gar nicht zusammen.


    meine sicht der dinge:
    aufgrund des umfangs der sanierungs- und rekonstruktionsarbeiten gleicht das projekt in vielen punkten einem neubau - mit den entsprechenden standards.
    dass die entstehenden eigentumswohnungen nicht einzeln zum kauf angeboten wurden, lässt auf einen institutionellen anleger schliessen. solche haben ein ganz anderes standing als private käufer und achten in der regel scharf darauf, sich keinen pfusch andrehen zu lassen.
    und vor allem:
    bei allem leider üblichen gerede über kostenminimierung (kann ich bei dem hier betriebenen aufwand nicht erkennen) und renditemaximierung (ist für mich bei den aufgerufenen mietpreisen auch schwer nachvollziehber) sollte ein ganz wesentlicher aspekt nich vergessen werden: vom bauträger bis zum kleinen handwerker - alle brauchen referenzen und folgeaufträge. darum haben auch alle ein existenzielles eigeninteresse, qualität abzuliefern.


    nach allem, was ich bisher gesehen habe, ist genau das der fall - sogar mit sternchen.

  • dass die entstehenden eigentumswohnungen nicht einzeln zum kauf angeboten wurden, lässt auf einen institutionellen anleger schliessen.


    Ich weiß nicht genau, wie Hildebrandt & Jürgens den Vertrieb organisiert. Sie bieten aber wohl generell selbst öffentlich nichts zum Kauf an, jedenfalls habe ich von ihnen noch nie entsprechende Angebote gesehen. Auf der Firmenseite gibt es nur Vorankündigung oder Verkauft, aber keine konkreten Angebote - auch nicht in den Immo-Portalen. Ich weiß aber mit Sicherheit, dass H&J sehr wohl (mindestens auch) an Kleinanleger verkauft.


    Vergleichbare Unternehmen lagern das wie gesagt an Strukturvertriebe/Finanzdienstleister aus. GRK kooperiert z.B. wohl mit der Telis Finanz AG. Die können ihren gutsituierten Kunden dann professionell schmackhaft machen, warum sich ein Investment in eine denkmalgeschützte ETW lohnt, bekommen aber natürlich auch noch Provisionen, die das Ganze zusätzlich verteuern. Und bei den hohen qm-Preisen für solche Objekte (die Denkmal-AfA wird da regelrecht schon mit eingepreist) lohnen sie sich eben nicht in erster Linie wg. der Miete, sondern wg. der Abschreibemöglichkeit. So viele Alternativen zum Steuersparen gibt es für Besserverdienende ja nicht mehr.


    Wie hier nun die konkreten Eigentümerverhältnisse wirklich sind, sollte aus den Mietverträgen hervorgehen - falls hier jemand im Gutenbergplatz einzieht, kann er ja mal nachsehen. :)


    Sorry für den Exkurs, ich finde nur persönlich diese Strukturen spannend. Unabhängig davon entsteht am Gutenbergplatz eine absolute Perle. Ich kann mich noch erinnern, wie ich vor ein paar Jahren das erste Mal zufällig am unsanierten Buchgewerbehaus vorbeikam und es faszinierend fand. Konnte mir erst gar nicht erklären, was für ein Haus ich da eigentlich vor mir hatte. Es ist ein Geschenk, dass das Haus jetzt überhaupt und dazu noch in dieser Form instandgesetzt wird.

  • Also um das mal aufzuklären:


    Spekulationen zur Vertriebsstruktur hin- oder her spielen für meine Aussage gar keine Rolle: Ich bin selber Bauleiter und Planer und weiß was ich da vor Ort sehe: Das Projekt ist in der Ausführung des Innenausbaus in diversen Teilen nicht fachmännisch und architektonisch ebenso (ich nenne es provokativ mal so) mindermertig. Nichts desto Trotz ist diese Verfahrensweise bei Investorenprojekten ja gängige Praxis und ich will Investoren auch nicht verteufeln, die sind ja durchaus sehr wichtig.
    Der vorliegende Ausführungspfusch muss auch nicht zwangsläufig zu langfristigen Schäden führen, ist einfach nur in Teilen nicht fachmännisch und führt zu hässlichen Detaillösungen. Auch die Wohnungen sind aufgrund der schlechten Planung nicht unbewohnbar, haben aber einfach Schwächen, die nicht hätten sein müssen. Sicher haben die auch Qualitäten - klar sind z.B. groß verglaste Loggien durchaus schön. Nur das WIE stört eben das Ergebnis.


    Meine Feststellung war nur, dass es sich aus meiner Sicht nicht um ein Liebhaberprojekt handelt, wo jemand besonderen Wert auf ein tolles und architektonisch nachhaltig gutes Ergebnis legt, sondern um eine absolut reguläre Investorenprojektentwicklung.


    Aber auch DAS hat seine Berechtigung, keine Frage.


    (Im übrigen wird es mutmaßlich für die Fassadenrekonstruktion auch diverse Denkmal- und/oder Städtebauförderungen geben, die das Projekt nicht unerheblich stützen werden. Das lohnt auch deshalb, weil so unterm Dach VIEL Wohnraum entsteht - das aber nur als reine Mutmaßung.)

  • ^ Der Unterschied zu einem "echten" Liebhaberprojekt, bei dem, sagen wir, ein Handwerker in Eigenregie jahrelang ein Fachwerkhaus restauriert, in das er und seine Familie später einziehen werden, liegt auf der Hand. Dass bei einem Anlageobjekt, in dem in einem knapp bemessenen Zeitraum 135 Wohnungen neu geschaffen werden, andere Regeln gelten, sollte jedem klar sein.


    Letztendlich rechnet sich eine solche Investition wie beim Bugra-Messehaus nur, weil Anleger hoffen, dass ihre Immobilie wenigstens nicht an Wert verliert. In jeder Wohnung stecken im Schnitt 370.000 Euro allein an Bau- und Planungskosten. Die Mieten hingegen bewegen sich auf dem Niveau einer Neubauwohnung von einer Wohnungsgenossenschaft, die 8 km entfernt von der Innenstadt liegt.


    Was erwartest du eigentlich?


    In den Genuss von Fördermittel beim Denkmalschutz kommt jeder, der eine Denkmalimmobilie besitzt. Ob Fachwerkhausbesitzer oder Großsanierer.

  • Erste sichtbare Ergebnisse gibt es an der Ostseite des Sanierungsprojekts. Es ist jener Teil, der auf der uns bekannten historischen Aufnahme nicht zu sehen ist, und somit auch nicht die eigentliche Schauseite darstellt.



    So sah die Ostseite des ehem. Bugra-Messehauses noch vor einem Jahr aus




    Und so sah sie heute Vormittag aus











    Die Südseite ist zum Teil auch schon sehr weit fortgeschritten. Hier werden die ersten Gerüste wohl auch schon in wenigen Wochen fallen.




    Noch einmal die Seite am Gerichtsweg mit dem Schmiechen-Bau

    Bilder: Cowboy

  • Ich bin sprachlos. Ein derartiges Projekt in so kurzer Zeit soweit zu bringen, dass die Gerüste fallen können, ist schon unglaublich. Bei uns in Franken wäre das mindestens 2 Jahre verhüllt gewesen! Ich kann nur hoffen, dass man nicht an der falschen Stelle gespart hat.

  • Wow! Hier schafft es ein Gebäude auf der "Vorher-Nachher" Liste der Stadt in der Nachwende-Zeit ganz weit nach oben. Das will schon etwas heißen.


    Das ganze Ensemble verändert das Quartier völlig mit der Sanierung. Auch ein zukünftiger Kontext, mit dem 'Haus des Buches' und dem umgebauten ehemaligen Ordnungsamt, kann hier richtig spannend werden. Ich bin auf das komplette Resultat gespannt. Ich denke, man kann sich nach dem ersten Abrüsten auf einiges gefasst machen. Das ist ganz große Qualität!

  • Riesigen Dank für die Baustellenfotos an Cowboy und für das historische Foto an Rundling! Dieses Bauvorhaben ist einfach nur der Hammer. Aus dem traurigsten aller notdürftig nach dem Krieg geflickten Gebäude wird ein Märchenschloss. Das sieht alles sehr hochwertig aus. Auch wenn mir natürlich klar ist, dass der Investor nicht aus selbstlosen Gründen bauen lässt, bin ich diesem sehr dankbar. Die Baumaßnahme hätte auch ganz anders aussehen können.
    Auf dem historischen Foto sieht man gut, dass im Bereich der Gauben und der Fenster im Giebel vom Original abgewichen wird. Das passiert m.E. aber sehr stilsicher und ist deshalb für mich in Ordnung.
    Momentan einziges Manko ist für mich die Fleckigkeit der Verblendklinker, sowohl alt wie neu. Ich hoffe, dass dieser Milchschleier sich noch zurückbildet. Zumindest bei neuem Vollklinkermauerwerk ist das so.

  • danke für das update! Beeindruckend und belebend für das Umfeld allemal.


    Ohne die Diskussion ausufern zu wollen - sind Chancen realistisch, die doch recht störende Fernwärmeleitung zukünftig unterirdisch verlegen zu können? Das verhindert meines Erachtens eine entsprechende angemessene wertige Park-Gestaltung des Grünzuges.

  • Die Fernwärmeleitung wurde ja im Zuge der Sanierung direkt am Bugra-Messehaus in den Boden "verdammt". Die Kosten dafür trug der Investor. Ich glaube nicht, dass die Stadtwerke dies ohne Not im Lene-Voigt-Park tun würden. Es sei denn es findet sich ein großezügiger Spender. Etwas anders sieht es an der Ecke Eilenburger/ Gerichtsweg aus. Hier könnte, alles reine Spekulation" die Fernwärmetrasse ebenfalls in die Erde wandern, da dieser Bereich bebaut werden soll.

  • Danke, Rundling, für die historischen Vergleichsfotos. Sie zeigen, dass die Dachpartie viel stärker dem Original ähnelt, als es diese Zeichnung vorgibt. Auf der noch verhüllten Südseite des Gebäudes wird es allerdings wie es derzeit aussieht größere Veränderungen zum Original geben.

  • Zitat von nothor

    Ich bin sprachlos. Ein derartiges Projekt in so kurzer Zeit soweit zu bringen, dass die Gerüste fallen können, ist schon unglaublich. Bei uns in Franken wäre das mindestens 2 Jahre verhüllt gewesen! Ich kann nur hoffen, dass man nicht an der falschen Stelle gespart hat.


    Saniert wurde und wird ja von Ost nach West, die Ostseite ist somit nach knapp über einem Jahr Bauzeit nahezu fertiggestellt. Bis die Arbeiten am gesamten Gebäude zum Ende kommen, vergeht vermutlich noch einmal ein knappes Jahr. Das halte ich dann nicht mehr für außergewöhnlich, zumal immer - auch samstags - eine Menge Arbeiter auf der Baustelle auszumachen sind.


    Die Ostseite ist äußerlich fertig, der zweite rekonstruierte Giebel gerüstfrei. Der Einzug in die ersten Wohnungen sollte zum 15. Dezember erfolgen. Die Wohnungen sahen, was ich von außen erkennen konnte, auch schon bezugsfertig aus. Treppen, Fahrstuhl und Gegensprechanlage sind allerdings noch nicht fertig, so dass ich denke, mit dem Einzug wird es vor Weihnachten nichts werden.


    Ein paar aktuelle Fotos von der Ostseite.








    Das Portal ist soweit fertig. Die Figuren erinnern bisweilen an Zombies aus der Staffel "The Walking Dead".







    Ich konnte noch einen Blick in den Lichthof in der Mitte erhaschen. In den unteren Wohnungen wird wohl auch in den Sommermonaten wenig Tageslicht einfallen.



    Bilder: Cowboy

  • Update am letzten Tag in 2016

    Ansicht Gerichtsweg.



    Südseite.




    Das gesamte Ensemble mit frisch saniertem Gutenbergplatz 3.


    Ansicht Gutenbergplatz. Hier ist noch viel zu tun.





    Bilder von mir.

  • Nachdem hier immer mal wieder die Frage aufgetaucht ist, wem die Eigentumswohnungen gehören: in unserem Fall stand ein privates Ehepaar als Wohnungseigentümer im Mietvertrag. Von dem Vertrag sind wir allerdings mittlerweile wieder zurückgetreten, da man uns Ende Dezember mitteilte, dass der geplante Einzug zum 1.3. nicht klappen wird. Als Grund wurde die fehlende Brandschutzfreigabe genannt.

  • So langsam fallen auch auf der Südseite die Gerüste.







    Die Dachgauben und -fenster sind eine Zutat gegenüber dem Original, stören aber nicht weiter. Die drei Giebelfenster sind jetzt ein Stück weiter nach unten gezogen.

    Bilder: Cowboy