Ehrlich gesagt kann ich die Frustration über die Entwicklung in Chemnitz absolut nachvollziehen, da geht es mir nicht anders. Fakt ist, dass es bis heute absolut nicht gelungen ist, die Stadt für privatwirtschaftliche Investitionen attraktiv zu machen. Dabei blicke ich vorrangig auf die Wirtschaft, die ursächlich auch für Folgeinvestitionen in die Wohnungsbestände ist. Hier fehlen in Chemnitz Gewerbeflächen (Edeka-Logistikzentrum), werden Investitionspläne verhindert oder sofort madig gemacht (Porta, Conti-Loch) oder Unternehmen gleich ganz aus Chemnitz vertrieben (IAV, Härtetechnik). Mittlerweile ist die Arbeitslosenquote in Leipzig trotz wesentlich schlechterer Ausgangsposition so hoch wie in Chemnitz.
Das bleibt natürlich nicht ohne Folgen für die privaten Investitionen in Immobilien, die auf einem fast vernachlässigbaren Niveau sind. In der Innenstadt ist hier in den letzten Jahren fast nur Kellnberger mit dem Gebiet ums Rawema-Gebäude zu nennen. Alles andere (Behördenzentrum am Wall, Schocken, Jugendherberge) sind Investionen der öffentlichen Hand (EinsEnergie ist aufgrund der Eigentümerstruktur eher ein kommunales denn ein privatwirtschaftliches Unternehmen). Selbst beim Baufeld am Johannisplatz gibt es offensichtlich kein wirkliches Interesse von privaten Unternehmen, wenn man dort schon wieder den Einzug von Teilen der Stadtverwaltung als Lockmittel ansetzen muss. Viel schlimmer sieht es aber in den restlichen Stadtteilen aus. Hier ist doch in den letzten paar Jahren fast nichts passiert, in einem Beitrag im Leipziger-Bauerbestrang werden manchmal mehr Sanierungen vorgestellt als es in den letzten Jahren in ganz Chemnitz gegeben hat. Und hier ist neben der wirtschaftlichen Entwicklung und den Fehlern der Vergangenheit die Konzeptlosigkeit der Stadt durchaus ein Hauptgrund. Es bleibt bis heute völlig unklar, welche Vorstellungen die Stadtverwaltung eigentlich von der Zukunft der Stadt hat. Bei der kürzlichen Vorstellung der "Planungen" für das Yorckgebiet wurde das überdeutlich. Presseberichte wie der neulich zum geplanten Abriss eines zur Hälfte leerstehenden Plattenbaus im Heckertgebiet sind nur die Folge davon, dass niemand in der Stadt den Mut hat, im Interesse der Gesamtstadt klare Aussagen zu treffen. Auch Plattenbaugebiete in der zentralsten Innenstadt wie der Rosenhof oder an der Mühlenstraße sind nicht zukunftsträchtig, nur traut sich das niemand zu sagen oder gar in ein Stadtentwicklungskonzept hereinzuscheiben, welches stattdessen ein einziges Armutszeugnis geworden ist.
Einzige Ausnahme ist das Konzept für den Brühl, welches in sich schlüssig und auch vielversprechend ist und wo vor allem auch die GGG als hundertprozentige Stadttochter zu einer Mitarbeit verpflichtet werden konnte - auch wenn man für so ein Konzept 20 Jahre gebraucht hat. Dass man dann aber nicht in der Lage ist, dass auch mit den Plänen des Freistaates für den Behördenkomplex an der Brückenstraße zu verbinden, ist unbegreiflich, da gebe ich rotwang völlig recht. Stattdessen wird mit dem unsinnigen Erhalt der Parteifalte (welche im Gegensatz zum Karl-Marx-Forum nicht erhaltenswert ist) die Trennung von Brühl und Innenstadt für die nächsten 50 Jahre festgeschrieben, ohne dass man dazu von der Stadt auch nur ein Wort hören würde.
Die aktuelle Debatte zu den grotesk überdimensionierten Straßen in der Innenstadt ist irgendwie bezeichnend für die Gesamtsituation, in der immer nur diskutiert und geplant, aber wenig entschieden und gebaut wird. Dazu braucht man aber eine wirtschaftlich attraktive und entwicklungsfähige Stadt mit klarer politischer Linie, die gleichzeitig Lebensqualität und Flair zu bieten hat. An der Vermittlung all dieser Punkte ist die Stadt gescheitert.