Literatur zum Themenkomplex Architektur / Ideologie?

  • Literatur zum Themenkomplex Architektur / Ideologie?

    Hallo liebe Architekten.


    Ich studieren in Hamburg an der Hoschule für bildende Künste und wollte nun mit dem Thema Architektur/Ideologie mein Vordiplom bestreiten - dazu fehlt mir jedoch noch passende Literatur.


    Der Architektur ist wie jedem anderen Produkt ein Menschenbild implizit;
    das Einkaufszentrum ist steril, gläsern, transparent, die Größe der Bodenfliesen beeinflussen die Schrittgeschwindigkeit, es gibt Brunnen, "Entspannungsareale". Die Architektur bietet ein massives Machtpotenzial, es bestimmt maßgeblich, wie das Leben oder Handeln in ihr aussieht.


    Es gibt beispielsweise das Buch "Architektur als Ideologie" von Heike Berndt, Alfred Lorenzer, und Klaus Horn, welches sich ein wenig in diesem Rahmen bewegt. Ansonsten habe ich bei Otl Aicher "Die Welt als Entwurf" einige Sachen gefunden, die dafür interessant sein könnten.


    Fällt euch Literatur ein, die für diesen Themenkomplex geeignet wäre?


    Ich danke euch für Anregungen!

  • Ist das Themengebiet auf die Konsumoptimierung ausgelegt?


    Ideologie oder die Idee hinter einer Sache ist schon seit der Frühzeit der Menschheit ein zentrales Element. Sicherlich in unseren Tagen hat dieser Aspekt an Gewicht verloren. Die Stadtkronen von Frankfurt, London etc haben keine Aussage. Raumoptimierung und das Versprechen des großen Geldes sind zwei Aspekte, die die gestaltende Architektur zur Langweiligkeit werden lassen.


    Der italienische Architekt Franco Stella hat einmal gesagt: "In Berlin ist das Denken zu Stein geworden". Mit diesem Satz möchte er zeigen, dass es wohl kaum eine Stadt auf der Welt gibt, in der die Gebäude ideologisch derartig aufgeblasen wurden. Ob es der Fernsehturm ist, der die technologische Überlegenheit der sozialistischen Staaten ausdrücken sollte, ob es die Wandgemälde am Haus des Lehrers von Walter Womacka sind, die einen gesellschaftlichen Ausdruck vermitteln sollen. Das Gegenteil hierzu sind wohl die Bauten des Hansa-Viertels und der IBA. Diese Konzepte stellten den Menschen und seine Umgebung in den Vordergrund. Nicht nur die Freiheit des Westens und seine Modernität wurden dargestellt. Ein anderes Element ist die Verbesserung der sozialen Verhältnisse. Die Architektur sollte somit auch die Überwindung von Nationalsozialismus, Monarchie und sozialen Zängen darstellen. Das Corbussier-Haus als Ausdruck einer gleichen Gesellschaft sollte hierbei nur als Aufhänger fungieren.

  • Hallo Kent/Andere!


    Die theoretische Arbeit soll eher einen Überblick über den Gesamtkomplex mit Schwerpunkt auf der Architektur des 20./21. Jahrhunderts geben. Praktisch gibt es dazu fotografische Arbeiten, die dann Aspekte visualisieren.


    Das EKZ ist sicherlich eine besonders spannende Angelegenheit, dass sich die Freizeit vieler zu aktueller Zeit fast ausschließlich dort abspielt (zumindest scheint es so), und die den Zentren implizite Perversität (sowohl baulich als auch ideologisch) kaum zu überbieten ist.


    Die Arbeit soll aber aber nicht nur Konsumptionsanalyse, oder eine Analyse von Architektur in der Konsumption stattfindet, sein.


    Ich danke für erste Antworten!

  • Obwohl Einkaufszentren würde ich nicht als ideologisch bezeichnen :?


    Meinst du nicht eher, dass Aspekte der Vermarktung in die Architektur einbezogen werden. Von Ideologien würde ich allerdings in diesem Zusammenhang nicht reden.

  • Hallo zusammen.


    Wenn du nach Literatur suchst, musst du dich wohl mit der Geschichte der Architekturtheorie auseinandersetzen. Alle Strömungen und wichtigen Architekten hatten und haben ideologisch motivierte programmatische Ansätze, die gültige gesellschaftliche Ideologien und architektonische Haltungen in Frage stellen und neu interpretieren.

  • @ K-Roy: Ja, schwammig ist es definitv! Deine Empfehlungen werde ich mir mal genauer ansehen. Ich studiere an der Hfbk einen (seit vorletztem Jahr) ausgestorbenen Studiengang: Visuelle Kommunikation. Die Architektur ist also nicht mein Studienfach, daher auch der Schwamm :-).


    @ Kent: Ich würde Einkaufszentren definitiv als ideologisch ansehen. Sie sind vielleicht nicht in dem Maße mit Herrschaft verknüpft, wie beispielsweise ein Palast eines Kaisers, oder ein "China Central Television Headquarter", jedoch sind diese Zentren ein Inbegriff von Wirtschaftsliberalismus.
    Dort werden Waren verkauft, die teilweise unter perversen Bedingungen produziert wurden, die ansässigen Geschäfte oder Dienstleistungsbetriebe, die diese Produkte verkaufen, werden ausschließlich (anders ist es nicht möglich) nach profitmaximierender Logik geführt, die erkäuferInnen/Putzfrauen/-männer bekommen selten eine Bezahlung über der einer Zeitarbeitsfirma (7,32€), und viele Kunden sind derart mit dem Fetisch der "Warenwelt" verbandelt, dass sie sich über ihren Konsum definieren, ihre Individualität durch verschiedenfarbige I-Pods oder die Länge/Muster ihrer Fingernägel kreieren und die Gesamtheit ihrer freien Zeit dort verbringen....und die Architektur dieser "Zentren" bezweckt/intendiert die darin ablaufenden Prozesse.
    In jedem Objekt steckt Menschenbild, ein System von Wertvorstellungen, eine Ideologie. In einem Kinderspielzeug, in einer CD, in einem Wohnhaus, einem Kunstwerk, überall. Der Beitrag, den Jaro E geschrieben hat, geht auch in meine Richtung.
    Wahrscheinlich kollidieren unsere Ideologiebegriffe?

    2 Mal editiert, zuletzt von Luwira ()

  • Doch!!


    Gerade hat mein Seminar "Sehnsucht Stadt" begonnen, in dem wir die Geschichte der städtebaulich-architektonischen Leitbilder im 20. Jahrhundert durchnehmen...samt Autorenliste...wär das was?

  • Viellicht bietet ein Verständnis von Bauwerken als kulturellen Texten einen Ansatz, um mit einer recht differenzierten Terminologie Bauwerke hinsichtlich ihres Zeichencharakters zu beschreiben. Wäre das nicht klarer als mittels des Ausdrucks "Ideologie"?
    Ich beabsichtige, in Celle eine Beschreibung des Siedlungsbaus Otto Haeslers (von 1924 bis 1932 drei wichtige Siedlungen des Neuen Bauens in Celle) unter dem Aspekt der 'Kalkülisierung' zu liefern. Denn in der Tat hat Haesler seit der Siedlung Georgsgarten (gilt manchmal als erste Zeilensiedlung der Moderne) seine Siedlungen ähnlich entworfen, wie z. B. Philosophen des logischen Neopositivismus künstliche Sprachen entwickelt haben. Hier zeigt sich eine disziplinübergreifende Ähnlichkeit, die auf eine geistige Strömung verweist. Dazu passt, dass der Philosoph und Logiker Carnap im ersten Vorwort seines "Der logische Aufbau der Welt" (1928) eine geistige Nähe des Denkens des Wiener Kreises, zu dem er gehörte, zu modernen Architektur seiner Zeit annahm. (Man denke auch an Wittgensteins Haus für seine Schwester in Wien.)
    In einen semiotischen Textbegriff, nach dem Werkzeuge einer Kultur - also auch Architektur - i. w. S. als Texte dieser Kultur zu verstehen sind, führt ein:
    Posner, Roland (1992), „Was ist Kultur? Zur semiotischen Explikation anthropologischer Grundbegriffe“. In: Marlene Landsch, Heiko Karnowski und Ivan Bystrina (eds.), Kultur-Evolution: Fallstudien und Synthese. Frankfurt am Main: Lang: 1-65.

  • Neu erschienen:



    Architektur, Zeichen, Bedeutung. Neue Arbeiten zur Architektursemiotik.


    Zeitschrift für Semiotik.
    Band 36, Heft 1-2, 2014.

  • Das EKZ ist sicherlich eine besonders spannende Angelegenheit, dass sich die Freizeit vieler zu aktueller Zeit fast ausschließlich dort abspielt (zumindest scheint es so), und die den Zentren implizite Perversität (sowohl baulich als auch ideologisch) kaum zu überbieten ist.








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