Frankfurter Architekturdebatte: Wie zu bauen sei

  • Danke, bei den "Nasen" muss man vielleicht von Fall zu Fall urteilen. An schnellen Schneisen wie der Glauburgstrasse oder am Oeder Weg werden sie sehr gut angenommen, an anderen Stellen haben sie den gewünschten Effekt nicht unbedingt erzielt.


    Ich werde bei Gelegenheit mal Bilder vom Neebplatz und Martin-Luther-Platz reinstellen um die frappierende Ähnlichkeit zum Rossmarkt zu belegen. Ein neues, farbenfroheres Fassadenmuster oder eine weniger strenge Platzfolge würde schon merkliche Fortschritte bringen.

  • ^ Ich bin gestern am Platz vorbeigefahren und teile die Kritik an seiner jetzigen Farblosigkeit. Die Steinblöcke hätten in einer Ausführung etwa mit rotem Sandstein perfekt hineingepasst. Das ist sicher auch eine Kostenfrage, die von den Kritikern nicht erwähnt wurde. Die neue Platzgestaltung finde ich gelungen. Ich habe einige Jahre direkt am Platz gewohnt und kann ein Lied von seiner damaligen Hässlichkeit singen (falls es jemand hören möchte... :)) Was jetzt noch fehlt, sind die Bäume. Aber die kommen ja im November. Der Martin-Luther-Platz wird demnach definitiv kein neuer Roßmarkt. Als Autofahrer stören mich auch die "Nasen" nicht so sehr, wie sie mich als Fußgänger und als Radfahrer freuen bzw. mir nutzen. Ästhetisch ist die Verkleinerung der grauen Flächen für fließenden Verkehr zugunsten breiterer Gehwege ohnehin eine Verbesserung.


    Die Projektvorstellung mit Planausschnitten, Fotos und weiteren Links findet Ihr übrigens hier im Forum.

  • Die Finanzierung des Projektes kam aus dem Topf "Schöneres Frankfurt". Weitere Vorhaben sollen aus diesem Investitionsprogramm ermöglicht werden. Eine Auflistung der Maßnahmen bis 2014 findet sich hier (Stand Dezember 2010). So stehen der Bahnhofvorplatz Höchst (mit angrenzenden Straßen), Bahnhofvorplätze Rödelheim, der Hülya-Platz (Bockenheim), der Platz vor der Dreikönigskirche sowie der Kirchplatz (Bockenheim) wohl als nächstes an. Es ist sehr zu hoffen, dass man ein wenig mehr auf Abwechslung in der Gestaltung Acht nimmt.

  • Stümper des Städtebaus

    Unter diesem Titel fand sich in der Samstags-Ausgabe der FAZ ein lesenswerter Artikel über die gegenwärtige "Verhunzung" der Stadt, die sogar noch den "zerstörerischen Wiederaufbau" der 50er Jahre übertreffe.


    Der Artikel, hier auch online abrufbar, ist eine einzige Abrechnung mit bereits fertiggestellten (MyZeil/Frankfurt Hoch vier, Neubau Lebenshaus St. Leonhard, Sanierung Kolpinghaus, gesamte Zeil-Architektur) und noch kommenden "Bausünden" (Riverside Financial District/Degussa, Goetheplaza, Abriss Zeil Nr. 123, Taunusturm als unwürdiger Nachfolger der Rheinischen Hypothekenbank).


    Einzig die Neubauten der EZB und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels finden Gnade. Negativ wird insbesondere auch die Entscheidung der Stadt zum Verzicht auf das Stadthaus vermerkt.


    Insgesamt ist der Artikel durchaus polemisch und ich finde ihn teilweise etwas überzogen. Ich bin zum Beispiel der Auffassung, dass der Taunusturm und das sanierte Kolpinghaus eine Verbesserung des bisherigen Zustandes darstellen. Auch über den Abriss des Technischen Rathauses freue ich mich jeden Tag und es kann (sei es mit oder ohne Stadthaus) eigentlich nur besser werden. Gewiss kann man über das Riverside Financial Distrikt, das Goetheplaza und vor allem auch MyZeil mit den zwei Hochhäusern geteilter Meinung sein. Optimal finde ich das alles auch nicht. Aber v.a. bin ich der Auffassung, dass es vorher (und damit meine ich nach dem Krieg) nicht unbedingt besser war. Das Degussa Gelände war eine Sperrzone, das alte Fernmeldehochhaus war (wenn auch wohl architektonisch interessant) gewiss keine Augenweide. Und die alte Goetheplatz-Zeile hat(te) zwar etwas filigranes, war aber jetzt auch nicht gerade der Blickfang der Innenstadt.


    Anders als der Artikel bin ich daher nicht der Meinung, dass die Stadt durchweg "kurzsichtig, beherrscht von Willkür, Wettstreit, Hektik" baut. Man sollte das Bestreben, einige Verfehlungen der 50er-70er Jahre zu reparieren (z.B. neues Hotel am Opernplatz, Altstadt, Bahnhofsviertel) durchaus anerkennen.


    Gewiss ist der Artikel jedoch dazu geeignet, zum Nachdenken und Diskutieren anzuregen. Bin mal auf die Antworten in diesem Forum gespannt.

  • Ich halte die Kritik für völlig überzogen. Eigentlich alle der angesprochenen Neubauprojekte stellen eine, zum Teil deutliche Verbesserung des Ist-Zustandes dar. Die negativen Effekte werden viel zu stark überbetont.

  • ^ Es geht dem Autor des Artikels, Dieter Bartetzko übrigens, erst in zweiter Linie um die neue Architektur, sondern zuerst um die Zerstörung vermeintlicher Details, die in seinen Augen einer Stadt Identität geben: die hornalten Kopfsteinpflaster der Neugasse, die noch mit der Degussa-Bebauung spürbare Intimität der (ehemaligen) Schneidwallgasse, der kleine Torbogen am Treppenturm inmitten der neuen Caritas-Bebauung, die keinen stillen "Altstadthof" mehr haben wird. Er wirft der Stadt vor, dies zuzulassen, ohne identitätsstiftende Folgearchitektur von den Bauherren zu fordern. Für "völlig" überzogen halte ich die Kritik nicht.

  • Vor allem sind diese kleinen Details es, die Frankfurt am Main von einer x-beliebigen amerikanischen Großstadt unterscheiden. Die paar Baudenkmäler, die geradezu wie in Aspik in einer neu gebauten Architekturlandschaft stehen, der aufgrund der Unfähigkeit zu Gestaltungssatzungen zunehmend der Zusammenhalt verloren geht, genügen dafür nicht. Daran kann auch die relativ hohe Qualität dessen, was in der Einzelbetrachtung gebaut wird, nichts ändern.


    Innerhalb der Wallanlagen, wenigstens aber innerhalb des alten staufischen Gebietes herrscht einfach totale Planlosigkeit. Altstadtreko da, Nachverdichtung in modernen Formen in der Großen Fischergasse dort, nach völlig anderen Maßstäben „historisierende“ Architektur an der Buchgasse, das Gruselhotel an der Schönen Aussicht – all das hätte beispielsweise mit einer abgeschwächten Form der Gestaltungssatzung für das Dom-Römer-Areal wesentlich befriedigerende und vor allem im Gesamtbild harmonische Ergebnisse gebracht.

  • Wo gibt es die positiven Fallbeispiele?

    Bartetzko spricht einige richtige Punkte an und ihm sei seine Vorliebe für filigrane 50er Jahre Gebäude gegönnt (z.B. Rundschau Haus, Mainbau, Zeil 123). Allerdings wird er hierbei zu nostalgisch, denn den verramschten Bundesrechnungshof oder die Philosophikum-Ruine zu erhalten, ist genau dieselbe Flickschusterei, die er anderswo anprangert. Der angeblich entstellte Elsaesser-Bau war schließlich auch jahrelange eine Ruine, wie auch das Zürich-Hochhaus, dass durch den sehr gelungenen OpernTurm ersetzt wurde. Diese Aspekte werden natürlich nicht genannt.


    Zudem wird die "entleerte" und willkürliche westliche Altstadt angesprochen. Aber warum ist diese denn ohne städtisches Leben? Wegen völlig deplatzierten Bauten wie dem Bundesrechnungshof oder dem Degussa-Wall, sowie der stadtspaltenden 50er Jahre Gedächtnismeile-Berliner Strasse. Schade, dass Bartetzko diese Fehler nicht anspricht, sondern nur ominös von "zerstörerischem Wiederaufbau" spricht. Es wäre glaubhafter, wenn er hier die volle Wahrheit ausgesprochen hätte.


    Die Kritik am MyZeil halte ich zudem für völlig unangebracht, auch wenn ich verstehe, dass es auch eine Kritik an der schnelllebigen Konsum- und Wegwerfgesellschaft sein soll. Trotzdem zeigt sich Bartetzko etwas realitätsfremd, wenn er dafür plädiert stattdessen das Fernmeldehochhaus der Telekom zu erhalten. Das hätte wohl kaum den innerstädtischen Impuls ausgelöst, den der spektakuläre Fuksas-Bau zweifelsohne verursacht hat. Wo ist hier die Toleranz für neue, provokante Architektur? Die Zeil war schon immer eine "Showcase"-Meile, die sich immer wieder neu erfindet und in der Gegenwart lebt. Das sollte man den Investoren zugestehen und somit ist auch der Abriss des Hako-Hauses kein willkürlicher Eingriff, sondern die Fortsetzung einer jahrhundertelangen Tradition.


    Er fordert Eigenart, pfiffige Details und Individualität um die Architektur wieder einzigartiger und stadtbezogener zu machen. Doch das ist mir nicht konkret genug. Welche Städte in der Bundesrepublik, in Europa oder weltweit setzen diese Art des Bauens "ohne Tunnelblick" zur Zeit um? Wo können sich die Stadtbauer orientieren wie man es besser macht? Wie lassen sich in diesem Zusammenhang das Albert Speer Konzept, das Innenstadtkonzept der Stadt oder das Programm "Schöneres Frankfurt" bewerten? Antworten auf diese Fragen bleibt Bartetzko schuldig.

  • Frankfurt lebt von den Umbrüchen und Widersprüchen. Es ist durch Krieg- und Nachkriegszerstörungen erheblich mehr verändert worden, als andere Städte. Das schafft aber auch neue Möglichkeiten. Ich bin für die Altstadtrekonstruktion. Aber ich bin genauso dafür, dass man wenige hundert Meter weiter Hochhausschluchten erleben darf. Es wird nicht immer alles harmonieren und manches auch stören. Aber gerade der Kontrast und die (scheinbar?) nicht harmonisierende Architektur erzeugen einen eigenen Wert, eine eigene Schönheit. Mitunter geht dabei auch Substanz verloren. Mir aber haben einige Meter Pflastersteine und ein Torbogen, den ich bisher gar nicht wahrgenommen habe, aber auch nichts gegeben: Weder Identität noch Intimität.

  • Gebaute Historie ist, einmal weggerissen, für immer verloren. Eine Rekonstruktion kann nur noch eine Erinnerung an sie sein (was ich übrigens ausdrücklich gut heiße). Aber dennoch ist der Erhalt auch kleinster Details wie eben des Torbogens oder des Kopfsteinpflasters wichtig. Selbst wenn man sie wieder aufbaut, wird das nicht mehr der Torbogen sein, durch den halb Europa gegangen ist, als in der Buchgasse die bedeutendste Buchmesse Mitteleuropas stattfand. Oder das Kopfsteinpflaster, das vierzig Generationen Frankfurter getragen hat.


    Gerade in Zeiten, wo der Zyklus der Umbrüche, von denen ich an und für sich auch kein Gegner bin – Golden Age hat es für die Zeil ja schon sehr gut auf den Punkt gebracht – immer schneller rotiert, ist der Erhalt es doch, worauf es ankommt. Diese Stadt hat sich außerdem nach dem Krieg noch über Jahrzehnte weiter derart an ihrer Geschichte versündigt, dass es eigentlich eher angebracht wäre, mal mindestens ein gutzes Dutzend öffentliche Bauten zu rekonstruieren, anstatt die verbleibenden Repräsentanten dieser Geschichte jährlich weiter in ihrem Bestand zu schmälern.

  • Frankfurt ist in meinen Augen gerade deswegen so interessant und lebenswert, da hier die Gegensätze so vehement aufeinanderprallen. Auf der einen Seite gibt es modernste Wolkenkratzer und Bürogebäude, die in Deutschland ihres Gleichen suchen und sowohl in Punkto Architektur als auch in Punkto Energieeffizienz Maßstäbe setzen. Dann haben wir die (sorry, für meine Begriffe) oftmals piefige 50er und 60er Jahre Architektur, die für mich irgendwie nicht so richtig zu Frankfurt passen will, die aber nun mal auch ein Zeitzeugnis darstellt. Und zuletzt haben wir das „alte“ Frankfurt, das sich in der City leider nicht mehr allzu oft findet, aber, wie manche Vorredner angemerkt haben, an einigen Stellen doch noch. In vielen Stadtteilen ist wiederum viel vom alten Frankfurt zu spüren, sei es im Nordend, Westend oder Sachsenhausen, Bornheim etc.


    All das zusammengenommen macht den Reiz von Frankfurt aus – und ja, ich gebe es zu: auch einiges von den 50er- und 60er Jahren.


    Und um diesen Reiz zu bewahren, gilt es, behutsam damit umzugehen. Wir sind daher verpflichtet, von dem (wenigen) Alten, was wir haben, so viel wie möglich zu konservieren. Und ja, wir sind auch dazu verpflichtet, von dem (vielen) 50er – und 60er Jahre Zeug einiges zu bewahren – aber m.E. nicht alles ;) aber zumindest das Beste (ich liebe z.B. das Hochhaus in der Berliner Straße). Und das „Neue“, sprich die Hochhäuser und Büros erfinden sich eh ständig neu und sorgen so für eine gehörige Portion Dynamik, die diese Stadt ebenfalls ausmacht und antreibt.


    Aber wenn wir das wenige „Alte“ nicht bewahren, haben wir irgendwann eine Art Rotterdam, eine Stadt, die ich zwar architektonisch interessant finde, die für mich aber ansonsten überhaupt kein Flair verspürt, weil sie glatt und kalt wirkt. Und genau das trifft auf Frankfurt (noch) nicht zu, weil es überall noch Überbleibsel des Alten zu entdecken gibt und die Widersprüche vorhanden sind.

    Und genau dort legt eben der Artikel auch ein wenig den Finger in die Wunde.

  • Bartetzko hat natürlich recht mit seiner Kritik an der jüngsten Frankfurter Abrisspraxis. Es gibt wohl keine Stadt in Deutschland, die sich in den letzten 10 Jahren so radikal verändert hat.


    Mit dem Abriss eines Teils des Degussa-Areals, dem Abriss (2005) des Fernmeldezentrum (BJ. 1951-56), dem Abriss (2006) des Rundschau-Hauses (BJ 1953), dem Abriss (2002) des denkmalgeschützten Zürich-Hauses (BJ 1958-60), dem Abriss (2004) des denkmalgeschützten Hochtief-Hochhaus von Eiermann (BJ 1968) und dem Abriss des Technischen Rathauses von 1972-74 (Abriss 2010), hat sich Frankfurt/M. auch eines großen Teils der Nachkriegsmoderne getrennt.


    Dass da viele ihre Stadt nicht mehr wieder erkennen, versteht sich von selbst. Nachtrauern möchte man den meisten Bauten trotzdem nicht. Warum allerdings z.B. das filigrane Rundschau-Haus leichtfertig geopfert wurde und um den Erhalt des stadtbildsprengenden Bundesrechnungshofes auf der Berliner Straße erbittert gekämpft wird, bleibt indes rätselhaft.

  • ich weiss nicht, ob er Recht hat. Es gibt keine Gebrauchsanweisung für Städte.


    Viele mittelalterliche Städte sind abgebrannt und neu wieder aufgebaut, dann natürlich auch dem aktuelle Baustil folgend. Chikago 1871, danach von den bösen Investoren wieder hochgezogen, finden wir heute faszinierend. In Manhattan waren ganze Stadtviertel verslumt, die wurden nicht erst restauriert, bevor sie im Aufschwung teuer verkauft wurden. Haussmann hat in Paris seine Achsen brutal durch das gewachsene Stadtgefüge gebrochen.


    Frankfurt hat einen Altstadt-Komplex. Das wir eigendlich keine mehr haben und uns jetzt ein bisschen neue bauen. Wir sind etwas wehleidig mit unserer Stadt.


    Wo er aber sicher Recht hat ist in der Bewertung dessen, was da neu wächst. Das wird in 10 Jahren altmodisch, in 30 Jahren vergammelt und in 50 Jahren wieder abgerissen sein. Es ist nicht so sehr eine Frage von Denkmalpflege oder von Architektur, sondern eine Herangehensweise an alte Dinge, eine Betrachtungsweise ob etwas schön, nützlich oder wirtschaftlich ist.
    In der City von Paris oder New York wird nicht viel neu gebaut. Häuser können immer wieder repariert, angepasst werden. Vielleicht baut/e man dort solider - nachhaltiger wie man heute sagt - verklinkerte Fassade brauchen 100 Jahre keinen Bauunterhalt, WDVS-System verschimmeln und veralgen in wenigen Jahren, 3 cm vorgehängte Natursteinplatten fallen aus den Edelstahlankern, Glasfassaden erblinden.

  • Ein neuer Inhalt kann vor altmodischer Erscheinung schützen

    Wo er aber sicher Recht hat ist in der Bewertung dessen, was da neu wächst. Das wird in 10 Jahren altmodisch, in 30 Jahren vergammelt und in 50 Jahren wieder abgerissen sein.


    Ob etwas schnell "altmodisch" wird, hängt vor allem vom Inhalt ab, denn man kann ältere Gebäude immer wieder mit neuem Leben füllen und neu inszenieren, wenn der Wille dazu da ist. Das ehemalige M-Schneider Kaufhaus an der Zeil (heute Douglas, Pohland, Appelrath) war beispielsweise vom Warensortiment und von der Präsentation her genauso verstaubt wie ihre 50er Jahre Fassade. Leider hatte man nicht die Weitsicht das erstklassige Panorama-Restaurant besser in Szene zu setzen und den 50er Jahre Schick neu zu interpretieren.


    Wie es anders geht, zeigt sich bei der allseits populären Kleinmarkthalle, die mittlerweile fast 60 Jahre auf dem Buckel hat. Trotzdem bleibt der luftige Bau aktuell, da er immer wieder neue Impulse erhält und für mich die eindeutig beste überdachte Markthalle hierzulande ist (in puncto Atmosphäre, Angebot, Essensmöglichkeiten, usw). Es ist kein Wunder, dass sich die Frankfurter Bürger massiv zur Wehr setzten als das Baudezernat einen modernen Neubau errichten wollte. Wie man alte Gebäude neu erfinden kann, zeigt sich auch bei der gegenüberliegenden Stadtbibliothek in der ehemaligen Frankfurter Sparkasse, einer meiner Lieblingsbauten Frankfurts der letzten 10 Jahre. Die Kosten waren mit 25 Mio. Euro relativ gering, das Interieur wurde modernen Ansprüchen angepasst und die Bib liegt mitten im Zentrum und nimmt somit direkt am Stadtleben teil. Bei beiden Bauten zeigt sich, dass sie gut in die städtische Infrastruktur eingebunden sind während ein Bau wie der marode Bundesrechnungshof schon alleine aus verkehrstechnischer Sicht erstickt wurde.


    Aus diesem Grund wäre ich vorsichtig den heutigen Neubauten ihren baldigen Wiederabriss zu prophezeien. Das neue Maintor Areal hat alle Chancen sich immer wieder neu anzupassen und flexibel zu reagieren, alleine schon durch die neue Wegführung und infrastrukturelle Wiedereingliederung in die Umgebung. Der hermetisch abgeriegelte Degussa Trakt war da schon viel eher zur Starre verdammt. Die Mischung aus planerischer Weitsicht und einem der Gegenwart angepassten Nutzen macht's.

  • ich weiss nicht, ob er Recht hat. Es gibt keine Gebrauchsanweisung für Städte.


    Viele mittelalterliche Städte sind abgebrannt und neu wieder aufgebaut, dann natürlich auch dem aktuelle Baustil folgend. Chikago 1871, danach von den bösen Investoren wieder hochgezogen, finden wir heute faszinierend. In Manhattan waren ganze Stadtviertel verslumt, die wurden nicht erst restauriert, bevor sie im Aufschwung teuer verkauft wurden. Haussmann hat in Paris seine Achsen brutal durch das gewachsene Stadtgefüge gebrochen.


    Frankfurt hat einen Altstadt-Komplex. Das wir eigendlich keine mehr haben und uns jetzt ein bisschen neue bauen. Wir sind etwas wehleidig mit unserer Stadt [...]


    Du verzeihst mir, wenn ich dir sage, dass du als Neuling wahrscheinlich nicht die Debatten vor knapp 5 Jahre gesehen hast, wo das alles schonmal ausdiskutiert wurde. Frankfurt hat keinen Altstadt-Komplex. Wenn überhaupt hätte ganz Deutschland einen Altstadt-Komplex.


    Im Zweiten Weltkrieg ist auch nichts abgebrannt, sondern mit gnadenloser Genauigkeit praktisch jede bedeutende Altstadt in Deutschland gezielt durch Bombenangriffe zerstört worden. Überwiegend einfach mal so, zur Demoralisierung der Bevölkerung. In diesen Altstädten standen die Hauptwerke bürgerlichen Kunstschaffens unseres Landes aus den vergangenen 1.000 Jahren, die damit überwiegend verloren sind.


    Dies ist erstmal ein geschichtlich einmaliges Ereignis, was nicht mit der Verwüstung von Heidelberg im Pfälzischen Erbfolgekrieg zu vergleichen ist. Denn bei vorigen Kriegen war die Zerstörung von Städten und Kultur ein Kollateralschaden, nicht das erklärte Ziel. Frankfurt am Main war der Zweite Weltkrieg aber nicht genug, man fand es es danach in typisch deutscher Gründlichkeit auch noch geil, die letzten (und das war gar nicht mal so wenig) Reste des zu beseitigen, was mal Altstadt war.


    Anschließend durften wir jahrzehntelang – bis etwa Anfang der 1980er Jahre – planlosen Planern dabei zuschauen, wie sie aus der Stadt immer weniger Stadt und mehr eine Maschine machten. So kreative Projekte wie die Berliner oder die Kurt-Schumacher-Straße, die Nutzung der ehemaligen Altstadt als Parkplatz (Dom-Römer-Areal) oder das Technische Rathaus und das Historische Museum kamen dabei raus. Fast alle städtebaulichen Probleme, die Frankfurt am Main heute hat, sind Folgen von Stadtplanung der Nachkriegszeit. Das sollte irgendwie zu denken geben.


    Und somit ist auch der von dir suggerierte Altstadt-Komplex keiner, sondern Ausdruck einer Sehnsucht nach Identität, die über Jahrzehnte geradezu Kommunismus-like unter dem Deckel gehalten wurde. Faszinierend finde ich dabei, dass dieser Wunsch, obwohl kaum noch Menschen leben, die die Altstadt kannten, eine Generation übersprungen hat.


    Letztlich wird auch der Wunsch, Anfang der 2010er Jahre einen Teil der Altstadt zu rekonstruieren, einst Teil der Frankfurter Geschichte sein. So wie es der bereits jetzt absurd erscheinende Wunsch der 1960er Jahre, möglichst antiurban und technokratisch zu bauen, schon heute ist. Und selbst wenn kommende Generationen „mehr“ an Altstadt rekonstruieren (wir reden hier ja von rund vier Dutzend Häusern gegenüber einem Vorkriegsbestand von über 2.000) hätte dies, entgegen den Befürchtungen mancher hier, außer vielen Touristen, wohl keine negativen Auswirkungen auf Frankfurts städtebauliche Entwicklung. Denn wundersame Weise wurde Frankfurt Anfang des 20. Jahrhunderts auch zur modernen City, obwohl die gesamte Altstadt von der städtebaulichen Entwicklung abgehängt blieb.

  • Bartetzko strikes back: Originale Baudenkmäler in Gefahr

    Eine Analyse von Dieter Bartetzko zu Frankfurts unbekannteren Baudenkmälern wurde im Samstags-Feuilleton der FAZ veröffentlicht. Er bemängelt den leichtfertigen Umgang mit der historischen Bausubstanz im Original. Als Beispiele zählt er auf:

    • Die staufische Saalhofkapelle am Historischen Museum
    • Gotischer Torbogen (1492) an der Hanauer Landstraße (Ex-Riederhof Kapelle) - umgeben von Müllplatz
    • Das klassizistische Kutscherhaus in der Nähe der Eschersheimer Anlage - zum Abriss freigegeben


    Bartetzko missfällt, dass eine neue "Gründerzeit-Welle" in Frankfurt sich durch historische Ignoranz auszeichnen würde und unwiderrufliche Schätze auslösche. Daher sei auch das neue Altstadt-Quartier nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Besonders das Denkmalamt versage, da man sich auf strenge Definitionen der Denkmäler versteift.


    Bis auf den eher geringschätzigen Kommentar zum Wiederaufbau der Altstadt auf dem TR-Gelände kann ich ihm voll zustimmen. Wildwuchs ohne Vorgaben lädt zu Architektur ein, die mit Standort und Historie beinahe nichts mehr zu tun hat. Die neue Gründerzeit-Dampfwalze setzt zwar auch gute Architektur in die Welt, aber mehr Rücksichtsnahme auf die Umgebung täte ihr gut.

  • Ich finde Bartetzko übertreibt es (wieder einmal) mit seiner Kritik. Mich stört vor allem, dass er anscheinend die Stadtplanung insgesamt in Bausch und Bogen verdammt. Es gibt auch viel Positives.


    Und seine Beispiele scheinen mir auch schlecht gewählt. Beim gotischen Torbogen ist das Hauptproblem doch wohl, dass er im Industriegebiet liegt. Woanders wäre es sicherlich attraktiv, da mehr draus zu machen. Aber die Stadt kann das Industriegebiet ja schlecht wegzaubern. Das Kutscherhaus ist bereits ein Schatten seiner selbst. Man muss auch das Interesse des Eigentümers an einer vernünftigen Verwertung berücksichtigen. Mir erscheint es nicht sonderlich erhaltenswert, vor allem, wenn man sich mal die umgebenden Gebäude ansieht. Man wird sich auch mit dem Gedanken abfinden müssen, dass man nicht jeden Stein erhalten kann, an dem vielleicht etwas Erhaltenswertes dran ist.

  • Städtische Dichte

    Es ist gar nicht so wichtig was hier gebaut wird, sondern wie.
    Klar wäre gute Architektur toll, kleinteilig zu Bornheim passend. Keine platten Kisten wie Europaviertel für "young urban professionals", die meistens nicht mehr Jung und auch nicht wirklich urban sind, weil sie mit dem Audi direkt in die Tiefgarage fahren, statt die U-Bahn zu nutzen.


    Wichtig ist, dass es dicht bebaut wird.
    Alle Nachbarn werden sich schon jetzt fürchten. Sie werden um ihren Ausblick jammern, dass es eh schon keine Parkplätze mehr gibt und wie alles verkommt. Oder dass dann die Mieten steigen. Sie werden Einsprüche erheben. Nachbarrechte einfordern.


    Die Stadt sieht die Vorzüge von dieser Dichte auch, flächenschonend, sozial unkompliziert, Frankfurt sucht nach Wohnbauflächen, die nicht wieder auf der grünen Wiese Fläche verbrauchen. Riedberg ist viel zu locker, aber die Stadt konnte mehr Dichte nicht durchsetzen, weil der Markt (letzlich die potentiellen Käufer der Häuser) es nicht will.


    Bornheim ist noch ein Stück Richtig Stadt. Viele Menschen leben hier, arbeiten hier, sind auf der Strasse. Den ganzen Tag. Dazu gehört Lärm, Autos, Enge. Hier gibt es etwas, was man in der Nordweststadt nicht produzieren kann. Und auch nicht in der Weisfrauenstrasse/Maintor (Artikel Bardezko unten). Was in der Innenstadt nur Kommerz ist und abends tod.


    Ich denke mal, der Investor will möglichst viel rausholen. Auch wenn das böse klingt, ist es in meinen Augen der richtige Weg - nicht immer und überall, aber hier schon.
    Die Stadt muss Baurecht beachten, sonst wird gegen die Baugenehmigung geklagt. Sie muss aber auch Mut und Durchhaltevermögen beweisen, sie kann Ausnahmen und Befreiungen genehmigen.


    http://www.fr-online.de/kultur…icht,1472786,8628240.html
    http://www.faz.net/aktuell/feu…staedtebaus-11644926.html


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    Mod: Beitrag aus dem Bornheim-Mitte-Strang hierher kopiert und und folgender Beitrag verschoben.

  • Schräge Urbanität

    Tut mir leid aber ich kann diese Argumentation überhaupt nicht nachvollziehen,
    gerade der Riedberg erreicht mit seiner zentralen Bebauung die Dichte eines Gründerzeitviertels (wie beispielsweise Bockenheim) und darüber hinaus. Die Dichte erzeugt hohen sozialen Stress, den dann nur noch wenig priviliegerte ertragen wollen. Die hier vorgetragene Idealvorstellung von Urbanität ist schon recht schräg. Sowas kann m.E.n. nur jemand schreiben, der noch nicht an solchen Orten gelebt hat.

  • Sorry, aber ich komme aus dem wenig dicht bebauten Vordertaunus und lebe heute wahlweise in Ffm. Für kein Geld der Welt bekommt man mich wieder in diesen Kleinstadt-Mief zurück. Ich genieße in Frankfurt gerade die Dichte der Bebauung und der Zusammenballung von Menschen, auch wenn damit die ein oder andere Belastung verbunden ist.