Erst einmal finde ich es toll, dass der Welterbeantrag auf solch reges Interesse stößt. Ich denke, schon dieses Interesse zeigt, dass der Antrag eine gute Sache ist. Auch die kritischen Anmerkungen finde ich gut, ich denke aber, dass einige von ihnen auf Missverständnissen beruhen.
So ist der Antrag keine Initiative der Linkspartei. Die Initiative ging ursprünglich von Bürgerinitiativen in der Karl-Marx-Allee und im Hansaviertel aus, dann konnte Volker Hassemer für den Antrag gewonnen werden, und dieser hat dann Thomas Flierl angerufen und auf diese Weise dann die Linkspartei mit ins Boot geholt. Unterstützt wird der Antrag von Vertretern der SPD, der CDU, von Bündnis 90 / Die Grünen und auch von der Linkspartei. Ich finde, dass diese parteiübergreifende Zusammenarbeit schon für sich genommen bemerkenswert ist, denn wo gibt es dass schon, dass CDU- und Linksparteipolitiker so konstruktiv zusammenwirken. Ich denke, diese breite politische Grundlage macht deutlich, dass es dem Antrag eben nicht um Polarisierung und ideologische Grabenkämpfe, sondern um Versöhnung geht.
Weiterhin geht es bei dem Antrag auch nicht um DDR-Nostalgie. Ziel ist es vielmehr zu zeigen, dass die Systemkonkurrenz im Ost- wie im Westteil herausragende Gebäude und Ensembles hervorgebracht hat. Dabei soll die Nachkriegsmoderne in Ost- und Westberlin gleichberechtigt behandelt werden. Ich verstehe die Befürchtung einiger Diskutanten, dass das Westberliner Bauerbe bei diesem Antrag ein wenig unterbelichtet werden könnte. Ich denke aber, dass erstens der Antrag eine ganze Reihe Westberliner Bauten umfasst (neben dem Hansaviertel die Kongresshalle und das Corbusierhaus) und dass zweitens dieser Antrag auch eine Chance für die Teile der Nachkriegsmoderne bietet, die nicht im Antrag aufgeführt sind. Schließlich geht es bei dem Antrag ja auch darum, die gesamte Ost- wie Westberliner Nachkriegsmoderne bekannter zu machen. Im Zusammenhang mit der Bewerbung wird es eine Vielzahl von Veranstaltungen und Publikationen geben, und dabei werden natürlich auch andere Gebäude und Ensembles, wie etwa der Mehringplatz, die Otto-Suhr-Siedlung, die Gropiusstadt, das Märkische Viertel, Marzahn etc. etc., eine Rolle spielen. Auf der Veranstaltung am 19.12. waren ja schon Ost- und Westberliner Nachkriegsmoderne gleichberechtigt vertreten. Daher denke ich schon, dass der Welterbeantrag eine gute Basis für eine Versöhnung der Stadthälften bietet, und ich finde daher Diskussionen beispielsweise über die Erwähnung von Anna Seghers im Antragstext eher an den Haaren herbeigezogen.
Ich teile auch nicht die Befürchtung etwa von Rotes Rathaus, dass der Antrag unprofessionell ausgearbeitet worden wäre. Ich hatte den Eindruck, dass die Bewerbung sehr professionell vorbereitet worden ist und dass an der Bewerbung auch Experten aus dem Umkreis der UNESCO beteiligt waren. Daher sehe ich gute Chancen für einen Erfolg dieser Bewerbung.
Dann gab es noch die Befürchtung, dass das Gebiet verslumen könnte. Ich sehe diese Gefahr überhaupt nicht. Ich denke, dass die spezifischen Wohnqualitäten dieses Gebietes mit hellen Wohnungen und viel Grün vor der Haustür, und das alles noch in zentraler Lage, auch künftig auf rege Nachfrage stoßen werden. Auch die relativ günstigen Mieten in dem Gebiet sehe ich nicht als Problem. (Oder habe ich hier etwas falsch verstanden?) Ein Großteil der Wohnhäuser dieses Gebietes gehört ja städtischen Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften - und diese haben eben nicht die Renditemaximierung sondern die Bereitstellung preisgünstiger Wohnungen in der Innenstadt zum Ziel. Ich finde diese Orientierung richtig, weil sie einer sozialen Polarisierung der Stadt entgegenwirkt.