Potsdam: Wiederaufbau der Garnisonkirche

  • Bau-Lcfr
    Ich habe vom Reichstag als Instititution; als deutsches Parlament gesprochen mit dessen demokratischer Tradition sich auch der Bundestag anfreunden konnte. Sonst haette er wohl kaum dort wieder seinen Sitz aufgenommen, in diesem von Wilhem II als ›Reichsaffenbude< geschmaehten Gebaeude.


    Saxonia
    Die von Ihnen aufgezaehlten Gebaeude haben nicht als Grablege des Preussischen Herrscherhauses gedient. Was soll dann ihre Sorge?


    Konstantin
    Ich muss Ihnen ja wohl nicht erklaeren auf welchen Parametern die Bildsuche bei google beruht. Ich hab doch geschrieben, dass ein Grossteil der Darstellungen bis ca. Kriegsanfang sich dieser illustrativen Beischmueckung bedient haben, was hat google damit zu tun?

  • Ein früheres NS oder DDR Ministerium ist ein Bürogebäude welches sich einfach weiter als Bürogebäude nutzen lässt. Eine Kirche besteht aber im wesentlichen aus einem relativ dunklen aber sehr hohen Raum und eignet sich kaum für eine andere Nutzung als eben für Gottesdienste. Hohe Bau- und Unterhaltskosten aber nur ein geringer praktischer Nutzen.


    Wenn man es als Kunstwerk betrachten würde, wäre die Wirtschaftlichkeit wohl zweitrangig. Die religiöse Symbolik würde aber bleiben.


    Wenn es einem alleine um das Kriterium der Wirtschaftlichkeit geht, kann die Garnisonkirche höchstens als zusätzlicher potentieller Tourismusmagnet gewertet werden. Aber neben der Wirtschaftlichkeit besteht eben wie Du selbst schon sagst auch ein abstrakter künstlerischer Wert (und damit zugleich ein stadtbildprägender Aspekt). Dazu kommt eben auch ein historischer Wert (der natürlich ungleich größer gewesen wäre, wenn die DDR den Bau nicht gesprengt hätte - aber dies ist nun mal so und nicht mehr zu ändern). Anders als die DDR bin ich nämlich der Ansicht, dass man moderne Geschichte nicht schreibt, indem man alles Alte abschreibt und sich darüber erhebt (eher indem man es modern umschreibt bzw. in modifizierter Form weiterführt). Dieser Hang etwas komplett vernichten und durch etwas komplett eigenes ersetzen zu müssen, ist für mich eher ein Zeichen der Unsicherheit. Man kann sich so oder so nicht aus dem historischen Kontext lösen, auch wenn man versucht es dem Auge vorzutäuschen.


    Im Übrigen finde ich auch den künftigen Inhalt des Baus nicht wertlos (auch wenn man selbst mit religiösem Leben nichts anfangen mag). Eine Kirche die sich bewusst dem Dialog mit anderen öffnen will, ist mE potentiell durchaus wertvoll und kann unter Umständen diesbezüglich sogar mehr leisten als viele gut gemeinte (und teure) politische Projekte. Das kann u.a. die moderaten Kräfte im Islam ansprechen und den Geist der gegenseitigen Toleranz fördern. Ein Hauptgrund der von Experten immer wieder für die Radikalisierung von Muslimen genannt wird, ist (neben schlechter Bildung und fehlenden beruflichen Perspektiven) die gefühlte Ablehnung ihrer Religion durch andere Gruppen und das Gefühl der Fremdheit/ Isolation/ Ausgegrenztheit. Das ist u.a. auch einer der Gründe warum ich mich über die Sehitlik-Moschee in Neukölln freue, die sich ebenfalls bewusst für andere öffnet und den friedlichen Dialog fördert. Ich sehe religiöses Leben und religiöse Werte aber anders als manche hier auch nicht per se als Problem an. Gesellschaften oder Gruppen die diese (teils aus zunächst durchaus nachvollziehbaren Motiven) ablehnen oder offen unterdrücken tun sich meiner Erfahrung nach leider sehr oft auch nicht als besonders tolerant, friedlich, brüderlich usw. hervor (da ist die DDR auch ein Beispiel für, die mE in Sachen Selbstherrlichkeit und inneren Verblendung in nichts nachstand)...


    Ich nehme an der Reichstag wurde als Symbol für die demokratischen Anfänge in Deutschland gesehen und gerade deswegen als neuer Sitz des Bundestages ausgebaut. Der Reichstagsbrand von 1933 wird wohl als Angriff auf die Demokratie interpretiert. Es gibt ja im Sommer jetzt jeden Abend eine Videoprojektion am Marie-Elisabeth-Lüders Haus in der die Geschichte der schwierigen demokratischen Anfänge und die Geschichte des Reichstages bis heute erzählt wird.


    Problematisch ist aber der Name da mit dem Begriff "Deutsches Reich" ja eher die vergangenen undemokratischen Zeiten assoziiert werden.


    Sicher gab es in der Weimarer Republik schon mal schwache Anfänge einer Demokratie und vermutlich war der Brand ein bewusster Angriff auf die letzten Reste davon - jedenfalls wurde er in Folge dazu instrumentalisiert diese völlig auszulöschen (so genau konnte die Brandursache aber mW nie bewiesen werden). Aber das ist nur ein kleines Zeitfenster in der Geschichte des Bauwerks die auch nicht nur rühmlich war, um es mal euphemistisch auszudrücken. Trotzdem hat man den Bau nach dem zweiten Weltkrieg (bis auf die Kuppel) nicht gesprengt, sondern aufwändig erneuert und später mit der gläsernen Kuppel und dem Schriftzug etwas Neues hinzugefügt. Heute hat er trotz der unrühmlichen Anfänge eine ganz andere Symbolik. Den Namen Reichstag hat der Bau übrigens schon zu seiner Bauzeit vom Kaiserreich erhalten und dieser wurde auch in der Weimarer Republik beibehalten. Die Nazis hingegen nutzen den Bau nur kurz ganz zu Beginn des Dritten Reiches und nach dem Brand gar nicht mehr in dieser Funktion (ihnen schwebte bekanntlich größeres vor was vielleicht zurückblickend auch das "Glück" des Reichstagsgebäudes war). Somit würde ich den Namen Reichstagsgebäude vor allem auf den Kontext seiner Entstehung zurückführen der anders als das Dritte Reich weit genug zurückliegt und aus einem historischen Kontext heraus nicht so problematisch ist wie letzteres. Heute wird er ja bekanntlich trotz des Namens als Sitz des demokratisch gewählten Bundestages genutzt und Menschen sitzen auf den Wiesen davor oder gehen hinein. Regierung und Bevölkerung werden so auch immer wieder an die Vergangenheit und den Wert der heute herrschenden Demokratie erinnert. Wie gesagt: Das finde ich stärker, als wenn man einen neuen Bau errichtet hätte, aus der Angst sich nicht anders aus der Geschichte befreien und einen Neuanfang schreiben zu können. Übrigens: Auch den Adler gibt es ja weiterhin als Symbol der Bundesrepublik, auch wenn er ebenfalls in einer vordmokratischen Epoche eingeführt und zwischendurch mal einige Jahre lang mit Hakenkreuzen versehen wurde. Ist der Adler jetzt das Symbol der rechtskonservativen Militaristen, der Nationalsozialisten oder des modernen Deutschland (das seine Historie zwar kennt und sich auch daraus herleitet, aber trotzdem nicht alles automatisch verherrlicht was passiert ist)? Natürlich ist das eine rhetorische Frage. Wenn eine der ersten beiden Optionen zuträfe, würden sich wohl nicht nur Linke und Grüne weigern den Plenarsaal zu betreten...


    Sehr ähnlich würde es sich mE mit der Garnisonkirche verhalten wie oben bereits ausgeführt. So primitiv wie Klarenbach (und vor ihm die Politklasse der DDR) die Menschen gerne machen möchte, sind sie oft gar nicht. Ich nehme zumindest für mich in Anspruch, dass ich ein historisches Gebäude aus verschiedenen Gründen gerne behalten oder zurückhaben möchte, ohne dass ich deswegen gleich ein Anhänger früherer Herrschaftsformen sein muss. Es ist ja traurig genug, wenn andere diese Trennung offenbar nicht vollziehen können (bzw. ich würde eher annehmen: möchten)...


    Camondo: Konstantin hat darüber gesprochen wie das Gebäude heute wahrgenommen wird (und da ist Google repräsentativer als irgendwelche zeitgenössischen Berichte von anno dazumal...)


    P.S.: Das soll es von mir gewesen sein (das ist ein Versprechen). Ich habe jetzt mehrmals lang und breit versucht zu erklären, wie ich es meine und wie nicht. Wenn jemand das nicht versteht (bzw. verstehen will), hat es ohnehin keinen Sinn das stets noch mal zu erläutern und auszuführen. Am Ende wird die Frage nach dem Wiederaufbau ohnehin anderswo entschieden und das muss man dann wohl oder übel akzeptieren, was für beide Seiten gilt.

  • Saxonia
    Die von Ihnen aufgezaehlten Gebaeude haben nicht als Grablege des Preussischen Herrscherhauses gedient.


    Es bleibt rätselhaft, was eigentlich an der Grablege des Herrscherhauses schlimm sein sollte. In Frankreich gehören genauso der Invalidendom (Napoleon) wie auch die Kathedrale von Saint-Denis (130 Gräber von Dagobert I. über Ludwig XIV. bis zum Ludwig XVIII.) zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten. In Polen gilt dies für die Wawel-Kathedrale - so sehr, dass dort auch Józef Piłsudski und Lech Kaczyński (ungekrönte Staatsoberhäupter, darunter der letzte, der überhaupt irgendwo bestattet wurde) bestattet wurden. Diese antikönigliche Fixierung ist nicht normal, zumindest nach Massstäben etlicher Länder außerhalb von Deutschland.

  • Bau-Lcfr
    in St.Denis wurde die Nekropole der französischen Könige und Königinnen während der Französischen Revolution völlig verwüstet, die Leichen gefleddert und in alle Winde zerstreut. Das blieb den Hohenzollern ja erspart. Aber in Preussen und nur um das geht es ja hier, hat es eine in ihrer Brutalität vergleichbare Revolution ja nicht gegeben, die Märzgefallenen in allen Ehren. Das ist es wohl eher was Preussen von anderen Ländern unterscheidet.

  • Ich sehe religiöses Leben und religiöse Werte aber anders als manche hier auch nicht per se als Problem an.


    Menschen die behaupten sie würden die Interessen, Wünsche und Absichten des Schöpfers der Welt kennen und vertreten sind ja ziemlich offensichtlich Lügner. Es ist mir einfach rätselhaft weshalb sie nicht genauso kritisch gesehen werden wie andere Hochstapler. Jede wissenschaftliche Studie oder jede Politikeräußerung wird kritisch hinterfragt und beim Thema Religion wird der Verstand einfach abgeschaltet und naiv gespielt.


    Auch die vergangene Monarchie wird (zumindest von einem Teil der Menschen/Foristen) nach meinem Eindruck nicht kritisch genug gesehen sondern eher im Nachhinein bewundert und verehrt. Die "Preussenverehrung" scheint mir da deutlich über die Freude am Gebäudeschmuck hinauszugehen. Aber das ist natürlich nicht repräsentativ für Berlins Einwohner.

  • in St.Denis wurde die Nekropole der französischen Könige und Königinnen während der Französischen Revolution völlig verwüstet, die Leichen gefleddert und in alle Winde zerstreut.


    So kann es kommen, wenn in besonders dunklen Zeiten der Hass auf die eigenen Traditionen etliche Masstäbe sprengt. Diese - besonders höflich ausgedrückt - irrationale Abneigung spüre ich auch in einigen Postings hier. Was an einer königlichen Grablege per se schlecht sein sollte, wird weiterhin nicht erklärt.


    Übrigens - während Kaczyński eher konservativ war, Piłsudski war Sozialist, dennoch hatte niemand aus seiner Umgebung Zweifel, dass die Bestattung neben den Königen eine besondere Ehre ist. Die in Polen verbreiteten Zweifel im zweiten Fall betrafen nie die Kathedrale - umgekehrt, nur die zeitlebens umstrittene Person. Die königliche Grabstätte ist in Polen über jeden Zweifel erhaben.


    Dass die Wiener Kapuzinergruft irgendwie unbeliebt sein sollte, habe ich nie mitgekriegt, genausowenig Pantheon in Rom, wo Könige des 19. Jh. ruhen und offizielle Ehrenwachen abgehalten werden. Diese Liste könnte man beliebig erweitern.

  • Mittlerweile mehren sich die verbalen Ausraster nicht nur in diesem Forum, sondern auch in der Realität. Auf der Facebook-Seite der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche wurde vorgestern ein Beitrag des Vorsitzenden Burkhart Franck veröffentlicht, in dem die städtische Finanzierung des Jugendkulturzentrums "Archiv" scharf kritisiert wurde. Das Kulturzentrum sei nur ein "sogenanntes Kulturzentrum" und ein "Touristen abschreckendes Projekt".


    Dieser Beitrag sorgte für eine einmütige Empörung in der Potsdamer Stadtgesellschaft, vor allem weil die Finanzierung des Kulturzentrums bei der Abstimmung über den Bürgerhaushalt auf den ersten Platz gewählt wurde und weil dieses Kulturzentrum, das eine Vielzahl an Veranstaltungen, Konzerten, Ausstellungen etc. anbietet, bei den Potsdamer Jugendlichen sehr beliebt ist. Am Ende musste Franck zurückrudern und sich auch zum Kulturzentrum "Archiv" bekennen.


    Für mich ist dieser Vorfall ein weiterer Beleg dafür, dass die Nerven bei den Garnisonkirchenbefürwortern ziemlich blank liegen. Offenbar haben sie nicht damit gerechnet, dass die Stimmen für ein Bürgerbegehren so schnell zusammenkommen würden. Jetzt sehen sie ihre Felle wegschwimmen und reagieren mit Beleidigungen. Auch das ist kein Zeichen von Souveränität, sondern von Schwäche.


    http://www.maz-online.de/Lokal…Befuerworter-gegen-Archiv

  • Ich frage mich immer, was man am Ende davon hat, wenn die Garnisonkirche nicht gebaut wird. Eigentlich nur Verlierer. Die zwölf Millionen, die vom Bund komen sollen, die gehen dann in ein anderes Projekt in NRW oder sonst wo im Land, jedenfalls wohl nicht nach Potsdam oder sie versickern im allgemeinen Haushalt. Alle die hier hoffen, die schulen in Potsdam würden davon auch nur einen Cent sehen, die werden böse enttäuscht werden. Dann stellt sich die Frage, was man mit dem Grundstück stattdessen machen will. Da man sich auf nichts einigen können wird, bleibt am Ende wohl nur eine Grünfläche übrig. Ich kann ja verstehen, wenn man in der Bevölkerung mehrheitlich sagt, man will nicht, dass man stadtisches Geld dafür ausgibt, aber wenn der Bund die Kohle doch bezahlt und das Geld dafür zweckgebunden aus dem Kulturtopf kommt, warum will man das dann nicht nehmen. Ich frage mich, was man im Endeffekt davon hat, wenn die Kirche nicht kommt. Eigentlich nichts, außer man will die Geschichte völlig ignorieren und verweigert sich völlig der Auseinandersetzung.
    Zu welch grotesken Situationen dies führen kann, sieht man in Berlin Mitte. Als ich das erste mal in Berlin war, ging ich die Voßstraße entlang und statt einer umfangreichen Dokumentation zur Geschichte des Ortes fand man einen Chickenverkaufsstand. Ich habe selten eine groteskere Situation erlebt.

  • Tel33 du musst jetzt ganz stark sein. Es gibt weder einen Staat, noch ein Bundesland Preußen und auch keinen Adel mehr.


    Aha. Wie soll er dann in Gestalt einer nachgebauten Kirche reinkarnieren? Erkennst du wirklich nicht die Absurdität dieser Argumentation?
    Hier geht es eben um Architektur und Stadtbildreparatur - NICHTS anderes. Auch wenn unserer Chefideologe was anderes zu sehen glaubt.

  • Ein Abblasen des Garnisonkirchenprojektes würde durchaus nach Potsdam und in das vergiftete politische Klima dieser Stadt passen. Denn machen wir uns nichts vor, ohne einen Herrn Platter oder einen Herrn Jauch würde am Alten Markt heute bestimmt vieles stehen aber sicherlich kein Landtag im Gewand eines Schlosses und die dazugehörigen Nebeneffekte. Städtebaulich hätten die Linke den Zustand von 1990 am liebsten mit einer Käseglocke konserviert. Es muss für diese Menschen wie eine Bestrafung durch höhere Mächte sein, ausgerechnet in der Stadt Preußens schlechthin zu wohnen.
    Daher findet es auch keiner komisch, dass so viel Energie auf die Verhinderung eines Projektes verschwendet wird, welches für die Agenda, die sie sich selbst auf die Fahnen schreiben und mit denen sie Wahlkämpfe bestreiten, völlig bummi ist. Und da braucht man auch nicht drumrumfaseln. Hier ist ausschließlich ideologische Verbohrtheit ausschlaggebend, weder das Geld, noch städtebauliche Aspekte um die sie sich sowieso einen Furz scheren.
    Als Garnisonkirche bietet das Gebäude leider große Angriffsfläche aber entscheidend für dessen Ablehnung ist es nicht.


    PS: Und machen wir uns nichts vor, das Archiv ist ein Ort wo linksradikale anarcho Ideen munter unter die Jugend gemischt werden. Dazu muss man sich nur mal die Webseite anschauen.

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  • Stimmt, ohne privates Geld wäre Potsdam nicht auf dem Wege wieder eine Stadt mit historischem Gedächtnis zu werden, dass versucht an seine alte Schönheit anzuschliessen. Da schon soviel erreicht ist ist es für die Sozialisten so wichtig ihr Weltbild zu verteidigen. Aber machen wir uns nichts vor, die Sozialisten leigen jetzt bei 25 % (1990 waren es noch 42 %), trotz der "Anderen" ist das ein steter Rückgang.


    Deshalb wird auch ein Volksentscheid zur GK die Wiedergewinnung der Altstadt nicht aufhalten. Die nächsten Entscheidungen zum Lustgarten stehen an, im Herbst der lange Stall und noch einige weitere Leitbauten. Da kann man die historischen Straßen noch so sehr nach Sozialisten und Revolutionären benennen - die Entwicklung in seinem Lauf, halten weder Linke noch Andere auf.

  • Es scheint, als würde sich die Minderheitsfraktion von Klarenbachs ideologischem Zuschnitt nun eben so lustvoll und energisch auf die Garnisonkirche einschießen, weil es nüchtern betrachtet wohl das letzte Projekt ist, bei dem sie überhaupt noch einen Blumentopf gewinnen können.
    Die Bilanz sieht aus ihrer Sicht nun einmal nicht so glorreich aus, auch nicht in Potsdam: der historische Alte Markt - halbfertig und beschlossene Sache; das Mercure - mal sehen, aber eigentlich nicht so sehr wichtig, da etwas außerhalb stehend; der Staudenhof - vom Alten Markt nicht so sichtbar, hier bleibt's abzuwarten; Plantage und Langer Stall ebenfalls auf dem Wege im Sinne einer würdigen Wiedergewinnung. Bliebe eigentlich nur noch die Garnisonkirche als letztes wirklich wichtiges Projekt für die Kontur des historischen Potsdam - und da spucken sie nun halt Gift und Galle, in der wohl trügerischen Hoffnung auf eine Mehrheit dagegen. Betrachtet man die kommunalen Wahlergebnisse in Potsdam als repräsentativ, dürfte es auch in Zukunft für die DDR-Nostalgiker nicht so gut aussehen, es geht von Wahl zu Wahl bergab mit der Linken. So bleiben es erbittert geführte Rückzugsgefechte auf letztlich verlorenem Posten.

  • Aha. Wie soll er dann in Gestalt einer nachgebauten Kirche reinkarnieren? Erkennst du wirklich nicht die Absurdität dieser Argumentation?
    Hier geht es eben um Architektur und Stadtbildreparatur - NICHTS anderes. Auch wenn unserer Chefideologe was anderes zu sehen glaubt.


    Die "früher war alles besser" Haltung beinhaltet aber zuweilen auch die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen.


    Die eher unpolitischen Kunstliebhaber trauern wohl vor allem dem früheren Protz und Prunk nach. Die relativ uneitle Angela Merkel in ihrem betont schlicht eingerichteten Sichtbetonschloss wirkt ja nicht besonders glamourös. Den Gegensatz zwischen "Protz und Prunk" auf der einen und betonter Schlichtheit auf der anderen Seite gibt es auch bei den Kirchen bis heute. Siehe Tebartz van Elst.


    Viele sind der Ansicht, dass erst die eigentlich überflüssigen luxuriösen Dinge das Leben schön machen. Wobei die Frage ob etwas schön ist eben auch Geschmackssache ist. Ich besuche gern unsere umstrittenen subventionierten Theater. Und empfinde den in meinen Augen kitschigen Saal des Berliner Ensemble als störend und mag eher das schlichtere deutsche Theater oder auch die nackte Funktionalität der Schaubühne.


    Häufig höre ich auch angesichts der Schlösser, Kirchen oder des Gendarmenmarktes die Meinung früher hätten die Herrscher wenigstens noch etwas Schönes fürs Volk bauen lassen. Selbst wenn man diese angebliche Intention der Entscheider unwidersprochen stehen ließe wäre die Selbstherrlichkeit solcher Entscheidungen kritisch zu sehen. Das Extrem in der Hinsicht bot ja König Ludwig II in Bayern.


    Heute sind es Projekte wie die Elbphilharmonie, teure Museen oder Flughäfen und Bahnhöfe mit hohen Kosten. Also mehr oder weniger verschwenderische staatliche Bauprojekte "fürs Volk" gibt es nach wie vor. Um zum Thema zurück zu kommen. Ich würde für diesen Kirchen(neu)bau nicht indirekt mit-zahlen wollen aber es wird mich natürlich auch niemand um Erlaubnis fragen.

    Einmal editiert, zuletzt von Chandler ()

  • Da stimme ich der abrissbirne zu (und weiss nicht ganz genau, ob zur Erklärung der Potsdamer Verhältnisse wirklich Angela Merkel, Tebartz van Elst und Ludwig. II. von Bayern herhalten müssen - wie Chandler meint).


    Die Garnisionkirche ist mit ihrer durch die Nazis aufgeladenen Symbolik derer sich die Kommunisten nahtlos führ ihre Zwecke bedient haben schlicht der einfachste Angriffspunkt.


    Fakten können da nur stören.
    - Wen interessiert es schon, dass die Nazis die Reichstagseröffnung eigentlich ganz woanders stattfinden lassen wollten (Goebbels war ja gerade erst drei Wochen im Amt), zuletzt im Langen Stall.
    - Wen interessiert es, dass die Kirchen zwei Eröffnungsgottesdienste in der St. Peter und Paul Kirche (kath.) und Nikolaikirche (ev.) durchsetzte, um den religiösen Anspruch von der Eröffnung zu nehmen.
    - Wen interessiert es, dass die Zeitgenossen den "Tag von Potsdam" eher als Symbol dafür auffassten, dass die konservativen Eliten die Nazis eben doch "im Griff" haben.
    - Wen interessiert, dass Goebbels sich mehrfach über das schwarz-weiss-rote Fahnenmeer im Potsdam beschwerte und deshalb am Morgen des "Tages von Potsdam", um die von Hindenburg geprägte Eröffnung zu konstrastieren, mit Hitler Kränze auf dem Luisenstädtischen Friedhof für NS-Kämpfer niederlegte.


    Nein, Ulbricht und die SED müssen doch wenigstens in diesem einen Punkt, im Kampf gegen die Nazis, ihrer letzten und moralisch unanfechtbaren Position RECHT gehabt haben. Zweifel ausgeschlossen.

  • Ich glaube, dass dem Beitrag von Konstantin ein Missverständnis zugrunde liegt. Das Problem der Garnisonkirche ist nicht nur der Tag von Potsdam, sondern es ist die Tatsache, dass die Garnisonkirche eine Weihestätte für antidemokratische und militaristische Kräfte war. Auf diese Tatsachen weist auch der Beitrag von Martin Sabrow hin, auf den sich Konstantin offenbar bezieht. Es ist richtig, dass in der Garnisonkirche während der Weimarer Republik eher die schwarzweißroten Fahnen als die Hakenkreuzfahnen wehten. Es ist auch richtig, dass hier nicht so sehr die Nazis, sondern eher die rechtskonservativen und deutschnationalen Demokratiefeinde vom Ende der Weimarer Republik träumten.


    Die Frage ist nur: Wird die Garnisonkirche dadurch zu einem positiven Symbol? Sind die "schwarz-weiß-roten" Reaktionäre eine Tradition, auf die wir uns positiv beziehen sollen? Ich finde nicht. Ich denke eher, dass man sich positiv auf jene Kräfte beziehen sollte, die die Republik erhalten wollten und nicht auf jene, die an ihrer Abschaffung gearbeitet haben.

  • Das ist aber ein äußerst dünnes Argument. Da die Weimarer Republik in Deutschland, um es milde auszudrücken, allgemein wenig Ansehen genoss, gibt es hierzulande viele Orte die Symbolstätten für die antidemokratischen Kräfte der Zwischenkriegszeit sein könnten, wenn man sie denn dazu machen möchte. Nehmen wir das Karl-Liebknecht-Haus am heutigen Rosa-Luxemburg-Platz. Seit 1926 Parteizentrale der KPD. Einer Partei die konsequent eine blutige Revolution a la Lenin anstrebte und zweimal (1919 und 1923) damit auch dank (welch Ironie) mit Hilfe des ebenfalls undemokratisch gesinnten Militärs gescheitert ist. Den Nazis war die Symbolkraft des damaligen Bülowplatzes für die Kommunisten wohl bekannt und benannten ihn kurzerhand in Horst-Wessel-Platz um. Im Karl-Liebknecht-Haus residiert heute die KPD- und SED-Nachfolgepartei DIE LINKE sowie die vollends zur linksradikalen Splittergruppe verkommene FDJ. Da kräht kein Hahn nach.


    Der Wunsch nach dem Wiederaufbau richtete sich nie nur auf die Geschichte des Gebäudes sondern immer auch ganz zentral auf seine überregionale architektonische und städtebauliche Bedeutung. Daher ist die Frage, "ob die 'schwarz-weiß-roten' Reaktionäre eine Tradition [sind], auf die wir uns positiv beziehen soll[t]en?" eigentlich symptomatisch. Davon war nie die Rede. Das die Absicht bestünde, behaupten die Gegner immer wieder aber dadurch wird es nicht wahrer.

    Einmal editiert, zuletzt von Saxonia ()

  • Ich glaube, dass dem Beitrag von Klarenbach ein Mißverständnis zugrunde liegt. Kein Mensch hat behauptet, dass die Garnisionkirche durch das Hissen von schwarzweissroten Flaggen zu einem positiven Symbol wird (der Begriff "rechtskonservativ" ist abwegig, weil eine Tautologie, Begriffe wie "Reaktionäre" und "antidemokratische Weihestätte" gehören eher in das Wörterbuch eines SED-Lehrbuches als in den Sprachschatz einer seriösen Diskussion. Mit Martin Sabrow, den ich nicht gelesen habe, hat das auch alles nichts zu tun - also: bleib' doch bitte bei den Fakten.


    Zuerst war in der Argumentation der Gegner eines Wiederaufbaus der "Tag von Potsdam" Schuld daran, dass die unbestrittene städtebauliche und baukünstlerische Wertigkeit der Garnisionkirche hinter diese "Schande" zurücktreten musste. Wie kommt die Initiative denn sonst zu Plakten, bei denen in die Hakenkreuzflagge statt desselben die Garnionkirche einmontiert wurde?


    Bei näherer Betrachtung waren es für dich jetzt die konservativen Eliten, die nach dem Ende des 1. Weltkrieges und seinen Ergebnissen das neue System ablehnten. Die, die die Garnisionkirche gesprengt haben waran auch allesamt keine Demokraten, nicht die SED, nicht die sowjetische Besatzungsmacht, sondern Stalinisten der übelsten Prägung.


    Wenn also - trotz erwiesener städtebaulicher Wichtigkeit für die Gesamtaltstadt Potsdams und unbestrittener architektonischer Brillianz - die Gesinnung der Nutzer und/oder Erbauer eines Gebäudes, das ggf. zur Rekonstruktion ansteht, o. g. Faktoren überlagert wird es schwierig. Ich kenne da eine Reihe sog. zeitgenössischer Architekten, deren politische Ansichten ich hier besser nicht zum Besten geben.


    Inwieweit man beim Wiederaufbau von Schlössern, Kirchen und anderen städtebaulich markanten Gebäuden sich auf die "Kräfte beziehen sollte, die die Republik erhalten wollten" beantwortet sich doch von selbst - schon durch das Konstruktionsjahr wird mit "Republikanern" ein bisschen schwer.


  • Ich denke eher, dass man sich positiv auf jene Kräfte beziehen sollte, die die Republik erhalten wollten und nicht auf jene, die an ihrer Abschaffung gearbeitet haben.


    Klasse Idee. Sollten wir vielleicht in Berlin anfangen und zunächst mal ein paar Namensgeber diverser Straßenzüge und Gedenkstätten näher beleuchten. Karl-Liebknecht-Straße, Rosa-Luxemburg-Platz, Thälmann-Park, die Liste ist lang. Und da diskutieren wir allen Ernstes über die Relevanz einer Kirche aus dem frühem 18. Jahrhundert für Demokratie und Republik? Absurd.

  • ^^ Auch wenn Klarenbach gleich einen Herzkasper bekommt, aber gerade Ernst Thälmann war wohl ein recht primitiver Schlägertyp (wenn er nicht in der Rotfront gewesen wäre, wäre er halt in der SA gelandet). ;) Am Untergang der Weimarer Republik waren sicher auch nicht die 'konservativen Eliten' oder gar die Monarchisten schuld, sondern die neuen totalitären 'sozialistischen' Ideologien, die freudejauchzend in ihren Untergang marschiert sind.

  • ^ Und vom ZK der KPD wegen Korruption des Amtes enthoben. Danach von Josef Stalin persönlich wieder eingesetzt. Aber sein Tod in einem NS-Konzentrationslager macht ihn sakrosant.