Leipzig: Höfe am Brühl (eröffnet)

  • die alten fassadenreste standen damals nicht unter denkmalschutz, sonst hätten sie nicht verkleidet werden dürfen.


    ...als wenn das damals Jemanden interessiert hätte. :lach:


    Wer am Augustusplatz ein historisches Ensemble niederreißt, den juckt sicher nicht die teilbeschädigte Fassade eines alten Kaufhauses, auch wenn diese unter Denkmalschutz steht.

  • Was ich nicht verstehe ist, wie man eine Alufassade unter Denkmalschutz stellen kann. :doof: Häuser die unter Denkmalschutz stehen werden doch auch abgerissen, also kann man doch auch die Alufassade entfernen und die alten Fassade aus Ihrem Dornrösschenschlaf holen.

  • polemisch...

    ...sind meine Texte generell, weil ich zu oft lese, das jedes Gebäude, welches die magische 100jahres- Marke überschritten hat, als schützenswert erachtet wird. Das ist ein Paradoxon unserer Zeit. Wichtig ist es, das zu schützen, was einen kulturellen Wert hat, eine Geschichte, einen Charakter. Eine stete Weiterentwicklung, bedeutet eben oftmals eine stete "Neuinterpretation" des Stadtraums.

  • [QUOTE=LEgende;173591


    Wer am Augustusplatz ein historisches Ensemble niederreißt, den juckt sicher nicht die teilbeschädigte Fassade eines alten Kaufhauses, auch wenn diese unter Denkmalschutz steht.[/QUOTE]


    Und wer bezahlt die Wiederherstellung der Fassade? Ich als Unternehmer würde das auch nicht wollen. Was denkst du, im Übrigen, warum so viel abgerissen wird in Leipzig? Es gibt zuviel Wohnraum für zu wenig Leute. Die Sicherungskosten solcher maroden Häuser sind hoch, ganz zu schweigen von den Instandhaltungsmaßnahmen. Die Bewohner der Städte im Osten waren ja ganz geil darauf das Umland mit, vorsichtig formuliert "interessanten" Eigenheimen zu zersiedeln. In Berlin jedenfalls erkennt man das ganz deutlich. Ich finde, dass ist meckern auf hohem Niveau, gerade in der Stadt, mit der höchsten Altbaudichte Deutschlands.

  • NewUrban


    ich denke es ist ein wenig drastisch formuliert, das die über jahrzehnte in einem experimentalsozialismus eingesperrten menschen der ehemaligen ddr "geil" waren, eigenheime auf die grüne wiese zu setzen. findige unternehmer haben es ihnen als den "traum des eigenen heimes" so verkauft und wußten sie es besser nach 40 jahren unmündigkeit?


    das leipzig aufgrund seiner schätzenswerten altbausubstanz wohl zu recht um jedes stückchen geschichte kämpft, erachte ich als lobenswert und nicht umsonst mögen wohl einheimische wie auch besucher die stadt nicht wegen ihrer breiten straßen.
    wann immer du das letzte mal in leipzig warst, dann würdest du staunen, wie wenig hier mittlerweile (und wenn nurunter bürgerlichem protest) hier noch abgerissen, sondern wie viel hier (einer mir unverständlichen abrißliebe des sächs. innenministers zum trotz) mit liebe zum detail saniert wird.


    irgendwo habe ich mal ein zitat eines italieners gelesen, das da lautet: "wenn du ein haus baust, denke an die stadt" - und wenn ein investor/unternehmer sich irgendwo niederläßt, um geschäfte zu machen, dann sollte er das mit respekt machen - denn sonst ist er wertlos.


    was die brühlfassade angeht: auch buchhalter sollen ein gefühl für ästhetik besitzen, vielleicht ist noch nicht alles verloren ;)

  • NewUrban


    Das mit dem Bauen auf der grünen Wiese ist etwas komplizierter als Du es darstellst. Leipzig hat versucht z.B. Einkaufsparks am Rande der Stadt zu verhindern. Teilweise ist es gelungen (z.B. Miltitz). Der Saalepark/NovaEventis wurde dann einfach in Sachsen-Anhalt gebaut.


    Und kannst Du Dir vorstellen was passiert wäre, wenn damals - z.B. mit dem Rat zu warten bis die offenen Vermögensfragen geklärt sind- keine neuen Wohnungsbaustandorte ausgewiesen worden wären?


    Man kann das doch positiv sehen. Trotz der Schwierigkeiten und Fehler der 1990er Jahre, scheint doch in Leipzig ein nicht völlig hoffnungsloser Fall vorzuliegen.


    Investoren haben aber spezielle Ansprüche. Die können durchaus mit der reinen Lehre des Städtbaues kollidieren.


    http://www.deutsches-architekt…hp?p=175120&postcount=120



    Hinsichtlich der "Blechbüchse" gebe ich zu bedenken: Der Zeitgeist ändert sich. Was sagen wir der nächsten Generation, wenn wir gefragt werden, warum wir die Gebäude der z.B. 1960er Jahre alle entsorgt haben?


    Die Argumente für den Abriss der Gründerzeitbauten nach dem 2. Weltkrieg waren doch ähnlich.


  • Hinsichtlich der "Blechbüchse" gebe ich zu bedenken: Der Zeitgeist ändert sich. Was sagen wir der nächsten Generation, wenn wir gefragt werden, warum wir die Gebäude der z.B. 1960er Jahre alle entsorgt haben?


    Die Argumente für den Abriss der Gründerzeitbauten nach dem 2. Weltkrieg waren doch ähnlich.


    Man Bedenke nur einen kleinen Unterschied:
    Wenn die Blechbüchse heute verschwinden würde, würde dort ganz selbstverständlich wieder etwas ähnlich grob-modernes entstehen wie die alte Blechbüchse (= Wiederholung der vorgefundenen Qualitäten).


    Als nach 1945 die Gründerzeitbauten weggerissen wurden, entstand bewust was ganz anderes. Eine fein-handwerklich gearbeitete Fassade verschwand beispielsweise zugunsten einer glitzernden industriell gefertigten Matallfassade. Oft veränderte sich der Städtebau radikal.

  • NewUrban: Natürlich ist es teurer, wenn man eine schöne Stadt haben möchte. Aber sollte es Leipzig das nicht wert sein? Die geschlossene Gründerzeitbebauung ist einmalig in einer deutschen Grossstadt und das bringt doch auch Verantwortung mit sich. Stell dir mal vor, in Paris wäre es nur nach Wirtschaftlichkeit gegangen, wie traurig wäre das denn? Und da ist mit Sicherheit auch nicht jedes alte Haus kulturell bedeutend. Ok, wenn die Architektur wirklich so wenig zählt und es tatsächlich nur nach Wirtschaftlichkeit geht, dann hast du natürlich Recht. Ich finde das traurig.

  • Was hier von einigen völlig vergessen wird: der Brühl ist ein städtisches Filetstück um das sich vier oder fünf Konsortien beworben hatten. Aufgrund dieser Konstellation wäre jeder von denen bereit gewesen die Kaufhausfassade zu rekonstruieren, wenn der Zuschlag (neben einem guten Kaufpreis versteht sich) daran gebunden gewesen wäre. Eine absolut legitime Forderung bei solch einem Bauvolumen meines Erachtens. Das es nun nicht so kommen wird liegt an der Haltung der Stadtverwaltung, die sich nach kurzer öffentlicher Aufgeregtheit hinter die gefühlte Mehrheit der Leipziger stellte und für den Erhalt der Blechfassade plädierte. Mfi kommt das natürlich sehr entgegen. Für das was die planen braucht man nicht mehr als einen Bunker mit modischer Fassade und ein paar Schaufenstern im Erdgeschoss.


    NewUrban: Und wer bezahlt die Wiederherstellung der Fassade? Ich als Unternehmer würde das auch nicht wollen.


    Deine Aussage entbehrt nicht einer gewissen Komik. Es gibt sicher keine zweite deutsche Stadt in der in den letzen knapp 20 Jahren soviel (teil-)rekonstruiert wurde. Für die Investoren hat sich das i.d.R. immer bezahlt gemacht. Mit deiner Strategie dagegen hättest du in Leipzig keinen Blumentopf gewinnen können.

  • NewUrban:


    Wie schon einige meiner Vorredner erwähnt haben, sind die Kosten nicht das ein und alles. Fahr mal nach Leipzig und schau dir mal die vielen alten Bruchbuden an, die es aktuell noch gibt. Da würdest du wahrscheinlich sagen: "Abriss!". Und dann schau dir mal die etlichen Vorher-Nachher-Fotos hier im Forum an. Zum Glück gibt es auch andere Firmen. Es ist immer wieder unglaublich, welches Potenzial in diesen "alten Buden" steckt. Mit viel Liebe zum Detail werden da Verzierungen wieder hergestell bzw. komplette Fassadenteile neu angefertigt. Was mich freut ist, dass sich der Lohn dieser Firmen nun auszahlt, indem die Leute verstärkt in solche Häuser ziehen. Deswegen kann ich es auch nicht nachvollziehen, dass man noch Plattenbauten im Musikviertel sanieren will. Es gibt genügend Alternativen. Aber das ist sicher wieder ein anderes Thema.


    Bezüglich des Meckerns auf hohem Niveau: Ich bin hier geboren und diese Stadt liegt mir sehr am Herzen. Im Krieg und zu DDR-Zeiten wurde genug architektonische Idendität zerstört (vor allem Repräsentativbauten). Da ist es nur normal, dass man versucht das Stadtbild zu erhalten bzw. wieder zu rekonstruieren. Und wo bitteschön war die Chance jemals so groß wie diesmal, wo die alte Fassade ja zu großen Teilen noch vorhanden ist??? Schau dir das neue Karstadt an! Da beneidet uns sicher jede Stadt drum. Man soll ja nicht die Innenräume rekonstruieren, aber die Fassade außen herum. Ist das zuviel verlangt bei solch einem Mega-Projekt? Wahrscheinlich ja...

  • was das "meckern" auf hohem niveau angeht, so geb ich dir durchaus recht. ich bin absolut KEIN fan des neuen bildermuseums auf dem ehem. sachsenplatz...allerdings war die situation vorher auch nicht wirklich tragbar. in speziell diesem fall hat man den teufel mit sicherheit durch den beelzebub vertrieben d.h. war vorher daneben und ist auch jetzt einfach bescheiden...ansonsten hat sich LE doch prima entwickelt...

  • baukasten:


    wie du ganz richtig festgestellt hast, ist die alufassade denkmalgeschützt. es wäre doch ein unding, wenn die stadt es investoren zur bedingung machen würde, etwas denkmalgeschütztes abreissen zu lassen. mag sein, dass dir dies bei der blechbüchse gefallen würde. aber weiter gedacht, bringt eine aufweichung/abschaffung des denkmalschutzes mehr nach- als vorteile.


    und die fasade ist ja auch nicht grundlos unter denkmalschutz gestellt worden. es gibt in leipzig kein zweites bauliches zeugnis, welches den technikgläubigen zeitgeist der 60er in ähnlicher weise verkörpert. gerade diese singularität der fassade verleiht ihr den denkmalcharakter - als einzigartige architektonische erinnerung an ein zeitalter der utopien, in dem die zukunft der menschheit im weltall zu liegen schien.
    auf lange sicht wäre ihre (gestalterisch wie funktional) unsinnige vernichtung ein grösserer verlust, als der zugewinn durch die rekonstruktion einer soundsovielten gründerzeitfassade.
    für die künftige wirkung wird es sicher wichtig sein, inwieweit die anderen (zur zeit eingelagerten) versatzstücke des "ddr-spaceage" (die silbernen brunnen vom ehemaligen sachsenplatz und die neonleuchtschriften der brühlbauten) zu einem stimmigen ganzen zusammen gefügt werden. sie zu kuriositäten innerhalb der brühlhöfe zu degradieren, wäre meines erachtens unangemessen. die geplante autofreie umgestaltung des richard-wagner-platzes böte dagegen die chance, durch fassade, leuchtschriften und brunnen einen attraktiven und - mit jedem jahr mehr - unverwechselbaren stadtplatz zu schaffen.

  • ach...zum thema blechbüchse und denkmalgeschützte fassade kann ich nur mal so am rande das "alte" galeria kaufhof" gebäude am alex in berlin erwähnen. die fassade sollte ja auch - als reminiszenz an das alte centrum-warenhaus - zumindest am übergang zum "park inn" wieder angebracht werden...und...wo ist sie heute??? der übergang ist verputzt und beige gestrichen - that´s it!


    geb dj tinitus aber recht, die blechbüchse ist das ansehnlichste und erhaltenswerste der ddr-brühlbebauung. wäre schade drum!

  • gutes beispiel! das kaufhaus am alex sieht schon heute bieder und veraltet aus. da gibt es überhaupt kein gestalterisches statement mehr. absolut austauschbar. die meisten anderen der wenigen ddr-glitzerfassaden ereilt(e) das gleiche schicksal. vor allem, wenn plattenbauumgebung nach einem "soliden" kontrapunkt in sandsteinfassadenoptik schreit.
    aber das ist am brühl ja nicht der fall. die plattenbauten verschwinden. was bleibt, ist eine fassade, die (nach über 40 jahren!) auch im vergleich zu nachwende-kaufhausbauten immer noch futuristisch wirkt. auch das ist ein beweis ihrer qualität.


  • NewUrban: Und wer bezahlt die Wiederherstellung der Fassade? Ich als Unternehmer würde das auch nicht wollen.


    Deine Aussage entbehrt nicht einer gewissen Komik. Es gibt sicher keine zweite deutsche Stadt in der in den letzen knapp 20 Jahren soviel (teil-)rekonstruiert wurde. Für die Investoren hat sich das i.d.R. immer bezahlt gemacht. Mit deiner Strategie dagegen hättest du in Leipzig keinen Blumentopf gewinnen können.


    Nun das stimmt, die halbe Innenstadt Leipzigs wurde von einem gewissen Jürgen Schneider wieder erichtet (wahrlich aus Liebe zur Leipziger Innenstadt), Jedoch hatte auch er das Geld für dererlei vorhaben nicht wirklich

  • Das ist doch etwas übertrieben!
    Sicherlich hat Herr Schneider einen großen Anteil daran, aber an der gesamten Fülle der Bauvorhaben in der Innenstadt, wo es Rekos oder Teilrekos gab, sollte man sein Engagement nicht überbewerten! Das alle diese Bauvorhaben unwirtschaftlich waren würde ich bestreiten. Immerhin gibt es auch ein aktuelles Beispiel, wo es doch in einem nicht unbeachtlichen Maße Reko-Arbeiten gibt. Der Handelshof inkl. Dachaufbau und Fassade (vor allem im Erdgeschoss-Bereich) und das ist auch gut so!


    MfG
    Steve

  • ^ Es gibt eine Homepage, die sich mit dem Wirken des Dr. Jürgen Schneiders in Leipzig befasst:


    http://www.schneider-in-leipzig.de/


    Schneider ist nach wie vor ein angesehener Gast in Leipzig. Von offizieller Seite hält man sich zwar aus gegebenem Anlass diskret zurück, aber wo Schneider auftaucht, wird er sofort umschwärmt. Inzwischen gibt es sogar spezielle Schneider-Stadtführungen. Motto: "Auf den Spuren von Jürgen Schneider".

  • Inwiefern müssen die Fassaden eigentlich überarbeitet werden, ist die Hoffnung auf eine ähnlich ansprechende Fassade wie bei der Marktgalerie gerechtfertig oder wird die ganze Geschichte passend mit Wellblech verkleidet bleiben? Wann müssen denn endgültige Entwürfe vorliegen?


    Fragen über Fragen und Danke für die Antworten.:)

  • heute (22.5.) werden die planungen zu den höfen am brühl vorgestellt und anregungen für die gestaltung des richard-wagner-platzes entgegen genommen.