Göttingen: Robert-Gernhardt-Platz (ehemaliges Stadtbadareal)

  • Göttingen: Robert-Gernhardt-Platz (ehemaliges Stadtbadareal)

    Obwohl es für einen klassischen Bau-Thread eigentlich schon zu spät ist, möchte ich an dieser Stelle doch einmal auf die Neubebauung des Göttinger Stadtbad-Areals hinweisen. Das alte Stadtbad war schon Ende der Neunzigerjahre abgerissen worden, und seitdem wurde dieses innerstädtische Filetgrundstück in Steinwurfweite zur Hauptfußgängerzone als unbefestigter Parkplatz missbraucht. Bereits seit zwei Jahren entsteht nun das "Quartier am Leinebogen" (um alberne Namen kommt man offensichtlich nicht mehr herum) nach einem Entwurf des Architekten und Stadtplaners Andreas Uffelmann. Die Rohbauten sind fertiggestellt; das Richtfest wurde gefeiert; und die Bauarbeiten sollen im Frühjahr dieses Jahres abgeschlossen sein - was allerdings eine Eröffnung meiner Einschätzung nach frühestens im Sommer erlaubt.


    Im Kern handelt es sich um zwei Gebäude für zusammen rund 14 Mio. Euro, die den Beschränkungen moderner Investorenarchitektur unterworfen sind, ohne dabei allzu langweilig oder gar hässlich geraten zu sein. In Fläche und Traufhöhe orientieren sie sich nicht an der historischen Altstadt, sondern an den unmittelbar angrenzenden Blöcken - der Siebzigerjahre-Shoppingcentersünde namens Carré, der architektonisch anspruchsvolleren ehemaligen Hauptverwaltung der Sparkasse (die heute eine New-Yorker-Filiale beherbergt) und der alten Staatsanwaltschaft am Waageplatz. Anbei ein Luftbild, dass die Situation vor Baubeginn zeigt: Rechts oben das Carré samt Parkhaus, am linken Bildrand die Staatsanwaltschaft. Gebaut wird auf dem Parkplatz in der Bildmitte.


    Geplant ist die für ein solches Projekt übliche Nutzung mit Büros, Arztpraxen, Wohnungen und Geschäften; die verlorenen Parkplätze werden durch einer Tiefgarage ersetzt. Interessant ist allerdings die Freiflächengestaltung: Eine sich verbreiternde Fußgängerfläche, die über eine Treppenanlage auf einen neugeschaffenen Platz führt. Dieser ist von einer historischen Wassermühle und vom Leinekanal begrenzt (nicht von der Leine selbst - der Name ist wirklich bescheuert!), und soll im Sommer als Außenfläche für Cafés und Restaurants genutzt werden. Vorausgesetzt, dass sich interessante Pächter finden und nicht der übliche Sausalitos-Quatsch dort einzieht, könnte dort eine wirkliche Bereicherung für das Göttinger Stadt- und Nachtleben entstehen.


    Soweit eine erste Einführung. Auf Bilder vom aktuellen Stand der Bauarbeiten müsst ihr witterungsbedingt zunächst verzichten. Ich lasse sie folgen, sobald der Regen einen Außeneinsatz zulässt. :o

    2 Mal editiert, zuletzt von Architektenkind () aus folgendem Grund: Link zum Luftbild ergänzt

  • Vielen Dank für die Info! Ich kenne das Areal noch aus meiner Studienzeit in Göttingen und bin froh, dass dort etwas passiert. Die Visualisierung ist ganz ansprechend, auch wenn ich mich mit der Fassadengestaltung nicht ganz anfreunden kann. Weißer Putz und Holzverkleidungen (?) sehen neu gebaut immer ganz toll aus, altern aber eher unschön. Na, ich bin mal auf die Fotos gespannt…

  • Liebe Leute, anlässlich des Winterwunderwetters kann ich endlich die seit langem angekündigten Bilder zum ehemaligen Stadtbadareal in Göttingen liefern. Vorab jedoch der aktuelle Stand der Bauarbeiten: Die Rohbauten sind weitgehend fertig; die Gerüste werden bereits abgebaut. Trotz des Frostes haben auch die Arbeiten am Außengelände begonnen – eine neue Fußgängerbrücke führt über den Leinekanal; eine Terassenanlage zum Kanal hinunter ist im Bau. Unterdessen hat der Rat der Stadt beschlossen, das Gelände nach dem verstorbenen Lyriker und Satiriker Robert Gernhardt zu benennen. Anstelle von Stadtbadareal oder „Quartier am Leinebogen“ (siehe oben) heißt es jetzt also Robert-Gernhardt-Platz – damit kann man leben. Nun aber zu den Fotos:


    Zunächst ein Blick vom Waageplatz über den Leinekanal – rechterhand die erwähnte Brücke, links davon die Treppen zum Wasser (von dem derzeit freilich nichts zu sehen ist; der Kanal wurde für die Dauer der Bauarbeiten weitgehend trockengelegt):



    Rechts der Brücke schließt ein Fachwerkhaus an, dass seit Jahren leer steht, jetzt aber zu einem Restaurant umgebaut werden soll. Gemeinsam mit der Mauer wird es eine attraktive Kulisse für sommerliche Außen-Gastronomie abgehen. Links davon der südliche der beiden Neubauten, der neben Geschäften in erster Linie Wohnungen beherbergen wird:



    Hier der nördliche Neubau, aufgenommen aus Richtung der Innenstadt. Hier werden Läden, Arztpraxen und Büros unterkommen. Im Hintergrund der Waageplatz mit der alten Staatsanwaltschaft:



    Noch vollständig eingerüstet ist der südliche Neubau zum Stumpfebiel hin. Ob der Anschluss an den Altbestand gelungen ist, lässt sich also noch nicht beurteilen:



    (Alle Bildrechte liegen bei mir.)

    3 Mal editiert, zuletzt von Architektenkind ()

  • Vielen Dank für die Fotos, Architektenkind! Die Bauten gefallen mir ganz gut, wirken aber für Göttinger Verhältnisse fast schon zu groß. Wie gut verträgt sich das neue Areal mit den historischen Bestandsbauten?

  • ^Das lässt sich noch nicht so ganz sagen, weil noch zu viel Folie und Baumaschinen den Blick verstellen. Die Größe ist m.E. allerdings kein Problem, da der Bezug in erster Linie im Carré, in der alten Sparkasse und in der Staatsanwaltschaft am Waageplatz besteht. Diese Gebäude haben alle eine vergleichbare Dimension.


    Um die Wirkung endgültig beurteilen zu können, müssen wir noch die Fertigstellung der Außenanlagen abwarten. Und die der Fassaden, versteht sich. Ich werde das Forum mit Bildern auf dem Laufenden halten.

  • Zu der Architektur kann ich nun im Detail leider nicht viel sagen, nur dass ich sie durchaus in Ordnung finde, aber auch nichts besonderes.
    Im städtebaulichen Kontext gesehen sind die Gebäude nicht zu groß, da sich angrenzend das großvolumige Einkaufscenter Carré befindet. Die Kleinteilige Altstadt ist von diesem Neubau-Ensemble meiner Meinung nach nicht direkt betroffen, da sich die Neubauten etwas abseits befinden und somit nicht die "wichtigen" Blickbeziehungen stören. Ich meine die Achse Uni Richtung Altstadt, die zur Haupteinkaufsstraße wird.
    Gut finde ich, die Mischung von Wohnung, Gewerbe, Diensleistung und hoffentlich dann auch Gastronomie. Denn der große Platz und das Fachwerkhaus schreien regelrecht nach Gastronomie, denn der Platz am Leine-Kanal lädt wirklich zu verweilen ein.
    Und das ist meiner Meinung nach auch der wichtigste Punkt dieses Projektes. Denn wichtig und genau richtig ist der Zugang zum Leine-Kanal, der nun durch die Treppen und die Terrassen realisiert wurde. Vorher war die Erlebbarkeit des Leine-Kanals kaum möglich, da der Kanal durch Mauern verbaut war.

  • Neue Bilder

    Der Robert-Gernhardt-Platz ist seit letzter Woche offiziell eröffnet. Auch wenn immer noch gebaut wird und (außer einer Sparkassen-Automatenfiliale) noch keine Geschäfte eingezogen sind, nutze ich die Gelegenheit für ein kleines Foto-Update:


    1. Zunächst die Ansicht vom Waageplatz aus über den Leinekanal. Am Wasser ist eine Plattform entstanden, die, wie man sieht, bereits rege genutzt wird. Von einer "Attraktion" zu sprechen, wäre sicher zu viel; aber ein lauschiges Plätzchen ist es schon:



    2. Ganz und gar nicht lauschig ist die Lage, wenn man einen Blick hinter die alten Mauerreste wirft: Hier soll irgendwann mal Außengastronomie hin, aber bislang hat sich kein Pächter gefunden – was angesichts der immensen Sanierungskosten auch kein Wunder ist. Das Fachwerkhaus wird wohl bis auf Weiteres eine Ruine bleiben; ob der Platz selbst in der Zwischenzeit anderweitig genutzt werden soll, entzieht sich meiner Kenntnis.



    3. Diese Ansicht hatten wir beim letzten Mal nicht – ganz hübsch, aber nichts Spektakuläres.



    4. Zu guter Letzt noch einmal der Blick vom Stumpfebiel aus. Obwohl der Übergang zum Bestand sehr schroff geraten ist, gefällt mir diese Ansicht gut.



    © Alle Bildrechte liegen bei mir.