Dom-Römer-Areal: Bau-Thread

  • ^ Das wirst du in dieser Form auch nicht finden. Die einschlägigen Normen für Bandschutz, tragende Wände, Außenwände, Pfeiler, Stützen, Trennwände, Brandwände, Decken und Dächer sind die §§ 13, 25-29 HBO). Sie formulieren generell abstrakt die zu erfüllenden Anforderungen, schreiben aber kein bestimmtes Material vor, d.h. es sind alle Materialien zulässig, welche die an das jeweilige Bauteil gestellten Anforderungen erfüllen; ganz wesentlich ist insoweit die Anlage I zu § 13 HBO. Wenn hier für tragende Wände, Brand-, Außenwände usw. wirklich nur Beton zulässig wäre, hieße das ja quasi im Umkehrschluss, dass andere Materialien die Anforderungen nicht erfüllen; ob das wirklich der Fall ist, weiß ich nicht, kann ich mir aber nicht vorstellen.


    Mir scheinen eher wirtschaftliche Überlegungen den Ausschlag für die Verwendung von Beton zu geben. Mit Beton baut man im Vergleich zu Ziegel- oder Kalksandsteinmauerwerk bei gleicher Tragfähigkeit schlanker, also platzsparender, was bei kleinen Grundrissen ein nicht zu unterschätzender Faktor ist, abgesehen davon dürfte es mit Beton schneller und flexibler gehen; vermute ich, weiß ich aber nicht.

  • Der einzige Grund, warum Stahlbeton überhaupt solch einen Siegeszug angetreten hat, waren schon immer die niedrigeren Kosten. Spätestens seitdem menschliche Arbeitszeit solch ein Kostenfaktor geworden ist. Wenige Betonbauer, die große Mengen Material in recht kurzer Zeit verarbeiten können Vs. jeder Ziegel, der einzeln in die Hand genommen und sauber aufgemörtelt werden muss. Darum hätte mich auch hier gewundert, wenn es dafür irgend einen anderen Grund gegeben hätte.

  • Wichtig sind natürlich die Brandschutzklassen F30 -F180, bzw der Brandwiderstand. Andere im Brandfall wichtige Merkmale sind Tragfähigkeit und Rauchdichtigkeit. Betonwände sind etwa 10-15% schlanker als Mauerwerkswände.

  • Der einzige Grund, warum Stahlbeton überhaupt solch einen Siegeszug angetreten hat, waren schon immer die niedrigeren Kosten.


    Ein weiterer wesentlicher Grund für Stahlbeton sind die monolithischen Wände die man damit erzielt, die keine Setzrisse bekommen (dafür Risse entlang der Fugen), keine aufwändigen Fensterstürze brauchen und bei guter Verarbeitung, einen Verzicht auf Innenputz erlauben: Direkt streichen oder tapezieren ist günstiger (dafür ist dann der Dremel mit 1,5mm Diamantbohrer zum Bilder aufhängen fällig).
    Hier sehe ich aber als wesentlichen Faktor die gegenüber modernen Ziegelkonstruktionen höhere Masse der Betonwand, da ich noch immer an eine sehr knappe Kalkulation der Auftriebskräfte der Tiefgarage glaube (man ist sicher dankbar für jede Tonne mehr Masse obendrauf).

  • Braubachstraße 21


    Ich weiß, warum bisher niemand ein Foto vom Baugeschehen an der Braubachstraße 21 gemacht hat.



    Niemand möchte in Verbindung mit der Wiedererrichtung eines Teils der Frankfurter Altstadt als "Schlechte-Laune-Verbreiter" agieren. Wir haben uns doch alle insgeheim eine große Fläche mit Sand- und Ziegelsteinlagern, mit Maurern, Steinmetzen und Zimmerern vorgestellt. Und jetzt wird da einfach innerhalb weniger Tage, sozusagen als Dom-Römer-Baustart, ein Betonkasten "hingerotzt", der sich trotz vorhandener Maueröffnungen in Form von Rundbögen kaum von den danebenstehenden Baucontainern abhebt. Das ist irgendwie frustrierend. Der später folgende Putz und die Sandstein-Einsäumungen werden bestimmt noch ein ansehnliches Gebäude daraus machen, aber auch ich frage mich, warum in diesem Fall Betonwände zum Einsatz kommen. Lernen die Architekten an der Uni wirklich keine anderen Bautechniken mehr? Ein echtes Gemäuer wäre bestimmt auch nicht unbezahlbar gewesen.


    Beim Vergleich der Ausführung mit den veröffentlichten Planungen fällt zudem auf, dass an der Nordseite eine extreme Vereinfachung der ursprünglichen Pläne erfolgt ist.

  • Danke. Zu den zuletzt veröffentlichten Planungen von Jourdan & Müller, hier die erste Grafik, fallen mir keine Abweichungen auf. Für die Nordseite hat man sich für die Variante "Brandmauer mit Fensteröffnungen" entschieden.

  • Zitat von Beggi

    Und jetzt wird da einfach innerhalb weniger Tage, sozusagen als Dom-Römer-Baustart, ein Betonkasten "hingerotzt"


    Das mit den wenigen Tagen ist auch so eine spannende Geschichte: Bei Großbauten ist die Arbeit mit Stahlbeton unschlagbar schnell und billig, da man mit wenigen Arbeitern immer wieder gleiche Schalungen aufbauen, füllen und freilegen kann und der Zeitbedarf für den Aufbau des nächsten Abschnitts mit der notwendigen Härtezeit des Betons zusammenpasst. Bei kleinteiligen Gebäuden mit vielen Ecken und Winkeln und noch nicht einmal rechtwinkligem Grundriss, vielleicht sogar noch von den Standardmaßen der Schalung abweichenden Längen und Breiten, ist so viel Fummelarbeit je Etage erforderlich wie für einen riesengroßen Abschnitt bspw. der Skyline Plaza. Und dann muss man auch noch warten bis der Beton ausgehärtet ist und hat keinen zweiten Bauabschnitt in dem es weitergehen kann. Vierzig Quadratmeter Betonwand brauchen genausolange bis zur Belastbarkeit wie Vierhundert.
    Wenn es also nur um Geschwindigkeit und Kosten ginge, wären großformatige Kalksandsteinblöcke bei dieser Gebäudegröße eher das Material der Wahl.
    Warum also Beton?

  • Erwägungen von "bis in alle Ewigkeit" haltbarer Ziegelgewerke sind wohl darum hier auch irrelevant, weil das ganze soweit ich das sehe ja auf einem Stahlbetonbauwerk steht, die Tiefgarage im Untergrund ist dabei ja sogar ganz besonderen Belastungen ausgesetzt und altert entsprechend (Grundwasser drumherum, Streusalz im Winter von oben).


    Also eine Altstadt 2.0, die ähnlich wie das Original mehrere Jahrhunderte steht und noch stünde, hätte es keinen Krieg gegeben, dürfte das so oder so nicht werden. Da ist es irgendwie nur folgerichtig, sich dann dem Material der Tiefgarage ("schwächstes Glied") anzupassen, was mit Sicherheit trotz mancher Abweichung vom rechten Winkel billiger sein dürfte als aufzumauern.

  • Wir haben uns doch alle insgeheim eine große Fläche mit Sand- und Ziegelsteinlagern, mit Maurern, Steinmetzen und Zimmerern vorgestellt.


    Nicht zu vergessen die knarzenden Holzgerüste und die niedlichen Pferdefuhrwerke, die in beschaulichem Trott die Ziegelsteine von der Brennerei in der Steinbacher Hohl herschaffen...


    Ich weiß gar nicht, ob ich mir was vorgetellt habe, über den Bauprozess habe ich ehrlich gesagt nicht nachgedacht, eher über das Ergebnis; aber Beggis Einwand drückt ja die ganze Zweispältigkeit des Projekts aus. Kann Stahlbeton mit vorgehängten Holz- und Sandsteinfassaden.... Jeder weiß doch, dass es am Ende nur so aussieht, als ob. Bitte nicht noch mal von vorne.


  • Also eine Altstadt 2.0, die ähnlich wie das Original mehrere Jahrhunderte steht und noch stünde, hätte es keinen Krieg gegeben, dürfte das so oder so nicht werden.


    Mag sein, dass "die Altstadt" Jahrhunderte gestanden hat, aber bei weitem nicht die einzelnen Häuser. Es hat immer Abrisse und Neubauten, Um- und Anbauten gegeben, von daher dürften nur die wenigsten Häuser wirklich Jahrhunderte alt gewesen sein und viele von ihnen stünden sicher heute nicht mehr, so marode wie sie waren.

  • Es ist ein Unterschied, ob Häuser durch sukzessiven Austausch einzelner Teile und Instandhaltung quasi ein unbegrenztes Leben haben oder die Gesamtstruktur irgendwann Probleme macht. Ich habe mal eine Burganlage besucht, die nur aus Natursteinen gemauert war, mit massiven Holzeinbauten aus Eiche für die Fußböden usw. Der stolze Burgherr zeigte uns dann sozusagen den strukturellen Kern der Burg, im Untergeschoss ein einzelner, massiver Eichenpfahl in der Mitte, der quasi die ganze Innenstruktur des Burgbaus im Inneren seit vielen Jahrhunderten hält und die Stützkräfte in den Untergrund ableitet und dabei mit der Zeit noch immer stabiler und stabiler wird, wie ihm Bauexperten versichert hätten, solang er trocken bleibt. Nötiger Austausch: niemals.


    Wobei nicht einmal Feuchtigkeit das Problem wäre, sondern nur ein Wechsel von Feuchtigkeit und Trockenheit. Vgl. das Gesamtkunstwerk Venedig, wo prachtvolle Dogenpaläste seit Jahrhunderten auf ein und den selben Eichenpfählen im Wasser ruhen, ohne dass diese regelmäßig im Hauruck-Verfahren komplett austauschbar wären, ähnlich wie man einen Motor nicht im laufenden Betrieb tauschen kann, diese Pfähle benötigen vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit, seit Jahrhunderten - mit Stahlbetonpfeilern wäre das undenkbar gewesen, das Salzwasser hätte diese bereits nach wenigen Jahrzehnten komplett zerfressen und Venedig stünde längst nicht mehr. Selbst Herausforderungen, mit denen die Erbauer nie rechnen konnten, wie Klimawandel, Speedboot und Kreuzfahrtschiffe, wettert die Grundkonstruktion aus Eichenpfählen nach wie vor gut ab.


    Unsere vermeintlichen, ach so "modernen" Baumaterialien sind einfach vergleichsweise kurzlebig. Die Debatte hatten wir im Forum auch schon zigmal, die meisten wollen von Kritik an Stahlbeton eh schlicht nichts hören. Soll mir auch recht sein. Bei einer Altstadt (oder zB einer Schlossreko wie in Berlin) hätte man sich halt schon wünschen können, traditionellere Materialien zu verwenden - wenn schon unbeirrbar an die Überlegenheit von Stahlbeton & Co. geglaubt wird, dann wenigstens aus Gründen der Authentizität. Aber auch hier muss man sagen, der Kas is gessn, der Drops gelutscht (oder wie man auch in Hessen sagen mag). Am Römerberg war man da, in den 1980ern, nach meinen Begriffen schon weiter und hat auch bei den Materialien und nicht nur bei den Fassaden auf Authentizität großen Wert gelegt. Und in den kommenden Jahrzehnten wird man dann auch vergleichen können, welche Bauweise sich als haltbarer erweist, auf das schiere Alter usw. lassen sich Unterschiede dann ja nicht mehr schieben, die 80er zähle ich durchaus noch als zeitgenössisch und dementsprechend sind die Römerberg Rekos ebenfalls zeitgenössische Rekos.

  • Wenn ich Deinen Pessimissmus ernstnehme, dann hat die "neue Altstadt" ohnehin nur eine begrenzte Lebensdauer, denn die Tiefgarage darunter ist jetzt ca. 40 Jahre alt und wird dann wohl irgendwann zusammenbrechen oder verfüllt werden müssen.
    Damit wäre es dann auch egal, ob es eine hochwertige Rekonstruktion oder Fachwerktapete auf WDVS ist.
    Zum Glück sind diese Entscheidungen längst gefallen.

  • Ich vermute mal, dass die jetzt zu besichtigenden Betonwände noch ummauert werden, die Obergeschosse werden ja in jedem Fall als volltragende Fachwerkkonstruktionen errichtet, so ist es zumindest geplant gewesen und es gab meines Wissens keine Änderung dieser wichtigen Vorgabe, die sicherstellen soll, dass die neue Altstadt eben nicht aus reinen Fassadenrekonstruktionen bestehen wird.


    ^Den Stahlbeton als solchen sehe ich nicht so kritisch wie Eisber. Auch Naturstein hat ja so seine Tücken. Wenn man beim Beispiel der Burg bleiben möchte, hätte die Wahl eines falschen Steines auch die Haltbarkeit bzw. die Integrität der Konstruktion gefährdet. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Herkules-Gebäude in Kassel, das mit einem Naturstein (Lapilli-Tuff) gebaut wurde, der sich später als sehr unbeständig bzw. nicht ausreichend witterungsbeständig erwiesen hat und heuer mit großen Aufwand ständig erneuert werden muss.


    Die Probleme, die wir heute mit Stahlbeton haben, sind aus meiner Sicht eher in "Pfusch" in Ausführung, Material und Planung begründet. Mit Pfusch meine ich dabei nicht so sehr den klassischen Pfusch am Bau selber, sondern auch die Unsitte, Fundamente und Konstruktion außgesprochen schmal auszulegen, so dass nur geringfügige Umnutzungen bzw. intensivere Nutzungen oder auch Auf- und Anbauten die Stabilität der Gewerke beeinträchtigen und zu Sanierungsbedarf, der in der Regel ausgesprochen teuer ist, führen.


    Im Mittelalter hat man Fundamente und Konstruktionen nicht gut berechnen können, weshalb man die Konstruktionen sehr großzügig auslegte. Das Fundament des Kölner Domes würde wahrscheinlich noch einen zweiten und dritten Dom tragen können. Es ist egal, ob ich ein Fundament mit Holz oder Beton ausführe, wenn es zu schwach bzw. "auf Kante" ausgelegt ist, bekomme ich Probleme.


    Die Brückenbauten der Gründerzeit wurden in der Regel mindestens mit dem Faktor 10 und mehr ausgelegt, um auch für spätere Nutzungen ausreichende Reserven zu bieten. Das war zwar teurer, aber auf mittlere Sicht billiger und vor allem nachhaltig und generationengerecht. In den letzten Jahrzenten machte man Schulden, um Brücken zu bauen, die vielleicht mal dem Verkehrswachstum von ein oder zwei Generationen standhalten. Das Ergebnis ist, dass heutige Generationen die Schulden von damals finanzieren und neue Brücken bezahlen müssen ...


    Achja, habe eben gerade noch einen Artikel aus dem Spiegel von 1979 gefunden, der die ausgesprochen kontroverse Diskussion zur Rekonstruktion der Ostzeile Römerberg theamtisiert. Die Argumente sind "wohl" bekannt und wenn man das heute liest, reibt man sich die Augen. Die heutigen Altstadt-Gegner haben wohl nichts dazu gelernt. Schlagworte sind "Verlogende Kulisse", "Uralthäuser" oder auch "Mischung aus Jahrmarktarchitektur, Disneyland und Brauerei-Nostalgie". Aber lest selber:


    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40351751.html

  • Diese Schlagwörter stammen ja auch von einer anderen Generation. Das "Architektur-Establishment" der Nachwendejahre hatte noch das Wilhelminische oder auch das Monumentale der NS Zeit im Rücken und für die war Bauen mehr als nur Bauen, es war politisches Programm und Ausdruck von Gesellschaft und Lebensstil. Der Bruch mit allem architektonischen Erbe war eine bewusste Zäsur und Teil eines flächendeckenden Bruchs mit dem eigenen kulturellen Erbe, in Folge der NS Zeit. Es war auch eine Generation die, das mag ich ihr auch nicht zum Vorwurf machen, das, mit dem sie aufwuchs und was für sie selbstverständlich war, einfach sichtlich wenig wertschätzte (wieso ich das nicht zum Vorwurf mache: weder meine Eltern noch Großeltern sind alt genug, um die NS Zeit als Erwachsene erlebt zu haben, ich habe niemand dem ich die Frage stellen muss "und was war deine Rolle dabei?", ich bin nicht durch meine Familienbiographie innerlich zerrißen und suche deswegen auch nicht die maximale Distanzierung von dieser furchtbaren Zeit, indem ich einen "Schlußstrich" unter meine gesamte Herkunft, inkl. deutscher Kulturgeschichte, ziehen möchte,... ich kann nachvollziehen, dass diese Generation das wollte - aber dennoch hatte diese Generation kein Recht, vollendete Tatsachen zu schaffen und damit diese Entscheidung auch für alle nachfolgenden Generationen zu treffen).


    Ich bin jünger als diese Römerberg-Reko und ich bin in einer ganz anderen Zeit aufgewachsen. Ich hab heute noch eine Sauklaue, weil es unter den Pädagogen, die mich ab Klasse 1 unterrichteten, nicht als schicklich galt, Kindern eine schöne Handschrift anzuerziehen und schaue mit staunen zu, wenn ich meine Oma in Sütterlin schreiben sehe, das sieht für mich dann nicht wie eine einfache Notiz aus, sondern wie ein kleines Kunstwerk. Ich könnt mich jedesmal darüber ärgern, wenn ich dann was mit der Hand hinkrakel, dass mich da keiner angeleitet hat, als ich es brauchte, aus falsch verstandener Liberalität. Oder anstatt schönem, zeitlosen Tischlermobiliar irgendwas ach so "modernes" aus Presspan vom Schwedendiscounter in unserer Wohnung als ich Kind war. Statt besinnlicher Weihnachtslieder und Christkind die Cola-Werbefigur und irgend n Jingle-Bells Popsong. Statt identitätsstiftender und gemütlicher Architektur der selbe 0815 "internationale Stil" wie überall. Und als ich zur WM 2006 in Deutschlandfarben zum Public Viewing ging fragte mich meine Mutter ernsthaft und mit besorgtem Gesicht, ob ich jetzt "rechts" sei - in ihrer Jugend und ihrer alten Bundesrepublik teilte sich die Welt halt in jene, die keinerlei Patriotismus verspürten und von "der Bundesrepublik" statt "Deutschland" sprachen (ich weiss noch, als ich klein war, jubelte der Fußballkommentator "die Bundesrepublik landet ein Tor!" statt "Tor für Deutschland!") auf der einen Seite, sowie die Schmuddelkinder rechts außen auf der anderen Seite (da war es wohl logisch, obwohl "Schwarz Rot Gold" weder die Farben des Kaisers noch der Nazis waren, jeden der bischen Patriotismus zeigt als rechts außen zu betrachten). Ich wollte ein Gefühl dafür vermitteln, was mein Hintergrund ist, der ist sicherlich anders, als jener der Protagonisten einer Reko-Debatte 1979 und darum muss sich diese Debatte auch weiterentwickeln.


    Für meine Generation ist das auch alles nicht mehr "Jahrmarktarchitektur", auf welchem "Jahrmarkt" (wann hat man alleine dieses Wort das letzte Mal gehört) gibt es denn sowas - da gibts den Superspeedy und Fallturm oder was auch immer. Und die einzigen Brauereien die ich kenne, sind Industrieanlagen mit Edelstahltanks und Wellblechhallen.


    Ich fühle mich als Nachgeborener in gewisser Weise um das kulturelle Erben unserer Vorfahren betrogen, keine Generation hat das Recht zu beschließen, kulturhistorische und traditionelle Ketten flächendeckend zu zerreißen und nichts mehr weiterzugeben und alles einzustampfen, nur weil man selbst aus einem Zeitgeist heraus all das nicht mehr wertschätzt. Das haben die Nachkriegsdeutschen aber getan - nicht wenig von dem, was der Krieg übrig gelassen hatte, wurde dann ja mutwillig gleich noch mit abgerißen. Damit man so schön "modern" sein kann. Das war schlicht ein Fehler - Fehler kann man korrigieren, letztlich ist ein Gebäude einfach nur eine Materialkomposition und die Originalität bemißt sich nicht aus dem Zeitpunkt irdischer Zeitrechnung, an dem diese zusammengestellt wurde, sondern am Geist, der die Materialkomposition ersonnen hat. Eine Reko einer Fachwerk-Altstadt, fachmännisch ausgeführt, wird immer ein authentischer Blick in die Vergangenheit bleiben (die in diesem architektonischen Entwurf Anno Dazumal geronnen ist). "Jahrmarktarchitektur" wäre es lediglich dann, wenn man sich irgendwelche Fantasiegebäude ausdenkt und neu plant und baut, die es so zB im mittelalterlichen Frankfurt nie gegeben hat. Gerade das ist hier aber nicht der Fall (konsequent zu Ende gedacht ist eigentlich die "kritische Rekonstruktion", die auf den ersten Blick so tut als ob, mit alten Parzellen oder Giebeldach aber dann doch ganz anders ist, die eigentliche "Jahrmarktarchitektur").


    Und wir reden doch immer, wieviel Geschichte "Europa" doch habe und wieviele auch Linksintellektuelle habe ich da zB schon abfällig über "die Amerikaner" reden hören, bzgl. einer angeblichen Geschichtslosigkeit (darüber will ich mich hier gar nicht auslassen, aber derlei hat sicher jeder von uns schon von anderen gehört) - nur wo sieht man denn bei uns unsere ach so lange Geschichte? Im Gewerbegebiet oder im Shopping Center? Im Wohnhochhaus oder dem Unigebäude aus den 70ern? Wenn ich mich in deutschen Großstädten umblicke kommen die mir auch nicht historischer vor, als irgend eine in den USA (manche dort, wie Boston oder Philadelphia, erscheinen mir sogar deutlich historischer und mit reicherem historischen Erbe - als zB Frankfurt am Main, einst die Perle des Mittelalters)....Und in der Schule wird von kulturellem Erbe und Geschichte unserer Vorfahren außer WKII, so wichtig das auch sein mag, auch nichts nennenswert vermittelt. Meiner Generation zumindest nicht mehr. Siehe oben.



    Ich fordere das einfach für mich ein, ich will mehr als nur 20 Jh. deutscher Kulturgeschichte greifbar und erlebbar in meinem Alltag haben. Da sind Rekos ein ganz wichtiges Element. So sehe ich das für mich und diese Generationenperspektive kommt in diesen ganzen Debatten schlicht nie vor. Und ich freue mich sehr auf die Fertigstellung dieses Projektes und werde es mir sicher auch während der Bauphase noch persönlich bei einem Frankfurtbesuch anschauen. Letztlich ist für mich das Glas hier halb voll, so sehr man im Einzelnen sicherlich noch mehr Authentizität und auch mehr Reko-Fassaden hätte verwirklichen können. Wenn ich mir anschaue was dort vorher war,... http://de.wikipedia.org/wiki/T…Technisches_Rathaus_6.jpg

    7 Mal editiert, zuletzt von Eisber ()

  • @Mod: Könnt ihr das was sich hier die letzten paar Beiträge entwickelt bitte in die Architekturdebatte verschieben?


    @Eisber: Ich lerne gerade eine neue Stadt kennen - zur Frankfurter Altstadt würde man hier wohl den Artikel 4 des kölschen Grundgesetzes zitieren: "Wat fott es, es fott".
    So sehr ich mich über erhaltene Altstädte und vollständige Rekonstruktionen freue, so sehr ärgere ich mich über das was hier entsteht und kann nur darauf hinweisen, dass diese Bauten nur Ersatz im Sinne dieses deutschen Exportwortes sein werden.
    So gut man sie auch nachbaut, sie haben keine Wurzeln, weder historische noch physische. So wie sie körperlich auf der Tiefgarage stehen und keinen Kontakt zum gewachsenen Frankfurter Boden haben, so stehen sie zeitlich, auf der Moderne, nicht auf der Historie, die mancher in sie hineinlesen will. Und die Alterung, die man danach beobachten wird, wird nicht die Alterung eines uralten Gebäudes sein, sondern die neuer Baustoffe in einer Luft, so sauber wie sie in der Altstadt über Jahrhunderte nicht mehr war. Keine fettige Patina aus Rauch und Ruß der holzbefeuerten Kernstadt sondern Moosansatz an den schattigen und kalten, weil wohlgedämmten Nordwänden.
    Dass es sich nicht wirklich um eine Rekonstruktion der verlorenen Altstadt handelt, wird schon da klar, wo jedes Gebäude für sich "in it's prime", in seinem individuell besten Zustand, unabhängig von seiner Umgebung wiederhergestellt wird - und auch da nicht so, wie seine einstigen Bewohner es nutzten, mit Werbeaufschriften und Verschieferung zum Brandschutz sondern kahl, "puristisch".
    Dass die Altstadt mindestens so oft und intensiv umgebaut wurde, wie es heute auf der Zeil passiert, ist belegt - und was mit der "Rekonstruktion" passiert, ist ein Einfrieren eines so nie da gewesenen Zustands auf den dann das Etikett "historisch" gepappt wird.
    Der immer wiederkehrende Traum von der Wiederherstellung historischer Grundrisse und Straßenverläufe auch im Rest der Stadt, muss doch spätestens dann zerplatzen, wenn man sich klar macht, dass ein Teil dessen, was wir heute als Kriegsfolge beklagen, auch vor dem Krieg schon geträumt, aber wegen des Bestands an bewohnten Gebäuden nicht umgesetzt werden konnte.
    Frankfurt wäre auch ohne Kriegszerstörungen in den 1960ern zur autogerechten Stadt umgebaut worden. Vielleicht nicht so klar wie mit Berliner-Straße und Kurt-Schumacher-Straße - aber so heimelig wie es sich mancher vorstellt wär's nicht geblieben.
    Und was bis 1970 oder 1980 aus einer unzerstörten Altstadt geworden wäre? Schaut doch nach Alt-Sachsenhausen. Das dortige Äpplerviertel profitierte nach dem Krieg von der verschwundenen Altstadt und zog alles an, was früher zwischen Römer und Dom feierte. Jedes Haus, geschunden, umgebaut, zusammengelegt, ausgenutzt bis zum Exzess, Investitionen grad so viel, dass der Laden nicht zugemacht wird oder von selber einfällt. Bewohner? Nur die die sonst garnichts mehr gefunden haben.
    Die schönen Gründerzeitviertel in Frankfurt, mit den Bäumen, den breiten Straßen und hellen Wohnungen, die waren doch der Gegenentwurf zur Altstadt, weil schon vor dem Krieg jeder, der es sich erlauben konnte, dort wegzog. Ihr kennt alle die Fernsehdoku "Als Frankfurt hundert Gassen hatte" - aber ihr seht nur die schönen alten Häuser und hört die feiernden Leute, und blendet den Ton aus, wenn es um die Lebensumstände der Menschen dort geht.
    Und was nach dem Krieg dann gebaut wurde, war wieder eine Antwort darauf. Endlich Platz, freier Raum, um im Zentrum der Stadt lebenswerten Wohnraum zu schaffen.

  • Dazu zwei kurze Entgegnungen:


    -ich will nicht tatsächlich im "authentischen Mittelalter" leben, sondern nur etwas aus früheren Epochen auch in meinen Lebenswelten und meinem Alltag erleben, wenn man so will bin ich da ein typisches "Kind der Postmoderne", mir gehts nur ums Erlebnis und Sinnliche dabei, nicht um gesamtkulturelle Restauration, irgendwelche abstrakten Aussagen dahinter, usw.; in gewisser Weise vollzieht eine Reko mit historischer Hülle und modernem Inneren auch das nach, was ohnehin mit diesen alten Gebäuden passiert wäre (außer die Bauerhof-Freilichtmuseen usw. haben mittelalterliche Gebäude, die noch alltäglich genutzt werden, alle längst moderne Bäder, Zentralheizung, dichte Fenster, etc. nachgerüstet bekommen).


    -eine nachgemachte Kopie ist besser als gar nichts

  • ... Frankfurt wäre auch ohne Kriegszerstörungen in den 1960ern zur autogerechten Stadt umgebaut worden. Vielleicht nicht so klar wie mit Berliner-Straße und Kurt-Schumacher-Straße - aber so heimelig wie es sich mancher vorstellt wär's nicht geblieben ...


    Das ist reinste Spekulation und deshalb unsachlich! Es gibt genug Gegenbeispiele/Großstädte in Europa (in Deutschland wegen WK II leider nur max. mittelgroße Städte), wo bei gleicher Ausgangslage (damit meine ich die Qualität und Größe der Altstadt) dies eben nicht eingetreten ist, weil eben deren Einwohner dies nicht zugelassen hätten ... eine Aufzählung erspare ich mir.

  • Leider ist Beton nicht falscher als anderes.

    Zur Abwechslung dann wieder mal ein Argument zur "Materialtreue". Die Frankfurter Altstadthäuser wurden seinerzeit überwiegend in traditionellem Bruchsteinmauerwerk errichtet - siehe z.B. die Staufermauer oder das Goethehaus (da hat man das 1948 noch weitgehend vorbildgetreu nachgebaut). Backsteine oder anderes gleichförmiges, neuzeitliches Material einzusetzen wäre daher zwar natürlicher, aber keineswegs authentischer oder historisch richtiger als Beton - man mag ihn schätzen oder nicht.


    Vielleicht hat der eine oder andere von euch an der Baustelle des historischen Museums das spektakuläre Foto vom Niederlegen der Bruchstein-Giebelwand des Salzhauses gesehen. Da genügten ein Seil und ein paar kräftige Männer um sie niederzureißen. Die Bauaufsicht möchte ich sehen, die heute noch die Errichtung von tragenden Wänden in dieser Technik gestatten würde.

  • Es gibt genug Gegenbeispiele/Großstädte in Europa (in Deutschland wegen WK II leider nur max. mittelgroße Städte), wo bei gleicher Ausgangslage (damit meine ich die Qualität und Größe der Altstadt) dies eben nicht eingetreten ist, weil eben deren Einwohner dies nicht zugelassen hätten ... eine Aufzählung erspare ich mir.


    Schade eigentlich. Der Vergleich mit einer anderen Stadt mit vergleichbarer wirtschaftlicher Entwicklung und Bedeutung für ihre Region wäre äußerst interessant, vorausgesetzt, es handelt sich nicht um eine Stadt, die als Residenz irgendeines Fürsten bereits vor 100+ Jahren mit Paradestraßen und breiten Schneisen versehen wurde, als man sich noch nicht mit Bürgerbeteiligung auseinandersetzen musste (man denke nur an Baron Haussman in Paris).
    Zumal Frankfurt innerhalb Deutschlands nicht der Gipfelpunkt der Beseitigung aller historischen Bestände nach dem Krieg ist - der ist wohl in Stuttgart zu suchen, wo die Stadtpolitik gleich auf zwei bedeutende Automobilbauer gehört hat - oder in Paderborn. Mein persönliches Beispiel für eine brauchbare Entwicklung ist Nürnberg - hier denke ich aber, dass der weitgehende Erhalt der Altstadt auf die, auch bei Kriegsende noch deutlich erkennbaren, alten Befestigungsanlagen und die damit natürliche Grenze zwischen Moderne und Historie zurückzuführen ist.

  • @ Schöne Aussicht
    Vielleicht könntest du ja in deine Aussage mit einbeziehen,das dieses Gebäude mehreren Sprengbomben-Volltreffern,mehreren Phosphor-Brandbomben und einem danach folgenden stundenlangen über 1000°C heissen Feuersturm ausgesetzt war.....vielleicht erklärt das ja die von dir bemängelte Materialschwäche.......mal abgesehen von den während dieser Tortur auftretenden Scher und Biegekraften......