Potsdam: Wiederherstellung historische Mitte - Diskussionsthread

  • Ich finde, das solch eine Initiative der Potsdamer Debatte gut tut. Derzeit ist die Situation in Potsdam doch so, dass die dortige städtebauliche Debatte gegenüber der Berliner Situation um 10-15 Jahre hinterherhinkt. Während man sich in Berlin an der Ausstellung "Radikal modern" begeistert und das bauliche Erbe der sechziger Jahre mittlerweile Kultstatus genießt, wird die Nachkriegsmoderne in Potsdam noch immer als Störfaktor betrachtet. Auf der anderen Seite wird der Stadtgrundriss der Vorkriegszeit zu einem Dogma erhoben, dem sich alle anderen Überlegungen unterzuordnen haben, und das, obwohl man andernorts von diesen Vorstellungen längst abgerückt ist. Kürzlich war auf einer "Mitteschön"-Veranstaltung zu hören, dass die Potsdamer Mitte das größte Reko-Gebiet Europas wäre, und das in einer Stadt mit 160.000 Einwohnern.
    Daher dürfte die Initiative "Potsdamer Mitte neu denken" zu einer Normalisierung der Potsdamer Situation beitragen.

  • Nein, Klarenbach. Umgekehrt stellt sich die Sache dar, die Berliner Debatte hinkt der Potsdamer, Dresdner, Lübecker und Frankfurter um etwa 30 Jahre hinterher.


    Dass in Berlin manch' moderner Bau "Kultstatus" besitzt ist nun wirklich nicht zu bestreiten. Da sich jedoch die Berliner Trends in einer Geschwindigkeit wandel, in andere ihre Hemden wechseln, führt diese Information nicht weiter. Im Gegensatz zu den von mir genannten Städten hat es Berlin bis dato nicht einmal im Ansatz vermocht in seinem Stadtkern so etwas wie "Stadt" zu erzeugen. Im Gegenteil: die angeblich so fortschrittliche Senatsbaudirektorin Regula Lüscher reisst ja ein DDR-Gebäude nach dem anderen ab, dass Rüdiger, Klarenbach u. a. zum Weltkulturerbe erklären würde, so das DDR-Bauministerium in der Breiten Straße und das Haus der Statistik am Alexanderplatz. Diese Entwicklung als vorbildlich zu bezeichnen scheint mir eher absurd, da anstelle der DDR-Moderne, die wenigstens einen Gestaltungswillen aufweist, Styroporduzendware aus der Abteilung Budgethotel oder Sozialer Wohnungsbau errichtet wird.


    Insofern bleibe ich dabei (@Rüdiger: ich wusste nicht, dass es bei Facebook Sieger und Besiegte gibt - daran liegt es wahrscheinlich, dass ich das Medium selten nutze), dass hier die Bewahrer des status quo die Konservativen sind, während die Veränderer die fortschrittliche Position vertreten. So war das auch in der Renaissance.


    Eine besondere architektonische Qualität kann ich im übrigen dem ehem. Institut für Lehrerbildung nicht abgewinnen. Es hat zudem eine stadtfeindliche Kubatur.

  • Die Initiatoren von "Potsdamer Mitte neu denken" seien zudem daran erinnert, dass es


    • zwölf mit großer Mehrheit der Potsdamer Stadtverordneten gefasste Beschlüsse zur behutsamen Wiederannäherung an das charakteristische historische Stadtbild,


    • zwei Beschlüsse des Landes bzw. der Stadt zum Abriss der Fachhochschule im Jahr 2017 und des Staudenhofs 2022 sowie


    • eine in diesem Jahr laufende Ausschreibung für die Blöcke III (Alter Markt) und IV (Schwertfegerstraße) gibt.

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  • Ich habe nicht vor die FB Debatte hier zu wiederholen.
    Das wiederherstellen von etwas vergangenem, in diesem Fall des Stadtgrundrisses, ist für mich kein Fortschritt. Ausserdem stehen wir einer Neuinterpretation oder einer Umnutzung des vorhandenem nicht im Weg, im Gegenteil das wollen wir. Für mich bedeutet das Leitbautenkonzeppt Stagnation und Stillstand.
    Die Stadt sollte ihr Eigentum nutzen um ihre Pflichtaufgaben und ihre freiwilligen Aufgaben zu realisieren.

  • Die Stadt realisiert ihre Pflichtausgaben, indem sie den Studenten einen top Neubau hinstellt, der allen heutigen Anfordernissen an ein modernes Studiengebäude genügt.


    Ferner betreibt die Stadt die notwendigen innerstädtischen Restrukturierungsarbeiten, indem man dem Kern der Stadt angemessen sich um Verdichtung bemüht, die demokratische Instutution des Landes mitten in die Stadt und zum Bürger holt (was der Bürger anerkennt und das Stadtschloss aus dem Stand zu einer der meistbesuchten Attraktionen der Stadt gemacht hat) und ferner versucht, durch die Ansiedlung von Gastronomie, Wohnen, Kultur und Kunst die Mitte zu Reurbanisieren und die Menschen an den Ort zurückzubringen, der bis vor kurzem nichts anderes war als eine tote Straßenkreuzung.


    Ferner versucht man, die Friedrich-Ebert-Straße wieder auf ein Normalmaß zu schrumpfen und der Stadt hier wieder etwas mehr Verhältnismäßigkeit und Grün zu geben.


    Daneben wird das Zentrum der Stadt zu einem der zentralen Kulturstandorte des Landes Brandenburg.


    Zudem entsteht auf dem FH-Gelände massig Wohnraum, der die Mitte auch fernab der Geschäftszeiten mit Leben füllt.


    Und alles was ich aufgezählt habe sind die zentralen Aufgaben der Kommunen. Nur leider passt das nicht in das Weltbild von Menschen, die prinzipiell dagegen sind!

  • Ich habe die Ziele der Initiative völlig anders verstanden. Ich finde in dem Artikel und auch auf der Internetseite keinen Hinweis darauf, dass "Potsdamer Mitte neu denken" etwas gegen Wohnungen, Gastronomie und Kultur hätte. Im Gegenteil: Genau diese Nutzungen werden ausdrücklich befürwortet.


    Das entscheidende Anliegen ist etwas anderes: Die Initiative will laut Andre Tomczak keine "Kahlschlagsanierung", die die vorhandene Bebauung vernichtet, sondern eine behutsame Stadterneuerung, die behutsam mit der vorhandenen Bausubstanz umgeht. Dieses Prinzip wurde im übrigen schon in den 1970er Jahren von Hardt Walter Hämer entwickelt und gilt mittlerweile auch aus ökologischen Gründen als sinnvoller als die Kahlschlagsanierung mit Abriss und Neubau. Auch Konstantin hat dieses Konzept im DAF positiv kommentiert.


    http://www.deutsches-architekt…php?p=387901&postcount=45


    So weit sind wir also gar nicht auseinander.


    Auf jeden Fall hat "Potsdamer Mitte neu denken" eine Diskussion begonnen, die lohnenswert ist und die noch längst nicht erledigt ist. Schließlich können Beschlüsse gekippt und Planungen verändert werden, wenn es neue Argumente gibt. Das ist in der Vergangenheit ja auch immer wieder geschehen.

  • Herr Odyssee der erklärte willen der Stadt Potsdam beim Bau des Lehrerbildungsinstitutes war es Bildung in das Zentrum der Wissenschaftsstadt Potsdam zu holen. Jetzt entfernen wir diese, jetzt, Hochschule und schieben sie an den Rand . Das ist erstmal eine Aussage.

  • Beim Lesen ihrer Internetseite entsteht der Eindruck, dass die Initiative vor allem eines will: die von den demokratisch gewählten Volksvertretern längst mit großer Mehrheit beschlossene Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte zu verhindern.

  • Ich wäre sehr dafür gewesen, die Studenten in einem entsprechenden Neubau in der Stadt zu halten. Das Brocksche Palais, in Kombi mit dem Langen Stall und der Feuerwehrwache wäre ein tolles Areal gewesen. Hier hätte man ein ehrwürdiges Haus mit modernen Ergänzungen für die Studenten errichten können.


    Die Wahrheit ist aber, dass man erstens heute oft bestrebt ist, die Unistandorte zu bündeln, weil es für die Studenten, die fakultätübergreifend studieren, lange Fahrtzeiten erspart bleiben. Zudem hat die Uni am Stadtrand mehr Möglichkeiten der Gestaltung und Erweiterung, weil einfach mehr Raum zur Verfügung steht. Denn auch Studenten haben gern etwas Grün.


    Und zweitens ist Potsdam zwar nicht so arm wie andere ostdeutsche Städte, aber der Goldesel wohnt hier nicht. Folglich hat die Stadt ein Interesse daran, Grundstücke in Spitzenlage teuer zu verkaufen, um mit dem Geld kommunale Ausgaben zu bezahlen.


    Manchmal frage ich mich, ob manche hier denken, das Geld fällt vom Himmel. Es geht auch immer darum, Stadtentwicklung und wirtschaftliche Interessen zu verbinden. Aber das wollen einige nicht einsehen. Eine Stadt, die nicht im Geld schwimmt, ist heutzutage auch auf Erlöse angewiesen, und die Erlöse kommen nicht ausschließlich vom Verkauf von Grundstücken im Grünen.


    Und wenn man im Gegenzug noch Wohnen für viele Bürger und Familien, Kultur und Gastronomie in der Mitte ansiedeln kann, dann ist viel gewonnen. Man kann im Leben sich eben nicht vollständig den Realitäten des Marktes widersetzen. Wohin das führt, wenn man das versucht, hat man ja gesehen.

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  • Geld ein gutes Stichwort.
    In einem MAZ Artikel vom 16. 10. 2014 in dem es um den, zum Glück, abgesagten Umzug der FH Alter Markt ins Rechenzentrum ging stehen auch Zahlen zu den geschätzten Kosten für das Investitionspaket FH / Markt Alter Markt , Plantage / Rechenzentrum / Langer Stall.
    Insgesamt geht es um 13.29 Millionen €.
    Die sollen durch erwartete Einnahmen aus den Grundstücksverkauf in Höhe von ca. 3 Millionen €, Mitleistungsanteilen von etwa 2 Millionen € und durch Fördermittel finanziert werden.
    Das ist kein gutes Geschäft. Ohne die Fördermittel wird hier mit einem Verlust von 10 Millionen € gerechnet.


    http://m.maz-online.de/Lokales…ion-im-Streit-um-FH-Umzug

  • Die Stadt sollte ihr Eigentum nutzen um ihre Pflichtaufgaben und ihre freiwilligen Aufgaben zu realisieren.


    Das tut sie mit der Umsetzung des Leitbautenkonzeptes in vorbildlicher Weise. Sollte dies ohne nenneswerte Verwässerungen umgesetzt werden ist die Chance groß, dass wieder eine lebenswerte Altstadt entsteht, die bei Potsdamern und Touristen gleichermassen ankommt und so zu mehr Beliebtheit der Stadt, Steuermehreinnahmen und somit einer auskömmlicheren Finanzgrundlage der Stadt auch in der Zukunft sorgt.

  • Ich kann auch nicht erkennen, dass "Potsdamer Mitte neu denken" teure Vorschläge macht. Im Gegenteil: Die Vorschläge der Initiative würden sogar zu Einsparungen führen.


    Beispiel Hotel "Mercure": Hier will "Potsdamer Mitte neu denken" den Erhalt, "Mitteschön" den Abriss für eine Grünfläche. Hier dürften die Vorschläge von "Potsdamer Mitte neu denken" sehr viel billiger sein.


    Beispiel Staudenhof: Der aktuelle Beschluss der Stadtverordnetenversammlung sieht den Abriss des Blocks und den Neubau von 180 preisgünstigen Ersatzwohnungen vor, "Potsdamer Mitte neu denken" will den Erhalt des Blocks. Auch hier dürfte der Vorschlag der Initiative viel billiger kommen.


    Angesichts dieser Fakten kann man kaum behaupten, dass "Potsdamer Mitte neu denken" Geld verbraten will. Daher bin ich zuversichtlich, dass wir in den nächsten Monaten eine sehr interessante und produktive Debatte über die Potsdamer Mitte erleben werden.

  • Noch billiger wäre es gewesen die Alte Fahrt nicht zu bebauen, den Landtag in einer anderen Stadt unterzubringen und auch ansonsten alles so belassen wie es ist - wenn man nur von 12 bis mittag denkt. Das ist in Potsdam trotz mancher Zweifel gottlob noch anders.


    Ich habe eher das Gefühl, dass sich manche schon ein Wahlkampfthema suchen, wenn Ende 2017 die Garnisonkirche im Bau ist. Ob es bei der FH erfolgreich sein wird mit großer Mehrheit gefassten Beschlüsse zu kippen? Kaum. Der Staudenhof ist noch ein Thema - da hat die SVV ja 10 Jahre Karenz beschlossen, von denen jetzt noch etwa 8 Jahre übrig sind. Aber das ist ja dann schon in der nächsten Legislatur.

  • Es ist doch bemerkenswert, wie hier manche mit Zahlen umgehen. Man kann sich leider nicht alles so hinlegen wie es einem passt.


    Ich mag mich ja irren, aber die FH, der Staudenhof und das Rechenzentrum sind jetzt nicht gerade in einem Megazustand. Um ehrlich zu sein sind sie am Ende ihres Lebenszyklus angekommen. Man hat nun die Wahl zwischen Grundsanierung oder Abriss. Hier wird so getan, als würden hier strahlend weiße Neubauten abgerissen. Die Bauten, insbesondere die FH, sind fertig. Man schaue mal worüber wir reden: http://www.maz-online.de/var/s…sorium_pdaArticleWide.jpg


    Man hätte also so oder so viel Geld investieren müssen. Und warum soll man dann einen städtebaulich völlig missglückten Zustand noch mit viel Geld erhalten. Das ist doch völliger Irrsinn!

  • Herr Konstantin,
    es ist ja ein erheblicher Unterschied ob ich eine unbebaute Fläche nach historischem Vorbild bebaue oder auf einer Bebauten Fläche erst "Baufreiheit" schaffen muss um sie dann zu bebauen.

  • Es ist ja ein erheblicher Unterschied ob ich eine unbebaute Fläche nach historischem Vorbild bebaue oder auf einer Bebauten Fläche erst "Baufreiheit" schaffen muss um sie dann zu bebauen.


    Nein, das macht in Anbetracht des Zustands überhaupt keinen Unterschied, von Entsorgungskosten mal abgesehen.

  • @ Rüdiger Seyffer


    Haben sie sich ernsthaft die Bauten und die Substanz mal angesehen von der sie und ihre Versammlung hier reden. Diese Bauten sind allesamt hoch grundsanierungsbedürftig. Die Bauten würden ähnlich dem Kulturpalast in Dresden bis auf das Grundgerippe auseinander genommen und faktisch völlig neu gebaut. Warum soll man das tun, wenn dies städtebaulich völliger Irrsinn ist.


    Man wirft Geld einer völligen Fehlplanung nach. Das kann niemand ernsthaft wollen. Das Stadtschloss steht, ein Teil der neuen Mitte auch, der Rest ist beschlossen, die Ersatzbauten für die FH stehen bald. Die ganzen Diskussionen sind doch alle völlig an der Realität vorbei!

  • Nun ich habe Zahlen genannt und eine Quelle angegeben.
    Snirtje Bra und @ tel33 das darf ich dann auch von ihnen erwarten.


    Odysseus
    Der äussere Zustand des Gebäudes ist einer bewussten Vernachlässigung geschuldet. Da die Fachhochschule kein Plattenbau ist spielt das Aussehen der Fassade für die Einschätzung des Gebäudezustandes aber auch nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist das Ständerwerk. Selbiges befindet sich in einem Einwandfreien Zustand. Seit der letzten Sanierung dieses Gebäudes sind mindestens 14 Jahre vergangen, die nächste ist also soundso fällig. Die Haltbarkeit des Gebäudes ist auf 100 Jahre angelegt, davon sind nicht einmal 40 Jahre vergangen. Vom Ende des Lebenszyklus kann also keine Rede sein.

  • Tja, Lebenserwatung und tatsächliche Lebensdauer sind nicht immer identisch. Nach nur 14 Jahren seit der letzten Sanierung sieht sie von außen schon fast wieder aus, als wäre seit der Fertigstellung nichts gemacht worden. Und das ja nicht erst seit gestern bzw. seit der Abriss beschlossen wurde. Lediglich die Stufen zum Schloss hin sind noch in einem guten Zustand.