Auf- und Abwertung von Stadtteilen, "Gentrifizierungs"-Debatten

  • Ein herrlicher Artikel, zwar rechtschreibmäßig nicht sauber lektoriert, aber wirklich gut zu lesen. Was in München besonders traurig ist, ist dass das Westend einmalig war. Selbst Sendling war immer viel bürgerlicher. Tja, Münchner, jetzt gibts bald gar kein richtiges Großstadtviertel mehr, wenn das Westend "pöbelrein" ist. Müsst Ihr eben nach Hamburg, Berlin, Köln oder FFM fahren, um Euch ein echtes Arbeiterviertel anzuschauen :)

  • Oder 40 km Luftlinie nach Augsburg. Ich bin ein "Arbeiterkind" und um jede "Sterilität" und jeden Komfort froh. Leben kommt nämlich nicht durch Sanierungsbedürftigkeit und Schmutz in ein Viertel, sondern mit den Menschen und dem was diese in den Herzen tragen - alles andere halte ich auch nur für die gleiche Oberflächlichkeit mit der "Gentrifizierung" betrieben wird, lediglich mit umgekehrten Vorzeichen. Meine Meinung.

  • ^^^
    Zustimmung. Denn wenn's anders wäre, dann könnte man als Mensch mit Sehnsucht nach den bisher angeblich herrschenden Zuständen dann doch den lebensfrohen Multikultimenschen an die Stadtränder hinterherziehen. Sollte sich dieses undeutsche, unspießige Lebensgefühl sich dort nicht automatisch einstellen?


  • Vielleicht kann unser Live-Reporter vor Ort seine Meinung kundtun.:D


    Bin das ich?


    Wenn ja, meine Miete wurde dieses Jahr schon erhöht. Der Gemüseladen um die Ecke ist weg. Statt dessen gibts dort ein Büro für Design und Innenarchitektur. Ferner spriesen Spezialläden für Espressomaschinen und High End Soundsysteme aus dem Boden. Ja - die Verneuhausung, Verschwabingung und Verglockenbachung schreitet im Westend voran. Eigentlich müsste sich die SZ ja freuen, da diese Leute doch zu ihrem Stammklientel gehören.

  • Bin das ich?


    Klar.:)


    Eigentlich müsste sich die SZ ja freuen, da diese Leute doch zu ihrem
    Stammklientel gehören


    Ich glaube auch, dass HartzIVler und Arbeiter nicht unbedingt zur SZ-Stammleserschaft gehören. Wahrscheinlich ist da viel Mitgefühl der Redakteure dabei: Sie selbst leiden ja auch darunter, in dieser Glasbox am Stadtrand arbeiten zu müssen und nicht mehr in der Innenstadt.

  • Mir persönlich erscheint das etwas "importiert", weil man darüber ja in Berlin so philosophiert "muss" man das jetzt auch hier machen. München war noch nie durch "Subkultur" oder den in Berlin zum "Szenigen" hochgeredeten Siff geprägt. Da fallen irgendwo die Voraussetzungen zum "Gentrifizieren" weg. Geschäftstüchtig war man auch schon immer und hat selten Profit verschmäht auch wenn man dafür etwas "aufgeben" musste. Und wenn "Currywurstbuden" altmünchnerisch sein sollen dann versteh ich die Welt nicht mehr.


    Und wenn ich dann im Artikel Schlagwörter wie "Umland-Prolls" und "Pickelgesichter" lese kann ich den Autor nicht ernst nehmen. Da langst dir schon an den Kopf wenn (nieder)bayrischer Dialekt in München - Bayerns Hauptstadt - jetzt schon geschmäht wird.

  • das beschreibt sehr treffend den niedergang eines der einst urbansten und lebendigsten viertel münchens. ich hoffe, daß die geäußerte hoffnung auf eine renaissance von schwabing auch eintrifft. ich bin da allerdings eher skeptisch, angesichts des dortigen preisniveaus. in alt-schwabing gibt es ja inzwischen auch luxusbunker zur genüge.

  • Urban und lebendig? Der Tross aus Zugereisten und Studenten aus dem Norden die einen mit Tach anbellen - wenn überhaupt - zieht halt weiter. Die Anwohner werden eher froh sein, auch und gerade die Münchner.
    Diese "Szene" wurde schon immer größtenteils bis komplett von jenen Neu-Münchnern gestellt. Brauchst doch nicht glauben dass Pasinger oder Schwabinger umeinander ziehen bloß weil irgendwo ein Club öffnet/schließt.

  • Zitat bayer: Und wenn "Currywurstbuden" altmünchnerisch sein sollen dann versteh ich die Welt nicht mehr.
    es geht doch nicht um "altmünchnerisch" in einem folkloristischen sinne. der glockenbach war lange rückzugsgebiet für leute (die es natürlich auch in m. gibt), die dem mainstream (und dazu gehört eben auch das folklore-bayerntum) bewußt etwas entgegensetzen wollen. das hat mit "berlin" erstmal gar nichts zu tun, außer, daß es dort eben weit mehr solcher rückzugsorte gibt. das macht den uneinholbaren vorsprung von berlin in sachen lebensqualität aus,

  • Das brauchst jetzt nicht in die Folklore-Ecke ziehen um mich abzukanzeln. Bayrische Identität hat nichts mit Folklore zu tun. Wenn ich auf eine Veranstaltung vom Gerhard Polt geh' wo dann fast keiner mehr die Anspielungen versteht dann find' ich das deutlich bitterer als Clubschließungen - die kulturelle Identität ganz Bayerns löst sich immer rascher auf. Alles wird teutonisiert, Dinge über die ich mal einen Artikel in der Süddeutschen.. ach, darum wohl nicht. Dass jene Zugereisten ihre eigene Präsenz gar hinterfragen erwarte ich indes gar nicht, deren in der Regel äußerst "selbstbewusstes" Auftreten gibt zu dieser Hoffnung keinen Anlass. Dass die Einheimischen das aber alles so hinnehmen macht mich narrisch. Wenn ich dann so einen Artikel les'...

  • Der Tross aus Zugereisten und Studenten aus dem Norden die einen mit Tach anbellen - wenn überhaupt - zieht halt weiter.


    Über ein "Tach" wäre ich schon froh. Ich kann mich in den 6 Jahren in denen ich jetzt in meinem Haus (16 Parteien) wohne nicht erinnern, dass mir etwas anderes als dieses superdumme "Hallo" begegnet wurde. Egal zu welcher Tages und Nachtzeit und egal wie ich grüße! Man reduziert sich anscheinend auf den kleinsten gemeinsamen Nenner der deutschen Sprache...

  • Hochsterilisiert

    Diese "Szene" wurde schon immer größtenteils bis komplett von jenen Neu-Münchnern gestellt. Brauchst doch nicht glauben dass Pasinger oder Schwabinger umeinander ziehen bloß weil irgendwo ein Club öffnet/schließt.


    So oft wie die Süddeutsche ein neues "In-Viertel" aus der Taufe hebt könnte man gar nicht umziehen. Seit dem Glockenbach wurden Westend, Au, Untergiesing, Untersendling, Maxvorstadt, Schlachthof und Bahnhofsviertel als neuer Geheimtipp gepriesen. Ohne dass dies eingetroffen wäre natürlich. Und wenn doch, woran merkt man es? Wenn irgendwo ein Alki-Stehausschank schließt und eine Latte-Macchiato-Bar einzieht, dann wird so getan, als würden jetzt die Luxussanierer gleich ganze Straßenzüge entmieten.


    Nun soll also Döner-Schwabing-Downtown dran sein? Wenn dann nur im gastronomischen Bereich, da ist wirklich einiges machbar. Im Wohnbereich lässt sich Schwabing wirklich nicht mehr gentrifizieren. Aber auch Neuhausen nicht mehr wirklich.

  • Und wenn doch, woran merkt man es? Wenn irgendwo ein Alki-Stehausschank schließt und eine Latte-Macchiato-Bar einzieht, dann wird so getan, als würden jetzt die Luxussanierer gleich ganze Straßenzüge entmieten.


    Geh mal in die Schwanthaler Straße westlich des Saturns! Als ich dort neulich nach etwa 1 Jahr oder was wieder war wurde mir schlecht. Früher war das wirklich eine Straße die anders war als 99,9% aller Münchner Straßen. Jetzt gibt es vom Rennradfachgeschäft über das Designbüro, das Retrocafe oder dem Espressomaschinengeschäft alles was eine klare Übernahme des Straßenzuges durch unsere Gentrifizierer zeigen könnte.

  • Das brauchst jetzt nicht in die Folklore-Ecke ziehen um mich abzukanzeln. Bayrische Identität hat nichts mit Folklore zu tun. Wenn ich auf eine Veranstaltung vom Gerhard Polt geh' wo dann fast keiner mehr die Anspielungen versteht dann find' ich das deutlich bitterer als Clubschließungen - die kulturelle Identität ganz Bayerns löst sich immer rascher auf. Alles wird teutonisiert, Dinge über die ich mal einen Artikel in der Süddeutschen.. ach, darum wohl nicht. Dass jene Zugereisten ihre eigene Präsenz gar hinterfragen erwarte ich indes gar nicht, deren in der Regel äußerst "selbstbewusstes" Auftreten gibt zu dieser Hoffnung keinen Anlass. Dass die Einheimischen das aber alles so hinnehmen macht mich narrisch. Wenn ich dann so einen Artikel les'...


    Den Anschluss ans Reich noch nicht überwunden?

  • Das brauchst jetzt nicht in die Folklore-Ecke ziehen um mich abzukanzeln. Bayrische Identität hat nichts mit Folklore zu tun. Wenn ich auf eine Veranstaltung vom Gerhard Polt geh' wo dann fast keiner mehr die Anspielungen versteht dann find' ich das deutlich bitterer als Clubschließungen - die kulturelle Identität ganz Bayerns löst sich immer rascher auf. Alles wird teutonisiert, Dinge über die ich mal einen Artikel in der Süddeutschen.. ach, darum wohl nicht. Dass jene Zugereisten ihre eigene Präsenz gar hinterfragen erwarte ich indes gar nicht, deren in der Regel äußerst "selbstbewusstes" Auftreten gibt zu dieser Hoffnung keinen Anlass. Dass die Einheimischen das aber alles so hinnehmen macht mich narrisch. Wenn ich dann so einen Artikel les'...


    bayer, nimm doch bitte mal zur kenntnis, daß münchen kein ethnisch homogenes kuhdorf ist, sondern (bei aller gelegentlichen provinzialität) eine 1,4 millionenstadt. zu diesen 1.4 mio. münchnern gehören leute mit bayrischen, türkischen, österreichischen oder eben auch "preußischen" wurzeln, die sich zurecht dagegen verwahren, von irgendjemandem einen bestimmten lebensstil (und sei er auch noch so "münchnerisch") aufgezwungen zu bekommen.
    nimm mich: ich bin in m. geboren und wohne zeitlebens in dieser stadt. trotzdem beschränkt sich mein bayrischer (passiv-)wortschatz auf ca. 3 worte, weil mein kulturelles umfeld ein anderes ist. deshalb lasse ich mich aber von niemandem aus meiner eigenschaft als münchner bürger herausdefinieren oder gar zwingen, "meine präsenz zu hinterfragen".
    oder willst du an der stadtgrenze wachposten aufbauen, die sich meinen stammbaum zeigen lassen und einen sprachtest durchführen sollen??:lach: