Berliner Dom

  • Hmm Danke für eure Antworten, also wenn's die Statik wäre liefe das m.M.n. ja auch wieder auf die Geldfrage hinaus.
    Libero, würde ich alles so unterschreiben wenn es um einen Neubau oder eine Rekonstruktion oder einen Abriss ginge, aber bei einer blossen wiederherstellung von Kuppel-abschluss und Laternen? Von den von Dir genannten Fraktionen träfe das doch eigentlich nur auf Gegen-Alles- oder Blos-keine-Veränderung-Bürger zu, beim Rest wäre meiner Meinung nach alles andere als eine Ästethische oder eben Geldbezogene Argumentation vollkommen an den Haaren herbeigezogen, da man hier weder irgendeine Form von Symbolik noch die Funktion, Geschichte, oder den Zweck/Widmung des Gebäudes auch nur annähern touchieren würde. Das einzige was ich vor mir sehe ist wie der Pfarrer seiner Gemeinde erklärt dass er Geld braucht obwohl doch gerade auf dem Dach die Bauarbeiter die Sau raus lassen..

  • sondern St. Paul in London, die Krönungskirche der englischen Könige hat Kaiser Wilhelm im Blick gehabt.


    St. Paul's Cathedral ist sicherlich eine beeindruckende Kirche in London und vielleicht wollte der Kaiser diese auch übertrumpfen. Es fanden dort auch zahlreiche und wichtige Staatsereignisse statt. Krönungskirche war St. Paul's aber nie - auch wenn sich das in der Argumentation "Kaiser will König übertrumpfen" so schön machen würde;). Krönungskirche dort ist die Westminster Abbey.

  • ^
    Stimmt, Entschuldige, leider muss ich in diesem Zusammenhang auch eine Quellenangabe schuldig bleiben. Zumindest ist diese Argumentation hängen geblieben, leider weiß ich nicht mehr wo ich sie gehört habe. Dass die DDR aber insbesondere in den 80'er Jahren einige Wiederaufbauprojekte in Berlin angegangen ist, wie z.B. die Synagoge in der Oranienburger, und dies nur durch internationale Finanzhilfen realisiert werden konnte, ist jedoch Tatsache. Dieses St. Pauls vs. Berliner Dom-Ding fand ich dabei bemerkenswert.

  • Weiss eigentlich jemand warum eine evangelische Kirche als Dom bezeichnet wird? Mir ist kein zweiter evangelischer "Dom" in Deutschland bekannt.


    Die Gründerzeitarchitektur Berlins hat Architekturkritiker noch nie sonderlich begeistert. Das sehr rasch wachsende und aufwärtsstrebende und im Vergleich mit anderen europäischen Metropolen geradezu jugendliche Berlin wollte sich eben binnen kürzester Zeit das Antlitz gewachsener Großmacht und kultivierter (Groß)Bürgerlichkeit geben. Da gehörte eine zentrale Großkirche offenbar dazu. Die historisch gewachsene Marienkirche hat da wohl nicht mehr gereicht, auch wenn die der lokalen Architekturtradition tatsächlich entspricht.

  • "Weiss eigentlich jemand warum eine evangelische Kirche als Dom bezeichnet wird? Mir ist kein zweiter evangelischer "Dom" in Deutschland bekannt."


    Evangelische Bistümer haben genauso ihren Dom. Mir fallen spontan die Dome in Magdeburg, Meißen, Schwerin, Naumburg, Merseburg, Halberstadt, Lübeck, Brandenburg, Stendal ein, um nur ein paar zu nennen. Die sind nicht mehr alle Bischofssitze, aber heißen alle noch Dom. Die protestantischen Kirchen haben übrigens seit 1918 Bistümer und Bischöfe, seit die Landesfürsten nicht mehr auch die Kirchenoberhäupter sind (Stichworte "landesherrliches Kirchenregiment" und "summus episkopos"). Aber das nur am Rande. Meist haben die Dome ihre Titel aber noch aus vorreformatorischer Zeit.

  • Die Gründerzeitarchitektur Berlins hat Architekturkritiker noch nie sonderlich begeistert. Das sehr rasch wachsende und aufwärtsstrebende und im Vergleich mit anderen europäischen Metropolen geradezu jugendliche Berlin wollte sich eben binnen kürzester Zeit das Antlitz gewachsener Großmacht und kultivierter (Groß)Bürgerlichkeit geben. Da gehörte eine zentrale Großkirche offenbar dazu. Die historisch gewachsene Marienkirche hat da wohl nicht mehr gereicht, auch wenn die der lokalen Architekturtradition tatsächlich entspricht.


    Das kann man so nicht stehen lassen. Jedes politische System hinterlässt seine architektonischen Spuren. Das Kaiserreich den Dom, die DDR die Karl-Marx-Allee, die Bundesrepublik das Kanzleramt, das Dritte Reich das Olympiastadion und Herr Napoléon den Triumphbogen. Das ist so normal wie das Amen in der Kirche.

  • @Berchen


    soweit ich weiss war Wilhem II auch oberster Kirchenfürst der protestantischen Staatskirche, somit war der Dom dann auch die zentrale Kirche des Protestantismus seinerzeit in Deutschland. Was dann seinen Ausdruck auch in der Repräsentationsarchitektur des Domes widerspiegelt. Die Bezeichnung Dom hat nichts mit der konfessionellen Verortung zu tun also ob katolisch oder evangelisch. Der Titel -Kathedrale- allerdings ist nur katholischen Gotteshäusern vorbehalten, davon haben wir ja auch eine in Berlin.
    Soweit ich erinnere, sind alle Dome Norddeutschlands bis auf die in Hamburg und Hildesheim prostestantisch.

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  • ^^In Hamburg gabs seit 1245 (Vorgängerbauten ab 831) bis zum Abriss 1805 einen Dom, der seit Reformation auch lutherisch war.

  • Es ist aber der einzige - mir bekannte - in der nachreformatorischen Zeit gebaute und dann so bezeichnete evangelisch genutzte "Dom". Alle anderen waren zuvor katholische Kirchen die eben entsprechend umgewidmet wurden, sofern diese die Bezeichnung Dom überhaupt behalten haben (vgl. Magdeburger Dom).


    Die englische Entsprechung von Dom ist ja nicht Dome (Kuppel) sondern Cathedral (Kathedrale), ich bin auf die Frage gekommen weil der Einwand mit St. Pauls, London durchaus interessant war. Der gute Kaiser wollte vielleicht einfach auch so eine hübsche, große "Cathedral" (er war ja anglophil) neben seinem Schloss haben. Das würde die Namensgebung als auch die Formensprache plausibel stützen.


    Denn wie gesagt, die lokale berliner Architektursprache ist ja eigentlich eine ganz andere. Typische berliner Kirchenarchitektur wäre jene der Marienkirche oder der Nikolaikirche gewesen. Wenn man davon so komplett abweicht und dann auch bewusst von einer geltenden "Nomenklatur" zur Benennung abweicht, dann geschieht das nicht zufällig. Mir war nicht bekannt dass Wilhelm auch eine kirchliche Funktion in der evangelischen Kirche hatte, das komplettiert dieses Bild dann ja sozusagen.

  • ^^^ ...ähm, was ist mit den Berliner Kirchen "Deutscher Dom" und Französischer Dom"?


    Die Bezeichnung "Dom" hat sich schon seit längerer Zeit vom ehemals dazugehörigen Bischofssitz entfernt. Für viele Kirchen von regionaler Bedeutung hat sich die Bezeichnung "Dom" eingebürgert. Das hat nicht mal was mit einer Kuppel zu tun, auf die sich die Bedeutung übertragen hat.


    Man muss sich doch einfach mal die Baugeschichte des jetzigen Doms anschauen - eine Kuppel gab es schon mit dem barocken Neubau von 1750, dass war damals halt modern. Schinkel baute ihn noch ein bischen prächtiger und größer um, ab da hatte er auch schon zwei kleine Kuppeln neben der großen.


    Der Neubau zu Kaisers Zeiten sollte eben noch größer noch prächtiger werden. Typische englische "Cathedrals" wären aber auch wohl eher gotisch mit Doppelturmanlage gewesen - Gothik war in Deutschland da aber schon wieder aus der Mode - zudem hätte eine solche Kirche schlecht auf den vorgesehenen Bauplatz gepasst.
    So hat man sich halt für den Neubau aus einem Mischmasch diverser Stile entschieden. Wobei die Neorenaissance in der der Dom gebaut wurde eher italienisch beeinflusst ist, man könnte da auch den Markusdom mit als Vorbild nehmen. Und da es eine Kuppelkirche werden sollte - von denen hatte Berlin ja damals noch einige mehr, sollte es halt möglichst die größte und höchste werden, da ist man eben höher als St. Paul's geworden.


    Insgesamt ähnelt die Kuppel des Berliner Doms aber eher dem Petersdom. Auch sollte die Fassade des Petersdom ja ursprünglich zwei kleine Türmchen haben, was dort aber die Statik nicht zuließ.

  • Frz. und dt. "Dom" haben Ihren Namensursprung nicht in der Bezeichnung für eine Hauptkathedrale eines katholischen Bistums, wie im deutschsprachigen Raum seit dem Mittelalter üblich, sondern vom frz. Wort für Kuppel (frz. wegen den Hugenotten), also ein "false friend". Siehe Baugeschichtliche Informationen. Diese namensgebenden Kuppeln hat man auch aus rein dekorativen Gründen gebaut, nicht aus sakralen Gründen. Der Wikipedia-Eintrag stellt es auch ganz prägnant dar: http://de.wikipedia.org/wiki/Franz%C3%B6sischer_Dom


    Man könnte die Namensgebung höchstens auf das mittelalterliche Konzept des Kaiserdom begründen (http://de.wikipedia.org/wiki/Kaiserdom), die aber natürlich auch katholisch waren. Da Wilhelm auch seinen Titel "Imperator Rex" und Repräsentation äußerst wichtig war ist es gut möglich, dass er über diesen historischen Kontext versucht hat zusätzliche Legitimation herzustellen (ihm war natürlich bewusst, dass sein "Kaiser"-Titel nichts mit dem eigentlichen Kaisertitel, wie er ein Jahrtausend an deutsche Herrscher vergeben wurde, zu tun hatte; er wurde nicht von den deutschen Kurfürsten zum deutschen König gewählt und dann vom Papst zum Kaiser gekrönt sondern hat diesen Titel von seinem Vater geerbt, der auch nicht auf die hergebrachte Weise sondern durch politisches Geschick eines seiner Beamten, Bismarck, zum "Kaiser" gemacht wurde).


    Eine Monarchie braucht immer eine Legitimation. Durch Religion schied hier aus, der Papst krönte ihn nicht zum Kaiser. Durch Abstammung schied auch aus, bis zur Neuzeit spielte Preußen innerhalb des deutschen Reichs eine Nebenrolle, die Habsburger waren das dominierende Adelsgeschlecht (und stellten ja auch die meisten deutschen Kaiser in der Geschichte). Gewählt werden wollte Wilhelm I. nicht, so akzeptierte er auch nicht Staatsoberhaupt in einer konstitutionellen Monarchie (Paulskirchenverfassung) zu sein und entsprechend wurde dieser erste Versuch eine parlamentarische Demokratie in Deutschland einzuführen ja auch blutig von Preußen zerschlagen. Im Kern war die Zeit der beiden Wilhelms autokratisch und um die Legitimation dem Anschein nach irgendwie zu wahren spielte man eben auf die historische Legitimation der Kaiser vor ihnen an. Darum der Neoklassizismus, der auch als "Wilhelminismus" bezeichnet wird, darum die vielen Fantasieuniformen und der Pomp des "Imperator Rex". In dem Kontext ergibt auch Sinn, einen kompletten Neubau, der erst im Jahre 1905 eröffnet wurde, noch als "Dom" zu bezeichnen. Das damit verbundene Summepiscopat hat sicherlich auch noch das Bedürfnis nach einer "höheren Legitimation" gestillt.

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  • ...er wurde nicht von den deutschen Kurfürsten zum deutschen König gewählt und dann vom Papst zum Kaiser gekrönt sondern hat diesen Titel von seinem Vater geerbt, der auch nicht auf die hergebrachte Weise sondern durch politisches Geschick eines seiner Beamten, Bismarck, zum "Kaiser" gemacht wurde).


    Aber Wilhelms II Vater war Kaiser Friedrich III. Wilhelm I war sein Großvater.
    Sorry aber Friedrich III wird leider immer übersehen. Dabei wäre er der weitaus beste geworden.


    Du schreibst ganz richtig, dass die Legitimation durch die Religion nicht gegeben war, aber gerade deswegen bezog sich Wilhelm II ja so sehr auf die von Gott direkt erhaltene Kaiserwürde. Ein fataler Irrtum möchte ich meinen.

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  • Korrekt, da hab ich mich beim Verwandtschaftsverhältnis vertan.
    Nun ja, die weitaus beste Regierungsform im 19. Jahrhundert wäre gewesen wenn sich die demokratische Bewegung, die es entgegen dem Klischee vom "Untertanengeist" ja sehr wohl auch in deutschen Landen gab, durchgesetzt hätte und es keinen Autokraten gegeben hätte. Dann wäre es vermutlich auch nie zum 1. und auch nicht zum 2. Weltkrieg gekommen, es hätte sich ein ganz anderer bürgerschaftlicher Geist entfaltet.. hätte, könnte, würde. Aber die Nostalgie und Milde mit der auf diese Zeit - und ihre Obrigkeit, die mit Herablassung auf den Plebs (also auch uns hier) geblickt hat - zurückgeschaut wird kann ich mitnichten nachvollziehen. Auch ein Friedrich III. war kein gewählter Volksvertreter sondern ein Herrscher. Es wäre ihm ja jederzeit möglich gewesen, nach dem Vorbild der britischen Royals, die Macht an ein Parlament abzugeben und sich auf Repräsentation zu beschränken bzw. Zeit seines Lebens derlei Bestrebungen zu unterstützen. Darum war ich auch immer politisch ein Gegner der Rekonstruktion des Stadtschlosses. Mir mißfällt wofür ein Schloss steht. Ein "echtes Schloss", was nach der Republikanisierung Gemeingut wurde und von uns besichtigt werden kann ist wieder was anderes. Das ist sozusagen ein Symbol für den Sieg der Demokratie und Volkssouveränität über Autokratie und Monarchie. Gut, dieser "Kampf" ist verloren und ich bin da auch kein Fundamentalist und nehm es hin. Aber ich bin nun wirklich entschieden dagegen den fragmentarischen, gewachsenen Zustand, der zudem denkmalgeschützt ist, durch eine "Rekonstruktion" zu ersetzen - ironischerweise einen Zustand, der weniger Jahre zu sehen war, als das aktuelle Aussehen des Gebäudes. Denn eröffnet wurde das Gebäude fertig im Jahre 1905, starke Kriegsschäden erlitt es im "Bombenkrieg" (also ab ca. 1940), so dass dieser "Originalzustand" nur etwa 35 Jahre sichtbar war. Ab Mitte der 1970er erhielt der Dom seine heutige Gestalt soweit ich weiss. Gut möglich also, dass der aktuelle Zustand sehr viel repräsentativer für die Geschichte des Gebäudes ist - ganz abgesehen von den Geschichtsspuren des Krieges als solche. Es hat schon ein Geschmäckle wenn sukzessive alle stadtbildprägenden Kriegsfolgen auf der Museumsinsel beseitigt werden.


    Und schließlich ein ästhetisches Argument für den jetzigen Zustand, ich finde die aktuelle Kuppel sehr viel ausgewogener, während der Originalzustand der ohnehin schon überladenen Fassade dermaßen viel Schnörkel (bis hin zum Kitsch) hinzufügt dass man kaum noch hinschauen kann, wenn ich mir alte Fotografien anschaue.

  • ^ Ist ein bisschen am Thema vorbei, aber ganz so will ich das nicht stehen lassen: Dass Monarchen und Hochadel ihre Herrschaft zu legitimieren hätten, ist eine Haltung, die heute selbstverständlich ist, im damaligen Deutschland aber nur von Sozialisten und dem linken Flügel der Liberalen vertreten wurde. Aus ihrer eigenen Perspektive reichte der Familienstammbaum und die Berufung auf Gottes Willen völlig aus. Die Hohenzollern waren aufs Engste mit den Romanows und den Windsors (damals noch Sachsen-Coburg-Gotha) verwandt und herrschten seit Jahrhunderten als Fürsten bzw. Könige über Preußen: Natürlich fühlten sie sich legitimiert, die Kaiserkrone des Zweiten Reiches zu tragen. Die Kaiserwahl durch die Kurfürsten (die ja schon seit der Renaissance nur noch Formsache gewesen war), hatte Bismarck durch die Kaiserproklomation in Versailles ersetzt – als symbolischer Akt, durch den die Herrscher der deutschen Teilstaaten ihre Souveränität an den Kaiser abtraten, taugte das aber genauso gut.


    Andererseits waren die Wilhelms niemals Autokraten – der Absolutismus war längst Vergangenheit, und das Bismarckreich war ein (relativ) moderner Industrie- und Verfassungsstaat, in dem die Macht in Form von Checks and Balances auf verschiedene Schultern verteilt war: Auf den alten Landadel und die neuen Industriebarone; auf die alten Länder und die neue Zentrale; auf den Kaiser, seine Minister und Generäle; auf eine wachsende Bürokratie und ein langsam erstarkendes Parlament. Wenn es im Zweiten Reich jemals eine Art Diktator gegeben hat, dann war das Bismarck selbst gewesen, bis er von Wilhelm Zwo gestürzt wurde. Und Wilhelm Zwo seinerseits konnte den Ersten Weltkrieg nur führen, weil die Sozialisten im Reichstag so freundlich waren, ihm die nötigen Kredite zu bewilligen. Allein bei der Vorstellung hätte einen echten Autokraten wie Zar Nikolaus vermutlich der Schlag getroffen...


    Was die Repräsentations-Architektur des Berliner Doms (oder auch des Reichstags) angeht: Ich kann da keine großen Unterschiede zu den Prunkbauten der übrigen imperialistischen Hauptstädte sehen. Vielleicht ist die Berliner Variante nochmal einen Tacken protziger, doch auch in Wien, Paris oder London gehörten breite Achsen, viele Säulen und große Balkone damals schlicht zum Zeitgeist – in solcher Umgebung kann man sich als König halt prima huldigen lassen, und als Untertan kann man super "Hurra!" brüllen.


    Was mich am Berliner Dom wirklich überrascht, ist allein der protzige Innenausbau. Er scheint vom Petersdom in Rom bzw. von Versailles ("Kaisertreppe") abgekupfert zu sein und ist somit eindeutig katholisch inspiriert. Von der Schlichtheit, die klassischerweise eine protestantische Kirche kennzeichnet, ist dort nichts zu finden. Vielleicht steckt darin ja tatsächlich der Versuch, dem – nur noch behaupteten – Gottesgnadentum so etwas wie Plausibilität zu verleihen. Dieser wäre allerdings für den Arbeiter oder den kritisch denkenden Bürger von damals schon allzu fadenscheinig ausgefallen.

  • Natürlich ist das, wie der Name, katholisch inspiriert. Katholizismus in seinem althergebrachten Anspruch und seiner Repräsentation war ja bis zur Neuzeit (in den katholischen Gebieten endete das ja nicht mit der Reformation) auch immer ein Herrschaftsanspruch der Kirchenfürsten, die weltliche und geistige Macht in sich vereinten. Darum ja meine Vermutung, dass man sich dem sehr bewusst bediente, um Legitimität aus "alter Zeit" zu beziehen. Darum ja auch überhaupt der Titel "Kaiser" (der ja, wie dargelegt und das kann man nicht als "formal" abtun; Titel sind per se eine reine Formalität also ist das des Pudels Kern, mit dem historischen Vorbild des Kaisertitels nichts zu tun hatte; auch Hitler versuchte sich ja auf das tausendjährige HRR zu berufen, mit seinem ebenfalls geplanten "tausendjährigen Reich" - das ist ein immer wieder zu erkennendes Merkmal autoritärer Regime sich bildhafter Autorität aus "alter Zeit" zu bedienen, siehe auch Mussolini mit seiner römischen Nostalgie und entsprechenden Architektur,...).


    Weiterhin ist es ein Unterschied ob man in Preußen König ist, was eben nur ein Teil des späteren Deutschlands war und nicht synonym dazu ist, oder ob man nach einer siegreichen Schlacht, die man provoziert hat (Emser Depesche) und in die man die anderen deutschen Staaten hineingezogen hat ("entweder ihr seid für uns oder ihr seid gegen uns, wenn ihr gegen uns seid kommen wir auf dem Rückweg von Frankreich mal schnell vorbei..") dem siegreichen Feldherr solch einen Titel antragen lässt. Das war in etwa so "frei", wie die Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes im von der SS abgesperrten und im Inneren von der SA besetzten Reichstag. Ich würde da durchaus von einer Machtergreifung bei der "Reichsgründung" sprechen, auch der 1. Weltkrieg - in dem das ganze anachronistische Monarchengehabe mündete - steht ja an Grausamkeit nur hinter dem 2. Weltkrieg zurück (und steht mit diesem auch in historischem Zusammenhang). Für mich begann der deutsche Weg in Nationalismus, Militarismus und Krieg und Mord in ganz Europa nicht erst 1933 sondern 1871. Das sah man (außerhalb Preußens) ja nach 1945 auch so, weswegen "Preußen" ersatzlos von den Landkarten gestrichen wurde.


    Und es ist sehr wohl zu diskutieren wie wir mit dieser Zeit im Rahmen des baulichen Erbes aus dieser Zeit umgehen, ob wir schöne Postkartenmotive rekonstruieren oder die Spuren der Geschichte belassen, konservieren, für sich sprechen lassen und zu Fragen und Nachdenken anregen lassen (DENKmal).

  • Ich würde in das Wörtchen "Dom" nicht zu viel hineininterpretieren. Beim historistischen Neubau hat man die Bezeichnung ja nicht erfunden sondern einfach von den Vorgängerbauten übernommen. Das ist nicht unüblich.

  • ^bei sowas glaube ich nicht an Zufälle. Vom Stadtschloss spricht man auch erst seit dem 19. Jahrhundert, davor war es die (von den Berlinern nach Überlieferungen ungeliebte) Fürstenresidenz unter diversen Bezeichnungen. Auch das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal kam ja erst im späten 19. Jahrhundert dazu. Es ging ganz offensichtlich darum diesen ganzen Bereich städtebaulich "aufzumotzen". Bezeichnend ist auch der Wandel im Selbstverständnis der "Schlossherren". Laut Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Stadtschloss, muss ich so zitieren, da ich es selbst an dieser Stelle nicht weiss) lies der Soldatenkönig aus Sparsamkeit große gehegte Pläne für die Gestaltung des Schlosses zusammenstreichen und entschied sich für eine "Sparlösung". 150 Jahre später kam hingegen die Kuppel dazu und man brachte folgenden Schriftzug an „Es ist in keinem anderen Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, dass im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erden sind." (nicht an einer Kirche sondern an der Kuppel des Stadtschlosses, die vermutlich auch nicht zufällig an sakrale Kuppelbauten erinnert). Im 19. Jahrhundert, inmitten der industriellen Revolution, nach der Aufklärung, zur Zeit bahnbrechender wissenschaftlicher Entdeckungen... solch ein tiefreligiöses Bekenntnis? Da haben wir sie wieder, "Autorität alter Zeit", eben des Christentums, auf welches sich die Monarchen des Mittelalters maßgeblich stützten (auf den Gürtelschnallen der Wehrmacht stand später ja auch "Gott mit uns", selbe Psychologie wie schon zu Zeiten des Schlachtens der Kreuzzügler). Architektonische Reichskleinodien, wenn man so will.

  • Im Grunde schon, wenn die Benennung einfach nur auf historische Vorgängerbauten zurück gehen würde und beim Name, wie auch der ganzen Gestaltung, keine tiefere Absicht dahinter gestanden wäre.


    Weiterhin ist diese Diskussion für mich überfällig und steht in direktem Zusammenhang mit dem architektonischen Umgang, also mit der Architektur. Solange man es nicht mit Zweckbauten zu tun hat kann sich eine Architekturdiskussion nicht auf Bauliches beschränken. Wir haben uns, aus guten Gründen, in Deutschland lange sehr intensiv mit dem 2. Weltkrieg und allen Schrecken der Nazizeit befasst. Dabei aber ziemlich den 1. Weltkrieg mit seiner Vorgeschichte vergessen (das ist in anderen Ländern anders, die Briten meinen heute noch den 1. Weltkrieg, nicht den 2., wenn sie vom "Great War" sprechen, dem "großen Krieg"). Und für mich ist einfach erstaunlich, wie man in Deutschland einerseits (zurecht!) sehr sensibel und überlegt mit allem umgeht, was mit der Nazizeit und dem 2. Weltkrieg irgendwie zusammen hängt, aber das aus "Blut und Eisen" (Zitat) geschmiedete Reich davor, mit seinem 1. Weltkrieg, daneben bis zum Vergessen verblasst. Ich will nicht dass diese Monarchie, die wie eine Peitsche autoritär auf die Menschen herabgesaust ist (literarisch verewigt in "Der Untertan"), nostalgisch verklärt wird. Mit allem Erbe aus dieser Zeit ist ebenso kritisch umzugehen, wie mit dem Erbe aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Und mit Nostalgie ist in der Mitte Berlins im Zuge der Fassadenrekonstruktion des Stadtschlosses nun wirklich genug!

  • Der Titel -Kathedrale- allerdings ist nur katholischen Gotteshäusern vorbehalten, davon haben wir ja auch eine in Berlin.


    Ich stehe auf dem Schlauch, wo gibt es in Berlin eine Kathedrale?


    Für mich begann der deutsche Weg in Nationalismus, Militarismus und Krieg und Mord in ganz Europa nicht erst 1933 sondern 1871. Das sah man (außerhalb Preußens) ja nach 1945 auch so, weswegen "Preußen" ersatzlos von den Landkarten gestrichen wurde.


    Wenn es im Zweiten Reich jemals eine Art Diktator gegeben hat, dann war das Bismarck selbst gewesen, bis er von Wilhelm Zwo gestürzt wurde.


    Wow, Bismarck hat Deutschland als saturierten Staat betrachtet und wusste das es nur so langfristig funktionieren würde. Wilhelm II war es und seine unfähigen Kanzler nach Bismarck, insbesondere Bethmann-Hollweg, die die von Bismarck sorgfältig geplanten Bündnisstrategien, die den Zweck hatten Deutschland automatisch aus allen externen Problem rauszuhalten, nicht verstanden haben und so alles zunichte machten. Im 1. Weltkrieg wurde Deutschland eine Militärdiktatur unter Hindenburg und Ludendorff mit einem de facto komplett entmachteten Kaiser. Mit einem Kaiserreich wie dem von 1871 bis 1888 hätte es niemals zu einem Weltkrieg kommen können.