Dresden – Stadtgestaltung, Design, Grafik und Kartografie

  • Bahnen der Antonstadt

    Möglicherweise interessiert es ja doch den Einen oder Anderen, auch wenn ich mir diesbezüglich nicht so sicher bin.


    Nach langwierigen Recherchen setze ich die Antonstadt-Reihe mit einer Darstellung der dortigen Straßenbahnstrecken nebst Eröffnungs- und Stilllegungsdaten fort.


    Ebenso habe ich versucht, die nachweisbaren und im Zuge der Rationalisierungsmaßnahmen nach dem Ersten Weltkrieg eingezogenen Haltestellen mit darzustellen. Hier bedarf es allerdings noch genauerer Recherchen, um die genauen Aufgabedaten zu ermitteln.



    Verzichtet habe ich allerdings auf eine Darstellung der Linienbelegungen der einzelnen Streckenabschnitte. Dies würde wegen der zahlreichen Änderungen insbesondere in der Nachkriegszeit jeden Rahmen sprengen. Erwähnenswert ist nur die Kontinuität der Linien 7 und 11 - in Dresden ein sehr rares Phänomen! Wie eingangs geschrieben, über Ergänzungen, Rückmeldungen etc. wäre ich wie immer sehr dankbar.


    Hier die Karte in Groß.

  • ^Herzlichen Dank für die Ergänzungen! Den Bahnanlagen wollte ich mich zu gegebener Zeit auch noch einmal intensiver widmen, aber alles schön der Reihe nach. Hast Du zu der Karte eine Quelle? Sie kommt mir bekannt vor, aber ich kann sie irgendwie nicht einordnen...

    Fast vergessen - also, sie stammt aus "Deutsche Bauzeitung XXX. Jahrgang 1896 No.48" vermutlich wurde sie aber auch nur von irgendwoher übernommen.



    Hier noch ein Stadtmöbel im Bild:


    Der Wettin-Obelisk zur Jubelfeier zum 800jährigen...





    größer

  • "Monument" auf dem Neumarkt


    Nach der gestrigen "Einweihungszeremonie" der vieldiskutierten temporären Großskulptur auf dem Neumarkt habe ich mir das von "meinen Steuergeldern" durch die "Volksverräter" installierte Objekt der "Schande" heute selbst einmal unter Beschau genommen.


    Trefflich streiten kann man über den ästhetischen Wert, der aber in Anbetracht der dahinter stehenden Idee aber wohl auch in den Augen des Künstlers eine eher untergeordnete Rolle spielen dürfte.


    Für absolut lächerlich halte ich aber die Diskussion und die wie stets äußerst tiefschürfenden Argumente der Wutbürger, die offensichtlich am hellerlichten Tag nichts anderes zu tun haben, als alle Welt an ihrem tiefenfrustrierten Seelenzustand teilhaben zu lassen - und wieder einmal willkommenen Anlass boten, das allmedial verbreitete Zerrbild dieser Stadt erneut hochleben zu lassen. Vor Ort sieht man diese Karikaturen ihrer selbst mittlerweile übrigens mit einer Mischung aus Kopfschütteln, einer gehörigen Prise Sarkasmus und einem Anflug von Mitleid ob soviel abgründiger Dummheit - zumindest in den Kreisen, in denen ich so gemeinhin zu verkehren pflege. Das ist auch aus meiner Sicht der einzige Umgang, den diese traurigen Gestalten verdienen - anstatt sich daran hochzujazzen.



    Zum "Monument" selbst, und damit dem eigentlichen Thema dieses Beitrags.


    Die Wirkung ist durchaus eindrucksvoll, wie die folgenden Bilder belegen mögen. Dennoch halte ich die installation an dieser Stelle für deplatziert, und zwar nicht aus ideologischen, wohl aber künstlerischen und intentionalen Gründen. Dazu aber am Ende. Mögen zunächst die Bilder sprechen.



    Annäherung aus der Rampischen Straße.




    Der Frauenkirche zugewandt die Dächer der drei aus Bayern stammenden Standard-Niederflurbusse.




    Unterböden der Busse mit Frauenkirchenkuppeln. Ein sehr eindrucksvolles Bild. Die Höhe des Monumentes dürfte etwa zwölfeinhalb Meter betragen, diese ergibt sich aus dem provisorischen Betonsockel nebst Auflageträgern und den 12 Metern Gesamtlänge eines Standard-Linienbusses.




    "Monument" mit Frauenkirche aus verschiedenen Blickrichtungen.







    In Richtung Landhausstraße geblickt. Zwei MAN NL202 rahmen einen Neoplan.





    Blick zur Rampischen Straße/An der Frauenkirche.




    Von Krakelern wie gestern war übrigens heute nichts zu sehen. Vielmehr sorgte das "Monument" für großes Interesse unter Touristen und zahlreichen wie ich mit Fotoapparat bewaffneten Einheimischen, so dass Bilder ohne durchlaufende Personen quasi unmöglich waren. Ich hatte den Eindruck, dass sich die meisten Betrachter der Wirkung nicht entziehen konnten. Mir ging es ähnlich.



    Blicke in Richtung Wilsdruffer Straße und Moritzgasse, mit und ohne Rathausturm.






    Noch einmal die Landhausstraße. Die Höhe des "Monuments" verträgt sich gut mit der üblichen Dresdner Traufhöhe.




    Mit Johanneum und Augustusstraße.






    Noch einmal mit Frauenkirche.




    Abschließender Blick mit Martin Luther und Kreuzturm.




    Wie eingangs erwähnt halte ich die Standortwahl für misslungen. Auf dem weiten Neumarkt kann das "Monument" die Wirkung, die sein Vorbild in Aleppo in der engen Straße erzielt, nicht entfalten.


    Ein ähnlicher Standort wäre hier aus meiner Sicht die bessere Wahl gewesen. Ich denke da z.B. an den Eingang der Prager Straße am Dr.-Külz-Ring: Eine Umgebung, der in Aleppo nicht unähnlich - eine enge und hochbebaute Straße, die außerdem weit mehr als der Neumarkt von Einheimischen frequentiert wird, damit eine barriereartige Wirkung der nachgestellten Busbarrikade, die dann im Sinne des Wortes die Sicht durch die Straße nimmt und außerdem zum Umlaufen und damit einer wirklichen "Auseinandersetzung" mit der eigentlichen Intention zwänge.


    Alles Gründe, weswegen ich die Ortswahl als falsch betrachte - abseits aller dümmlichen "Gute-Stuben-" oder "Ist-das-hässlich!"-Argumentation. Insgesamt finde ich die Idee durchaus gelungen.

  • Die Idee, das in einem engeren Umfeld umzusetzen find ich auch reizvoll. Gerade am Eingang der Prager Straße wär der "Ursprungsefekt" wirklich besser darstellbar gewesen. Gar nicht so schlecht mitgedacht - ich werds dem Künstler mal unterbreiten.


    Für Dresden ist ihm aber wichtig, dass die Dimension von Dresden eben auf dem Neumarkt am ehesten kulminiert. Ein ebenso gedachtes Mahnmal und Denkmal für Krieg und Zerstörung war und ist die Frauenkirche - die durch den Wiederaufbau einiges darstellt, was in Aleppo bevorsteht: eine Überwindung des Krieges und ein Wiederaufbau. So gesehen ist die Platzwahl durchdacht.


    Und bei all dem Gezeter so einiger Raucherpausierenden, sollt man denen eventuell mal sagen, dass diese Kunstinstallation nur temporär ist. Vielleicht haben sie das ja übersehen und haben nur "angst", dass es fester Bestandteil des Neumarktes wird. ;)

  • Danke für die Bilder! Ich finde die Installation großartig. Gerade, weil das Originalbild so bedrückend ist und einem im Ansatz zeigt, wie es in Aleppo sein muss!


    Sehr traurig machen die wirklich hasserfüllten Rufe. Es zeigt, wie dumm und ünüberlegt die Aussagen sind. Ein Herr meinte "die Touristen wollen unser schönes Dresden sehen und nicht diese Schande" Die einzige Schande ist der Herr.


    Ich kann Euch beruhigen, in Hamburg gab es einen Schwamm als Kunstinstallation, der zum Wegputzen von Rechtspopulismus und Hetze stehen sollte. Das Kunstobjekt wurde angezündet!


    http://urbanshit.de/michel-abdollahi-schwamm/


    http://www.abendblatt.de/hambu…unstwerk-Der-Schwamm.html


    Also die Idioten sind nicht nur in Dresden, sondern auch in Hamburg.


    Wie gesagt, macht mich so eine Dummheit sehr traurig.


    Gruß aus der Partnerstadt.

  • Wie sehen eigentlich Discounter im Stadtbild aus und wie sollten sie baulich eingebunden sein?


    Zumindest auf erstere Fragestellung möchte die LIDL-Truppe eine bessere Antwort geben:
    LIDL macht DD zur LIDL-Vorzeigestadt und baut 23 Filialen um
    DNN


    LIDL will weg von der "Landhausbauweise" - also diese immergleichen Satteldachhütten.
    Man geht nun in die Zweigeschossigkeit, jedoch sollen v.a. Parkplätze oben drauf. Die Parkplätze sollen so überdacht werden und die Dächer Photovoltaik oder Begrünung erhalten. Elektroladestationen und Heißgetränkeautomaten sollen abrunden.
    Statt Standardhütte soll es mehr Glasfassaden und "Tageslichtatmosphere" geben.
    Soweit aus der DNN.



    Zunächst ist das schonmal ein gewisser Fortschritt, würde ich sagen. Die Unklarheit ist, ob der Discounter folglich bereit wäre, Teile oder alles der bisher oft großflächig versiegelten ebenerdigen Parkierungsflächen abzutreten? Wohl kaum, womit es keine signifikante Verbesserung darstellt. Vielleicht möchte man fit sein für kleiner Flächen, um auch diese "bespielen" zu können, wenn der Parkplatz nicht hinpasst. Die Zweigeschossigkeit ist gemäß Aussagen wohl nur eine Scheingeschossigkeit. Dennoch kann der Ansatz zunächst als positiv gelten, öffnen sich für die Zukunft eben Optionen, solche Märkte etwas besser ins Gefüge zu intergrieren. Noch besser wäre bekanntermaßen ein Einfügen in den Blockrand bzw in andere Nutzungen.


    Ein großes Manko jetziger Strategie ist selbstredend in einem noch anzüglicheren Autoservice zu sehen, welcher die Kfz-Nutzung attraktiviert (zusätzl. Stelllätze, Komfort...), welcher jedoch klar als stadtunverträglich gilt.
    Die Frage ist ebenso, ob man bereit ist, etwaige "Glasfassaden" auch bis in den 2. Stock hochzuziehen, um dem Stadtbild dienlicher zu sein. Freilich unter Beachtung ausreichender Be- und Entlüftungsöffnungen an den Nicht-Hauptfronten.
    Was vergessen wurde sind ordentliche Radbügel als Standard mitzudenken, um endlich von den "Felgenkillern" wegzukommen.



    Die große Frage: "Was kann der Einzelhandel für die Stadtentwicklung tun", ist noch nicht beantwortet.

  • Magic City: Die Kunst der Straße

    Ja, auch das gibt es in der angeblich im Mief der Vergangenheit verstaubten und verstockten Elbmetropole: Bis 12. März ist die „Magic City“ in der Zeitenströmung im Industriegelände noch zu bewundern. Wenn man ein Faible für Street Art im Speziellen und Design und Gestaltung im Allgemeinen hat, sollte man sich beeilen – es lohnt sich unbedingt!


    Fast schon folgerichtig bildet die klassisch-moderne Industriearchitektur des Strömungsmaschinenbaus eine geniale Symbiose mit den Exponaten der „Magic City“. Die Bildchen entstanden am heutigen Vormittag, als ich das besagte Etablissement in dienstlichen Belangen frequentierte.



    Beginnen wir mit der Abteilung „Verkehr“ – 149 Street-Grand Concourse Station (natürlich im Modell):





    Das Original: NYC Subway whole cars als Halbreliefmodelle.




    Hamburger und Berliner Kopien:




    New Yorker Hauseingang:




    Wer erkennt die zugrunde liegende Comicfigur ;) ?




    Fast schon modellbauerische künstlerische Umsetzung des syrischen Flüchtlingsdramas – Icy & Sot, Iran.





    Ori Carino & Benjamin Armas: Endzeit- Kleinarchitektur.





    Bordalo II (Portugal): Aus Abfall gestaltetes 3D-Bild.




    Plaza: Leon Keer.




    SpY: Irgendwie fühlt man sich beobachtet… City Square der Magic City.




    Andy K:




    Fahrrad am City Square:




    LOST (Nein, nicht der Ghettoblaster):




    I’ve lost my marbles…and shoes!





    Shepard Fairey: OBEY! (Oder You’re my posse…?)




    Ernest Zacharevic:




    ROA: Tierisch, tierisch…






    Courtyard: Brad Downey.




    Juandres Vera: Multidimensionalität und Hyperrealismus.




    Ron English: POPaganda an der City Hall.




    HERAKUT:





    TRULY:




    Vielfältig wurde die Flüchtlingskrise thematisiert:





    Ben Heine:




    Qi Xinghua:




    Zum Schluss noch einige Nebenimpressionen: Café mit stilechter Ausstattung.




    Als Antonstädter ist man dieses Bild auch in freier Natur gewöhnt: Stickers.









    Zum Abschied (am Courtyard): Schließlich ist Wochenende…


  • Historische Straßenbahnhaltestellen

    Der Museumsöffnungstag im Straßenbahnmuseum Dresden am letzten Wochenende bot die Möglichkeit, diesen Strang einschlägig zu erweitern.


    Das Museum besitzt neben den naturgemäß im Mittelpunkt stehenden Straßenbahnwagen eine interessante Sammlung historischer Haltestellenschilder, ergänzt um weitere Details, die einst die Dresdner Stadtlandschaft maßgeblich bestimmten.



    Das wohl älteste Schild in der Sammlung. Derartige Schilder wurden mit Beginn der Einrichtung fester Haltestellen zu Beginn des 20. Jahrhunderts angebracht. Oft dienten, wie hier zu sehen, Laternen als Haltestellenmast. Der Leuchtkörper wurde dabei rot abgesetzt, um die Lage der Haltestelle bei Dunkelheit kenntlich zu machen. Die Liniennummern wurden als runde Emaillescheiben aufgesetzt, Namensschilder waren unüblich - es gab ja Schaffner! In Gebrauch blieben sie wohl bis mindestens in die dreißiger Jahre, parallel zu ihren Nachfolgern.




    Der Nachfolgetyp wurde Ende der zwanziger Jahre eingeführt und blieb bis Ende der 1940er Jahre im Stadtbild sichtbar. Die dekorativen ovalen Emailletafeln atmen den Geist der Zeit. Mitunter wurden für diese Schilder Betonmasten mit einem dekorativen kegelförmigen Stahlaufsatz verwendet, auf die später die typischen grünen H auf gelbem Grund aufgesetzt wurden. Solche Masten waren noch bis in die 1990er Jahre anzutreffen, so bsp. an der Haltestelle Dreyßigplatz, dem heutigen Endpunkt der Linie 13. Auch Laternen, Haltestellenhäuschen oder gar Hauswände dienten als Fixpunkt. Die entsprechenden Schilder für den Kraftomnibus waren grün.




    An Knotenpunkten, vor allem in der Innenstadt, kamen mitunter solche beleuchteten Säulen zum Einsatz. Die Reklame brachte willkommene Nebeneinnahmen.




    Die meterspurige Lockwitztalbahn wurde erst 1941 in den städtischen Straßenbahnbetrieb eingegliedert und hatte bis dahin ihre eigenen Haltestellentafeln.




    In den späten 20ern und beginnenden 1930ern experimentierte man mehrfach mit Eillinien. Derartige Emailletafeln waren an den Querabspannungen der Oberleitung angebracht. Ich vermute, das gezeigte Schild stammt von den Eillwagen der Linie 15 (mit "Großem Hecht") von 1931.




    1939 wurden reichseinheitlich per StVO die noch heute in Deutschland üblichen grüngelben Haltestellenschilder eingeführt - dies erklärt ihre weitere Verwendung in beiden deutschen Staaten. Flächendeckende Verbreitung
    dürften sie in Dresden aber erst nach dem Krieg gefunden haben. Für den Omnibus gab es abweichende Varianten in Fahnenform, in der DDR später mit dem Zusatz "BUS" unter einem kleineren H, ebenso die Variante HH für Doppelhaltestellen.


    Die Kombination auf dem nächsten Bild zeigt das typische Dresdner Haltestellenschild der 1960er bis 1990er Jahre. Emaillierte Namensschilder kamen erst mit dem Ende des Schaffnerbetriebs ab Mitte der 1960er zum Einsatz. Die Liniennummern waren auf kleinen grünen Blättchen mit gelber Schrift zu lesen, die in einem separaten Metallrahmen angebracht waren.




    Auch in den 60er und 70er Jahren gab es repräsentative Leuchtsäulen für zentrale Haltestellen. Leider fielen diese ab Ende der 1980er der Modernisierungswelle des Informationsdesigns im Rahmen der neuen schwarz-gelben Farbgebung zum Opfer.





    Einen solchen Vertreter sehen wir hier. Das Grunddesign stammt von den BVB aus Berlin (Ost) und wurde farblich angepasst. In der DDR galt das "H" nicht als Verkehrszeichen und konnte daher ersetzt werden - die offizielle Funktion übernahm das bekannte blaue Schild mit wahlweise stilisiertem Bus oder Straßenbahn. Mit der Wende wurden die gelben H-Tafeln durch das Standardschild ersetzt, das nun bundeseinheitlich als Verkehrszeichen diente. Nicht stimmig ist nach meiner Erinnerung die Schrifttype - für die Haltestellennamen fand die Antiqua-Schrift wie auf den Straßenschildern Verwendung.




    Ab 1991 kamen die noch heute allgegenwärtigen MABEG-Standardstelen zum Einsatz, die nach und nach alle älteren Typen ersetzten. Die Haltestelle "Bahnhof Neustadt" auf der Hansastraße war ein Sonderfall: Nur hier gab es die gezeigte beleuchtete Sonderbauart, da es im Brückentunnel des Neustädter Bahnhofs schon immer zappenduster war. Mit der Neuanordnung auf dem Bahnhofsvorplatz entfiel die Haltestelle unter den Brücken, und damit wurde auch das Schild überflüssig.



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    Zu guter Letzt: Das museumseigene Haltestellenhäuschen. Es zierte einst die Bushaltestelle (später Obushaltestelle) Pohlandplatz der Linie C und gelangte in desolatem Zustand nach der Wende ins Museum. Dieser elegante Typ war in Dresden (und darüber hinaus) einst flächendeckend verbreitet.



  • Stallhof - Ringstechsäulen

    Erhalten haben sich im Stallhof die beiden originalen bronzenen Ringstechsäulen aus dem Jahre 1601.




    Meißnisches Wappen auf der linken Säule.




    Sächsisches Wappen auf dem rechten Pendant.


  • Denkmal für den permanenten Neuanfang

    Eine schlüpferfarbene Hebebühne und ein paar Versatzstücke aus diversen Dresdner Kunstwerken, und schon kann er sich wieder empören, der wütende Bürger. Sicher kann man trefflich drüber streiten, ob man den Neumarkt unbedingt als provokative Projektionsfläche nutzen muss (siehe auch hochkantiges Flüchtlingsboot im Herbst), doch die Art und Weise des "Protestes" fordert Derartiges ja fast heraus. Heute war es jedenfalls wieder äußerst ruhig, und das Objekt der "Schande" wurde bildlich festgehalten. Die häufigste Reaktion, so auch meine, war eine gewisse Heiterkeit. Das mag auch am Wetter gelegen haben...



    Der permanente Neuanfang in voller Schönheit auf seinem rosaroten Fahrgestell.




    Trümmerfrau, Mozartbrunnen, Grünes Gewölbe in trauter teilsamer Mehrsamkeit (oder so ähnlich)...





    Natürlich auch mit Frauenkirche...




    ...und Rathausturm.




    Harmonisch gerahmt von Baukränen.




    Zu guter Letzt ein Suchspiel: Denkmalige Dreifaltigkeit auf dem Neuen Markte zu Dresden.


  • Adressbuch von 1927/28

    Seit geraumer Zeit kann man die sächsischen Adressbücher digital einsehen. Eine äußerst hilfreiche Institution für jeden Hobbyhistoriker!


    Solch einen Wälzer aber im Original in Händen zu halten ist dann noch einmal etwas ganz Anderes. 31 mal 23 Zentimeter misst das Dresdner Exemplar von 1927/28, bei einer Dicke von 9 Zentimetern und einem Gesamtgewicht von über fünf Kilo. Nun habe ich mir einen lang gehegten Wunsch erfüllt und es mir endlich zugelegt - kein ganz presiwertes Unterfangen. Aber es hat sich gelohnt, denn nicht nur inhaltlich, auch grafisch ist das Büchlein schon äußerlich äußerst interessant. Ich möchte es euch daher nicht vorenthalten.


    Vorderdeckel:




    Hinterdeckel:




    Rücken:




    Sehr spannend sind die mit zeitgenössischer Werbung bedruckten Stege. Kopfsteg:




    Außensteg:




    Fußsteg:




    Kurzer Blick nach innen: Wie sollte es auch anders sein: Die Linienübersicht der Dresdner Straßenbahn- und Buslinien von 1927 ;)


  • Historische Haltestellen (Ergänzung)

    Als 1939 die bekannten grün-weißen Haltestellenschilder neu eingeführt wurden (der flächendeckende Einsatz erfolgte kriegsbedingt allerdings vielerorts, so auch in Dresden, nach 1945), gab es zwar sehr konkrete Vorgaben für die Gestaltung der Haltestellenschilder selbst, dazu aber war in der entsprechenden Anordnung im Reichsverkehrsblatt B Nr. 33 vom 29. Juli 1939 unter Punkt 9 folgende Formulierung zu finden:


    Für die Linienbezeichnung sind Form und Maße freigestellt. Als Farben sind gelbe Schrift und grüner Grund zu verwenden.


    Auch die Dresdner Verkehrsbetriebe hielten sich ab Ende der 1940er Jahre an diese Vorgabe und verwendeten für die Linienbezeichnungen 10,5 mal 7,5 Zentimeter große dunkelgrün gefärbte Kunststoffblättchen mit gelber Schrift, die in Metallrahmen meist untereinander, bei entsprechender Anzahl von Linien auch nebeneinander angeordnet wurden. Die Rahmen waren dabei stets unmittelbar unter dem eigentlichen Haltestellenschild auf der zum Gehweg zeigenden Seite so angebracht, dass sie in Fahrtrichtung lesbar waren. Ab den 1960er Jahren wurde das Ensemble noch durch emaillierte weiße Haltestellenschilder ergänzt.


    In Einzelfällen konnte es vorkommen, dass die Blättchen direkt auf das H-Schild geschraubt wurden.


    Diese Schildchen wurden erst in den 1990er Jahren durch die flächendeckende Einführung der gelben MABEG-Stelen sukzessive verdrängt. Zuletzt waren sie bis vor wenigen Jahren noch an so mancher Bushaltestelle im ländlichen Vorortbereich zu finden und dürften mittlerweile völlig verschwunden sein.




    Konvolut mit Schildchen der Straßenbahnlinien. Die 3, 5, 6 bzw. 9 und 7 fehlen leider in meiner Sammlung. Die E-Linien waren nach meiner Erinnerung zumindest in den 1980er Jahren eigentlich nur ausnahmsweise im Straßenbild anzutreffen.




    Zwei Raritäten: Die Linie 31, ex Lockwitztalbahn, ist bekanntlich seit 1977 Geschichte, die Linie 42 funktionierte jahrelang bis zur endgültigen Fertigstellung der Gorbitzer Straßenbahntrasse 1988 als Ringverkehr Gorbitz-Cotta-Löbtau-Wölfnitz-Gorbitz. Dafür baute man sogar extra Tatra-Wagen in Zweirichtungszüge um, um am Platz der Eisenbahner bzw. später der Kirschenstraße "Kopf" machen zu können.




    Nahezu komplett sind die entsprechenden Buslinienschildchen. Dabei sind auch einige Raritäten dabei, wie die Linien 78 und 79, die nur als Berufsverkehrs-Zubringer für die Klotzscher Industriebetriebe (Abfahrt am Platz der Einheit) fungierten und in den offiziellen Fahrplänen nicht auftauchten.





    Omnibus-Sonderlinien: Die Linien 50 und 51 waren Ausflugslinien (Platz der Einheit-Heidemühle bzw. Bühlau-Ullersdorf) und verkehrten nur am Wochenende und Feiertagen. Die 99 verkörpert den direkten Vorläufer des Airport-City-Liners und verband den Flughafen mit den beiden großen Fernbahnhöfen. Alle drei Linien waren vom Stadttarif ausgenommen, es war bar enfernungsabhängig zu zahlen.




    So waren die Schildchen im Straßenbild angeordnet. Das linke Beispiel könnte von der Haltestelle "Altmarkt" stammen (ab 1985), rechts die Kombination 13/16, zu finden zwischen Rehefelder Straße und Bautzner/Rothenburger Straße sowie entlang der Güntzstraße.




    Links die Anordnung an der Haltestelle "Fetscherplatz" bis zur Stilllegung der Pillnitzer Strecke 1985,die Anordnung rechts konnte von 1981 bis 1992 entlang der Bodenbacher Straße gesehen werden.




    Beispiele aus dem Bussektor: Die Zwillingslinien 61/93 (zwischen Löbtau und Bühlau) und 72/76 (zwischen Südhöhe und Prohlis), mittig die Haltestelle Bunsenstraße in Richtung Kaditz oder Wächterstraße mit den Linien 71, 80 und 91. Heute halten hier die 70, 80 und 64 als Nachfolgerin der 91.




    Auch die 82/90 und 75/94 bildeten jahrelang Zwillingspärchen zwischen Löbtau/Schillingplatz und Altnaußlitz bzw. Johannstadt und Leubnitz.




    Es sind kleine Details wie diese, die ein Straßenbild maßgeblich mitprägen. Der Verlust derartiger jahrzehntelang charakteristischer Symbole im Namen der Modernität wird einem oft erst im Nachhinein schmerzlich bewusst.

  • [...]
    Meißnisches Wappen auf der linken Säule.



    [...]


    Kleine Klugscheißerei von meiner Seite: das Meißnische Wappen wäre der Meißner Löwe. Die gekreuzten Kurschwerter sind das Amtszeichen des Reichserzmarschalls, spätestens seit 1356 untrennbar mit der sächsischen Herzogswürde verbunden.

  • Ich formuliere es mal als Frage: war der Titel des Reichserzmarschalls nicht eher an den Titel des Kurfürsten von Sachsen gebunden? Andernfalls wären ja die Albertiner schon nach der Leipziger Teilung Reiserzmarschälle gewesen und nicht erst seit Kurfürst Moritz.

  • Nicht ganz unberechtigte Frage. Durch die verschiedenen Erbteilungen der Wettiner gab es später ja viele sächsische Herzöge. Entscheidend für die Kurwürde war allerdings allein der Besitz des Herzogtums Sachsen-Wittenberg, welches im späteren Gesamtstaat der Wettiner bezeichnenderweise zum Kurkreis zusammengefasst wurde. Nur der Herzog von Sachsen-Wittenberg übte die Kurwürde aus. Nach der Leipziger Teilung verblieb Wittenberg mit dem Kurkreis in der Hand der Ernestiner, die demnach das sächsische Kurfürstenamt bekleideten. Kurfürst des Reiches war ein ranghöherer Titel als Herzog von Sachsen, wenngleich man nicht Kurfürst ohne die sächsisch-wittenbergische Herzogswürde sein konnte. Da die Wettiner trotz der Teilung aber formal immer noch ein Haus waren, musste der anderen regierenden Linie und deren Nebenlinien auch stets formal der sächsische Herzogstitel zuerkannt werden. Der von diesen dann wiederum als ranghöchste Bezeichnung vorrangig geführt wurde.
    Sächsische Kurfürsten wurden die Albertiner also erst, als nach der Wittenberger Kapitulation der Wittenberger Kurkreis von den Ernestinern unter ihre Kontrolle wanderte.
    Im übrigen ist die genaue Entwicklung des Kurfürstenkollegs eines der größten nicht vollends gelösten Rätsel der deutschen Mittelalterforschung. Man weiß bspw. nicht sicher, ob die Erzämter auf die Kurfürsten zugeschnitten wurden oder ob sich die Kurwürde aus den Erzämtern entwickelte.

  • Stadtgeschichte auf alten Fahrplanheften

    In meinen stadt- und verkehrsgeschichtlichen Beiträgen habe ich in der Vergangenheit zur besseren Illustration und Anschaulichkeit häufig auf Fahrpläne und Informationen aus meiner Sammlung zurückgegriffen, die allermeistens den jeweiligen Publikationen der Städtischen Straßenbahn und ihren Rechtsnachfolgern (Dresdner Straßenbahn AG, Dresdner Verkehrs-AG, KWU Verkehrsbetriebe, VEB (K) Verkehrsbetriebe und zuletzt VEB Verkehrsbetriebe der Stadt Dresden) entnommen sind. Da diese Heftchen aus heutiger Sicht nicht nur von inhaltlich-historischem Wert sind, sondern aufgrund ihrer Gestaltung selbst zum Teil sehr aussagekräftige und zum Teil regelrecht künstlerisch wertvolle Zeitdokumente darstellen, möchte ich diesmal deren Gestaltung etwas näher präsentieren und entsprechend kommentieren.


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    Bis Ende der vierziger Jahre waren die ausgegebenen Publikationen äußerlich sehr nüchtern ohne größeren grafischen Anspruch gestaltet und ähnelten eher amtlichen Veröffentlichungen (die sie ja eigentlich auch waren), mit entsprechendem Verzicht auf überflüssiges Dekor.


    Straßenverzeichnis der Städtischen Straßenbahn (1926) und das in letzter Zeit oft bemühte Linienlängen- und Fahrzeitenverzeichnis (1929). Beide wurden im Selbstverlag der Städtischen Straßenbahn verlegt und bei Paul Herrmann gedruckt. Sie dienten in erster Linie dem internen Betriebsgebrauch.




    Fahrplanheft und das zeitlich zugehörige Straßenverzeichnis von 1929. Die Titel sind sehr einfach gehalten: der des Fahrplanheftes ehedem komplett in grün, das Straßenverzeichnis spielt mit den Dresdner Stadtfarben. Die Werbung auf den Rückdeckeln ist eine Neuigkeit: Das Fahrplanheft der Städtischen Straßenbahn wirbt für Gesellschaftsfahrten mit den eigenen Omnibussen (die offenbar mit reinem Linienbetrieb noch nicht hinreichend ausgelastet waren), auf dem Straßenverzeichnis wirbt die Ortsgruppe des „Deutschen Frauenbundes für alkoholfreie Kultur“, ganz den reformpädagogischen und volksgesundheitlichen Zeitströmungen verpflichtet, für ihre eigenen Speiseetablissements. Es ist sicher kein Zufall, dass in Dresden zeitgleich das Deutsche Hygiene-Museum errichtet wurde.





    Zwei Fahrplanhefte aus den Kriegsjahren in etwas eingedampftem Format, denn Papier wurde langsam knapp. Auf Werbung auf den Rückdeckeln wurde verzichtet.




    In der unmittelbaren Nachkriegszeit war an die Herausgabe von Fahrplanheften nicht zu denken. Zum einen gab es hierfür keinerlei Ressourcen, zum anderen änderten sich die Linienführungen dermaßen häufig, dass eine solche Ausgabe, die eine Gültigkeit über einen längeren Zeitraum erforderte, schlicht sinnlos gewesen wäre. Stattdessen behalt sich die Dresdner Straßenbahn AG (bzw. bald DVG) mit schlichten Informationsblättern, die äußerlich den Vorkriegsfahrplänen ähnelten. Aufwendiger gestaltet waren die „Wohin? Wie Wann?“-Faltblätter, die ich schon vor einiger Zeit vorgestellt habe. Hiervon gab es zwischen Oktober 1945 und Sommer 1947 mindestens vier Ausgaben (vermutlich sogar noch mehr). Diese waren nicht nur auf Dresden beschränkt: Zumindest in Leipzig hat es, wie mir bekannt, fast identische Ausgaben gegeben.




    1949 war der Dresdner Straßenbahn- und Obusverkehr in den Händen des Kommunalen Wirtschaftsunternehmens (KWU) Verkehrsbetriebe. Mittlerweile gab es wieder ein kleines Fahrplanheftchen. Der Sommerfahrplan zeigt sich noch in nüchterner Form, aber wieder mit Werbung, diesmal für „Buch und Kunst“, auf der Rückseite. Interessant ist die Lage der Filialen außerhalb des völlig zerstörten Stadtzentrums und in der ehemaligen Reichsluftkriegsschule an der August-Bebel-Straße, die als einziges fast unzerstörtes zentrumsnahes Verwaltungsgebäude die Landesregierung beherbergte.




    Dann wurde es farbenfroher: Die KWU Verkehrsbetriebe fand sogar Material für einen lauschigen Leporello, der den „großen und kleinen Fahrgästen“ das richtige Verhalten in und um die meist chronisch überfüllten Verkehrsmittel lehrte. Ein, wie ich finde, ganz besonders schönes Exemplar, das keiner weiteren Kommentierung bedarf.











    Zurück zu den Fahrplanheften. Der Winterfahrplan 1949 machte den Auftakt für ein neues Format, das bis Ende der 50er Jahre Bestand haben sollte. Das Deckblatt zeigt den Titel und den Gültigkeitszeitraum in sehr clever arrangierter Uhrform mit dem Wappen des KWU, unterlegt von stilisierten „Großen Hechten“ und Henschel-Obussen, den damals modernsten Verkehrsmitteln der Flotte. Allerdings hat der Grafiker in einer entscheidenden Sache etwas geschlampt: Natürlich gab es auch in Dresden keinen Linksverkehr! Die Rückseite schmückt eine Werbung für die Dresdner Ratsbuchhandlungen.


    Ich habe der Einfachheit halber in der Folge die Hefte immer paarweise mit Front- und Rücktiteln abgebildet. Daher auch gleich zum 1950er Fahrplan. Den braunen Einband zieren wiederum ein Obus und ein „Großer Hecht“, allerdings in eine fiktive Haltestellensituation eingearbeitet, die man so am ehesten in Bühlau hätte finden können. Der Titel wurde in traditioneller Form eingearbeitet. Die Rückseite ziert diesmal keine Werbung, sondern recht plumpe Politpropaganda der „Nationalen Front“ Noch kämpfen offenbar alle für die Einheit Deutschlands...





    1951 verzichtete man auf die Darstellung von Fahrzeugen und zeigte wiederum eine große Uhr nebst einer verschmitzt dreinschauenden Schaffnerin, erkennbar an ihrer Kassentasche. Vermutlich sollte die Gestaltung die Bevölkerung an die Beachtung der Fahrpläne erinnern, wenn diese auch vom Unternehmen selbst unter den widrigen Zeitumständen oft genug nicht eingehalten werden konnten. Das „KWU“ entfiel, und ab sofort sprechen wir nur noch von den Verkehrsbetrieben der Stadt Dresden. Offenbar waren die Dresdner ein sehr vergessliches Völkchen, denn in den Folgejahren zierten die Rücktitel ausschließlich meist sehr aufwendig gestaltete Hinweise auf das Fundbüro, Antonstraße 2a in Dresden N6 – der Adresse des infamösen nunmehrigen Verkehrsbetriebe-Hochhauses am Alb…-, ähhh Platz der Einheit.


    Auf dem Titel des Jahres 1952 prangt stolz die damals neueste Errungenschaft des hiesigen Straßenbahnverkehrs, ein LOWA-Zug. Dahinter der gerade wiederaufgebaute Zwinger mit dem Kronentor, Wahrzeichen und Symbol der Wiederauferstehung der Stadt nach den verheerenden Kriegszerstörungen. Pikanterweise war die Ostra-Allee damals aber schon aus dem Planbetrieb ausgeschieden. Erst 1969 kehrte die Straßenbahn mit der Linie 11 offiziell wieder an den Zwingergraben zurück.





    1953 blicken wir durch die Arkaden der Altmarkt-Neubebauung wiederum auf einen LOWA-Zug der Linie 14. Wie im Jahr zuvor, so werden auch hier zwei Elemente verbunden, die den gesellschaftlichen Fortschritt in der sozialistischen Gesellschaft verdeutlichen sollten: das aktuell modernste Verkehrsmittel und eine bauliche Ikone der Wiederauferstehung der Stadt, auf die man damals zu Recht äußerst stolz war.


    Der Sommerfahrplan 1954 versetzt uns an den Platz der Einheit, Sitz des VEB (K) Verkehrsbetriebe der Stadt Dresden. Davor wohnen wir einem Wettrennen zwischen einem „Großen Hecht“ und einem damals hochmodernen LOWA-Obus bei. Wieder feiert man eine neue technische Errungenschaft, aber mit künstlerischer Freiheit: Während der Hechtwagen auf seiner 11 durchaus an den Platz gehört, hat es hier nie einen Oberleitungs-Omnibus gegeben.


    Die Rücktitel beweisen: Die Dresdner vergessen immer noch…





    Ende 1954 lächelt uns eine Schaffnerin aus einem MAN-Beiwagen entgegen, dahinter das wiederaufgebaute neue Rathaus mit einem LOWA-Obuszug. Der Grafiker muss unter einer besonderen Art des Verfolgungswahns gelitten haben: Überall sah er Obusse, selbst dort, wo es nie welche gab…


    Im Frühjahr 1955 bot die damals notdürftig gesicherte Semperoper den Hintergrund, auch wenn es bis zu ihrer Wiedereröffnung noch dreißig Jahre dauern sollte. Die Gestaltung des „Kleinen Hechts“ davor scheint etwas lieblos geraten – offenbar sind dem Grafiker die Ideen ausgegangen. Zumindest stimmt die Liniennummer, denn die 14 Radebeul-West – Kleinzschachwitz fuhr tatsächlich mit „Kleinen Hechten“ über den Theaterplatz…


    Und auf dem Rücktitel? Nichts Neues.





    Sprung ins Jahr 1957. Zu sehen sind, mal wieder, eine Uhr, diesmal als symbolische Darstellung des Rund-um-die-Uhr-Betriebes der Dresdner Straßenbahn. Davor wiederum die zwei modernsten Fahrzeuge der Flotte: Ein LOWA ET 54 (beschafft 1955) und ein H6-Stadtbus aus IFA-Produktion. Letztere eroberten neben den ersten Ikarus-Bussen damals die Dresdner KOM-Linien im Sturm und sorgten für die Abstellung der letzten Vorkriegsfahrzeuge.


    1958 begeben wir uns an die lauschigen Gestade der Elbe in Blasewitz, mit der stilisierten Schwebebahn auf den stark überhöhten Loschwitzer Hängen im Hintergrund. Davor paaren sich wiederum ein H6-Bus und ein „Kleiner Hecht“. Neben der 14 war die in Loschwitz endende Linie 2 das letzte Refugium dieser damals noch recht modernen Fahrzeuge.


    Die Sorgfalt der Dresdner bezüglich ihrer persönlichen Habseligkeiten scheint sich immer noch nicht dramatisch gebessert zu haben.




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    Im Jahre 1960 gab es einschneidende Veränderungen bei den Fahrplanheften. Sie wurden größer, die Informationen im Inneren ausführlicher. Ich zeige die Hefte daher in der Folge aufgeklappt mit komplettem Einband.


    Das 1960er Heft ist etwas kleiner als die folgenden und zeigt noch Gestaltungsformen der fünfziger Jahre. Die beliebte Paarung Bus-Straßenbahn zeigt wieder das Neueste vom Neuen: einen Ikarus 66-Vorserienwagen (davon gab es in Dresden zwei) und einen Gotha-Triebwagen. Diese wurden ab 1957 beschafft und waren noch bis Ende 1990 im planmäßigen Einsatz auf der Linie 1 zu finden. Den Hintergrund bildet der Zwinger als das Wahrzeichen und Symbol des kulturellen Erbes der Stadt und eines der Punkthochhäuser, wie sie beispielsweise an der Borsbergstraße entstanden – wiederum als Verkörperung des Aufbaus Dresdens als sozialistische Großstadt.


    Die „Verloren?“-Propaganda auf dem Rücktitel wird abstrakter. Wir verabschieden uns langsam von der gegenständlichen Formensprache des ersten Nachkriegs-Jahrzehnts.





    Der 1961er-Titel ist im Vergleich geradezu revolutionär. Er beschränkt sich auf reine Symbolik, die dennoch sehr ausdrucksstark daherkommt. Ein großes Haltestellenschild verdeckt einen stilisierten Netzplan, der so ziemlich exakt dem tatsächlich im Heft abgebildeten entspricht, siehe auch das Vergleichsbild.


    Auf der Rückseite feiert man das 100jährige Jubiläum des Dresdner Zoos und verabschiedet sich nach vielen Jahren vom Fundsachen-Appell.





    Sehr abstrahierend ist der Titel der nächsten Ausgabe von Anfang 1963. Man muss sich schon mit der Dresdner Nahverkehrshistorie etwas auskennen, um die auf kräftig signalorangenem Untergrund drapierte Symbolik zu dechiffrieren. Wieder ist es nichts anderes als die jeweils aktuelle Bus-Straßenbahn-Paarung: Der stilisierte Straßenbahnwagen verkörpert die nagelneuen Gotha-Großraumzüge, die außer in Dresden nur noch in Magdeburg und der Hauptstadt der DDR anzutreffen waren. In letzterer wurden sie ab 1969 konzentriert, als Dresden und Magdeburg ihre ersten TATRA-Wagen geliefert bekamen. In Dresden selbst ist seit Ende der 1990er Jahre ein aus Berlin zurückgeführter Zug als historische Garnitur vorhanden. Mittlerweile schon viel länger, als hier seine eigentliche Einsatzzeit dauerte…


    Der Bus im Hintergrund offenbart die Silhouette eines Ikarus 66, Standard-Stadtbus in der DDR bis Ende der sechziger Jahre. In Dresden wurden die allerletzten Exemplare erst Ende der 1980er Jahre ausgemustert. Auf dem Rücktitel wird diesmal eine elektrische Saftzentrifuge beworben, sicher als Beitrag zur Volksgesundheit, auf die man in der DDR offiziell sehr viel Wert legte.




    1965 war ein einschneidendes Jahr für den Dresdner Nahverkehr. Die Omnibuslinien erhielten Nummern, und der OS-Betrieb (Ohne Schaffner – mit Zahlbox) hielt Einzug. Natürlich musste die schaffnerlose Abfertigung auf dem Fahrplantitel propagandistisch beworben werden, und zwar wiederum mit den aktuell modernsten Fahrzeugen, einem Skoda-9Tr-Obus und einem Gotha-Einrichtungswagen auf Linie 20. Ob der Zeichner schon ahnte, dass diese bereits vier Jahre später verschwunden sein würde? Insgesamt erinnerte die sehr naturalistische Gestaltung an die fünfziger Jahre und war aus künstlerischer Sicht sicher ein gewaltiger Rückschritt zu den vorangegangenen Ausgaben, die man wohl als zu abstrahierend empfunden hatte. Aber man legte Wert darauf, dass es sich ab nun um ein „Fahrplan- und Informationsheft“ handelte.


    Die Rückseite bewirbt diesmal das Deutsche Hygiene-Museum mit seinem berühmten Augen-Logo und der nicht minder bekannten „Gläsernen Frau“.




    Der 1966er-Titel macht mit dem erstmals beiliegenden und in seinen Grundzügen bis 1990 unveränderten Haltestellenplan auf. Die Schriftgestaltung wirkt wesentlich moderner als beim Vorgänger. Auf dunklem Hintergrund zeigt der Titel ein Sammelsurium des damals eingesetzten Fahrzeugparks, wobei man bereits der Geschichte vorgriff und einen TATRA-Wagen abbildete. Der Prototyp des T4D kam aber erst ein Jahr später nach Dresden, und erst 1969 begann der Serieneinsatz. Beachtenswert ist auch das Schwarz-Gelb-Farbspiel, eine Reminiszenz an die Stadtfarben?


    Sehr spartanisch wirk die „Contezza-Kölnisch Wasser“-Werbung auf der Rückseite.




    Fast unverändert zeigt sich das Äußere der 1967er-Ausgabe, die Änderungen liegen im Detail. Wieder wird für „Contezza“ geworben, das seinen achtzigsten Geburtstag feiert und nun gegenständlich in Flaschenform als Fotoabbildung zu erleben ist. Bliebe noch zu erwähnen, dass das alte Liniennetz seine letzten Monate erlebte und hinter den Kulissen bereits an einer revolutionären Reform des Straßenbahnnetzes gefeilt wurde.




    Diese trat 1969 in Kraft. Einer der Hauptgründe für die Umwälzungen posiert stolz vor dem Dresdner Zwinger, denn der TATRA-Wageneinsatz war ursächlich für zahlreiche der neuen Linienführungen. Tatsächlich war die 11, neben der unverändert übernommen 7 und 8, der erste Einsatzort der neuen Fahrzeuge im Dresdner Netz, und diese flankierte ja nun mit der Wiederinbetriebnahme der Straßenbahnstrecke in der Ostra-Allee tatsächlich Langgalerie und Kronentor! Zwei Details jedoch verstören, denn bei aller Exaktheit seitens des Grafikers haben sich doch zwei merkwürdige Fehler eingeschlichen. Der Wagen hat keine Heckscheibe, und die Liniennummernanzeige hat es in dieser Form beim T4D nicht gegeben. Eigentlich hätte man das wissen können, denn der Wagen 2000 weilte schon seit 1967 vor Ort….


    Auf der Rückseite bewirbt man stolz das neue Hochlicht der sozialistischen Gastronomie in Dresden, die Großgaststätte „am Zwinger“ – vom Volksmund bald despektierlich als „Fresswürfel“ verschrien.




    Damit beende ich diese grafische Exkursion in die Dresdner Nahverkehrsgeschichte – Fortsetzung in den Siebzigern nicht ausgeschlossen.

  • Zeichnung der Barnewitz Laterne

    Hallo Antonstädter,


    mit großem Interesse habe ich den Beitrag gelesen. Mich interessiert speziell die schlichtere Dresdner Gaslaterne, da ich sie aus meiner Kindheit in Striesen von quasi jeder Straße her kenne. Ich möchte die Laterne als Modell in Messingfeinguss realisieren und suche dazu eine möglichst detailreiche Zeichnung mit Maßangaben. Kannst Du mir dazu evtl. weiterhelfen? Die Werbeanzeige von Barnewitz ist vielleicht ein erster Schritt, wenn es die in höherer Auflösung gäbe, wäre mir auch schon geholfen.


    Danke und viele Grüße
    Matthias Vogel