Fellini-Residences [realisiert]

  • Huch, die Balustrade ist dann doch etwas... too much...


    Nicht sehr berlinerisch. Aber was man hoch anrechnen muss: Keine versetzen Fenster, keine versetzten Kuben und keine hervorspringenden anderen irgendwasse.


    Von daher ist der Bau ja schon rebellisch, weil ziemlich mutig und einzigartig.


    Schon aus diesem Grund meine Zustimmung. Wo gibts noch so viel Kitsch wie dort? Der Architekt hat bestimmt von deutschen Kollegen schon ein Nasenrümpfen erhalten...

  • Stimmt, die Keulchen-Balustraden wirken billig. Das Übrige eigentlich nicht. Die Natursteinfassade wirkt auch aus der Nähe handwerklich sehr gut gearbeitet.
    Allerdings hat man den Eindruck, dass dem Architekten beim Staffelgeschoss die Inspiration abhanden gekommen ist.
    Immerhin scheint es keine hässlichen Dachaufbauten zu geben, die die Fernwirkung beeinträchtigen.

  • Ich finde hier gar nichts trash....vielleicht sind die weißen Balkonsäulen in der letzten Etage etwas unpassend, wirken sehr kitchig....aber sonst sieht die natursteinfassede sehr hochwertig aus. mir gefällt es sehr gut.

  • Mit Barock hat das nun wirklich nichts zu tun. Ziemelich gnadenloser Historismus, wie das Kollebelle. Trash? Na, wenn ich das hier über jeden Schukartonentwurf schriebe...

  • Mir gefällt die Grundaussage des Gebäudes. Sie erreicht nicht die architektonische Güte der Vorbilder, die zweifellos der Vergangenheit angehören, aber das haus strahlt etwas positives aus, es weckt (bei mir) positive Assoziationen mit Paris, den goldenen Zwanzigern, großzügigem und freundlichem Wohnen. Der sture zeitgemäße Baustil dagegen hat kaum Vergleichbares zu bieten.

  • Hat was sehr Haussmann'sches, wenn nicht sogar was Côte d'Azure'sches. Schnieke. Nur die Aufteilung der Balkons ist etwas...ungewöhnlich. Ja, so bekommt auch der Balkon darunter licht, aber man kann dem Nachbarn auch auf den Kopf spucken. Aber so kommt wenigstens Bewegung in die Fassade. :daumen:

  • Das Haus macht auch bei mir einen Positiven Eindruck.
    Besonders gut finde ich bei den letzten Bild die Anordnung der Balkons..
    Die Verschiebungen im Raster..


    Es wirkt nicht aufdringlich..

  • Also 'Trash' ist sowas nun wirklich nicht, bei dem Begriff denke ich eher an Plattenbauten oder Containerwohnungen. Andererseits kann ich gut verstehen, wieso Architekten und Architekturinteressierte die im Westdeutschland der Nachkriegszeit geprägt worden sind, die hier völlig unironisch gemeinte Verwendung von Säulen und anderer verspielter Elemente ja geradezu als obzön auffassen müssen. ;)


    Ich finde, durch die misglückte Balkonaufteilung und die Metallgitter hat man das Haus beinahe verdorben. Ohne Balkone oder mit symmetrischen Balkonen sähe es recht elegant aus.

  • Wenn ich mir im München Thread so ansehe, was da so für 08/15 Wohnboxen (oftmals mit der Ästhetik eines sanierten 50er Jahre Nachkriegsbaus) in ultrahochpreisiger Lage hochgezogen werden kann sich Berlin mit Gebäuden wie den Fellini-Residences glücklich schätzen.


    Würde ausschliesslich so gebaut, würde ich auch Zweifel bekommen, aber das ist ja nicht der Fall....

  • Problematisch ist hier meiner unmaßgeblichen Meinung nach wie so oft, dass wohl erstmal moderne Grundrisse in einen Baukörper gesteckt wurden, und man das Ergebnis dann nur noch historisierend dekoriert hat. Da weiß man plötzlich, woher der Begriff Zuckerbäckerstil kommt.


    Um überzeugend historisierend zu bauen hätte man eben Zugeständnisse hinsichtlich der Stockwerkshöhen und Risalitbildung machen müssen. Die Verteilung der Balkone ist (im Hinblick auf die Fassadengliederung, sicher nicht in Bezug auf die Grundrisse) wirr und verursacht Unruhe. Weiter sind die Konsölchen, auf denen die Balkone ruhen, in Relation zu der getragenen Masse vermeintlich viel zu schmächtig, was das Auge auf subtile Weise stört. Die barockisierende Balustrade ist definitiv too much und zerstört den neoklassizistischen Anspruch des übrigen Gebäudes, erst Recht in Kombination mit dem Zahnschnitt-Traufgesims ein ziemlicher Stilbruch.


    Die Treppenhäuser in einem oktagonalen Turm mit Rundbogenfenstern unterzubringen, ist meines Erachtens noch eine der konsequentesten Ideen. Diesen Treppenturm aber zur Hofseite hin auszubilden, und nicht zur Straßenseite, herje. Der Hof ist doch seit der Renaissance der repräsentativere Teil eines Gebäudes. Der Dachaufbau besitzt schließlich nach oben zuviel ungegliederte Putzfläche und auch seine runden Formen, die die 45°-Winkel des übrigen Gebäudes kontrakarieren, sind irgendwie irritierend. Er wirkt dadurch wie nachträglich draufgesetzt.


    Sicher ist das alles Meckern auf hohem Niveau, aber gerade in Berlin habe ich schon wesentlich ansprechendere traditionelle Entwürfe gesehen. Wie gesagt, gilt nur für Berlin. In München wäre sowas eine Sensation.

  • Wer sagt denn eigentlich dass hier "historisierend" gebaut wird? Wieso sind Säulen jetzt auf einmal für die Gründerzeit reserviert, wo das doch in allen Kulturen seit der Antike immer wieder aufgegriffene Basis-Stilelemente zahlloser Architekturstile waren? Wieso kann sich die Architektur nicht weiter entwickeln, von dem was im 20. Jahrhundert dominierte (Purismus, Sichtbeton etc.). Und wir sind eben Menschen gewisser Größe mit vier Gliedmaßen und gewissen Wohnbedürfnissen, die Formensprache lässt sich da nicht unbegrenzt neu erfinden wenn das Gebäude noch nutzbar sein soll. Also kann man entweder (zwangsläufig) schonmal dagewesene Formensprache und Gestaltung neu arrangieren oder man wählt den, für meine Begriffe "zu einfachen" Ausweg, dass man die Gestaltung einfach maximal reduziert, sich dieser Herausforderung auf diese Weise entzieht und das dann "modern" nennt.


    Seit der Renaissance dominierte kein Architekturgeschmack dermaßen lange, wie dieser Geschmack, dem man in Ermangelung eines besseren Epochenbegriffs einfach mal "moderne" Architektur genannt hat als Sammelbegriff (nach dem Motto "ich kann nicht genau definieren, was moderne Architektur sei, aber ich kanns dir sagen wenn ichs sehe"). Alles was mal progressiv und fortschrittlich war, wird unweigerlich irgendwann altbacken, wenn es stagniert und sich die Welt drumherum verändert. Schau dir an wie sich der Geschmack bei Klamotten, Musik etc. die letzten 50 Jahre verändert hat, aber wie wenig sich im Grunde das verändert hat was wir als "moderne Architektur" bezeichnen. Nahezu jedes Gebäude der 50er, 60er, 70er oder 80er würde ohne Patina und Abnutzungserscheinungen, also im Neubauzustand absolut unauffällig ausschauen und zwischen den Neubauten Anno 2013 in keiner Weise auffallen oder herausstechen.


    Und ja, ich musste beim Kommentar von necrokatz schon schmunzeln, es scheint sich da auch manches eingefahren zu haben in der bundesdeutschen Architekturszene. Toll ausgedrückt necrokatz, mehr davon :D


    Ich finde das Gebäude sehenswert und ich glaube auch die Münchner würden lieber "im Baukastensystem" dutzende Gebäude dieser Machart in den aktuellen Neubaugebieten sehen, als die zum weiß angestrichenen Betonrohbau reduzierte "moderne" Architektur. Vielleicht bildet sich ja ein ganz eigener berliner Architekturgeschmack heraus, eine lokale Spielart in dieser Weise. Wäre toll. Ich habe bei vielen Bauprojekten der letzten Zeit immer wieder das Gefühl, dass mit einer neuen Interpretation zeitloser Architektursprache tatsächlich ein Gegenpol zu den in der breiten Bevölkerung (ich meine zurecht) ungeliebten Betonwürfeln entsteht.

  • Im Gegensatz zu diesem Gebäude besitzen aber die Gebäude der vergangenen Jahrzehnte, selbst die der 1970er Jahre, eine bauliche Identität und Stilmerkmale, die es dem Kunsthistoriker einfach machen, sie bis auf fünf Jahre genau zu datieren. Selbst die vermeintlich eklektizistischen Gründerzeitler folgen auch ganz überwiegend meist indirekt aus der Antike entlehnten Gestaltungsprinzipien einer gestaffelten horizontalen und vertikalen Gliederung. Dieses Gebäude hier ist nichts von alledem. Klar, es ist „schön“ im Sinne des Dekors, aber es ist eben nicht konsequent.


    Man könnte auch sagen, dass nur an den Symptomen des heutzutage industriell-pervertierten Wohnungsbaus herumgedoktort wird, nicht an den Ursachen. Für letzteres müsste man eben beispielsweise echte Risaliten bauen, echte Mezzanine, echte Beletagen und echte Dächer. Dann käme einem auch schnell das ganze Dekor nicht mehr wie das Mittel zum Zwecke vor.

  • Naja, Renaissancedekor auf zu niedriger Geschosshöhe...Das muss doch in 50 Jahren auch noch auf die 2010er datierbar sein :D. Aber wie ich auch schon beim Paztschke-Thema gesagt habe, sehe ich in der Geschosshöhe bei diesem Stil auch das größte Problem. Nicht nur wegen der Proportionen von Säulen o.ä., sondern weil eben auch alles (z.B. "Konsölchen", Balkonreihen) ein mal mehr vorhanden ist. Dann wirkts irgendwann auch ohne Hermen, Karyatiden und Weinranken überladen.

  • Die Raumhöhen liegen bei ca. 3m. Also durchaus großzügig für einen Neubau.


    Mal abgesehen von den versetzten Balkonen und dem grauenvollen Farbübergang zum Dachgeschoss kann ich mit dem Ergebnis gut leben. Ein bisschen mehr Patina wär auch nicht schlecht :lach:

  • Hallo ihr Architekturfans! Ich lese schon lange hier mit und bin begeistert über alle euren frischen Berichte über das Architekturgeschehen, aber diese Auseinandersetzung um ein Berliner Wohngebäude, das eindeutig in eine neue Richtung weist, veranlasst mich, mich endlich an der Debatte zu beteiligen.


    Ich meine, es ist an der Zeit, uns von gewohnten Bildern und verfestigten Maßstäben in unserem Kopf zu befreien. Warum muss ein "modernes" Gebäude karg ausfallen? Warum muss ein historisierendes Gebäude bestimmte Stockwerkshöhen einhalten? Da sind doch allerhand Gewohnheitsraster im Spiel, die uns davon abhalten, genau hinzusehen.


    Natürlich ist an diesem Wohngebäude (übrigens vom Zeichenbrett des renommierten Schweizer Architekten Marc Kocher - das darf ruhig mal erwähnt werden) nichts trashig, nichts barock, nichts historistisch. Gewiss, man kann über die Verteilung der Balkone verschiedener Ansicht sein, kann das Staffelgeschoss unpassend finden, aber man wird dem Gebäude nicht gerecht, wenn man nicht die noble und konsequente Proportionierung beachtet, die bewusst herausgearbeitete und akzenuierte Stockwerksgliederung, die zurückhaltende Flächenbehandlung, die ganz auf die gediegene Wirkung der Sandsteinverkleidung und der Maßverhöltnisse zwischen den raumhohen Fenstertüren setzt.


    Wenn manche unter euch sogleich an das Haussmannsche Paris oder Südfrankreich erinnert werden, kann ich dem nur zustimmen. Der Bau wirkt in dem weitgehend recht "proletarisch" gewordenen Berlin sicher als Herausforderung, der manchem gleich die Kitsch-Vokabel auf die Zunge legt. Aber schaut bitte genau hin, der Bau ist natürlich so modern, wie alles, was schon das frühe 20. Jahrhundert hervorgebracht hat, nur eben nicht modern im Sinne des "weiß angestrichenen Betonrohbaus" der letzten 60 Jahre, wie Berchen in seinem sehr treffenden Beitrag geschrieben hat. Ich meine, statt unsere in 60 Jahren antrainierten Reflexe gegenüber baulichen Phänomenen auszuleben, müssen wir ganz neu lernen, unbefangen und forschend hinzuschauen, wenn sich in Deutschland und zumal in Berlin eine wirklich zukunftsfähige Architektur etablieren soll.