Museumsinsel und Erweiterungsbauten (James-Simon-Galerie)

  • Es kann eben nicht lohnenswert für einen Architekten sein, seine eigene Leistungsfähigkeit und seine eigene Sprache zu unterdrücken und so zu bauen, dass es möglichst keiner merkt. So zu bauen, dass der Kontrast zwischen Alt- und Neubau praktisch unsichtbar wird, heißt ja gerade, Modernität zu leugnen. Und ob man im Zusammenhang gerade mit der Architektur der Gründerzeit (Wilhelminismus) übrigens unbedingt immer von Qualität reden kann, ist nun auch eine andere und umstrittene Frage.


    Wir leben im 21. Jahrhundert. - Das ist unsere Zeit, unsere Stadt und unsere Sprache. Unsere Identität. Und wir können nicht die Identität des 19. oder 20. Jahrhunderts leben. Dein Ansatz, sich anzupassen, unauffällig zu bauen und immer an der Geschichte, dem was war und was ist, zu orientieren, würde aber immer dazu führen.


    Architektur muss immer ein Spiegel der Zeit sein.

  • Es kann eben nicht lohnenswert für einen Architekten sein, seine eigene Leistungsfähigkeit und seine eigene Sprache zu unterdrücken und so zu bauen, dass es möglichst keiner merkt.


    Dann ist er für diese Aufgabe wohl nicht geeignet. Außerdem "bemerkt" man alle Gebäude auf der Museumsinsel, und gerade weil alle zusammenpassen, bilden diese ein tolles Ensemble.


    Nun ist die Gefahr da, das dieses Ensemble zerstört wird. Außerdem ist es nicht unmöglich ein Gebäude zu bauen, dass auffällt und sich trotzdem integriert.


    Gibt es in Berlin denn nicht genug Räume, in denen sich Architekten wie Chipperfield profilieren können? (Es gibt natürlich auch durchaus gelungene Gebäude)

  • Sorry für die klare Sprache, aber der erste Satz in Deinem Post kann einem schon übel aufstoßen. Zumal im Kontext dieses Forums.


    Der Umgang mit der Museumsinsel ist absolut richtig: Das Alte wird erhalten und restauriert und da wo es notwendig ist, mit neuer Architektur ergänzt. Auf diese Weise wird das Ensemble Museumsinsel nicht zerstört, sondern in seinem Wert erhöht. Sowohl architektonisch, als auch den Nutzwert betreffend.

  • Manuel,


    Ich rede nicht von Unsichtbarkeit, sondern von Respekt. Bezeichnend finde ich die Äußerung, es könne sich für einen Architekten nicht lohnen, Gebäude zu entwerfen, die sich ihrer Umgebung anpassen, weswegen - so die implizite Folgerung - ein moderner Architekt die Wirkung von historischen Enbsembles ruinieren müsse, für die er Ergänzungen plant. DAS nenne ich phantasielos - von der Rücksichtslosigkeit ganz zu schweigen. Architektur ist eine Dienstleistung! Soll die moderne Architektur doch zeigen, daß sie so ein Ensemble weiterentwickeln und eigene Akzente setzen kann ohne daß das Ganze aus dem Gleichgewicht gerät. Aber so eine erbärmliche Kiste wie der Chipperfield-Entwurf ist der Museumsinsel einfach unwürdig. Es ist ja auch nicht so, als gäbe es keine gelungenen modernen Ergänzungen historischer Bauten und Bauensembles. Man denke nur an die Reichstagskuppel (die man dem egozentrischen Architekten allerdings auch erst gegen empörten Protest abzwingen mußte).


    Und natürlich kann man bei Wilhelminismus nicht immer von Qualität sprechen. Niemand generalisiert hier. Man kann aber durchaus von einem dramatischen Qualitätsgefälle zwischen den bestehenden Bauten der Museumsinsel (das Neue Museum vielleicht ausgenommen) und dem Chipperfield-Entwurf sprechen.


    Du sagst, Architektur müsse immer ein Spiegel ihrer Zeit sein. Ich bin mir nicht sicher, ob das immer so sein sollte, aber nehmen wir es mal hin. Warum aber muß dann die Architektur ein Dokument der Rücksichtslosigkeit sein? Das wirft aus Sicht späterer Generationen kein gutes Licht auf unsere Zeit. Also: Da liegt doch eine lohnende Aufgabe von Architekten: Kann man keine modernen Gebäude planen, die unsere Zeit als maß- und repektvoll gegenüber historischer Bausubstanz kennzeichnen? Das muß doch möglich sein.

  • Noch ein so ein Satz: "Architektur ist eine Dienstleistung". :nono: Und wenn unsere Zeit sich Deines Erachtens sich duch einen maß- und repektvollen Umgang gegenüber historischer Bausubstanz auszeichnen sollte, wäre es wohl das erste mal in der Geschichte.

  • Immerhin ist das Gebäude kein Bürogebäude das von Investoren finanziert ist sondern ein Gebäude, das vom Bund finaziert wird. Von daher sehe ich das in diesem Fall anders.

  • Meines Wissens soll das Eingangsgebäude von Sponsoren, bzw. auf jeden Fall privat finanziert werden, da der Bund kein Geld dafür ausgeben will.

  • Zitat von Ernst

    Kann man keine modernen Gebäude planen, die unsere Zeit als maß- und repektvoll gegenüber historischer Bausubstanz kennzeichnen? Das muß doch möglich sein.


    Ich verstehe die ganze Debatte nicht: Das neue Eingangsgebäude ist doch respektvoll. Als ganz und gar nicht respektvoll würde ich verzweifelt historisierende Fassaden auffassen, wie sie zum Beispiel den Pariser Platz verschandeln. Wollen wir das wirklich noch einmal in Berlin? Bitte nicht. Und gerade bei diesem mehr oder weniger gut wiederaufgebauten Museumsensemble nicht.


    @nitsche, die Quelle zur Privatfinanzierung:
    Museumsinsel: Eingangsgebäude privat finanziert
    Berliner Morgenpost, 1. August 2005
    http://morgenpost.berlin1.de/c…01/feuilleton/770321.html

  • Eine Kopie einer Kopie einer Kopie jedenfalls fasse ich weder als respektvoll, noch als schön oder qualitätsvoll oder architektonisch wertvoll auf. Sicher ist das Glaseingangsgebäude nicht die beste aller vorstellbaren Möglichkeiten, aber allemal geschickter als ein dumpf historisierender Neubau.

  • Gut das mit dem privat finazieren wusst ich nicht. Was meine Meinung zu dem Gebäude aber nicht ändert. Ich versteh weiterhin nicht, warum es immer Kontraste seien müssen, und niemand von "Harmonie" spricht.



    Zitat von stativision

    Als ganz und gar nicht respektvoll würde ich verzweifelt historisierende Fassaden auffassen, wie sie zum Beispiel den Pariser Platz verschandeln.


    Richtig, zwanghaft historisierende Fassaden, von modern orientierten Architekten, das geht meistens nicht. Aber was ist das zweitöftest fotografierte Gebäude am Pariser Platz (nach dem Brandenburger Tor)?


    Richtig, das Adlon.

  • Zitat von nitsche86

    Aber was ist das zweitöftest fotografierte Gebäude am Pariser Platz (nach dem Brandenburger Tor)?


    Richtig, das Adlon.


    Und Du meinst, es würde weniger oft fotografiert werden, wenn es ein Neubau geworden wäre? Und natürlich: Das Adlon hat eine Geschichte, da stand vorher auch ein Gebäude, das auch etwas Ähnlichkeit mit dem modernen Adlongebäude hatte. Würde hier ein schon ursprünglich vorhandenes Eingangsgebäude original rekonstruiert werden, wäre es ja ok.


    Trotzdem habe ich noch keinen getroffen, der das Adlon (oder auch die Bauten neben dem Brandenburger Tor) wegen deren (unzweifelhaft misslungenen) Architektur fotografiert hätte.

  • Zitat von stativision

    Eine Kopie einer Kopie einer Kopie jedenfalls fasse ich weder als respektvoll, noch als schön oder qualitätsvoll oder architektonisch wertvoll auf. Sicher ist das Glaseingangsgebäude nicht die beste aller vorstellbaren Möglichkeiten, aber allemal geschickter als ein dumpf historisierender Neubau.


    Ja. darauf habe ich gewartet. Es wurde höchste Zeit, daß das Stichwort "dumpf" fällt.


    Fällt vielleicht jemandem doch noch etwas ein, was sich irgendwo zwischen Glascontainern und "dumpf historisierend" bewegt?

  • Und Du meinst, es würde weniger oft fotografiert werden, wenn es ein Neubau geworden wäre?


    Davon bin ich fest überzeugt. Die modernen Bauten werden es seltener und gefallen bei weitem auch nicht jedem.


    Das Adlon jedenfalls mögen zwar einige als langweilig charakterisieren, aber ich glaube keiner findet es hässlich. Das lässt sich von Gebäuden wie der AdK weniger sagen, wobei die Halbwertszeit meiner Meinung nach relativ kurz sein wird, bis man es als hässlich kritisiert.


    Aber naja Off-Topic


    Edit:
    Ich weiss gar nicht, oft ich mit dir schon darüber diskutiert haben Stativision, aber es ist mir jedesmal eine Freude ;)

  • Was hättet Ihr denn z.B. zu Schinkels Bauakademie gesagt? Vermutlich hättet ihr seinerzeit auch davon gesprochen, sie würde das Ensemble ruinieren und sich nicht adäquat dem Schloß anpassen.


    Natürlich kann man darüber diskutieren, ob einem der Chipperfield-Entwurf nun gefällt oder nicht. Aber sozusagen grundsätzlich zu verlangen, er möge sich "respektvoll" anpassen und bitteschön nicht auffallen, lehne ich wirklich entschieden ab. Das darf einfach nicht Maßgabe für Architektur sein.


    Unsere Städte sind voll von nebeneinanderstehenden unterschiedlichen Stilrichtungen und Epochen. Heute mögen wir das alles als "alt" kategorisieren, die jeweiligen Zeitgenossen sahen das aber häufig anders. Vom 19. zum 20. Jahrhundert gab es einen regelrechten Umbruch in der Architektur, an dem wie gesagt Schinkel z.B. seinen Anteil hatte, weshalb sich die Architektur unserer Zeit deutlicher abhebt und der Unterschied auffälliger ist. Aber das 21. Jahrhundert wäre wirklich die erste Epoche in der Geschichte, die lieber zurückschaut, statt sich einer eigenen Sprache zu bedienen. Andererseits ist nie zuvor so sehr auf den Erhalt vorhandener historischer Architektur geachtet worden. Die Museumsinsel wird ja eben nicht ruiniert, sie wird restauriert und ergänzt. Es wird nichts abgerissen, sondern was dazugebaut.


    Und eine Äußerung wie: "Die modernen Bauten werden seltener" muss man doch, Entschuldigung, als blanken Unsinn bezeichnen.

  • Zitat von Manuel

    Aber das 21. Jahrhundert wäre wirklich die erste Epoche in der Geschichte, die lieber zurückschaut, statt sich einer eigenen Sprache zu bedienen.


    Was ist denn mit der Renaissance? Hätte es die nicht gegeben, wären uns übrigens eine Menge schöner Gebäude erspart geblieben.


    Ich finde auch nicht, dass moderne Ergänzungen alter Bausubstanz zurückhaltend sein muss. Ich finde sogar, dass sie auffällig sein kann. Man könnte damit der Museumsinsel eine neue Identität geben (man denke nur an das Louvre oder halt den Reichstag). Wenn die Museumsinsel wieder ein wichtiger Touristenmagnet werden soll, dann muss sie sich auch auffällig zeigen. Dabei muss ja keines der bestehenden Gebäude irgendwie verändert werden. Der Entwurf sollte dann natürlich auch gut aussehen und sich in das Gesamt-Ensemble einfügen. Den Entwurf von Chipperfield finde ich dagegen etwas langweilig. Wenn man Erfolg will, dann muss man auch provozieren, auffallen und von sich reden machen.