Potsdam: Lustgarten

  • ^ Was haben die Totschlagargumente Kindergärten, Schulen und Wohnungen bitte mit einem bald leerstehenden Hotel zu tun? Geht es noch primitiver?

  • Kindergärten,Schulen etc haben vordergründig nichts mit diesem Projekt zu tun.
    Indirekt aber schon.Wahrscheinlich hat der geplante Neubau des Museum nicht den Nerv vieler Potsdamer getroffen.Für die stehen andere Sachen im Vordergrund.Alltagsbauten wie Schulen,Strassen etc..Vielleicht reagieren deswegen etliche Plattenbau Verteidiger so pikiert,weil es sich beim HP Neubau um ein Luxusprojekt handelt,dessen Notwendigkeit nicht gesehen wird.


    Ich finde den jetzt anvisierten Standort am Jungfernsee nicht optimal.Dort geht die Sammlung unter.Da könnte man auch besser auf Schloß Babelsberg ausweichen,dass ja stark renovierungsbedürftig ist,aber die Kohle fehlt.


    Zum Mercure.Von mir aus soll man es abreissen,wenn der Verwendungszweck weggefallen ist.Dann aber bitte anschliessend modern und nicht mit historischen Schnickschnack bebauen.

  • Ich finde es überhaupt nicht primitiv, wenn über bezahlbare Wohnungen und über Kindergartenplätze und damit auch über eine entsprechende Prioritätensetzung in der Stadtentwicklungspolitik diskutiert wird. Mit dem Hotel hat das erst einmal nicht soviel zu tun, aber die ganze Debatte hat ja auch nicht viel mit dem Hotel zu tun. Wenn es nur um das Hotel gehen würde, dann würde die PNN ja kaum solch einen Zirkus veranstalten. Daher bin ich der Meinung, dass es bei der ganzen Debatte letztendlich um die städtebauliche Gestalt, die Stadtentwicklungspolitik und das Selbstverständnis Potsdams generell geht, und die Beiträge sowohl in der PNN als auch auf der Demonstration zielten ja auch in diese Richtung. Ich habe die Befürchtung, dass der Streit um das Hotel erst den Auftakt zu scharfen Konfrontation in stadtentwicklungspolitischen Fragen bildet, und dass Potsdam dabei Schaden nimmt. Daher mein Beitrag.


    Ansonsten will ich noch auf einen lesenswerten Artikel in der Berliner Zeitung hinweisen, der das ganze Thema deutlich entspannter behandelt.


    http://www.berliner-zeitung.de…er,10809312,16556550.html

  • Die Diskussion ist müßig. Blackstone wird den Pachtvertrag verlängern oder einen neuen abschließen; das Interhotel wird saniert und steht noch mindestens 20 Jahre.


    Das verdanken wir nicht nur internationalen Heuschrecken wie Blackstone sondern eben auch den Mitbürgern Typ "Klarenbach", die sich in dergleichen unheilige Allianzen begeben. Das muss aber ein Demokratie aushalten und beherzt entscheiden, daran hat es in Potsdam gefehlt. Die Nörgler, die fehlende Kitaplätze und zuwenig Parkbänke gegen jedes Vorhaben aufrechnen wird es immer geben ( und gab es immer).

  • Mercure

    Könnte nicht ebenso ein Abriss und Neubau vom Investor angestrebt werden?
    Dann bekommt Potsdam dort eben einen Hotel-Neubau. (Vielleicht so wie das Motel One am Spittelmarkt ;).)

  • Nach dem BauGB hat der Grundtückseigentümer sogar einen Anspruch auf einen Abriss und einen Ersatzbau in gleicher Kubatur, auch wenn der rechtsunkundige OB Jakobs anderes verkündet hat. Dies würde sogar noch drei Jahre lang gelten, nachdem das Hochhaus abgerissen wäre.


    Andernfalls müsste die Stadt Potsdam einen B-Plan aufstellen und zugunsten der Allgemeinheit enteignen (inkl. Entschädigung zum Verkehrswert). Das hat sie bis dato nicht getan, weil sie das Geld nicht hat.


    Ein Neubau, der sich nicht am Interhotel, sondern an der Umgebung orientiert ist nach Paragraf 34 BauGB natürlich zulässig, aber warum sollte Blackstone auf ihr zustehende Baumasse verzichten?

  • In der Fankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 29.7. erschien ein bemerkenswerter Artikel zum Potsdamer Baustreit. Dieser wendet sich gegen eine Sichtweise, die die vormoderne Phase der Stadtentwicklung als irgendwie "natürlich" betrachtet, die moderne Phse dagegen als einen widernatürlichen Fremdkörper betrachtet. Sein Plädoyer läuft darauf hinaus, auch die DDR - Moderne als einen vollwertigen Teil der Potsdamer Baugeschichte zu begreifen und zu erhalten.


    http://www.faz.net/aktuell/feu…ren-der-ddr-11835192.html

  • Ich habe den Artikel auch gelesen und halte ihn für das dümmlichste, was ich in letzter Zeit in der von mir eigentlich recht hoch eingeschätzten FAZ gesehen habe.


    Der Mann vergleicht den Abriss von absichtlich jede Historie ignorierender Bebauung der DDR, tatsächlich mit der Kirchen und Schlösserprengung der SED. Man könnte meinen es läuft hier zu Lande eine Hexenjagd auf diese Architektur und es handele sich im eine fast nicht mehr präsente Architekturepoche. Das dem nicht so ist sieht man gerade in Potsdam und auch im von ihm angesprochenen Dresden doch par excellence. Gerade weil diese Städte vom sozialistischen Ideal des Wiederaufbaus stark geprägt waren, sind es auch Bauten des Sozialismus die oft für städtebauliche Maßnahmen wieder weichen müssen. Eigentlich logisch nachvollziehbar denn andere Bausubstanz ist an den Stellen meist nicht vorhanden die weichen könnte.


    Und zu guter letzt zieht er auch noch einen mehr als dreisten Vergleich zum Münchner Haus der Kunst. Das habe man nicht abgerissen obwohl es angeblich hässlich sei. Schonmal erstaunlich, dass man das hier so definitiv festhalten aber er sich weiter oben noch jeglicher Geschmacksdiskussion verweigert. Dass ein neoklassizistisches Gebäude städtebaulich weit weniger problematisch ist, als ein inmitten einer hunderte Jahre alten Stadt gepflanztes Hochhaus, errichtet im Zeichen von Geldmangel und Einfallslosigkeit, braucht man glaube ich nicht näher erläutern.
    Und es geht hier vordergründig um städtebauliche Motive. So langsam muss man ja schon von einer Verschwörungstheorie sprechen, wenn überall vom ideologisch motivierten Abriss von DDR Architektur die Rede ist.

  • @ Klarenbach. Meine Frage gehört nicht im engeren Sinne hierhin. Aber anlässlich des FAS-Kommentars, dessen Schlüsse ich wehement ablehne (was wie bereits oft von mir gesagt nicht nur DDR-Bausünden, sondern genauso BRD-Bausünden in deutschen Städten angeht), möchte ich sie Dir doch gerne Stellen.


    Du kämpfst ja glühend für jeden DDR-Plattenbau. Andererseits dokumentierst Du detailliert und kenntnissreich die Modernisierungen von Wohnplatten in Berlin. Dabei bleibt von Gestaltung und Materialität oft nahezu nichts übrig und die Gebäude werden zu zweit- oder drittklassigen heute modernen Wohnbauten. Würde man in die Substanz von Altbauten z.B. der Gründerzeit oder der klassischen Moderne deartig eingreifen, wäre es mir ein Gräuel.
    Wie stehst Du zu diesen Eingriffen?
    Worin besteht der ästhetische Wert, der erhaltungswürig ist?
    Reicht es Dir, wenn im Inneren einige tragenden Wände übrig bleiben, sonst aber ein völlig neues Bauwerk entsteht (wie z.B. beim Kaufhof am Alexanderplatz; oder bei diversen Hochhäusern der 1. Generation in Frankfurt am Main)?
    Geht es Dir im Grunde darum eine konstruktive Leistung aus den Tagen der DDR um ihrer selbst Willen zu erhalten?


    Aus meiner Sicht sind derartige Modernisierungen aus Effizienzgründen absolut in Ordnung. Sie zerstören ein architektonischen Erbe aber m.E. fast geauso konsequent, wie ein Abriss und sind daher nur bei nicht schützenswerten Bauten zulässig.

  • Dieses Hotel ist doch absolutes Mittelmaß (ganz schlecht finde ich es nicht!) der DDR-Architektur und nicht viel mehr als ein besserer Massenplattenbau. Mir ist nicht ersichtlich, was daran, anders als beispielsweise der ganz fantastischen "Seerose", erhaltenswert sein soll. Die Architektur steht auch im Gegensatz zu durchaus interessanten DDR-Gebäuden wie dem abgerissenen Palast der Republik, dem Jentower, dem Unihochhaus in Leipzig, dem Haus des Lehrers und der Kongresshalle, dem ehemaligen Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, dem ebenfalls abgerissenen Ahornblatt. Auch das Haus des Reisens in Potsdam war m.E. erhaltungswürdiger. Ein ähnlicher Fall ist die Schwimmhalle am Brauhausberg.

  • Die Fragen von Rotes Rathaus haben so viele Facetten, dass ich eigentlich einen ganzen Roman dazu schreiben könnte, und zu alledem wird die ganze Debatte dann auch ziemlich off topic. Ich will mich aber trotzdem nicht drücken und ein paar Antworten geben. Mir wäre es auch recht, wenn die Mods den Dialog in den Thread „Sanierung von Plattenbauten“ verschieben würden.


    Zunächst einmal bin ich ein großer Anhänger der behutsamen Stadterneuerung. Behutsame Stadterneuerung bedeutet einerseits der behutsame Umgang mit der vorhandenen Bausubstanz. Ich bin der Meinung, dass man bestehende Gebäude nach Möglichkeit erhalten sollte. Die Erhaltung, Sanierung, Umnutzung und Umbau von bestehenden Gebäuden ist meiner Meinung nach unter ökologischen Gesichtspunkten besser als die Tabula-rasa-Methode, weil sie Material und Energie spart. Andererseits umfasst die behutsame Stadterneuerung auch den behutsamen Umgang mit den betroffenen Bürgern. Letztendlich geht es ja bei allem Bauen um die Schaffung lebenswerter Städte, in denen sich die Bewohner wohl fühlen. Ich bin der Überzeugung, dass dieses Ziel mit einer breiten Einbeziehung der betroffenen Bürger, einer umfassenden Bürgerbeteiligung und der Suche nach einem breiten Konsens am besten erreicht werden kann. Daher bin ich prinzipiell skeptisch, wenn nutzbare Gebäude abgerissen werden sollen, und wenn dann noch Wohngebäude gegen den Willen ihrer Bewohner abgerissen werden, dann halte ich solch ein Vorgehen in der Regel für falsch. Diese Überzeugungen beziehen sich nicht nur auf Plattenbauten, sondern auch auf andere Gebäude. Beispielsweise halte ich auch den Abriss der Ungers-Bauten am Lützowplatz für falsch.


    Nun zum Thema Plattenbauten. Ich habe mich in den letzten Jahren etwas umfangreicher mit dem Thema beschäftigt, und ich bin ganz klar zu dem Schluss gekommen, dass diese Gebäude viel besser als ihr Ruf sind.


    Da ist zunächst die bautechnische Seite. Fast alle Plattenbauten weisen eine solide Bauqualität auf und lassen sich zu überschaubaren Kosten sanieren. Bei den Plattenbautypen handelt es sich um ausgereifte Konstruktionen, die oft nach eingespielten Verfahren von routinierten Teams hunderttausendfach errichtet worden sind. Ich habe mich mich etlichen Architekten Bauingenieuren über dieses Thema unterhalten, und sie alle haben mir diese Qualitäten bestätigt. Auch dank dieser Qualitäten kosten die Sanierung von Plattenbauten oft nur die Hälfte einer vergleichbaren Gründerzeitsanierung.


    Zudem besitzen die Plattenbauten noch weitere spezifische Vorteile: Die meisten Plattenbautypen erlauben eine große Flexibilität der Grundrissgestaltung. Ein Großteil der Innenraumwände sind nichttragende Wände, die problemlos verschoben oder weggelassen werden können. Dann ist es in Plattenbauten oft leichter, die Wohnungen seniorengerecht umzubauen. Ein Teil der Plattenbauten verfügt schon über Aufzügen, bei anderen Blöcken können sie nachgerüstet werden. Ein unschlagbarer Vorteile sind die energetischen Vorteile. Plattenbauten lassen sich problemlos mit effizienten Wärmedämm-Verbundsystemen nachrüsten, während sich Gründerzeitaltbauten mit ihren Stuckfassaden viel schwieriger dänmmen lassen. Eine Studie der Technischen Universität Berlin von 2011 hat den Energieverbrauch in sanierten Plattenbauten im Wohngebiet Berlin - Frankfurter Allee Süd mit dem Energieverbrauch sanierter Gründerzeithäuser in dem benachbarten Kaskelkiez untersucht. Das Ergebnis war, dass die Plattenbauten weniger als die Hälfte an Energie verbraucht haben als Gründerzeitbauten. Konkret verbrauchten die Plattenbauten 87 kWh pro qm pro Jahr, während die Gründerzeitbauten 200 kWh pro qm pro Jahr verbrauchten.


    Daneben hat das Phänomen Plattenbau aber auch eine stadtstrukturelle und städtebauliche Seite. Plattenbauten sind ja häufig Teil von Großsiedlungen, die oft genauso unterschätzt werden wie die Gebäude. Wer sich aber näher mit diesen Komplexen beschäftigt, der stellt fest, dass es sich bei diesen Siedlungen um sorgfältig geplante Strukturen mit erheblichen Qualitäten handelt. Häufig haben sich die Planer umfangreiche Gedanken gemacht, wie sie den Bewohnern ein möglichst angenehmes, bequemes und stressarmes Leben ermöglichen könnten. Die Wohnhäuser wurden so angeordnet, dass jede Wohnung ausreichend belichtet wird. Etliche Plattenbauten, gerade auch in Potsdam, bieten darüberhinaus sehr schöne Aussichten. Ebenso wichtig war die Wohnruhe. In vielen Plattenbausiedlungen wird der Durchgangsverkehr an den Rand der Wohngebiete verbannt, während die Wohngebiete nur durch ruhige Stich- und Schleifenstraßen erschlossen werden. Eine große Rolle spielen großzügige Grünflächen und Spielplätze. Viele Plattenbausiedlungen präsentieren sich heute als grüne Idyllen. Ebenso wichtig war eine gute Ausstattung mit Schulen, Kindergärten, Einkaufsmöglichkeiten, Spielplätzen, Sportplätzen, Jugendklubs, Ärztehäusern, öffentlichen Verkehrsmitteln etc..


    Die Planer haben sich dabei nicht nur darauf beschränkt, all diese Funktionen einzuordnen, sondern sie haben auch viel Gedanken darauf verwendet, wie man diese Funktionen möglichst günstig anordnen könnte. Schulen wurden so angelegt, dass die Kinder möglichst kurze Wege zurücklegen mussten, und die Schulwege wurden so gestaltet, dass keine Hauptstraßen gequert werden mussten. Kaufhallen wurde so eingeordnet, dass die meist berufstätigen Frauen kurze Einkaufswege hatten. Seniorenwohnhäuser wurden in der Regel in direkter Nachbarschaft zu Kaufhallen errichtet, um den Senioren das Leben zu erleichtern. Großer Wert wurde auf günstige Beziehungen zwischen den Funktionen Wohnen, Arbeiten und Erholen gelegt. Diese Funktionen sollten nicht nur nahe beieinander liegen, sondern auch durch leistungsfähige öffentliche Verkehrsmittel verbunden werden.


    Auch die Ästhetik der Plattenbausiedlungen folgt einem ganzheitlichen Ansatz. Ziel war die Verbindung von Städtebau, Landschaftsarchitektur, Kunst, Konzepten der visuellen Kommunikation bis hin zu der Werbegestaltung, die auch einem einheitlichen Konzept folgte. Dabei ging es weniger um interessante Fassaden. Der industrielle Wohnungsbau erlaubte ja nur relativ geringe Gestaltungsmöglichkeiten der Fassaden. Bei den WBS 70 - Typen, die in der Regel mit Rollkies besplittet worden sind, waren bestenfalls ornamentale Giebelgestaltungen möglich, lediglich bei den QP - Typen, die über Keramikfassaden verfügten, war eine farbliche Gestaltung möglich. Umso wichtiger war der Städtebau, also die Schaffung abwechslungsreicher Raum- und Silhouettenbildungen. Eine noch größere Rolle spielten die landschaftsarchitektonischen Konzepte und Kunstkonzepte, die in vielen Plattenbausiedlungen mit großem Aufwand entwickelt wurden. Gerade für die großen Plattenbausiedlungen, wie zum Beispiel Marzahn, wurden sehr aufwendige landschaftsplanerische Konzepte entwickelt, die erhebliche Qualitäten aufweisen. Die Freiräume wurden nicht nur sorgfältig bepflanzt, sondern auch mit Brunnenanlagen, Sitzecken, Pergolen, kleinen Teichen, Liegewiesen, Beeten, Plastiken, Freizeitsportanlagen etc. etc. ausgestattet. Viele Siedlungen präsentieren sich als große Freiluftgalerien. Am Springpfuhl oder am Fennpfuhl kann man einen Eindruck von diesen Intentionen gewinnen. Das Ziel der Planer war es, auch unter den Bedingungen des industriellen Wohnungsbaues abwechslungsreiche und interessante Stadträume zu schaffen.


    Ich bin der Meinung, dass diese Siedlungsstrukturen mit ihrer städtebaulichen Grundstruktur, den großen Grünflächen und den Kunstwerken unbedingt erhalten werden sollten. Diese Strukturen sind für mich im Zusammenhang mit dem Thema Plattenbau am wertvollsten. Ich habe es daher sehr bedauert, dass in Marzahn in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Springbrunnen beseitigt worden sind. Die Plattenbauten selbst halte ich auch für erhaltenswert, allerdings halte ich einen Umbau für unproblematisch. Wie schon gesagt, die Originalfassaden machen nicht die ästhetische Qualität der Plattenbausiedlungen aus. Allerdings kann es Grenzfälle geben, wo auch ein Abriss und Neubau (vielleicht sogar unter Nutzung des Kellergeschosses) sinnvoll sein kann. Solche Fälle habe ich in Magdeburg gefunden, und ich würde auch solch ein Vorgehen nicht völlig ablehnen. Ich bin da relativ pragmatisch. Den ersatzlosen Abriss von städtebaulich wichtigen Wohnhäusern, wie beispielsweise des Hochhauses Marchwitzastraße 1/3, habe ich dagegen für katastrophal gehalten. Für noch schlimmer halte ich allerdings flächige Abrisse von Großsiedlungen, wie man sie in einigen ostdeutschen Städten findet, weil dadurch auch die erhaltenswerte Siedlungsstruktur zerstört wird.


    Das Mercure-Hotel ist wiederum noch ein anderes Thema. Hier habe ich vor allem die mangelnde Bürgerbeteiligung kritisiert. Zudem bin ich der Meinung, dass das Hotel ein stadtbildprägendes Gebäude ist, das wichtig für die Potsdamer Stadtsilhouette und das Verständnis der planerischen Vorstellungen der DDR-Zeit ist. Daher würde ich unbedingt für seinen Erhalt plädieren. Andere Gebäude aus der DDR-Zeit halte ich dagegen für weniger wichtig, den Abriss des Wasserwirtschaftsgebäudes bespielsweise fand ich nicht so dramatisch, und den Abriss der Gebäude der Hochschule für Staat und Recht in Babelsberg fand ich sogar richtig. Aber die stadtbildprägenden Hochhäuser halte ich auf jeden Fall für erhaltenswert.


  • Das Mercure-Hotel ist wiederum noch ein anderes Thema. Hier habe ich vor allem die mangelnde Bürgerbeteiligung kritisiert. Zudem bin ich der Meinung, dass das Hotel ein stadtbildprägendes Gebäude ist, das wichtig für die Potsdamer Stadtsilhouette und das Verständnis der planerischen Vorstellungen der DDR-Zeit ist. Daher würde ich unbedingt für seinen Erhalt plädieren. Andere Gebäude aus der DDR-Zeit halte ich dagegen für weniger wichtig, den Abriss des Wasserwirtschaftsgebäudes bespielsweise fand ich nicht so dramatisch, und den Abriss der Gebäude der Hochschule für Staat und Recht in Babelsberg fand ich sogar richtig. Aber die stadtbildprägenden Hochhäuser halte ich auf jeden Fall für erhaltenswert.


    grundsetzlich geh ich mit deiner meinung, was plattensiedlungen angeht d´accord...ich hab die erfahrung gemacht, das selbst diese städtebaulichen struckturen über die letzten 40 jahre gewachsen sind, das sich nachbarschaften entwickelt haben, das man sich gegenseitig kennt, schätzt, das sich auch um die sauberkeit der anlage gekümmert wird...ach im großen und ganzen sind das bisweilen riesige altersheime, sauber, gepflegt, jeder kennt jeden...dorf in der vertikalen...himmel ich hab patienten, da muß ich bei leuten 10 stockwerke drunter klingeln, weil die den schlüssel für besagte whg haben....also, was ich sagen möchte ist, das in so plattenvierteln bisweilen die gemeinschaft irre stark ist, über jahrzehnte gewachsen....


    SO...jetzt zum mercure...das in ner ecke steht, wo es gar nicht hingehört...sei es noch so skyline oder silhouetten-prägend, denn mal unter uns, diese prachtbox des realexistierenden sozialismus ist alles andere als erhaltenswürdig...erstens steht es in ner parkanlage die zum schloß gehörte, zweitens ist das ding nach der wende ja durchsaniert worden, also nix mit originalität, drittens sind das industriell vorgefertigte teile, die man einfach zusammengeschustert hat, schön macht es das ganze trotzdem nicht und viertens...VOR dem schloß steht schon DDR-müll, der hoffentlich bald, bald, bald abgetragen wird, muß das ganze ein paar geschosse höher auch noch hinter dem schloß stehen? genosse architekt hin oder her, das ist ein block aus fertigteilen der null ästhetik hat....wollen wir potsdam nicht auch nen hauch seiner ehemaligen mitte zugestehen? in dresden klappt es doch auch, obwohl sie das ein oder andere moderne dingens reinstreuen...aber meist so, das es irgendwo ganz hinten steht, so...gasse rein, umme ecke...und da ist es...ganz verschämt. FFM versucht es ja jetzt auch...und grade potsdam...himmel...also...meine meinung, ganz unverblümt, das mercure ist sch.... und weg damit...voila...jetzt ist es raus :) es gibt einfach stadtbildprägende hochhäuser, die das stadtbild verschandeln und das mercure gehört definitiv dazu (ist ja nun nicht so, als wäre es das park inn in berlin, das city hochhaus in leipzig oder der jentower in jena, denn das sind in der tat mehr oder weniger gelungene, stadtbildprägende hochhäuser)

  • ^^ Wahre Worte, nur vergisst du dabei, dass sich die Diskussion um das Mecure zu einer Art Stellvertreterkrieg entwickelt hat und die Archiktektur oder städtebauliche Aspekte in den Hintergrund geraten sind. Wie schon mal in diesem Forum erwähnt, hat man hier zwei Seiten, die sich unversöhnlich gegenüberstehen, wenn man will Alt-/ und Neupotsdamer oder SED-Anhänger und SED-Opfer. Für erstere ist dies alles ein hochemotionaler Abwehrkampf gegen die Veränderung allgemein und im besonderen gegen die Tilgung der Zeugnisse der eigenen Geschichte. Für die andere Seite ist es genau dasselbe nur, mit anderem Vorzeichen - der Wunsch die Zeugnisse eines verbrecherischen Regimes aus dem Antlitz der Stadt zu beseitigen. Natürlich gibt es rationale, städtebauliche und auch ästhetische Argumente. Leider gehen diese in der Kakophonie des aufgeregten und empört-beleidigten Kampfs um die Geschichte unter. Ich vermute, wenn es diese ideologische Zuspitzung nicht gäbe, wäre das Mecure schon längst zu Strassenschotter verarbeitet worden und selbst die eingefleischtesten SED/Die Linke-Wähler hätten höchstens mal kurz mit der Schulter gezuckt um dann sich wieder der Lektüre des Neuen Deutschlands zu widmen (wo solche Stellvetreterkriege normalerweise ja gerade entfacht werden) und sich über ihre austehende Rentenerhöhung zu empören. Wenn man will, kann man die Art und Weise der Diskussion um das Mercure mit dem Stuttgarter S21 vergleichen.


    :p

  • Ich gebe necrokatz Recht in der Annahme, dass es sich bei dem Kampf um das Mercure um einen Stellvertreterkrieg handelt. Allerdings sind die Fronten in diesem Konflikt deutlich komplizierter. Die eigentliche Ursache dieses Konfliktes besteht darin, dass schon seit 1990 ein Kampf um die richtige Entwicklung von Potsdam tobt, und dass hier zwei Konzepte miteinander konkurrieren, die einander ausschließen. Die eine Seite will die von der DDR begonnene Entwicklung Potsdams zu einer modernen Großstadt fortsetzen, die andere Seite will dagegen Potsdam zu einem Berliner Nobelvorort, einem „deutschen Versailles“ entwickeln.


    Die Vision von einem „deutschen Versailles“ wurde schon 1993 vom Publizisten Wolf Jobst Siedler entwickelt. 1997 präsentierten Klaus Theo Brenner, Bernd Albers und Ludger Brands, drei Professoren an der Fachhochschule Potsdam, einen Masterplan für die Umgestaltung Potsdam, der den Abriss sämtlicher innerstädtischer Plattenbauten vorschlug. Dieser Plan wurde damals sogar vom brandenburgischen Bauministerium unterstützt. Das Ministerium erklärte sich damals sogar bereit, den Neubau von Ersatzwohnraum zu fördern. Unterstützung erfuhren diese Pläne auch durch die lokalen Medien. Insbesondere die Potsdamer Neuesten Nachrichten schrieben schon 1997 sehr wohlwollende Artikel über die Pläne der drei Professoren. Leider reicht das Archiv der PNN nicht bis 1997 zurück, daher kann ich nur einen Artikel aus der Berliner Zeitung zu dem Thema beitragen:


    http://www.berliner-zeitung.de…aft,10810590,9367616.html


    Die Stadtverwaltung entschied sich allerdings gegen die Abrisspläne und stellte die Weichen stattdessen in die entgegengesetzte Richtung. Der Hauptverantwortliche für diese Weichenstellung war dabei nicht die PDS, sondern der damalige Baudezernent Detlef Kaminski. Kaminski kam aus der Bürgerinitiative „Argus“, die während der DDR-Zeit gegen die damaligen Abrisspläne gekämpft hatte und wurde später Mitglied der SPD. Mit der SED oder PDS hatte er also überhaupt nichts zu tun. Dennoch stellte er die Weichen nicht in Richtung „deutsches Versailles“, sondern in Richtung auf Wachstum und Stadterweiterung. Unter seiner Regie wurde nicht nur die Plattenbausanierung in Gang gebracht, sondern auch Großprojekte wie das Kirchsteigfeld, das Bornstedter Feld oder der Unicampus Golm auf den Weg gebracht.


    Diese Weichenstellung hat sich letztendlich als richtig erwiesen, zählt doch Potsdam heute zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Städten. Für die Anhänger eines „deutschen Versailles“ allerdings war diese Entwicklung mit einem enormen Frust verbunden. Leute wie Brenner, Albers und Brands finden nicht nur die Sanierung der Plattenbauten ärgerlich, sie finden auch die Entwicklungen auf dem Bornstedter Feld oder in Golm richtig gruselig. Und sie haben sich mit der Entwicklung in Potsdam nicht abgefunden. 2006 präsentierten sie einen neuen Masterplan, der wiederum den Abriss sämtlicher innerstädtischer Plattenbauten vorsah. Und sie kämpfen bis heute vehement für die Wiederherstellung des Stadtbildes aus der Vorkriegszeit. Hier gibt es ein paar Presseberichte zu dem Konflikt:


    http://www.maerkischeallgemein…050/DE?article_id=1055376


    http://www.pnn.de/potsdam/77653/


    http://www.pnn.de/campus/77404/


    In diesem Kampf stehen Brenner, Albers und Brands nicht allein. Unterstützung kommt von den Lokalmedien. In vielen Artikeln findet sich eine Stimmung wieder, nach der Potsdams Stadtentwicklung dringend einen Kurswechsel bräuchte, dass Potsdam bisher alle Chancen vergeben hätte, dass insbesondere die Bauverwaltung ein Haufen von Versagern wäre. Einen Eindruck von dieser Stimmung vermittelt dieser Artikel:


    http://www.pnn.de/potsdam/95816/


    Diese Stimmung ist angesichts der erfolgreichen Entwicklung in Potsdam natürlich ziemlich bizarr, aber sie hinterlässt ihre Wirkung. Zudem haben die Anhänger eines „deutschen Versailles“ in den letzten Jahren Unterstützung durch Prominente wie Günter Jauch, Wolfgang Joop oder Mathias Döpfner erhalten. Und daneben gibt es natürlich noch die Initiative „Mitteschön“. Diese Leute trommeln mit zunehmender Lautstärke für die Wiederherstellung des alten Potsdam. Das Mercure ist für sie nicht das Ende, sondern nur der Anfang einer Entwicklung, die sie erst als abgeschlossen betrachten, wenn alle innerstädtischen Plattenbauten beseitigt sind. Von Wolfgang Joop stammt die Aussage, dass er beim Anblick der Potsdamer Plattenbauten am liebsten bei Al Kaida anrufen würde. Ich denke, es ist nach nachvollziehbar, dass derartige Pläne und Äußerungen berechtigte Ängste wecken.


    Daher würde selbst ein Mercure-Abriss zu keiner Befriedung der Debatte führen. Er würde den nächsten Streit um die nächsten Hochhäuser zwangsläufig nach sich ziehen.

  • ^
    So maßlos sind doch die Pläne für Potsdam gar nicht, auch nicht von Mitteschön. Kein Mensch stellt die vielen Plattenbauten in den Vorstädten in Frage, nicht einmal die DDR-Plattenhochhäuser hinter dem Ende der Breiten Straße. Auch nicht Mitteschön. Es geht doch letztlich nur um eine Handvoll von DDR-Bauten, meistens Funktionsbauten wie die Fachhochschule oder das Rechenzentrum, letztlich auch noch noch um den Staudenhof und das Mercure, die quer zum historischen Grundriss der Potsdamer Altstadt stehen. Wenn die weg wären, könnte die Potsdamer Altstadt praktisch vollständig rekonstruiert werden und es wäre ein für allemal Ruhe.

  • Also allein die Unterscheidung der zwei Positionen in eine "von der DDR begonnene Entwicklung Potsdams zu einer modernen Großstadt" und dem des „deutschen Versailles“ klingt schon äußerst tendenziös und könnte, man verzeihs mir, auch aus der Feder des Neuen Deutschland entspringen. Als ob die totalitäre Stadtplanung der SED für Potsdam etwas wäre, an das es sich heute anzuknüpfen lohnt. Der Begriff "modern" wird schließlich heute inflationär für Fortschritt verwendet und nicht nur für eine abgrenzbare Architekturepoche. Dann müsste man die Planungen Albert Speers zur Schaffung von großen Verkehrsachsen und Monumentalbauten in Berlin und sonstwo auch als erstrebenswert bezeichnen.

  • Der Begriff "deutsches Versailles" stammt nicht von mir, sondern wurde von den Herren Brenner, Albers und Brands zur Beschreibung ihrer Zielvorstellungen verwendet.

  • ^Es ist ja auch durchaus nicht so verkehrt von einem "deutschen Versaille" zu sprechen. Wenn ich überlege wie viele "moderne Großstädte" von der Größe Potsdams es Weltweit gibt, die absolut öde sind und ohne jede Aussage oder Anziehungskraft, keine Rede von Kulturgütern aller größten Ranges und ich dem gegenüber stelle, dass Versaille eine Glanzpunkt für alle Zeiten ist, so weiß ich, was ich für Potsdam bevorzuge und was aus volkswirtschaftlicher Sicht für Potsdam, Berlin, Brandenburg, Deutschland und ja sogar ganz Europa einen höheren Wert hat. Nämlich die Bewahrung und wenn nötig die Reparatur solcher alter Residenzstädte, die in dieser Fülle und individuellen Vielfalt ein Alleinstellungsmerkmal des alten Kontinents sind und in denen man wunderbar leben kann, auch wenn die Fassaden der Innenstädte einige Jahrhunderte auf dem Buckel haben und es keine Hochhäuser wie das Mercure gibt.

  • Der von Klarenbach diagnostizierte "Kampf um die richtige Entwicklung Potsdams" ist doch schon zigmal von der Stadtverordnetenversammlung (SVV), dem einzig durch Wahlen legitimierten Organ, entschieden: Es kommt der Alte Markt, es kommt das Schloß und es kommt der Stadtkanal.


    Wer meint dies sei anders gehe bitte in die SVV und hole sich ein Mandat für die Erhaltung des Mercure oder eine Bestandsgarantie für andere Platten. Er wird sich ein blaues Auge holen.


    Dass bei der potsdamtypischen Taktiererei ab und an mit den Sozialisten vermeintliche Kompromisse gemacht werden, um breitere Mehrheiten für das eine oder andere zu bekommen, ändert daran nichts.


    Und nach der nächsten Wahl dürfte die Schloßkoalition wegen des Zuzuges deutlich gestärkt werden. Also: mach dir keine Hoffnungen, Klarenbach.

  • Mittlerweile zeichnen sich klarere Perspektiven für das Mercure-Hotel ab. Laut einem Bericht der Potsdamer Neuesten Nachrichten laufen derzeit Verhandlungen zwischen Eigentümer Blackstone und Betreiber Accor über den Abschluss eines Franchise-Vertrages. Demnach wird Blackstone das Hotel als Franchise-Nehmer betreiben. Dieses Modell wird auch in anderen Städten praktiziert. Der Vertrag soll eine zehnjährige Laufzeit haben.


    Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass Oberbürgermeister Jann Jakobs seine Position zu dem Hotel offenbar völlig geändert hat. Während er früher für den Abriss plädierte, wünschte er sich jetzt einen Erfolg der Verhandlungen. Zudem erklärte er, dass das Hotel Mercure nach dem Scheitern des Hotelprojektes im Palais Barbarini benötigt würde.


    Ich denke, dieser Fall zeigt ganz gut, dass es wichtig ist, Abrisse sorgfältig zu prüfen, weil sich der Wind eben doch ganz schnell ändern kann und dann Fakten geschaffen worden sind, die nachträglich bedauert werden.


    http://www.pnn.de/potsdam/680576/