Architektonisch bedeutsame Siedlungen und Quartiere

  • Architektonisch bedeutsame Siedlungen und Quartiere

    In Stuttgart gibt es viele architektonisch bedeutsame Siedlungen und Quartiere, die seit vielen Jahrzehnten das Stadtbild v.a. in den Aussenbezirken prägen. Es kann sich hier um kleinere oder grössere Siedlungen, aber auch um Wohnquartiere aus wenigen oder gar nur einem Gebäude handeln. In diesem Thread werde ich viele solcher Siedlungen aus verschiednen Epochen der vergangenen fast 120 Jahren vorstellen. Wer grösseres Interesse an der Thematik hat, dem sei das Buch "WohnOrte", herausgegeben vom Karl Krämer Verlag Stuttgart, empfohlen.


    Ansonsten bin ich gespannt über eure heutige Sicht auf das erbaute, den gemütlichen Blick heute auf die Wohnkonzepte der Vergangenheit in dieser Stadt. Beachtet dabei stets wer gebaut hat, für wen gebaut wurde, und ich welcher Zeit, und zu welchem Zweck!

  • Wallmersiedlung

    Beginnen will ich mit der "Wallmersiedlung" in S-Untertürkheim. Es handelt sich hier um Geschosswohnungsbau mit Etagenwohnungen. Die Stadt Stuttgart baute hier zwischen 1925 und 1930 im Stil des Neuen Bauens, um die allgemeine Wohnungsnot zu lindern. Die meisten Wohnungen waren klein, und explizit für Arbeiter im damals schon stark industrialisierten Stadtbezirk Untertürkheim vorgesehen. Es gibt 2 verschiedene Gebäudetypen, die in 5 zumeist langen Häuserzeilen, symmetrisch gegliedert sind. Es gibt eine Querstrasse, die in der vorletzten Reihe durch eine für die Zeit typische Torsituation "gekrönt" wird.


    Das nördliche Ende






    Die Querstrasse

    Torsituation


    Wie in vielen älteren Siedlungen, läuft auch hier ein Sanierungsprogramm, so das man oft "vorher und nachher" genau gegenüber betrachten kann. In der Regel werden jeweils ganze Häuserzeilen komplett entkernt und anschließend grundsaniert. Momentan auch zu beobachten in Wangen, Hallschlag etc.)


    Bebauung an der Querstrasse



    Bilder: Silesia

  • Vatikan

    Ein gänzlich anderes Wohnkonzept stellt "Vatikan" dar. Es handelt sich hier um einen geschlossenen Block von untypischen da geradezu gewaltigen Ausmaßen. Es gibt 3 Torzugänge. Der Wohnkomplex im Stadtteil Winterhalde im Bezirk Bad Cannstatt, wurde in 2 Bauabschnitten erstellt, 1906 bzw. 1932. Der Kriegsbedingte Wiederaufbau erfolgte 1961. Auch hier handelt es sich um Wohnungen die für einfache Arbieter und niedere Beamte gebaut worden sind, damals noch weit ausserhalb der Stadt. Architektonisch wirkt der massive Gebäudekomplex v.a. im Innenhof sehr konfus. Ähnliche Wohnkomplexe gibt es v.a. im Nordbahnhofsviertel. Hier sogar wenige Jahre alte und 100 Jahre alte, die unmittelbar gegenüber liegen.


    Innenansichten

















    Bilder: Silesia

  • Raitelsberg

    Die Siedlung Raitelsberg befindet sich im Stadtbezirk Ost. Es ist eine grössere Siedlung mit ursprünglich über 800 Wohneinheiten. Entstanden ist hier in den Jahren 1926-1928 Geschosswohnungsbau im Stil des Neuen Bauens, von 2- bis 6-Zimmer-Wohnungen ist alles dabei. Eher untypisch ist die fächerartige Geometrie bei der Gebäudeanordnung, die ganze Siedlung entspricht quasi einem Dreieck, mit einem "markantem Punkthochhaus" in der Mitte samt Ladenzeilen drumherum. Einige Gebäude schlagen einen Bogen, wodurch die ganze Siedlung aufgelockert und weniger streng wirkt.
    Bis heute ist die Siedlung recht beliebt, durch die "günstigen" Preise trotz sehr guter Lage. Sowohl ins Stuttgarter Zentrum, als auch etwa ins Zentrum nach Bad Cannstatt, zum Neckar hinunter, in den benachbarten Park der Villa Berg, oder etwa in die Industriebetriebe in Untertürkheim und Wangen, ist es nur ein Katzensprung. Auch eine Stadtbahnhaltestelle befindet sich an der Siedlung. Auch hier wird seit Jahren nach und nach saniert.













    Bilder: Silesia

  • Die Raitelsbergsiedlung ist wirklich sehr bemerkenswert. Kenne ich bislang nur vom Vorbeifahren mit der Stadtbahn, wollte ich aber schon immer mal genauer anschauen. Besonders das "Punkthochhaus" hat es mir angetan...weiß jemand, ob das unter Denkmalschutz steht? Nehme ich zumindest an...

  • Ich mag Raitelsberg auch, die Preise sind vergleichsweise niedrig, die Wohnlage super, die Verbindungen sind gut. Auch architektonisch überzeugt sie sowohl im Detail als auch in der Gesamtkonzeption. Man hat sich hier getraut im größeren Maße in einem neuen Stil zu bauen, auch mit der bis dato meist strengen Geometrie der Häuserzeilen hat man gebrochen. Die Farbgebung, die Streifen, die Fensterläden, hat echt Stil! Das Punkthochhaus geht mit seinen 6 Stockwerken gerade so als solches durch...


    Die Wallmersiedlung geht auch, schön gestaffelt, und jetzt noch wo die Häuser frisch verputzt und aufpoliert sind! Auch hat die Siedlung in meinen Augen noch die richtige Ausdehnung. Viel größer dürfte sie nicht sein, sonst wäre es dann doch zu eintönig.


    Der baulich sehr konfuse "Vatikan" ist gerade auch dadurch sehr interessant. Er stellt auch im Stadtteil Winterhalde den Übergang her zwischen den grossen Klinkerbauten südlich des "Vatikans", und den zunehmenden Mehrfamilienhäusern nördlich davon!

  • Ein kleines Juwel ist auch die Falterau-Siedlung in Degerloch. Die Siedlung wurde in mehreren Bauabschnitten vor und nach dem 2. WK gebaut. Ich werde demnächst (vielleicht am Sonntag) mal ein paar Fotos machen...falls Interesse besteht...bin ja Degerlocher...

  • Falterau Degerloch

    Das schöne Wetter hat mich ermuntert, mein Vorhaben umzusetzen und einen kleinen Spaziergang durch Degerloch zu machen...nun also ein paar Eindrücke aus der Falterau-Siedlung.


    Die ehemalige Arbeitersiedlung befindet sich in der Falterau, Große Falterstraße, Wiesentalstr., Hadäckerstr. und Zedernweg und wurde zwischen 1911 und 1950 gebaut, und zwar in mehreren Abschnitten (1911-1914, 1928-1930, 1938-1939 und 1949-1950). Hierzu hatten Arbeiterinnen und Arbeiter im Oktober 1910 die erste gemeinnützige Baugenossenschaft im Königreich Württemberg gegründet. Die Finanzierung gelang damals mit einer Bürgschaft der Stadt Stuttgart.


    Die unterschiedlichen, zeitlich klar abgrenzbaren Bauphasen bringen es mit sich, dass man auf kleinstem Raum eine erstaunliche Architekurvielfalt vorfindet. Durch die niedrige und kleinteilige Bebauung entstanden nicht die typischen Wohnkasernen, sondern es wurde eine Art Gartenstadt geschaffen, die sich hervorragend in das (damals wie heute) dörfliche Umfeld Degerlochs einfügt. Die Siedlung liegt am Waldrand und am Eingang ins hübsche Ramsbachtal, lässt sich also gut mit einem Sonntagsspaziergang verknüpfen.


    Manche Häuser sind mit viel Liebe zum Detail denkmalgerecht renoviert, manch andere Häuser eher funktional modernisiert...manchmal trifft man diesen Gegensatz bei dem gleichen Doppelhaus an...das tut dann schon weh beim Anschauen.






    Mitten in der Siedlung ist ein kleiner Platz mit einem Brunnen, der von einem "Maneken Pis" gekönt wird:

















    Alle Bilder sind (c) von mir selbst...macht damit, was ihr wollt :D

  • Für Degerloch eine typische Siedlung, es gibt aber noch wesentlich kleinteiligere Siedlungen in dieser Stadt. Degerloch tut sich bis heute sehr schwer mit Urbanität, dabei schreit die Lage gerade zu danach! Ich bin dort auch schon einige Male langspaziert, danke für die Bilder jedenfalls. Wenn du Lust hast kannst du ja öfter dort oben in Möhringen-Vaihingen-Degerloch wüten.
    In Zukunft gar nicht erst fragen, sondern direkt hochladen, Bilder sind hier immer willkommen. "Meine Threads" sind für alle offen, auch das hier soll keine one-man-show werden! Also nicht zweifeln - hochladen ;)

  • Degerloch hat mit der Falterau sowie den teilweisen Nobelvierteln Waldau und Haigst architektonisch sowie wohn- und lagetechnisch einiges zu bieten.


    Doch wie eigentlich allen Stuttgarter Stadtteilen fehlt eine ordentliche Altstadt. Selbst die Cannstatter Altstadt ist verglichen mit ähnlich großen Städten bescheiden. Und so konzentriert sich "Urbanität" eher strich- als flächenhaft an der im Degerlocher Zentrum überdies zu kurz geratenen Epplestraße.

  • Urbanität ist in Degerloch kaum vorhanden, das ist wahr. Aber als echter Degerlocher vermisse ich das gar nicht so sehr. Degerloch war nie eine Stadt (wie z.B. Cannstatt), daher gibt es auch keinen Stadtcharakter. Vielmehr war es ein Bauern-, Handwerker- und Wengerterdorf, wenn auch mit gewissem Wohlstand und einem durchaus städtischen Villenviertel. Diesen dörflichen Charakter konnte Degerloch trotz über 100jähriger Zugehörigkeit zu Stuttgart und trotz der direkten Nähe zur Innenstadt (am Haigst geht Degerloch fast nahtlos in Stuttgart-Süd über) sehr gut bewahren. Wenn man aus Richtung Weidachtal kommt, bietet sich einem auf Höhe der Tränke ein wunderbar homogenes Ortsbild, begrenzt von Feldern und dem Wald. Kaum Zerstörungen im Krieg und auch die Bausünden halten sich in Grenzen. Gerade dieses ziemlich geschlossene Dorfbild sollte nicht einer wie auch immer gearteten Urbanität geopfert werden.


    In den 70ern gab es mal ganz schlimme Pläne einer Neubebauung des Ortskerns, ganz im Stil des Beton-Brutalismus. Das Berolina-Haus ist das einzige, was davon realisiert wurde. Ihr seht, mein Herz hängt an Degerloch. Urbanität würde sich freilich im Bereich der B27 anbieten, da sich von der Autobahn kommend Degerloch sozusagen als Einfallstor nach Stuttgart präsentiert. Das ABB-Türmchen, der Fernsehturm und das Mini-Flat-Iron-Building machen schon mal einen guten Eindruck. Hier würden sich Ergänzungen anbieten, ohne das eigentliche Ortsbild zu beeinträchtigen.


    So, genug gequasselt, der Charakter dieses Threads sollte fotolastig bleiben...:D

  • Aspen - Teil 1

    ^^Also hier kann ruhig ausgiebig über diese Thematik diskutiert werden - nur keine falsche Bescheidenheit ;)


    Nun geht es aber weiter in Botnang. Ganz im Süden des Stadtteils, also hoch über Botnang, an der Vaihinger Landstrasse, befindet sich die Siedlung Aspen. Errichtet wurde sie von der Württembergischen Heimstätten GmbH in den Jahren 1963-1966, hauptsächlich für Landesbeamte. Bis heute sind es fast ausschließlich Eigentumswohnungen der oberen Mittelschicht.
    Es gibt Geschosswohnungsbau, sowie Reihenhäuser mit viel Grün. Markant und von fast überall in Botnang aus sichtbar ist ist das 7-geschossige Punkthochhaus. Mit nur 82 Wohneinheiten ist die Siedlung recht überschaubar. Durch die Höhenstaffelung der Gebäude und die Hanglage der Siedlung, ergeben sich von vielen Wohnungen aus wunderbare Aussichten Richtung Norden weit über Stutgart hinaus.












    Bilder: Silesia

  • Südheim

    Der "Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen" erbaute in den Jahren 1891 - 1903 (inklusive Erweiterungen) 3 Siedlungen, oder besser gesagt Kolonien. Insgesamt 1267 Wohneinheiten verteilen sich auf "Ostheim" in S-Ost, "Westheim" in S-Botnang, sowie "Südheim" in S-Heslach.


    Beginnen wir mit "Südheim", zwischen dem Südheimer Platz, und der Talstation der Standseilbahn in S-Heslach.











    Bilder: Silesia