Grundsatzdiskussion alte/neue Architektur

  • Booni:
    In gewissem Sinn ist der Wunsch nach Rekonstruktionen natürlich ein Armutszeugnis, nämlich ein Armutszeugnis für die zeitgenössische Architektur.


    Max:
    Relativ zum gesamten Bauvolumen gibt es in aller Regel wirklich nicht viele gute neue Gebäude, v. a. keine solchen, die Räume/Ensembles schaffen. Einen extravaganten Star zu bauen ist nicht schwer, aber Städte brauchen v. a. Bauten, die sich einreihen, aber dennoch nicht belanglos sind - und davon gibt es normalerweise nicht viele. Meine Auslassungen hierüber sind aber allgemein und nicht speziell auf Stuttgart bezogen.

  • Da hat sich ja eine gute Diskussion entwickelt :)
    Auch wenn hier offensichtlich die Geschmäcker voneinander abweichen, noch einmal: ich bin nicht per se gegen Rekonstruktionen.
    Ich sehe aber eine Gefahr darin, dass sich die Architektur sowie auch die Gesellschaft zu viel mit der Vergangenheit beschäftigt, als Folge hiervon schlimmsten Falls Rückwärtsgewandt- und Altbackenheit zu sehr prägend werden, dass eine kulturell-architektonische Weiterentwicklung gehemmt wird, während es andernorts rasant zur Sache geht (z.B. halte ich viel von moderner niederländischer, österreichischer oder japanischer Architektur).


    Norimbergus
    aber sollen wir unsere Städte mit "modernem" Müll verunstalten, nur weil wir nicht eingestehen wollen, daß der Vorkriegszustand oft besser war als das, was uns heutige Architekten anbieten?

    Wenn alles Moderne nur "Müll" wäre, kann man durchaus an die "Flucht nach hinten" denken.
    Mein Blick ist aber eher Richtung Gegenwart & Zukunft gerichtet, und ich bin mehr gespannt auf Neues als auf Altes und Altbewährtes (wenn auch ich schöne alte Gebäude und mittelalterliche, klassizistische u.a. Ensembles sehr zu schätzen weiß). Das ist schlicht eine Frage der persönlichen Einstellung und des Geschmacks.

  • Wagahai:
    Ich sehe aber eine Gefahr darin, dass sich die Architektur sowie auch die Gesellschaft zu viel mit der Vergangenheit beschäftigt, als Folge hiervon schlimmsten Falls Rückwärtsgewandt- und Altbackenheit zu sehr prägend werden, dass eine kulturell-architektonische Weiterentwicklung gehemmt wird, während es andernorts rasant zur Sache geht (z.B. halte ich viel von moderner niederländischer, österreichischer oder japanischer Architektur).


    Die Gefahr, daß wir uns zu sehr an die Vergangenheit halten, besteht nun wirklich nicht. Diesen Einwand halte ich erst dann (und dann auch nur eventuell) für stichhaltig, wenn in mehreren Großstädten ganze historische Straßenzüge rekonstruiert werden. Derzeit stellen Rekonstruktionen einen derart geringen Anteil am gesamten Baugeschehen, daß von einer "Gefahr" für die "moderne" Architektur bestimmt nicht gesprochen werden kann. Selbst wenn das Volumen verzehn-, ach was: verhundertfacht werden würde, so wäre die "moderne" Architektur immer noch dominierend.


    Wenn alles Moderne nur "Müll" wäre, kann man durchaus an die "Flucht nach hinten" denken.
    Mein Blick ist aber eher Richtung Gegenwart & Zukunft gerichtet, und ich bin mehr gespannt auf Neues als auf Altes und Altbewährtes (wenn auch ich schöne alte Gebäude und mittelalterliche, klassizistische u.a. Ensembles sehr zu schätzen weiß). Das ist schlicht eine Frage der persönlichen Einstellung und des Geschmacks.


    Natürlich ist nicht alles moderne Müll, aber doch sehr vieles. Deshalb halte ich auch nichts von Dogmen. Wenn es eine befriediegende "moderne" Lösung gibt, dann kann diese ruhig gebaut werden.
    Darüberhinaus ist in der Diskussion über Rekonstruktionen in Deutschland natürlich, wie oben schon geschehen, der historische Sonderfall des Bombenkriegs zu berücksichtigen, der in den meisten Großstädten bis auf wenige erhaltene oder rekonstruierte Leitbauten fast die gesamte historische Bausubstanz zerstört hat. Selbst in Nürnberg gibt es in der 1,5 km^2 großen Altstadt einen einzigen kleinen Platz, an dem die Wunden des Bombenkriegs nicht sofort erkennbar sind (Am Tiergärtnertor). Selbst in den Vorzeigestraßen der Altstadt (Weißgerbergasse, Füll) sieht man immer auch offensichtliche Nachkriegsbauten (auf Fotos kann man natürlich den Bildausschnitt geschickt wählen, was in der Weißgerbergasse auch gerne gemacht wird).
    Mir liegt fern, die Rekonstruktion eines jeden bestenfalls drittklassigen historistischen Schulhauses zu fordern (was von mancher Seite auch geschieht), aber einige Höhepunkte dürften schon rekonstruiert werden (auch wenn es hier um Stuttgart geht kann ich naturgemäß eher Beispiele für Nürnberg bringen: Pellerhaus, Toplerhaus), und in einigen Straßen/Plätzen könnten im Sinne der Ensemblewirkung auch "normale" Häuser rekonstruiert oder (vgl. Prinzipalmarkt in Münster) in starker Anlehnung an das historische Vorbild gebaut werden, was übrigens auch eine interessante Richtung für die Weiterentwicklung der Architektur wäre.

  • Zitat von Norimbergus

    und in einigen Straßen/Plätzen könnten im Sinne der Ensemblewirkung auch "normale" Häuser rekonstruiert oder (vgl. Prinzipalmarkt in Münster) in starker Anlehnung an das historische Vorbild gebaut werden, was übrigens auch eine interessante Richtung für die Weiterentwicklung der Architektur wäre.

    Ein guter Punkt. Leider gibt es Kräfte, die dies offenbar fürchten wie der Deibel das Weihwasser. Das gipfelt dann in der religiösen Erhebung des Wörtchens "Kontrast".

  • Norimbergus
    Die Gefahr, daß wir uns zu sehr an die Vergangenheit halten, besteht nun wirklich nicht. Diesen Einwand halte ich erst dann (und dann auch nur eventuell) für stichhaltig, wenn in mehreren Großstädten ganze historische Straßenzüge rekonstruiert werden.


    Es geht mir mehr um Stimmungen. Ich kann nicht erkennen, dass moderne geistreiche Architektur in Deutschland einen angemessenen Platz in der Gesellschaft hätte. (Vielleicht reden wir auch ein bisschen einander vorbei. Unter Moderne verstehe ich zeitgenössische "anspruchsvolle" Bauten und nicht 08/15-Investoren-Kästen.)
    Im Gegenteil, alles Neue wird erstmal in der Luft zerrissen oder zumindest dem Bedenkenträgertum und Abendlandsuntergangsprophetismus geopfert, nach dem Motto Stillstand mit Sicherheit: JA.


    Dass unter diesen Umständen im Weltmaßstab nix Dolles entstehen kann, bzw. nur unter wesentlich erschwerten Bedingungen, das kritisiere ich (nur ein wenig :)).


    Darüberhinaus ist in der Diskussion über Rekonstruktionen in Deutschland natürlich der historische Sonderfall des Bombenkriegs zu berücksichtigen, der in den meisten Großstädten bis auf wenige erhaltene oder rekonstruierte Leitbauten fast die gesamte historische Bausubstanz zerstört hat.


    Ist Deutschland ein Sonderfall?


    und in einigen Straßen/Plätzen könnten im Sinne der Ensemblewirkung auch "normale" Häuser rekonstruiert oder (vgl. Prinzipalmarkt in Münster) in starker Anlehnung an das historische Vorbild gebaut werden, was übrigens auch eine interessante Richtung für die Weiterentwicklung der Architektur wäre.


    Warum nicht, wenn es gut ausschaut. Dennoch wäre mir diese Vergangenheitsfixiertheit ein wenig zu statisch. Ich begreife die Stadt als dynamisches Gebilde, das sich verändern können soll in all ihren Facetten. Eine Stadt sollte imo nie eine endgültige und unveränderliche Gestalt haben müssen.
    Natürlich können etwaige historische Vorbilder herangezogen werden, wenn es Sinn macht. Ich lehne solche Ideen nicht generell ab.


    Lieber wäre mir allerdings eine freie, fantasievolle = interessante Stadtgestaltung/ Architektur, die unabhängig von der natürlich zu fordernden Funktionalität/Angemessenheit, sich nicht zusätzlich in unnötiger Weise Fesseln anlegt.


    Der Hang in Deutschland, aus welchen Gründen auch immer, auf Gewohntes und "Altbewährtes" zurück zu greifen (siehe Musikantenstadl ;)) statt einmal etwas Neues, richtig Gutes zu wagen, führt imo auch dazu, dass deutsche Architekten international fast keine Rolle spielen. (Dafür sind wir wohl bei der Rekonstruktion oder Renovierung in der ersten Liga, was ich nur vermute.)


    Zusammenfassung: Rekonstruktion ausnahmsweise ja, wo es sinnvoll scheint. Ansonsten lieber auch international vorzeigbare einfallsreiche und schöne oder auch kontroverse Moderne, davon brauchen wir glaube ich mehr. Aber man kann es nicht oft genug betonen: Geschmacksache :)

  • Zitat von Wagahai


    Zusammenfassung: Rekonstruktion ausnahmsweise ja, wo es sinnvoll scheint. Ansonsten lieber auch international vorzeigbare einfallsreiche und schöne oder auch kontroverse Moderne, davon brauchen wir glaube ich mehr.


    würde ich unterschreiben.



    in diesem sinne hätte wäre auch eine rekonstruktion des kronprinzenpalais eine gute möglichkeit gewesen-einfach um das historische schlossplatzensemble zu komplettieren.
    (jedenfalls wenn man keinen bilbaoschen entwurf verwirklicht)


    ebenso plädiere ich für einen abriss der rathausfrontpartie und rekonstruktion.als kontrast werden die häuser des rathausplatzes planiert und mit einem hochwertigen modernen antlitz versehen.
    so könnte dieser prominente verhunzte platz rehabilitiert werden.
    spender für das projekt werden gesucht ;)

  • Wagahai:


    Ich kann nicht erkennen, dass moderne geistreiche Architektur in Deutschland einen angemessenen Platz in der Gesellschaft hätte. (Vielleicht reden wir auch ein bisschen einander vorbei. Unter Moderne verstehe ich zeitgenössische "anspruchsvolle" Bauten und nicht 08/15-Investoren-Kästen.)


    Ich denke nicht, daß das Problem darin liegt, daß man die zeitgenössischen Architekten nicht läßt, sondern darin, daß die meisten es nicht besser können (oder teilweise auch von den Investoren daran gehindert werden). Deshalb kommen doch so viele 08/15-Kästen heraus. Mir fallen nicht viele Fälle ein, in denen überragende Entwürfe am Widerstand der Bevölkerung oder den Politikern/dem Bebauungsplan u. ä. gescheitert sind.


    Im Gegenteil, alles Neue wird erstmal in der Luft zerrissen oder zumindest dem Bedenkenträgertum und Abendlandsuntergangsprophetismus geopfert, nach dem Motto Stillstand mit Sicherheit: JA.


    Beispiele? In Nürnberg ist mir nichts bekannt. Der letzte spektakuläre Fall hier war der Augustinerhof, und der war nun nicht gerade spannende, innovative Architektur, sondern auch nur 08/15, mit dem kleinen Unterschied, daß der Architekt den Namen "Jahn" hatte.


    Dennoch wäre mir diese Vergangenheitsfixiertheit ein wenig zu statisch. Ich begreife die Stadt als dynamisches Gebilde, das sich verändern können soll in all ihren Facetten. Eine Stadt sollte imo nie eine endgültige und unveränderliche Gestalt haben müssen.


    Jetzt betrachten wir doch mal die Realitäten: die deutschen Städte haben sich in den letzten 65 Jahren so stark verändert, daß sie oft gar nicht wiederzuerkennen sind. Die Stadtbilder ändern sich auch immer weiter, es wird gebaut - zur Zeit nicht sehr viel, was aber eher an der Konjunktur liegt als am fortschrittsfeindlichem Denken der Bevölkerung. Das, was gebaut wird, gefällt uns beiden anscheinend in den meisten Fällen nicht. Aber wo wäre die "moderne" Alternative? Ich sehe sie nicht. Außerdem möchte ich nicht von Vergangenheitsfixiertheit reden, sondern von Traditions- und Geschichtsbewußtsein. Das hört sich doch schon gleich ganz anders an.


    Natürlich können etwaige historische Vorbilder herangezogen werden, wenn es Sinn macht. Ich lehne solche Ideen nicht generell ab.


    Und ich lehne "moderne" Bauten nicht generell ab. Bestes Beispiel in Nürnberg: Das Neue Museum von Volker Staab beim Frauentor in der Altstadt. Aber 100m Glasfassade können in der Altstadt nicht die Regel sein, sondern die Ausnahme.


    Lieber wäre mir allerdings eine freie, fantasievolle = interessante Stadtgestaltung/ Architektur, die unabhängig von der natürlich zu fordernden Funktionalität/Angemessenheit, sich nicht zusätzlich in unnötiger Weise Fesseln anlegt.


    Der Bezug auf Traditionen zeichnet doch die europäische Stadt aus. Das heißt nicht, daß man nichts neues bauen darf, aber ein gewisser Bezug zur Bautradition schadet in der Regel nicht. Ab und zu darf auch mal was absolut verrücktes gebaut werden, aber eben nur ab und zu. Die Stadt hält zu viel davon nicht aus.


    Der Hang in Deutschland, aus welchen Gründen auch immer, auf Gewohntes und "Altbewährtes" zurück zu greifen (siehe Musikantenstadl ) statt einmal etwas Neues, richtig Gutes zu wagen, führt imo auch dazu, dass deutsche Architekten international fast keine Rolle spielen. (Dafür sind wir wohl bei der Rekonstruktion oder Renovierung in der ersten Liga, was ich nur vermute.)


    Der Musikantenstadl mit seiner volksdümmlichen Musik eignet sich als Beispiel für "Altbewährtes" nun wirklich nicht.


    Zusammenfassung: Rekonstruktion ausnahmsweise ja, wo es sinnvoll scheint. Ansonsten lieber auch international vorzeigbare einfallsreiche und schöne oder auch kontroverse Moderne, davon brauchen wir glaube ich mehr. Aber man kann es nicht oft genug betonen: Geschmacksache


    International vorzeigbar ist schön und gut, aber heute wird doch größtenteils nur international austauschbar gebaut. Und die "kontroverse Moderne" möchte ich nicht an jeder Straßenecke haben, sondern nur in homöopatischen Dosen. Eine Stadt hält das sonst nicht aus. Aber das mit der Geschmackssache stimmt natürlich.

  • Danke für tiefgründige und engagierte Antwort :)


    Ich denke nicht, daß das Problem darin liegt, daß man die zeitgenössischen Architekten nicht läßt, sondern darin, daß die meisten es nicht besser können (oder teilweise auch von den Investoren daran gehindert werden).


    Teilweise wird es sicher auch daran liegen, vielleicht auch an der konservativen Lehre an den Hochschulen. Eines kann man glaube ich aber doch stehen lassen: In Deutschland ist Experimentieren im Allgemeinen nicht angesagt.
    Einige Beispiel für pauschale Hetze aus der Bürgerschaft/Verwaltung/Politik gegen nicht traditionelles Bauen aus Bayern:
    99m Bauhöhenbeschränkung für Stadtgebiet München.
    Entscheidung gegen imo sehr markantes schönes 110m -HH für Fraunhoferhaus/Heimeranplatz, München (2.Preis) seitens des Investors, Begründung: Lieber unscheinbaren Kasten ins leblose Gewerbegebiet, weil dann Akzeptanz höher (trumpft nicht auf). Der Mercedes -Stern an der Landshuter Allee sollte auf Teufel komm raus von Seiten der Stadt verhindert werden, weil das Stadtbild "nicht kommerzialisiert" werden dürfe (Stadt erfolglos).


    Das, was gebaut wird, gefällt uns beiden anscheinend in den meisten Fällen nicht. Aber wo wäre die "moderne" Alternative? Ich sehe sie nicht.


    Ich finde, dass punktuell doch gute und reizvolle Entwürfe auch in Deutschland realisiert werden, z.B. das neue Porsche-Museum oder die BMW-Welt (wenn auch nicht von deutscher Architekten?). Ich will nur mehr davon.


    Außerdem möchte ich nicht von Vergangenheitsfixiertheit reden, sondern von Traditions- und Geschichtsbewußtsein.


    Einverstanden, aber Alles hat mindestens zwei Seiten.


    Der Bezug auf Traditionen zeichnet doch die europäische Stadt aus. Das heißt nicht, daß man nichts neues bauen darf, aber ein gewisser Bezug zur Bautradition schadet in der Regel nicht.


    Offensichtlich haben wir andere Schwerpunktsetzungen.
    Ich meine, was alt ist und in der Gesamtschau erhaltenswert scheint, soll und darf beibehalten werden.
    Wenn zur Ergänzung eines zusammenhängenden Ensembles eine Rekonstruktion erfolgen soll, kein Problem.
    Meine Meinung: Man kann auf Vergangenem aufbauen, man muss nicht.


    Ab und zu darf auch mal was absolut verrücktes gebaut werden, aber eben nur ab und zu. Die Stadt hält zu viel davon nicht aus.


    Einverstanden, man sollte nicht übertreiben. Aber gute moderne Architektur muss nicht "verrückt" sein.


    International vorzeigbar ist schön und gut, aber heute wird doch größtenteils nur international austauschbar gebaut.


    Glaube ich eigentlich nicht, es wird nach meinem Eindruck international viel eigenwilliger gebaut als vor einigen Jahren.

  • Zitat von Wagahai

    (Dafür sind wir wohl bei der Rekonstruktion oder Renovierung in der ersten Liga, was ich nur vermute.)


    Nichtmal ansatzweise! In Deutschland wird über fast jede Rekonstruktion jahrelang debattiert, es melden sich alle möglichen Leute zu Wort und am Ende schaffen es eh nicht mal die Hälfte aller Projekte.


    Weltmeister sind wohl Rußland und Polen, die die Nachkriegsfehler im großen Stil beseitigen, von einzelnen Villen bishin zu ganzen Straßenzügen.

  • Ich denke bei den Zahlen muß man Großstadt und Land unterscheiden. Kleinstädte und Dörfer haben fast alle eine meist gelungene "Ortskernsanierung" hinter sich. Großstädte waren als Industriezentren tendenziell stärker zerstört und haben gleichzeitig eine gewisse architektonische Führungsrolle inne, die erfordert Neues neben das Alte zu stellen.


    Was bei der Kleinstadt verträumt, gemütlich, idyllisch wirkt, ist in der Großstadt oft langweilig, wodurch sie die an eine Großstadt gestellten zusätzlichen Aufgaben nicht besonders attraktiv erfüllen kann.

  • @ Wagahai: Was ist denn viel? Ich finde, es ist noch viel zu wenig. Aber Ansichtssache.

  • @ Wagahai


    Im Gegenteil, alles Neue wird erstmal in der Luft zerrissen oder zumindest dem Bedenkenträgertum und Abendlandsuntergangsprophetismus geopfert, nach dem Motto Stillstand mit Sicherheit: JA.


    Da hast du sicher recht, es wird zu viel gemeckert in Deutschland und Kritik ist zu selten konstruktiv. Aber ich sehe nicht, dass hier zeitgenössische modernistische Architektur in besonderem Maße im Fadenkreuz stünde.


    Warum nicht, wenn es gut ausschaut. Dennoch wäre mir diese Vergangenheitsfixiertheit ein wenig zu statisch. Ich begreife die Stadt als dynamisches Gebilde, das sich verändern können soll in all ihren Facetten. Eine Stadt sollte imo nie eine endgültige und unveränderliche Gestalt haben müssen.


    Viele Menschen sehnen sich aber gerade in einer Zeit des immer schnelleren Wandels und der globalen Angleichung nach einem Stück Identität. Und viele Menschen vermissen in unseren Städten, die ihr Gesicht in den vergangenen 60 Jahren DRAMATISCH verändert haben, geschichtliche Tiefe und Identität. Leider sind Architekten viel zu selten in der Lage oder willens, den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden etwa durch die Integration regionaler Bezüge in ihre Entwürfe.


    Der Hang in Deutschland, aus welchen Gründen auch immer, auf Gewohntes und "Altbewährtes" zurück zu greifen (siehe Musikantenstadl ) statt einmal etwas Neues, richtig Gutes zu wagen, führt imo auch dazu, dass deutsche Architekten international fast keine Rolle spielen.


    Den Verweis auf den Musikantenstadl finde ich ehrlich gesagt unangemessen. Gerade in unserer Zeit gehört durchaus Mut und Tatkraft dazu, sich für eine Rekonstruktion einzusetzen. Man bedenke die Widerstände, auf welche die Idee einer Rekonstruktion der Dresdner Frauenkirche anfangs stieß. Und im Verlaufe der Jahre haben so viele Menschen Geld gespendet oder sich anderweitig an dem Projekt beteiligt, dass man diesen Gemeinsinn nur loben kann. Von diesem Enthusiasmus, dieser Leidenschaft, die in dieses Rekonstruktionsvorhaben geflossen ist, können wir in Deutschland durchaus mehr gebrauchen. Welches modernistische Bauprojekt kann sich damit messen lassen? Sind es nicht gerade Leute wie Behnisch oder Jourdan, die mit ihrer verknöcherten Architekturdoktrin über die Köpfe der Menschen hinweg agieren und der stupiden immer gleichen Musikberieselung des Musikantenstadles in ihrer Erstarrung viel eher gleichen?


    Einige Beispiel für pauschale Hetze aus der Bürgerschaft/Verwaltung/Politik gegen nicht traditionelles Bauen aus Bayern:
    99m Bauhöhenbeschränkung für Stadtgebiet München.
    [...] Der Mercedes -Stern an der Landshuter Allee sollte auf Teufel komm raus von Seiten der Stadt verhindert werden, weil das Stadtbild "nicht kommerzialisiert" werden dürfe (Stadt erfolglos).


    Hätten die Bauherren des UptownMünchen nicht an jedem Cent gespart und sich für dieses langweilige "Kantholz"-Design entschieden, wäre das Image des Bautypus Hochhaus in der Münchner Bevölkerung vielleicht positiver besetzt. Mit Investoren-Architektur kann man Menschen nicht begeistern.


    Ich finde, dass punktuell doch gute und reizvolle Entwürfe auch in Deutschland realisiert werden, z.B. das neue Porsche-Museum oder die BMW-Welt (wenn auch nicht von deutscher Architekten?). Ich will nur mehr davon.


    Das sind Weltkonzerne, die sich solche repräsentativen Solitäre etwas kosten lassen. Für alltägliche Bauvorhaben im urbanen Kontext eignen sich diese Beispiele nicht als Vorbild. Wie Norimbergus schon ganz richtig schrieb, die Kunst ist ein Gebäude zu entwerfen, das sich einreiht und trotzdem nicht belanglos ist.


    Für mich scheint das recht viel


    Wie viele Komplettrekonstruktionen gab es denn in Deutschland in den vergangenen 10 Jahren? Die kannst du aber beinahe an allen zehn Fingern abzählen...

  • Max BGF


    :daumen: , natürlich gibt es aber auch rekonstruktionsfähige Großstadtarchitektur.


    rec
    Auch hier Danke für nachdenklichen Beitrag


    Aber ich sehe nicht, dass hier zeitgenössische modernistische Architektur in besonderem Maße im Fadenkreuz stünde.


    Es gibt sie selten, weil sich ja nur wenige trauen. Lieber einen Vorwurf als unauffälligen 08/15-Bau einheimsen als einen "Verschandelung-Wichtigtuer-Wer braucht den so was-Was das wieder gekostet hat-moderner Schnickschnack"-Vorwurf.
    Ich gebe neben meinem persönlichen Eindruck auch Meinungen von befreundeten Architekten & Architekturstudenten wieder.


    Und viele Menschen vermissen in unseren Städten, die ihr Gesicht in den vergangenen 60 Jahren DRAMATISCH verändert haben, geschichtliche Tiefe und Identität.


    Das mag sein, aber da müssen manche vielleicht durch. Ich z.B. kann mich auch mit moderner Architektur identifizieren. Im Übrigen wird der Begriff Identität im europäischen Denken imo ein wenig überdehnt. Ich habe da ein etwas dynamischeres Weltbild, d.h. die Welt im ständigen Veränderungsprozess. Manches bleibt vielleicht lange Zeit, manches verschwindet, und jede Epoche soll seine Spuren hinterlassen dürfen, manchmal im Einklang, manchmal im Widerspruch zu älteren Zeiten.


    Den Verweis auf den Musikantenstadl finde ich ehrlich gesagt unangemessen.


    Das ;) war aber doch schon sichtbar ?
    Es war ein zugespitztes Sinnbild für organsierte Einfallslosigkeit am Beispiel deutsches (Unterhaltungs-) Fernsehen. Wenn mich japanische Gäste nach einer witzig-unterhaltsamen deutschen Sendung fragen (von denen es in Japan eine Menge gibt, darunter auch wirklich einige auf Höchstniveau), gebe ich mir mit den verdutzten Gästen regelmäßig diese (unfreiwillig komischen) "Musik"-Sendungen. Extrem-Lacher garantiert, unnatürliches Dauergr(gr'olltes r)insen Marke Mross/Silbereisen/Marianne/Michael kommt da genauso gut an wie die bildschirmausfüllend schunkelnden Wildecker Herzbuben.


    Der lange Rede kurzer Sinn: Dland braucht mehr Innovation in allen Bereichen, und um die Kurve wieder zu kriegen: auch und viel mehr auch in der Architektur/Stadtdesign, imho :hallo:


    Man bedenke die Widerstände, auf welche die Idee einer Rekonstruktion der Dresdner Frauenkirche anfangs stieß.


    Da fehlen mir Kenntnisse, was waren denn die Hauptargumente des Widerstands? Im Fall Frauenkirche finde ich die Rekonstruktion gut, weil sehr prominentes Bauwerk mit Ensemble-Charakter am Elbufer und imo wunderbare zeitlose Architektur.


    Sind es nicht gerade Leute wie Behnisch oder Jourdan, die mit ihrer verknöcherten Architekturdoktrin über die Köpfe der Menschen hinweg agieren


    Bin jetzt kein so großer Fan von beiden Büros, aber wer innovativ sein will, muss auch mal den Massengeschmack ignorieren und/oder böse Kritik aushalten können.
    Der Eiffelturm galt ja seinerzeit auch als das hässlichste Bauwerk von Paris - und heute das häufigste Postkartenmotiv der großartigen Stadt.


    Mit Investoren-Architektur kann man Menschen nicht begeistern.


    Wenn es 08/15 Fabrikware ist.


    Für alltägliche Bauvorhaben im urbanen Kontext eignen sich diese Beispiele nicht als Vorbild.


    Das verstehe ich jetzt nicht ganz: Einerseits kritisierst Du geizige Investoren (Bsp. Uptown), wenn sie aber Geld ausgeben für gute Architektur, sollen das keine Vorbilder für den "Alltag" sein. Das musst Du mir etwas genauer erklären. :)

  • Der lange Rede kurzer Sinn: Dland braucht mehr Innovation in allen Bereichen, und um die Kurve wieder zu kriegen: auch und viel mehr auch in der Architektur/Stadtdesign, imho


    Da stellt sich nur die Frage, wer bestimmt, was im Bereich der Architektur heutzutage "Innovation" bedeutet.


    Das verstehe ich jetzt nicht ganz: Einerseits kritisierst Du geizige Investoren (Bsp. Uptown), wenn sie aber Geld ausgeben für gute Architektur, sollen das keine Vorbilder für den "Alltag" sein. Das musst Du mir etwas genauer erklären.


    Das ist doch wirklich nicht schwer zu verstehen. Das ist genau der Punkt, der vorher schon erwähnt wurde: niemand (oder nur wenige) haben etwas gegen ein solches Gebäude als Salz in der Suppe, aber wenn die Suppe zu stark gesalzen wird (oder wir gar nur Salz ohne Suppe essen sollen), dann wird es zu viel. Ich behaupte nun gar nicht, daß wir zu viel solcher Architektur in Deutschland haben, aber der richtige Ausweg für die breite Masse an Bauvorhaben ist das sicher nicht. Außerdem ist die städtebauliche Situation am Mittleren Ring (damit meine ich natürlich die BMW-Welt) nur sehr bedingt auf andere Lagen übertragbar.

  • Norimbergus


    Da stellt sich nur die Frage, wer bestimmt, was im Bereich der Architektur heutzutage "Innovation" bedeutet.


    Der Einzelne.


    Das ist doch wirklich nicht schwer zu verstehen.


    Für den kleinen Wagahai schon ;)


    Das ist genau der Punkt, der vorher schon erwähnt wurde: niemand (oder nur wenige) haben etwas gegen ein solches Gebäude als Salz in der Suppe, aber wenn die Suppe zu stark gesalzen wird (oder wir gar nur Salz ohne Suppe essen sollen), dann wird es zu viel.


    Aha! Das hatten wir bereits, dem wurde bereitwillig zugestimmt:).
    Warum die Idee aufregender Architektur keinen Platz bei kleineren Bauhaben haben soll (und das ist doch wohl mit "alltäglichen" Bauvorhaben gemeint (rec?)), ist mir allerdings ein Rätsel. Nicht Alles, was Geld kostet, ist gute Architektur, genauso kann kostengünstig auch gute Architektur rauskommen. Auf die Idee kommt es an.


    Ich behaupte nun gar nicht, daß wir zu viel solcher Architektur in Deutschland haben, aber der richtige Ausweg für die breite Masse an Bauvorhaben ist das sicher nicht.


    Richtiger wäre dann Städtebau anno 1800 bzw. historisierend? Worauf ich hinaus will: lieber weniger Vorgaben für Architekten; sie sollten sich freier entfalten dürfen.


    Außerdem ist die städtebauliche Situation am Mittleren Ring (BMW-Welt) nur sehr bedingt auf andere Lagen übertragbar.


    Was wäre die Bedingung hierfür?

  • Ich gebe neben meinem persönlichen Eindruck auch Meinungen von befreundeten Architekten & Architekturstudenten wieder.


    Aha, daher weht der Wind. Du bist ein Agent der Architektenlobby. :nono2: ;)



    Das mag sein, aber da müssen manche vielleicht durch. Ich z.B. kann mich auch mit moderner Architektur identifizieren. Im Übrigen wird der Begriff Identität im europäischen Denken imo ein wenig überdehnt. Ich habe da ein etwas dynamischeres Weltbild, d.h. die Welt im ständigen Veränderungsprozess.


    Ich respektiere das, bin jedoch gänzlich anderer Ansicht. Vielleicht bist du auch beeinflusst durch deinen bi-kulturellen Hintergrund. Ich fühle mich gänzlich als Europäer und bin auf unsere europäischen Eigenarten auch ein bißchen stolz.



    Manches bleibt vielleicht lange Zeit, manches verschwindet, und jede Epoche soll seine Spuren hinterlassen dürfen, manchmal im Einklang, manchmal im Widerspruch zu älteren Zeiten.


    Da bin ich grundsätzlich ähnlicher Ansicht, wobei es in Deutschland ein großes Übergewicht der Nachkriegsarchitektur gibt. Von Ausgewogenheit im Mischungsverhältnis kann keine Rede sein. Über die Jahrhunderte gewachsene Stadtbilder haben Krieg und Abrisswahn der Nachkriegszeit nahezu ausgelöscht. Und noch immer wird erheblich mehr abgerissen als rekonstruiert.



    Es war ein zugespitztes Sinnbild für organsierte Einfallslosigkeit am Beispiel deutsches (Unterhaltungs-) Fernsehen.


    Aber was in aller Welt hat denn der Wiederaufbau herausragender Einzelbauten wie Rathäuser, Kirchen, Schlösser oder die Vervollständigung innerstädtischer Ensembles mit Einfallslosigkeit zu tun? Für mich ist es das Selbstverständlichste der Welt, ein beschädigtes städtebauliches Ensemble zu reparieren und wieder "funktionsfähig" zu machen.



    Wenn mich japanische Gäste nach einer witzig-unterhaltsamen deutschen Sendung fragen (von denen es in Japan eine Menge gibt, darunter auch wirklich einige auf Höchstniveau),


    Ja, drei Bräute müssen Kuchen essen bis sie kotzen. Wer am längsten durchhält, bekommt die Hochzeitsreise bezahlt. :lol:



    gebe ich mir mit den verdutzten Gästen regelmäßig diese (unfreiwillig komischen) "Musik"-Sendungen. Extrem-Lacher garantiert, unnatürliches Dauergr(gr'olltes r)insen Marke Mross/Silbereisen/Marianne/Michael kommt da genauso gut an wie die bildschirmausfüllend schunkelnden Wildecker Herzbuben.


    Natürlich ist der Musikantenstadl eine alberne Sendung, aber ich kann keinen Zusammenhang zum Thema entdecken. Es gibt auch bescheuerte Sendungen im japanischen Fernsehen, wo man sich als Europäer nur an den Kopf fassen kann. Umgekehrt gibt es auch gute deutsche Unterhaltungssendungen, für mich gehört vom Konzept her ohne Frage "Wetten daß,..." dazu, aber das ist wirklich ein anderes Thema.



    Dland braucht mehr Innovation in allen Bereichen, und um die Kurve wieder zu kriegen: auch und viel mehr auch in der Architektur/Stadtdesign, imho


    Okay, das klärt aber noch nicht die Frage, wie diese Innovation aussehen soll. :D



    Da fehlen mir Kenntnisse, was waren denn die Hauptargumente des Widerstands?


    Die üblichen Vorbehalte, u.a. Geschichtsverfälschung.



    Bin jetzt kein so großer Fan von beiden Büros, aber wer innovativ sein will, muss auch mal den Massengeschmack ignorieren und/oder böse Kritik aushalten können.


    Wenn diese Büros nur mal innovativ wären... Innovation bedeutet, Neues zu entwickeln und umzusetzen. Kann man von Behnsich und Jourdan doch nicht ernsthaft behaupten, oder? Und längst nicht alles, was dem Massengeschmack widerspricht, ist gut...



    Der Eiffelturm galt ja seinerzeit auch als das hässlichste Bauwerk von Paris - und heute das häufigste Postkartenmotiv der großartigen Stadt.


    Ja, ein großartige Stadt ist Paris schon. Liegt allerdings auch daran, dass sie - etwas überspitzt gesagt - mehr historische Bausubstanz aufweisen kann als alle deutschen Großstädte zusammen.



    Warum die Idee aufregender Architektur keinen Platz bei kleineren Bauhaben haben soll (und das ist doch wohl mit "alltäglichen" Bauvorhaben gemeint (rec?)), ist mir allerdings ein Rätsel.


    Ganz einfach. Modernistische Architektur setzt eigentlich immer auf Effekte, inszeniert sich. In einem "freien" städtebaulichen Umfeld ist dies kein Problem, die Architektur kann dort als Solitär wirken. Wer aber möchte die BMW-Welt am Marienplatz? Dort sind andere architektonische Lösungen gefragt. Lösungen, die sich einfügen und eben NICHT AUF STUPIDEN KONTRAST setzen, wie es modernistische Architektur in aller Regel tut, sondern INNOVATIV sind. D.h. es müssen Lösungen entwickelt werden, die sich einfügen und gleichzeitig individuelle Qualität besitzen. Dem steht entgegen 1) das Ego des Architekten/ Bauherrn und 2) die herrschende Architekturdoktrin.

  • Oh rec, Deine Beiträge sind immer so lang... :nono::daumen:


    Aha, daher weht der Wind. Du bist ein Agent der Architektenlobby.


    So einfach hättst Du's gerne, aber ich bin überzeugter Non-Lobbyist ;).


    Aber was in aller Welt hat denn der Wiederaufbau herausragender Einzelbauten wie Rathäuser, Kirchen, Schlösser oder die Vervollständigung innerstädtischer Ensembles mit Einfallslosigkeit zu tun?


    Wie kreativ ist denn der planende Architekt beim Wiederaufbau?


    Für mich ist es das Selbstverständlichste der Welt, ein beschädigtes städtebauliches Ensemble zu reparieren und wieder "funktionsfähig" zu machen.


    Da scheiden sich die Geister.


    Ja, drei Bräute müssen Kuchen essen bis sie kotzen. Wer am längsten durchhält, bekommt die Hochzeitsreise bezahlt.


    Klammer auf: Darauf habe ich gewartet ;) . Hast Du gedacht, im deutschen Fernsehen würden bessere Unterhaltungssendungen des japanischen (Privat-) Fernsehens vorgestellt? Das wäre, um bei Vorurteilen zu bleiben, Harakiri :). (Im Übrigen: richtig ist Seppuku )
    Entschuldige, aber bei der Unterhaltung versagt das deutsche Fernsehen kläglich. Mehr Biederkeit hat die "freie Welt" glaube ich nicht gesehen. Liegt aber an der "verspäteten (Privat-) Fernsehnation" und an der Medienkonzentration. Informationssendungen (z.B. Spiegel TV) haben dagegen imo wettbewerbsfähiges Niveau, zur Ehrenrettung ;), Klammer zu.


    Und längst nicht alles, was dem Massengeschmack widerspricht, ist gut...


    Jaja :). Man kann natürlich vieles umdrehen...aber so gefällt mir die Diskussion, schön kontrovers.


    Wer aber möchte die BMW-Welt am Marienplatz? Dort sind andere architektonische Lösungen gefragt.


    Die größerdimensionierte BMW-Welt in den kleinteiligen Marienplatz "hinein zu pflanzieren" wäre natürlich absurd. Vorstellen könnte ich mir aber eine "kleindimensionierte BMW-Welt" durchaus in der unweiten Kaufinger/ Neuhauser Str., die ja neben einiger schöner alter Bausubstanz auch einige 60er Banalbauten aufweist. Zu Letzterem gerne: Abreißen, Einfügen. Oder auf dem Marienhof.


    Voran Gegangenes deckt sich glaube ich ungefähr mit diesem Statement:


    Lösungen, die sich einfügen und eben NICHT AUF STUPIDEN KONTRAST setzen, wie es modernistische Architektur in aller Regel tut, sondern INNOVATIV sind. D.h. es müssen Lösungen entwickelt werden, die sich einfügen und gleichzeitig individuelle Qualität besitzen.


    Mir fällt aber auf Anhieb keine Ecke ein, wo es einen solchen "stupiden Kontrast" in Dland gäbe...doch: den Fernsehturm und die Marienkirche in Berlin auf einem Bild finde ich richtig übel. Aber abreißen wird man keins von beiden können...


    Gelungene Kontraste haben aber doch Reiz. Ich finde Gründerzeithäuser & einige Frankfurter HHer im Bankenviertel neben einander haben was.
    Stadtgestalt muss und sollte imo nicht immer aus mehr oder weniger gleichförmigen und sich einfügenden Gebäuden dominiert werden (wenn auch das dt. Baurecht es oft verlangt).
    Ich finde "Gemengelagen" interessanter, was nicht unbedingt immer mit schöner gleich zu setzen ist. Ein fast vollkommen ungeregeltes/unkontrollierbares (?) Stadtbild wie in großen Teilen von Tokyo oder Osaka muss auch nicht sein, aber ein bisschen mehr Freiheit wünsche ich mir schon für Deutschland.


    Dem steht entgegen 1) das Ego des Architekten/ Bauherrn und 2) die herrschende Architekturdoktrin.


    Ich bin kein Architekt, aber ist das wirklich "herrschende Architekturdoktrin"?

  • Wagahai:


    Gelungene Kontraste haben aber doch Reiz. Ich finde Gründerzeithäuser & einige Frankfurter HHer im Bankenviertel neben einander haben was.


    Zustimmung meinerseits. Aber: Wenn ich in jeder Straße einen Kontrast habe, dann verliert das Mittel seine Wirkung. Der Kontrast ist doch nur dann interessant, wenn er etwas (zumindest ein bißchen) besonderes ist. Und dafür brauche ich auch (oder besser: v. a.) harmonische Straßenzüge und Plätze. Dadurch sind die Einsatzmöglichkeiten für spektakuläre Architektur doch schon wieder stark eingegrenzt, zumal solche Gebäude meist nur in einem relativ unspektakulären direktem Umfeld (Nachbargebäude) gut zur Wirkung kommen. Wenn ein ganzer Platz nur von Gehry, Libeskind, Coop Himmelb(l)au u. a. bebaut werden würde, dann wäre das sicher sehr interessant und unglaublich spannend, aber auf Dauer nicht erträglich. Dann braucht man die ("echte" oder "falsche") Altstadt unbedingt zur Erholung.


    Und völlig unabhängig davon, daß die Spektakelarchitektur auf das unspektakuläre angewiesen ist, bin ich auch der Meinung, daß die Bevölkerung das Recht auf einen gesunden Anteil an harmonischen Straßen hat. Ich will nicht an jeder Ecke "Brüche" sehen. Ab und zu: ja! Immer: nein! Und für einen solchen "Bruch" reicht ja schon ein entsprechendes Gebäude unter mehreren Dutzend.


    Damit sind wir wieder bei einer schon mehrmals getätigten Aussage: meiner Meinung nach brauchen wir (nicht nur, aber v. a.) Architektur, die niveauvoll ist, ohne den dicken Max zu markieren, die sich einfügt, ohne banal zu sein. Und hierfür könnte der Rückgriff auf Traditionen durchaus gewinnbringend sein.

  • Zitat von Wagahai

    Wie kreativ ist denn der planende Architekt beim Wiederaufbau?


    Er hat immerhin ein modernes Gebäude mit einer historischen Fassade zu planen. Die Fasade muss aber modernen Anforderungen gerecht werden, also einer Ladenzeile im Erdgeschoss, Brandschutzbestimmungen usw.


    Nur weil er keine Fassade entwirft heißt es nicht, dass er unkreativ ist.