Leipzig: Sanierung Deutsches Buchgewerbehaus (realisiert)

  • ^ Mit dem beginnen Bau des Dachstuhls wird einem erst einmal wieder bewusst, was das eigentlich für ein riesiges Gebäude ist. Der übriggebliebene Stumpf hatte nicht annähernd die Präsenz im Stadtraum, wie sie jetzt bereits zu erahnen ist.

  • ich kann über dieses projekt nur staunen.
    wenn man sich vergegenwärtigt, wie zerschunden dieses gebäude war, wie aufwändig die sanierung, rekonstruktion und der totalumbau zu wohnzwecken sind - und dann bedenkt, wie unkomplizierter es für den bauherrn gewesen wäre, statt dessen einfach auf einer brache einen neubau zu errichten - kann ich nur sagen: hut ab vor diesem engagement!

  • Könnte es allerdings sein, dass der Denkmalstatus und die damit verbundenen Sonderabschreibungsmöglichkeiten nach § 7i EStG für die Käufer_innen der Eigentumswohnungen auch eine gewisse Rolle bei der Entscheidung des Bauherren gegen Abriss und für Sanierung spielten? Nur mal so eine Frage. :)

  • von den steuerabschreibungsmöglichkeiten der wohnungskäufer hat ja der bauherr nichts.
    der könnte mit dem gleichen zeit- und arbeitsaufwand auch 2-3 neubauprojekte hochziehen, mit moderneren wohnungsgrundrissen bei niedrigeren quadratmeterpreisen.


    nach mehr als 25 jahren sanierungstätigkeit in leipzig kann ich nur festhalten:
    so, wie es mieter gibt, die bereit sind, für das leben im altbau einen aufpreis zu zahlen, so gibt es auch bauherren, die willens sind, für erhalt und sanierung von altbauten mehr zu tun, als es wirtschaftlich vernünftig oder gesetzlich vorgeschrieben wäre.
    das reicht von der kleinen erbengeminschaft, die ihren gründerzeitler detailverliebt wieder aufpoliert bis hin zu solchen projekten wie dem bugra-messehaus.


    das finde ich grossartig.
    erstens, ganz allgemein: weil dadurch tausende altbauten - und damit ganze stadtteile - gerettet wurden und werden.


    und zweitens, ganz konkret: wer ein solches gebäude derart saniert, dem ist das stadtbild nicht egal. und wer dort einziehen wird, ist nicht egal, wo und wie er lebt.


    genau darum ist dieses projekt ein glücksfall für die revitalisierung des grafischen viertels.

  • Ich glaube darüberhinaus auch nicht, dass der Denkmalschutz eine derart aufwändige Rekonstruktion einfach mal vorschreiben kann. Hier hätte es auch unter Ausnutzung der Abschreibungsmöglichkeiten billigere Wege gegeben.

  • Letztendlich haben Hildebrandt & Jürgens auch einen Namen zu verlieren. Wir haben in Leipzig eine Verkettung glücklicher Umstände, die zu solchem Antrieb wie beim ehemaligen Bugra-Messehauses führt. Da will halt jeder noch einen drauf setzen.

  • Bugra Messehaus

    Hier noch zwei Bilder von heute.

    Auf der rechten Seite führte eine große Fernwärmetrasse am Gebäude entlang. Diese wurde nun in den Untergrund verbannt. Das wird nicht ganz billig für den Investor gewesen sein.

  • Das Teil wird der absolute Hammer. Ich kenne keine europäische Stadt aktuell wo eine solche Ruine mit derart viel Liebe zum Detail rekonstruiert würde.


    Dicker fetter Daumen hoch nach Leipzig:daumen: #LeipzigaufderÜberholspur

  • Es geht wirklich sehr zügig voran (im Vergleich zu Unister beim Ringmessehaus geradezu mit Lichtgeschwindigkeit). Man kann schon jetzt die historischen Ausmaße des Gebäudes erahnen.









    Erste Fenster wurden auch schon eingesetzt.



    Bilder: Cowboy

  • Das ist schon alles unglaublich. Wenn man bedenkt, was für eine Ruine der gesamte Komplex mal war.


    @ cowboy


    ich hoffe du hattest vorher eifrig Ruinenbilder geknipst. Wenn sich ein Projekt für den Vorher-Nachher-Fotovergleich eignet, dann wohl dieses. Man wird vermutlich denken es sind zwei verschiedene Gebäude.

  • Weil ich zufällig drüber gestolpert bin: Die Vermietungsanzeigen für das ehemalige Bugra-Messehaus sind online.


    1 Überraschung: Die Wohnungen sollen schon Mitte Dezember bezugsfertig sein. Das kann ich beim derzeitigen Sanierungsstand noch nicht so recht glauben.


    2. Überraschung: Die Mieten fallen vergleichsweise moderat aus. Alle Wohnungen unter 10 Euro kalt, viele davon sogar unter 9 Euro kalt. Das betrifft auch viele kleinere Wohnungen, die schon für weniger als 9 Euro zu haben sind. Allerdings haben die dann auch keine Balkone und Bäder ohne Fenster, wenn ich das richtig überblickt habe. Das ist nicht jedermanns Geschmack.


    Noch eine neue Zeichnung aus der Vogelperspektive.

    Bild: Hildebrand & Jürgens

  • Also um mal etwas in die Lobhudelei einzuhaken:
    Das Projekt rein auf seine Äußerlichkeit zu beschränken, finde ich etwas zu wenig - das BUGRA-Messehaus wird aus meiner Sicht sprichwörtlich "außen hui und innen pfui" werden:
    Der geübte Blick ins Innere offenbart, dass hier keineswegs nur vorbildlich gearbeitet wird: Die Wohnungen haben sehr kleinteilige, unproportionierte und verwinkelte Grundrisse, die sowohl schlecht zu nutzen sein werden, als auch extrem viele unnötige Abwinkelungen und unmögliche Restzonen aufweisen. Auch sonst erkenne ich hinsichtlich der Anforderungen an gute Wohnräumlichkeiten grobe Defizite. Abgesehen davon passiert beim Innenausbau - man muss es leider so sagen - grober Pfusch an vielen Stellen. Es wurde offensichtlich bei der Planung extrem gespart (wie das wohl für die einschlägigen Investoren so üblich ist) und das zeigt sich nun im Ergebnis. Die Bauzeit ist offenkundig extrem knapp bemessen, weshalb mir seitens eines technisch korrekten Bauablaufs so einiges sehr fragwürdig vorkommt. Das zeigt sich beispielhaft am
    - bereits weit fortgeschrittenen Ausbau bei noch nichtmal abgeschlossenem Rohbau (fehlende Fenster und Türen - das ist für Trockenbau, Estrich aber auch Fliesen klimatisch recht bedenklich),
    - an unzähligen abenteuerlichen Verkofferungen von nicht durchgeplanten Stellen - es jagt ein merkwürdiger Verkofferungs-Absatz in Wand und Decke den nächsten,
    - sowie an überhaupt wahnwitzigen Konstruktionen (man blicke mal in den Hof, wo diverse Konstruktionsarten (Holz-/ Stahl-/ Beton-/ Mauerwerksbau) höchst skuril und teilweise wenig fachmännisch aufeinandertreffen)...
    Für mich ist das Projekt ein klarer Fall von klassischer Investorenhandhabe: Die Oberfläche glitzert und untendrunter "so billig wie möglich" (Hier vielleicht mit Ausnahme der Fassade, die tatsächlich mit erstaunlich hohem Aufwand bearbeitet wird.). Es geht natürlich auch hier darum, letztlich die größte Marge herauszuholen. Das ganze gepaart mit wenig wirklichem Interesse am Gebäude und seiner Geschichte auch auch mit wenig wirklichem Interesse an "echten" denkmalpflegerischen Maßnahmen, die die Geschichte nicht einfach ungesehen "wegbügeln". Insgesamt von einem "Liebhaberprojekt" zu sprechen, halte ich deshalb für übertrieben.
    Man möge dennoch meine Kritik nicht falsch verstehen: Ich finde die Rekonstruktion des Baukörpers äußerlich wirklich beeindruckend und erstaunlich (wenngleich ich nicht sicher bin, ob ich das wirklich den richtigen Umgang mit der Bausubstanz finde). Aber innen tut man sich, den späteren Bewohnern und dem Gebäude damit in jedem Fall keinen großen Gefallen - das ginge definitiv besser und aus meiner Sicht müsste das nicht zwingend teuerer sein. Der Ausbau scheint mir - so wie er ausgeführt wird - leider wenig nachhaltig. :nono:


    ABER!: Haus gerettet.

  • Also grundsätzlich ist mir der Innenausbau hier relativ schnuppe, da ich nicht selber einziehen möchte. Die historische Innenausstattung war ohnehin völlig ruiniert und eine Rekonstruktion weder finanzier- noch sinnvoll nutzbar. Insofern hätten die da von mir aus auch eine Kletterhalle reinbauen können.

  • Lefeut,


    über den Bau von Wohnungen im ehemaligen Bugra-Messehaus bin ich auch nicht so richtig glücklich, wie ich an dieser Stelle schon einmal geäußert hatte.


    Was die Qualität angeht, wäre ich vorsichtig, solange du kein Insiderwissen hast. Die Diskussion über Baupfusch und angeblich geprellten Anlegern bei Altbauwohnungen ist immer mal Thema, auch hier im DAF, ohne dass es dafür ausreichend Belege gibt. Die meisten Altbauten im Waldstraßenviertel sind beispielsweise schon vor rund 20 Jahren saniert worden. Die Wohnqualität ist dort auch nach dem dritten Einzug kaum gesunken, auch wenn knarzende Dielenböden heute nicht mehr verbaut werden und die Wohnungsgrundrisse heute nicht mehr als modern gelten (Küchen und Bäder in Schlauchform, dafür Wohnzimmer so groß wie Tanzsäle).


    Zurück zum Bugra-Messehaus. Das Gesamtprojekt mit dem Schmiechen-Bau umfasst 135 Wohnungen und verschlingt 50 Mio Euro. Das Neubauprojekt "Schumanns Gärten" umfasst 160 Wohnungen bei einer Investitionssumme von "lediglich" 36 Mio Euro. Das bedeutet, dass für die Sanierung des Komplexes am Gutenbergplatz einiges mehr abverlangt wird, was richtig Geld kostet. Von "Pfusch" zu reden oder Aussagen wie "extrem gespart" zu treffen sowie dem Bauherrn zu unterstellen, er hätte kein wirkliches Interesse am Bau und an seiner Geschichte, finde ich nicht angemessen.

  • ^
    Für das o.g. Objekt habe ich keinerlei Informationen.
    Dass es Pfusch vor allem im Altbaubereich gibt, ist keine Erfindung des Users lefeut, es ist leider Tatsache. Die Sanierungszeiten sind teilweise viel zu knapp gestrickt, wenn man z.B. am 31.12. fertig sein muss, um die Denkmalabschreibung noch abzugreifen.
    Konnte man an den Kaisergärten sehen, als nach Sanierung kurze ZEit später wieder an einigen Häusern Baugerüste standen über viele Monate.


    Schimmel ist das Hauptproblem, habe ich in einigen Objekten, die "hochwertig" saniert wurden, gesehen, weil nicht ausreichend trockengelegt wurde oder aber zu schnell ein Arbeitsschritt nach dem anderen kam.


    Bleibt zu hoffen, dass beim Bugra nur die Grundrisse ungünstig sind und Pfusch kein Thema wird.

  • ich kann saxonia und cowboy nur beipflichten.


    angesichts des unsäglichen vorzustands grenzt es an ein wunder, dass dort überhaupt (privates!) geld hineingesteckt wurde.
    zwei aspekte erachte ich darüber hinaus für besonders bemerkenswert:
    erstens die wiederherstellung der zerstörten dachlandschaft. und zweitens die umnutzung zu einem wohnquartier für normalverdiener.


    denn zweifellos wäre es billiger und einfacher - und damit erwartbarer - gewesen, innerhalb der bestandsmauern büroräume und darüber in zwei, drei gläsernen staffelgeschossen ein paar luxuswohnungen mit wohnungsgrössen von 200 qm + x zu errichten.


    statt dessen wurde der kompliziertere weg gewählt, das gebäude zu rekonstruieren und für wohnzwecke zu revitalisieren. der wird sich nicht nur für das stadtbild auszahlen, sondern auch für wohnungssuchende. es will doch gar nicht jeder in einer quadratischen neubauwohnung leben und es kann sich auch nicht jeder eine sechsraumwohnung mit ankleidezimmer leisten.
    (ich finde es immer gut, wenn hier im forum nicht nur über fassaden, sondern auch über grundrisse geschrieben wird. bei diesem projekt halte ich sie für durchdacht und im positiven sinne individuell.)


    dies alles zusammengefasst, lässt sich meines erachtens an den planungen kein ernstzunehmender kritikpunkt finden. und bei diesen preisen wird es ganz sicher mehr mietinteressenten als wohnungen geben. besser hätte es gar nicht laufen können.