Kunstmuseum Stuttgart
Glückliches Stuttgart: Nun haben wir mit dir, gläserner Kubus, endlich auch Baukunst von Weltformat.
Das neue Kunstmuseum sollst du beherbergen, eine würdevolle Aufgabe, der du mit deiner glänzenden und durch Verzicht auf jeglichen ornamentalen Mief unverwechselbaren Gestalt mehr als gerecht werden wirst.
Die Stuttgarter Zeitung lobt dich schon jetzt, wo deine zu träumerischem Schwelgen verlockende Außenhaut fertiggestellt ist.
Sie hebt den spannungsvollen Gegensatz heraus, den deine Schöpfer Hascher und Jehle Architekten hergestellt haben.
In dir dürfen sich Bauten längst vergangener monarchischer Zeiten spiegeln, und du fügst dich durch gekonnten Bruch mit antiquierten Baustilen selbstbewußt in dein Umfeld ein.
Vor dir stand übrigens mal das altbackene Kronprinzenpalais an derselben Stelle, das haben weitsichtige Stadtplaner aber längst abreissen lassen, sie mußten geahnt haben, daß die Maxime architektonischer Baukunst erst mit dir zum Höhepunkt gelangen würde. Kümmere dich nicht um kleinliche Kritik, jede mittelgroße Stadt Deutschlands würde bereits ein oder zwei ähnliche gläserne Würfel besitzen, du bist der schönste von allen, ganz ehrlich.
Und du wirst bestimmt weit länger hier vom Genius der Moderne zeugen als dein Vorgängerbau, der kleine Schloßplatz, der fast so wundervoll anzusehen war wie du, aber nur fast. Man hat Waschbeton einfach nicht mehr so schick gefunden. Glas ist da bestimmt zeitloser. Es spielt auch keine Rolle, daß Stuttgart jetzt die Absicht hat, die letzten verbliebenen Bürgerhäuser an der Willy-Brandt-Straße abzureißen, obwohl so ein spleeniger Investor sie erhalten, ja sogar an einen anderen Standort versetzen wollte um dies zu sichern. Jetzt wo wir dich haben, können wir mit einem beseelten Lächeln solch ewiggestrige Sorgen fahren lassen. Der Schloßplatz, Stuttgarts Visitenkarte, wird durch dich erst vervollkommnet.
Vielleicht wird man im Vorbeigehen noch das übriggebliebene Fragment des alten Palais beachten, den Blick voller Abscheu abwenden und auf deine klare und rationale Fassade richten um dankbar zu sein, daß Stuttgart wieder einmal allen gezeigt hat wie Städtebau aussehen muß. Wir danken dieser Stadt und ihren Planern.