Leipzig: Gentrifizierung (ehem. "Windmühle vs. Abschwiff")

  • Zitat von LE Mon.hist.

    Aber das nun zunehmend auch die Randlagen von Plagwitz in den Sog der Aufwertung geraten, dafür gibt es sehr deutliche Anzeichen...


    Ich weíß nicht, ob es sich hier um Kritik oder Feststellung handelt. Ersteres wäre seltsam. Jede Ansiedlung, jede Aufwertung von "Plagwitz ganz hinten" ist zu begrüßen. Ich will nicht von einer Gott verlassenen Gegend sprechen, aber die städtebaulichen, sozialen und gesellschaftlichen Defizite sind dort unübersehbar: Leerstand, Brachen, Leerstand, Zerfall, Leerstand, fehlende Infrastruktur, Leerstand, sozial prekäre Lage einiger weniger Alteingessener, Leerstand. All das, was beispielsweise den Prenzlauer Berg in Berlin auszeichnet (wo Immobilienspekulanten und der Zuzug von Neureichen den gut funktionierenden Kiez zunehmend entmischen und dort für Furore sorgt), fehlt in "Plagwitz ganz hinten" völlig. Die Aktion der Hausbesetzer vom Wochenende war nicht nur in Hinblick auf die Wächterhaus-Pläne des besetzten Gebäudes gründlich verfehlt.

  • Es war eine Feststellung und eine Replik auf den Satz von dj tinitus: "in dieser gottverlassenen gegend findet nicht mal eine spur von gentrifizierung statt."


    Auch ich halte die Wahl des konkreten Objektes für mehr als unglücklich und über die Aktionsform an sich läßt sich sicherlich länger streiten. Aber das Ganze fand nicht im luftleeren Raum statt, nicht in Eutritzsch an der Berliner Straße und nicht in Schönefeld rings um den Stannebeinplatz.


    Leerstand, Brachen, Leerstand, Zerfall, Leerstand, fehlende Infrastruktur, Leerstand, sozial prekäre Lage einiger weniger Alteingessener, Leerstand.


    Ich zähle fünf mal Leerstand, da wird es schon langsam schwierig, das auf konkrete Orte zu beziehen. Auch "ganz hinten in Plagwitz" werden die Freiräume, für die Leipzig bekannt ist und für die Stadt auch wirbt, langsam enger und damit die "Spielräume" für überwiegend jüngere Menschen mit anderen als den klassischen Lebensentwürfen. Das mag sich noch nicht sofort im Stadtbild niederschlagen, aber die Veränderungen sind durchaus wahrnehmbar. Und das insbesondere für Menschen, die sich in diesen Nischen eingerichtet haben und dort auch wohlfühlen.


    Und damit meine ich jetzt keine Ruinen, in denen Leute irgendwie ohne Wasser und Strom hausen, sondern Häuser wie etwa die Zo11e ( http://www.zollschuppenverein.de/wiki/index.php/Zolle11 ) oder die Zollschuppenstr. 1 ( http://de-de.facebook.com/page…-Meuterei/154666671258456 ), die mit sehr viel Eigenleistung auf ein Ausstattungsniveau saniert wurden oder werden, das nicht viele der klassisch sanierten Häuser in dieser Ecke Leipzig aufweisen, etwa moderne Heizsysteme wie Pelletheizungen, gedämmte Dachböden mit großen Gemeinschaftsräumen etc. Dank der gemeinsamen Arbeits- und Planungsleistung, der Selbstorganisation und der Dekommodifizierung von Wohn- und Lebensraum durch das Konzept des Mietshäuser Syndikats ( http://www.syndikat.org/ ; http://de.wikipedia.org/wiki/Mietsh%C3%A4user_Syndikat) werden die Mieten dauerhaft niedrig bleiben im Vergleich mit ähnlich ausgestattenen Mietshäusern. Die Mieten werden hier für sehr lange Zeit vertraglich gesichert maximal 80 % der ortsüblichen Miete betragen ( http://www.syndikat.org/s/service/broschuere_nr5.pdf - Seite 9).


    Tatsächlich nutzbare oder erwerbbare und mit relativ großem Aufwand sanierbare Gebäude gibt es auch in dieser Ecke Plagwitz nur noch sehr wenige. Häuser wie etwa die Brandruine gegenüber vom Toom zählen nicht dazu. Wir können sie ja gern mal zusammen auflisten. Das zeigt sich im Übrigen auch darin, dass neben HausHalten e.V. offenbar noch mindestens eine weitere Gruppe bereits mit dem Eigentümer über die legale Nutzung und/oder den Erwerb des Hauses Naumburger Str. 40 verhandelt. Die Besetzung hat genau diese Verhandlungen zumindest deutlich erschwert und waren meiner Meinung nach allein schon deshalb kontraproduktiv.


    Soweit ich das mit meinem bisherigen Kenntnisstand beurteilen kann, ist aber auch das Verhalten der Polizei deutlich zu kritisieren. Die Zerstörung von bis dahin erhaltener Bausubstanz und Einrichtung geht ausschließlich auf das SEK-Kommando zurück, das offenbar weil man das eben auch in Filmen so macht oder des schönen martialischen Klanges wegen erst einmal fast alle Wohnungstüren eingetreten hat bevor es zu auf dem Dach ausharrenden Besetzern vordrang. Es wurde nicht mal abgewartet, bis die Vermittler überhaupt das Verhandlungsangebot des Eigentümers an die Besetzer_innen weitergeben konnten. Die Räumung startete kurz nachdem zum ersten Mal ein telefonischer Kontakt zu dem Eigentümer bestand, der den Besetzer_innen eine freiwillige Räumung gegen den Verzicht auf eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch ermöglichen wollte. Man kann den Eindruck gewinnen, dass genau dies beabsichtigt war, denn sonst hätte ja überhaupt kein Straftatbestand mehr bestanden und der immense Aufwand der Polizei wäre noch absurder gewesen.


    Während Hausfriedensbruch sonst überall in Deutschland kein Offizialdelikt ist, das stets von Amts wegen verfolgt wird, sondern ein Antragsdelikt, bei dem der Strafantrag des Hauseigentümers Voraussetzung für die Strafverfolgung ist, geht Sachsen einen Sonderweg. Hier geht man stillschweigend davon aus, dass es die Besetzung nicht im Interesse des Eigentümers ist und behandelt Hausbesetzungen wie Offizialdelikte. Das mag für manche zunächst nachvollziehbar klingen, obwohl es die Rechtslage fast überall anders ist. Aber es ist sehr schon bemerkenswert, dass in diesem Falle mit der gewaltsamen Räumung offensichtlich von der Polizei deutlich gegen den Willen des an einer friedlichen Lösung interessierten Eigentümers gehandelt wurde bzw. die Abläufe so beschleunigt wurden, dass eine friedliche Lösung gar nicht mehr möglich war. Hier gebe ich Karsten Gerkens, dem Leiter des Amtes für Stadterneuerung, völlig recht, wenn er das Vorgehen der Polizei kritisiert: „Die Aktion war völlig übertrieben, mit Kanonen auf Spatzen.“


    Und zurück zu den "gesellschaftlichen Defizite(n)" und der "sozial prekäre(n) Lage einiger weniger Alteingessener". Ja, es gibt Straßen in Plagwitz, die sich durch eine deutlich höheren Anteil von Sozialleistungsempfänger_innen auszeichnen als die Nachbarschaft. Aber genau das ist ein Teil des aktuelles Problems, denn diese Menschen spüren als erste die Auswirkungen von baulichen und stadträumlichen Aufwertungen und damit verbundenen steigenden Mieten. Deren Verdrängung noch weiter an den Rand etwa über die Gleise nach Grünau kann nicht die Lösung sein, sondern hier müssen andere Lösungen gefunden bzw. zunächst erst einmal gesucht werden. Ansonsten stehen wir hier genau vor der Gentrifizierung, die von nicht wenigen so vehement bestritten wird.

    6 Mal editiert, zuletzt von LE Mon. hist. () aus folgendem Grund: Nachgezählt

  • Haushalten e.V. nutzt die Besetzung zur Eigen-PR. Ich verstehe nach wie vor nicht, warum dieses Krückenmodell "Wächterhaus" nicht viel stärker in der Kritik steht, berücksichtigt es doch am wenigsten, was meiner Ansicht nach im Mittelpunkt stehen sollte: die Interessen der Nutzer, nicht die von Eigentümer und Stadtverwaltung. Die Nutzer sollen das Haus halten und dann gehen, wenn sich mit dem Haus wieder was anfangen lässt. Woanders muss man Dienstleister für die Instandhaltung von Häusern bezahlen, in Leipzig finden sich naive Kreative, die es umsonst machen bzw. sogar Nebenkosten drauf zahlen.


    Was also sollte es die Besetzer stören, wer da schon verhandelt? Das Haus stand zig Jahre leer.


    Randbemerkung: Bei aller PR scheint Haushalten noch immer nicht vermitteln zu können, was Wächterhäuser sind. Warum sonst schreibt die Lizzy-Autorin: "Wächterhäuser sind eine Übergangslösung, bei der das Haus für eine bestimmte Zeit bewohnt wird, damit es nicht mehr leer steht"?


    "Wohnen" ist die üblicherweise ausgeschlossene Nutzungsform. Proberäume etc. sind anvisiert.


    Ich begreife auch nicht, wie Siegfried Schlegel ernsthaft behaupten kann: "Der Begriff ‚Gentrifizierung’ greift zur Rechtfertigung der Plagwitzer Hausbesetzung ebenso zu kurz wie im Bezug zum Sanierungsgebiet Connewitz-Biedermannstraße oder zum Wohnquartier Windmühlenstraße. Schließlich beschreibt er lediglich die Verdrängung einer ärmeren Bewohnerschaft durch Mittelschichten in einem Stadtteil, nicht aber das Problem bezahlbarer Wohnungen nach Sanierung in allen Stadtteilen."


    Es gab in Connewitz und Plagwitz um 2000 herum kein "Problem bezahlbarer Wohnungen nach Sanierung". Ich habe damals in beiden Gegenden zig topsanierte Wohnungen zu Quadratmeterpreisen zwischen 4 und 4,5 Euro kalt angeboten bekommen. Plagwitz war noch billiger als Connewitz. Diese Wohnungen standen damals Jahre leer. Keiner wollte sie. Das Haus, in dem ich wohne, war vor 2007, 2008 nie ganz belegt. Die Situation hat sich grundlegend verändert. Wohnungssuche ist schwer geworden. Bei Besichtigungen schreit in der Regel schon vor der Tür jemand: Nehme ich sofort! Zu Mieten zwischen 5,50 und 6,50 Euro je Quadratmeter kalt.

  • ^ Wie soll man denn deinen ersten Absatz verstehen? Wenn die Interessen der "naiven Kreativen" nicht berücksichtigt würden, gäbe es auch keine Wächterhäuser. Haushalten e.V. zwingt doch keinen, da hinein zu gehen. Und dass auch Eigentümer und Stadt davon profitieren, wurde nie verschwiegen.

  • Wie soll man denn deinen ersten Absatz verstehen?


    Idealerweise so, wie er da steht.

    Wenn die Interessen der "naiven Kreativen" nicht berücksichtigt würden, gäbe es auch keine Wächterhäuser.


    Nein. Das Wächterhaus-Konzept ließe sich problemlos variieren. Z.B. müssten Kommunen Asylsuchende nicht am Stadtrand in Industriegebieten unterbringen, mitunter in eigens errichteten Containerdörfern, sie könnten auch freistehenden innerstädtischen Wohnraum nutzen. Das wäre eine Win-Win-Win-Situation, nur politisch nicht erwünscht.

    Haushalten e.V. zwingt doch keinen, da hinein zu gehen.


    Das hat auch niemand je behauptet. Nur, dass unzureichende Kenntnisse des Wächterhaus-Modells vorherrschen. Auch bei Anwärtern. Hinterher ist man dann mitunter schlauer.

  • wächterhäuser waren und sind eine großartige sache. das modell wurde zu einem zeitpunkt etabliert, als die häuser reihenweise eingestürzt sind. nun ist leipzig seit ca. zwei jahren im fokus der immobilienwelt geraten, nachdem berlin und dresden recht ausverkauft sind.


    der vereinszweck und das modell müssen angepasst werden.


    ein schwachpunkt des wächterhausprinzips ist doch einfach die fehlende graduelle anpassung der kosten an "echte" mietsituationen. während des aufenthalts in einem wächterhaus zahlt der nutzer nur die nebenkosten und wertet mit muskelarbeit das haus auf, bzw. rettet es vor dem gänzlichen verfall. wenn er dann das haus verlassen muss (was von anfang an klar ist) steht er im schlechtesten fall ohne neue räume da, weil er seine geschäftsidee in dem geschützen kostenrahmen eines wächterhauses hat umgesetzt. dadurch bleiben die akteure schlimmstenfalls in ihren prekären wirtschaftlichen ausgangssituationen.
    wir müssen alle in einer freien marktwirtschaft agieren. ob das system noch zeitgemäß ist, ist eine andere diskussion.


    haushalten e.v. könnte mittlerweile die kosten in jedem jahr des aufenthalts leicht anheben und die so zusätzlich eingenommenen mittel auf weitere wächterhausprojekte umverteilen bzw. in weiterbildungsmaßnahmen in bezug auf wohneigentum etc. nutzen.

  • Wie schnell doch eine Diskussion an einem ganz anderen Punkt angelangt ist. :lach:


    der vereinszweck und das modell müssen angepasst werden.


    HausHalten hat das Angebot doch bereits erweitert, neben dem grundsätzlich ähnlichen Modell der Wächterläden um das der Ausbauhäuser, um die große Nachfrage nach langfristig zu mietenden teil- oder unsanierten Wohnraum zumindest zum Teil decken zu können ( http://www.haushalten.org/de/ausbauhaus.asp ), und um die Beratung von Gruppen und Einzelpersonen, die ein individuelles Hausprojekt umsetzen wollen ( http://www.haushalten.org/de/hausprojekte.asp ).


    Letzteres wird je nach der gewünschten Eigentumsform ja auch von anderen angeboten, etwa selbstnutzer.de für Einzelpersonen und Gruppen, die Privateigentum bilden möchten, oder die Beratung des "Mietshäuser Syndikats" ( http://www.zollschuppenverein.de/ ) für die, die sich für diesen Weg entschieden haben. Hinzu kommen noch ein paar "Freie", nicht selten im Ehrenamt. Die Nachfrage ist im Moment sehr groß.


    Neue Wächterhäuser wird es nach meiner Einschätzung in den nächsten Jahren in Leipzig nur noch in Ausnahmefällen geben, die die Regel dann bestätigen. So etwa das jüngste Wächterhaus in der Georg-Schwarz-Straße 70 ( http://www.haushalten.org/detail/objekte_gss70.asp ), einem Teil des Stadtbau-"Brunnenviertels", wo nun nicht gleichzeitig 61 Häuser saniert werden können.


  • Z.B. müssten Kommunen Asylsuchende nicht am Stadtrand in Industriegebieten unterbringen, mitunter in eigens errichteten Containerdörfern, sie könnten auch freistehenden innerstädtischen Wohnraum nutzen. Das wäre eine Win-Win-Win-Situation, nur politisch nicht erwünscht.



    Dabei wäre allerdings zu sagen, dass bereits 60 % der Asylsuchenden in einer eigenen Wohnung leben. Die Entwicklung des Antragsaufkommens auf dezentrale Unterbringung:
    * 2010: 105 Anträge (88 bewilligt/ 13 abgelehnt/ 4 erledigt)
    * 2011 (bis 31.10.): 66 Anträge (54 bewilligt/ 10 abgelehnt/ 2 offen)
    http://initiativkreisintegration.blogsport.de/2011/11/24/69/
    http://jule.linxxnet.de/index.…asylsuchenden-in-leipzig/


    Für die anderen 40 % der Menschen wird aktuell nach einer Lösung gesucht, zumal die zentrale Einrichtung in der Torgauer Straße 290 erfreulicherweise nicht mehr lange existieren dürfte.


    Konzept für die weitestgehend dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern und Geduldeten in Leipzig
    http://notes.leipzig.de/appl/l…768D0034A958?opendocument


    Wir werden vermutlich demnächst mehr darüber in einer Stadtratssitzung erfahren.


    Den Vorschlag, unsanierte "Wächterhäuser" z.T. schwer traumatisierten Asylbewerber_innen oder Familien mit kleinen Kindern anzubieten finde ich ziemlich befremdlich.

  • ^^ Das war kein Vorschlag, sondern nur eins von vielen denkbaren Beispielen dafür, dass Wächterhausmodelle möglich sind, ohne auf kreative Nutzer zu setzen. Indem Wächterhäuser auf Kreative setzen, ist der Zweck ja klar: Aufwertung. Auf Leipzig.de findet sich die passende Bebilderung.


    2004 war die Situation natürlich noch eine andere, übrigens auch die Situation der Flüchtlinge. Ansonsten einmal mehr herzlichen Dank für das angenehm informative, unaufgeregte Posting!


    Es gab in den vergangenen Jahren unzählige Unternehmungen, die bewusst oder unbewusst Gentrifizierung anstrebten. Das Westpaket darf hier auch gern angeführt werden. Die Nutzer, die vor zehn, 15 Jahren die Karl-Heine-Straße nutzten, haben sich inzwischen in Nischen zurückgezogen. Das hindert Westpaket-Protagonisten natürlich trotzdem nicht daran, die Gentrifizierung des Viertels zu beklagen.


    Das alles führt durchaus zum Thema zurück. Was bei der Windmühlenstraßendiskussion zu knapp kam, war konstruktives Nachdenken: Welche Strategien können Kreative entwickeln, um eben nicht zum Aufwertungswerkzeug der Stadtplaner zu werden? Immer vorausgesetzt, sie wollen das nicht sein. Wer auf der Spinnerei ist, will es ja sein.

  • Auch hier muß man sagen, dass das die am Schluß geforderte Debatte bereits vor einiger Zeit eingesetzt hat und derzeit recht intensiv geführt wird.


    Die Auswirkungen der aktuellen Veränderungen auf dem Wohnungs- und Gewerbeimmobilienmarkt, Gentrifizierung ingesamt, die Rolle "der Kreativen" dabei, aber auch die Auswirkungen auf die "normale" Bevölkerung - die ja nicht weniger kreativ sein muss, aber eben nicht in der (lokalpolitisch gewünschten und geförderten) Kultur- und Kreativwirtschaft tätig ist oder sich in nichtkommerziell ausgerichten Kunst- und Kulturräumen engagiert (Offspace/ Projekträume - http://de.wikipedia.org/wiki/Offspace - wie die im Lindenow - Netzwerk unabhängiger Kunsträume Leipzig-Lindenau) - zusammengeschlossenen Projekte und Galerien - und der durchaus gewünschte engere Kontakt miteinander und ein gemeinsames Agieren statt (m.E. überholter) Rollenbilder von der Künstlerin und dem HGB-Studenten als "Gentrifier" oder "Pionier" und ganz allgemein die "Stadt für alle" - all dies wird bereits intensiv diskutiert.


    Solche Fragen waren z.B. zentraler Bestandteil auf dem Workshop am 20. und 21. April zur nachhaltigen Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft im Leipziger Westen, der vom Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung (ASW) im Rahmen des Projektes „Creative Cities“ veranstaltet wurde.
    http://www.leipzig.de/de/buerg…pziger-Westen-22719.shtml
    http://www.leipziger-westen.de…nt.php?idcat=36&idart=470
    Die Workshop-Ergebnisse sollen der Stadtverwaltung, aber auch allgemein zugänglich gemacht werden und in künftige Förderprogramme und Stadtentwicklungsmaßnahmen einfließen.


    Sie waren auch Thema der von Kreatives Leipzig vorgestern in der Distillery veranstalteten Podiumsdiskussion "Gentrifizierung – Die Geister, die wir riefen":
    http://www.kreatives-leipzig.d…ie-geister-die-wir-riefen
    Allerdings wurde der selbstgewählte Fokus auf der Kultur- und Kreativarbeit in der Diskussion schnell zugunsten einer weiteren allgemeinen Diskussion zu Stadtumbau, Aufwertung und Gentrifizierung aufgegeben. Die Veranstaltung wurde mitgeschnitten und wird demnächst unter http://soundcloud.com/kreatives-leipzig nachzuhören sein.


    Ein erster Bericht über die Veranstaltung erschien bereits auf der Website des Kreuzers:
    »Täglich klingeln Leute bei unsanierten Häusern«
    Kreative diskutieren die Gentrifizierung in Leipzig
    http://kreuzer-leipzig.de/2012…bei-unsanierten-haeusern/


    Weitere Veranstaltungen sind für die nächste Zeit bereits angekündigt oder geplant, so z.B. heute abend im Westwerk eine weitere Diskussionsveranstaltung, in der speziell um den „Betriebsausflug“ geht, um Chancen und Möglichkeiten solcher Aktionen, aber auch wieder um Aufwertung und Gentrifizierung und die Rolle von Künstler_innen dabei. Es diskutieren mit Christine Ebeling, Mark Matthes und Michael Ziehl Organisator_innen des Betriebsaufluges zusammen mit Stefan Geiss, dem Abteilungsleiter Leipziger Westen im ASW.
    http://www.facebook.com/events/373473702694724/


    Allerdings sollten aus all den Diskussionen heraus recht bald auch Konsequenzen folgen oder um mit Goethe zu sprechen:


    "Der Worte sind genug gewechselt,
    Laßt mich auch endlich Taten sehn;
    Indes ihr Komplimente drechselt,
    Kann etwas Nützliches geschehn." :D

  • Die Sorgen und Ängste der Gentrifizierungsgegner kann ich sehr gut nachvollziehen. Es gibt seit einigen Wochen eine öffentliche Diskussion mit vielen Beteiligten und interessante Aktionen, die auch bei Amts- und Entscheidungsträgern nicht ungehört bleiben werden.


    Als direkt Betroffener habe ich aber überhaupt kein Verständnis für radikale Aktionen, wenn bspw. Farbbomben auf neu gebaute Häuser geworfen werden. Wenn ich ein Ruine, die nicht mehr sanierbar ist, abreiße und auf einem jahrelang brachliegendem Grundstück ein Stadthaus errichte, kann ich auch mit viel Fantasie kein Verdrängungsmotiv finden.
    Solche Aktionen einiger Chaoten helfen niemandem. Hängt Plakate auf oder organsiert Veranstaltungen ... aber was bringt ein Farbbeutel an der Hauswand? Nicht mal eine Botschaft kann man damit vermitteln, nur Kopfschütteln bei allen Vorbeilaufenden ernten.


    Es ist in der Tat so, dass man als mehrköpfige Familie (wir sind keine Immobilien-Haie !!) sehr genau kalkuliert, wieviel vom Einkommen man für Wohnen ausgeben kann und dass es inzwischen Viertel in Leipzig gibt, in denen man keinen passenden und bezahlbaren Wohnraum oder gar Eigentum mehr findet. Plagwitz gehört aber definitiv nicht dazu. So gesehen sind auch wir "gentrifiziert".

  • Da es auch hier immer mal wieder um den Vergleich von Mieten und Löhnen geht:


    PM des ifo Instituts, Niederlassung Dresden


    Regionale Lohnunterschiede
    17. April 2012
    Ergebnisse einer neuen Studie der Niederlassung Dresden des ifo Instituts
    http://www.cesifo-group.de/por…_detail?p_itemid=18105098



    Die Stundenlöhne in den verschiedenen Regionen unterscheiden sich deutlich. Wenig überraschend, werden die höchsten Löhne dort gezahlt, wo es leistungsfähige Großunternehmen gibt, so in Wolfsburg (VOLKSWAGEN), in Ludwigshafen (BASF) oder auch in Ingolstadt (AUDI). Auch das Rhein-Main-Gebiet, die Rhein-Neckar-Region oder der Großraum München zählen zu den Regionen, in denen die Arbeitnehmer hohe Löhne erzielen können (vgl. PDF). Die geringsten Stundenlöhne werden demgegenüber in Ostdeutschland gezahlt. Ausschlaggebend hierfür sind unter anderem eine in weiten Teilen ungünstige Wirtschaftsstruktur sowie die insgesamt eher geringe Leistungsfähigkeit der Unternehmen.


    Das Bild ändert sich doch, wenn regionale Preisniveauunterschiede berücksichtigt werden. Insbesondere die westdeutschen Ballungsräume fallen bei dieser Betrachtung deutlich zurück und erreichen trotz hoher Nominallöhne bei den Reallöhnen oftmals nur noch einen Platz im unteren Mittelfeld. Grund hierfür dürften die im Allgemeinen höheren Wohnungsmieten dort sein. Die meisten ostdeutschen Regionen hingegen können ihre Position leicht verbessern; im Schnitt liegen aber auch die Reallöhne in Ostdeutschland deutlich unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt. Die im regionalen Vergleich etwas niedrigeren Lebenshaltungskosten in den neuen Ländern reichen also nicht aus, den Lohnabstand gänzlich einzuebnen. Gleichwohl: Die Studie macht deutlich, dass wanderungswillige Arbeitnehmer bei der Wahl von Arbeits- und Wohnstandort eher die Reallöhne als die Nominallöhne zugrundelegen sollten.


    Den vollständigen Beitrag finden Sie in Heft 02/2012 der Zeitschrift „ifo Dresden berichtet“, das heute erschienen ist auf den Seiten 26 bis 32.


    http://www.cesifo-group.de/DocDL/ifodb_2012-02.pdf


    Leider werden keine detaillierten Zahlen für Leipzig oder Dresden oder Chemnitz angegeben, sondern nur für die jeweiligen Bundesländer und die obersten und untersten 25 Landkreise bei Nominal- und Reallöhnen genannt.


    Der durchschnittliche Stundenlohn in Sachsen beträgt nominal 20,77 Euro und variiert von 19,06 bis 22,34 Euro bzw. real 22,25 Euro mit einer Variation von 20,8 bis 23,0.


    Durchschnittliche Reallöhne in Hamburg: 26,79; Nordrhein-Westfalen: 27,03; Baden-Württemberg: 27,31; Bayern: 26,77; Berlin: 25,25; Sachsen-Anhalt: 21,98; Thüringen: 21,51; Mecklenburg-Vorpommern: 20,71 Euro.


    Die SZ nennt jedoch die Platzierungen einiger kreisfreien Städte: Im Vergleich aller 413 Kreise und kreisfreien Städte liegt Sachsen hinten. Chemnitz rangiert auf Platz 325, Dresden und Leipzig kurz dahinter, danach kommen Görlitz, Meißen, Bautzen, Mittelsachsen und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge.


    Außerdem erklärt die SZ die immer noch recht hohen Zahlen: "Es handelt es sich nicht um Reallöhne, sondern um Arbeitnehmerentgelte pro Arbeitsstunde. Diese beinhalten neben dem Bruttolohn auch Arbeitgeberanteile für die Sozialversicherung (Anteil etwa 20 Prozent) sowie – wo gezahlt – Weihnachts- und Urlaubsgeld. Das erklärt die hohen Stundensätze. Aus den Angaben, für Hochverdiener wie für Teilzeitkräfte, ermittelte das Dresdner Ifo-Institut genannte Durchschnittswerte."


    Sächsische Zeitung, 21. April 2012
    Der Osten hinkt bei den Löhnen deutlich hinterher
    http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=3040340

  • Zwei Veranstaltungshinweise

    Sonntag, 6.5.2012, 14-16 Uhr


    Radio Blau


    Die dritte Ausgabe der Sendereihe "Gentri wie bitte?" - und scheinbar dringender denn je in Anbetracht der Fülle von Ereignissen und Veranstaltungen zum Thema "Stadtentwicklung in Leipzig" in den vergangenen Wochen.


    Die Sendung wird sich ein paar konkrete Themen herauspicken, über die Veranstaltungen "Die Geister, die wir riefen" des Kreativen Leipzig e.V. und den Workshop zur nachhaltigen Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft im Leipziger Westen reflektieren, den Vergleich mit der Situation in Hamburg mit den Betriebsausflüglern wagen und eine kleine Medienanalyse zur Hausbesetzung in der Naumburger Straße beginnen.


    Schaltet ein: UKW 99.2 im Süden, 94.4 im Nordwesten, 89,2 im Nordosten und im Livestream unter http://www.radioblau.de weltweit.


    Checkt auch: http://www.freie-radios.net/47512 und http://www.freie-radios.net/46946


    https://www.facebook.com/events/117672108368604/


    *************


    Montag, 7.5.2012, 19:30 Uhr


    sublab
    Karl-Heine-Straße 93/ Westwerk


    Podiumsdiskussion: my hausprojekt is my castle
    Wohn- und Kulturprojekte in der Diskussion um Stadtentwicklung und Gentrifizierung


    Wie verändern kollektive Wohn- und nichtkommerzielle Kulturprojekte Stadtteil und Quartier? Wie positionieren sie sich in der Debatte um Stadtentwicklung & Gentrifizierung? Wie werden emanzipatorische Ansprüche in der Nachbarschaft praktiziert? Und wovon gilt es sich zu emanzipieren? Inwiefern gelingt es, sich kapitalistischen Verwertungsprozessen zu entziehen? Wie steht es um ein linkspolitisches Selbstverständnis in Bezug auf Besitz und Eigentum und wie radikal oder kompromissbreit wird der Anspruch auf städtischen Raum und somit die Existenz der Projekte verteidigt?


    Kathrin von Ow (Künstlerin/aktiv in der A&V-Galerie)
    Rico Rokitte (Dozent für Stadtteilentwicklung, HTWK Leipzig)
    Roman Grabolle (kunZstoffe e. V., Wohnungsgesellschaft mbH Central LS W33)

  • Sonntag, 6.5.2012, 14-16 Uhr



    Kathrin von Ow (Künstlerin/aktiv in der A&V-Galerie)
    Rico Rokitte (Dozent für Stadtteilentwicklung, HTWK Leipzig)
    Roman Grabolle (kunZstoffe e. V., Wohnungsgesellschaft mbH Central LS W33)


    Gibt es irgendwo Mitschnitte dieser Veranstaltung? Mich würde es brennend interessieren, welche Theorien und Gedanken hinsichtlich der Entziehung aus kapitalistischen Strukturen dort entwickelt wurden.


    Eigentlich ironisch...Wir sprechen hier darüber, wie vernachlässigte Viertel zu bunten, lebendigen Stadtteilen werden können. Dabei ist doch der nach wie vor in Leipzig zu beobachtende Leerstand und Verfall das Ergebnis der jahrzehntelangen Entziehung des Hausbestandes aus kapitalistischen Zusammenhängen. Wo kein Geld bewegt und investiert wird, Eigentum keinen Wert hat, Mietraum quasi aus falsch verstandener Sozialgüte verschenkt wird, kann man auch nicht erwarten, das mit Infrastruktur und Substanz pfleglich umgegangen wird. Der großflächige Verfall ist eine direkte Folge davon, da die Hauseigentümer kein Interesse oder kein Geld mehr haben, ihren Besitz zu erhalten. Nur wenn geordnete Eigentümerstrukturen allseits wieder hergestellt werden, ist es möglich, lebendige, bewohnte und sich entwickelnde Stadtteile zu generieren. Die hier oft beklagte Gentrifizierung ist in vielen Vierteln Leipzigs doch noch gar nicht eingetreten, gerade in hinteren Ecken von Plagwitz kann man eher von einer "Wiederbesiedlung" oder "Neubesiedlung" sprechen. Lasst diesen Prozess doch mal ein paar Jahre laufen und sich erst mal wieder eine anständige Bevölkerungsstruktur entwickeln. Wie schon von anderen Diskutanten erwähnt, wohnen dort vornehmlich prekär lebende und sozial Schwache Alteingesessene. Es kann nicht sein, dass soziale Brennpunkte als schützenswerte Biotope verkauft werden. Solche prekären Lebensverhältnisse sind zu beseitigen, indem auch auf lokaler Ebene kleinräumige Wirtschaftskreisläufe in Schwung gebracht werden, nicht indem der Status Quo zementiert wird.


    Dass hier Freiräume von irgendwelchen Gruppen beschnitten werden, ist aus meiner Sicht abwegig. Kreative, Alternative Projekte und Kunstprojekte machen erst das Bunte und Attraktive aus, demzufolge sind sie doch erwünscht, gerade in Plagwitz. Problematisch wird es nur dann, wenn Gruppen sich absolut dem Begriff des Eigentums verweigern und ihn konsequent mißachten. Denn es beschleicht mich bei der Argumentation einiger, die gegen die angebliche Gentrifizierung wettern, der Verdacht, es werden ganz und gar eigennützige Interessen als gesellschaftlich wünschenswerte verkauft. Billige Mieten machen es nämlich wahrscheinlicher, daß man sich in der ARGE-gestützten sozialen Hängematte ausruhen kann und viel Zeit hat, auf das kapitalistische System zu schimpfen. Dafür sollte es keinen Freibrief geben, sehrwohl sollten aber kreative Modelle zur Nutzbarmachung von Immobilien wie die "Wächterhäuser" allseits unterstützt werden.


    Kurzum: Eine echte Gentrifizierung haben wir in Leipzig nur sehr punktuell. Die paar Lofts und Penthouses machen den Kohl auch nicht fett. Derzeit erleben wir die Wiederherstellung eines funktionierenden Immobilienmarktes und eine Renaissance des Eigentumsbegriffes. Das ist vorbehaltlos zu begrüßen.

  • ...

    3 Mal editiert, zuletzt von Geograph () aus folgendem Grund: Argumentation ergänzt

  • Ich gehe mal der Reihe nach, danke für die Ausführlichkeit! :daumen:
    1.
    Zunächst einmal halte ich es auch nicht für möglich, abrupte Veränderung herbeizuführen. Insofern ist es gar nicht möglich, einen Problemstadtteil einfach "wegzusanieren". Grundsätzlich sollte man bei diesen Prozessen auf die Eigentümer setzen, die in die Lage versetzt werden müssen, mit Ihrem Besitz kostendeckend und nachfragegerecht zu wirtschaften. Dazu gehört nun einmal ein nachfragegerechter Wohnraum. Und der hat in Leipzig eben häufig Sanierungsgrad neueren Datums, Laminat und Einbauküche. Alles andere ist nicht vermietbar. Und man schaue sich doch nur die Karl-Heine-Strasse vor 10 Jahren an. Dreck, Siff und Suff allenthalben, was für eine grandiose Aufwertung hat es doch dort gegeben! Und wodurch? Nicht durch soziale Wohltaten, sondern durch Investitionen und Impulse u.a. aus der Kreativwirtschaft. Wo das schlecht sein soll, kann ich nicht erkennen.


    2.
    Bei dem Mietpreisbeispiel musste ich lachen. Behauptest du in vollem Ernst 4,4 EUR/qm ist eine hohe Miete? Ich bitte dich. "Hohe Mieten" gehen vielleicht ab 10 EUR los davon ist Leipzig Lichtjahre entfernt. Miete einmal eine Genossenschaftswohnung mäßigen Zustands in Jena für 10,23 EUR/qm kalt (wie ich aktuell) an, dann weisst du was ich meine. Leipzig hat eindeutig zu billige Mieten.
    Für ein Mietshaus mit 8 WE à 60 qm sind so doch kaum 25000 EUR Einnahmen pro Jahr erzielbar, das ist einfach zu wenig.


    3.
    Mehrere Tausend? Wenn das so ist, dann frage ich mich, warum die Mieten immer noch so billig sind? Oder trifft diese Zahl vielleicht auf eine gestiegene Nachfrage wegen des unbestreitbar steigenden Wohlstands in Leipzig? Diese Wohnung werden aufgrund eines Nachfragekalküls so gebaut, wenn es keine Vermietungsperspektive gibt, wäre das zwecklos. Ich kann das nur begrüßen, offenbar gibt es in Leipzig genug Leute, die sich solche Wohnungen leisten, das ist doch gut. Ich vertraue hier auf das freie Spiel der Marktkräfte, dann wird man sehen. Jedenfalls ist es momentan so, dass wir eine Marktverzerrung nach unten haben. Zu viele Leute auf staatlicher Unterstützung halten dauerhaft das Mietniveau unter einem ökonomisch nachhaltigen Level, da der Staat nun mal keine teuren Wohnungen für seine Klienten zahlt. Wie das Ergebnis der dadurch folgenden Lethargie, Passivität und allgemeinen Wurschtigkeit aussieht kann man hervorragend in Althen, Anger-Crottendorf und Schönefeld sich anschauen.


    4. Dass davon die Durchmischung verlorengeht, ist doch abwegig, das allgemeine Gehaltsniveau in Leipzig ist so erbärmlich, dass man sich über zuwenig Armut keine Sorgen machen muss. Wieso ist denn die viel gerühmte Durchmischung überhaupt per se gut? Gleich und gleich gesellt sich gern, sonst würde es das Waldstrassenviertel als A-Lage gar nicht geben. Darüber hinaus: Ich frage diejenigen Leute in den sozialen Brennpunkten sicherlich nicht, ob sie sich selber als prekär wahrnehmen. Mir kann das nur solange egal sein, wie sie nicht vom Geld Dritter und nicht von ihrem eigenen leben. Die Arbeitenden, Investierenden sind immer noch in der Mehrheit.

  • Dazu gehört nun einmal ein nachfragegerechter Wohnraum. Und der hat in Leipzig eben häufig Sanierungsgrad neueren Datums, Laminat und Einbauküche. Alles andere ist nicht vermietbar.


    Wo nimmst Du denn die Erkenntnis her? Gerade Laminat ist für viele Suchende ein Brechmittel. Frisch sanierte Wohnungen mit Laminat und Raufaser stehen zu Hauf zur Verügung. Das Angebot übersteigt die Nachfrage. Die Nachfrage nach geräumigen, günstigen teilsanierten Wohnungen mit Gestaltungsmöglichkeit dagegen ist sehr groß. Das wird Dir jeder bestätigen, der für so was einen Nachmieter sucht und dessen Telefon plötzlich nicht mehr stillsteht.

    Und man schaue sich doch nur die Karl-Heine-Strasse vor 10 Jahren an. Dreck, Siff und Suff allenthalben, was für eine grandiose Aufwertung hat es doch dort gegeben!


    Dreck, Siff und Suff? Leere, ja. Aber Dreck, Siff und Suff gibt es jetzt viel mehr. Ob vorn beim Fahrradladen oder hinten am Noch Besser Leben. Es hat eine soziale Verdrängungen stattgefunden. Aber die Hippster, die da jetzt rumlungern, sind den wenigen einstigen Nutzern in Sachen Dreck, Siff und Suff bei weitem überlegen. Hinzu kommt der Lärm, unter dem die angestammten Bewohner erheblich leiden.

    Und wodurch?


    Eigentlich ganz platt: Durch Neo Rauch. Ohne ihn hätte es die ganzen Trittbrettfahrer nicht gegeben, ohne ihn wäre nicht dieses Raunen von der Spinnerei ausgegangen, das Leute von überall her angezogen hat.


    Jetzt gibt es ein "Kreatives Leipzig". Die können zwar nix, wie sie etwa in ihrem übel layouteten und von Tippfehlern durchzogenen Werk "Zustand und Zukunft kreativer Arbeit in Leipzig" eindrucksvoll belegen, aber sie tun wichtig und finden Zuhörer.

    Miete einmal eine Genossenschaftswohnung mäßigen Zustands in Jena für 10,23 EUR/qm kalt (wie ich aktuell) an, dann weisst du was ich meine.


    Das kann ich schwerlich glauben, denn dann wäre Jena ja deutscher Spitzenreiter in Sachen Miete. Selbst in Dortmund kommt man unter 4,40 Euro für nette Genossenschaftswohnungen hin.

  • ...

    Einmal editiert, zuletzt von Geograph ()

  • Vergleich der Angebotsmieten bei Immobilienscout24:


    Jena - Leipzig
    7,80 Euro/m² - 5,10 Euro/m²

    Zentrum - Zentrum
    8,80 Euro/m² - 6,80 Euro/m²


    West [(ex)-Studierendenviertel] - Südvorstadt
    7,70 Euro/m² - 5,90 Euro/m²


    Lobeda (mit Altlobeda) / Winzerla - Grünau / Paunsdorf
    7,00 / 5,40 Euro/m² - 4,20 / 4,30 Euro/m²


    http://www.immobilienscout24.d…/th%C3%BCringen,jena.html
    http://www.immobilienscout24.de/wohnen/sachsen,leipzig.html


    Vergleich bei Immobilo
    Der durchschnittliche Mietpreis für eine 30-Quadratmeter-Wohnung liegt in Jena zur Zeit bei ca. 5,65 EUR/m². Für eine 60-Quadratmeter-Wohnung liegt der Mietpreis bei 5,4 EUR/m². Der durchschnittliche Preis für die Miete einer Wohnung mit 100 m² in Jena liegt zur Zeit bei 4,9 EUR/m².
    http://www.immobilo.de/stadt/thueringen/jena-stadt


    Der durchschnittliche Mietpreis für eine 30-Quadratmeter-Wohnung liegt in Leipzig zur Zeit bei ca. 5,34 EUR/m². Für eine 60-Quadratmeter-Wohnung liegt der Mietpreis bei 4,86 EUR/m². Der durchschnittliche Preis für die Miete einer Wohnung mit 100 m² in Leipzig liegt zur Zeit bei 4,35 EUR/m².
    http://www.immobilo.de/stadt/sachsen/leipzig


    Vergleich bei wohnungsboerse.net
    Für eine 30m²-Wohnung liegt aktuell der durchschnittliche Mietpreis bei 10,57 EUR/m². Bei einer 60m²-Wohnung zahlt man derzeit durchschnittlich 8,00 EUR/m² Miete. Der durchschnittliche Mietpreis für eine 100m² - Wohnung in Jena liegt zur Zeit bei 8,48 EUR/m².
    http://www.wohnungsboerse.net/mietspiegel-Jena/9092


    Für eine 30m²-Wohnung liegt aktuell der durchschnittliche Mietpreis bei 5,70 EUR/m². Bei einer 60m²-Wohnung zahlt man derzeit durchschnittlich 4,85 EUR/m² Miete. Der durchschnittliche Mietpreis für eine 100m² - Wohnung in Leipzig liegt zur Zeit bei 5,30 EUR/m².
    http://www.wohnungsboerse.net/mietspiegel-Leipzig/7390


    Vergleich bei immowelt
    Jena
    bis 40 m²: 8,94 (4,67 - 14,07) € pro m²
    40-80 m²: 8,12 (2,79 - 14,88) € pro m²
    80-120 m²: 9,56 (6,88 - 28,57) € pro m²
    ab 120 m²: 9,17 (6,00 - 11,51) € pro m²
    http://www.immowelt.de/immobil…10816053000&etype=1&esr=2


    Leipzig
    bis 40 m²: 5,86 (2,29 - 15,00) € pro m²
    40-80 m²: 4,88 (2,00 - 14,00) € pro m²
    80-120 m²: 4,90 (1,99 - 11,06) € pro m²
    ab 120 m²: 6,24 (3,23 - 15,54) € pro m²
    http://www.immowelt.de/immobil…10814365000&etype=1&esr=2


    Die jenawohnen GmbH, die mit insgesamt rund 14.300 Wohnungen größte Wohnungsgesellschaft in Jena und Umgebung und Nachfolgerin des "VEB Kommunale Wohnungsverwaltung Jena" hat 2011 eine Durchschnittsmiete von 4,80 Euro, nahezu 90 Prozent der Wohnungen liegen unter der KdU-Grenze von 5,10 € /m² Kaltmiete (Dr. Jörg Vogel/SPD und Stefan Wosche-Graf, Geschäftsführer der jenawohnen GmbH, in der Stadtratssitzung vom 28.03.2012 - siehe unten). Das durchschnittliche Nutzungsentgelt bei der Wohnungsgenossenschaft Carl Zeiss, dem zweitgrößten Wohnungsunternehmen, liegt bei 4,99 Euro pro Quadratmeter; mehr als die Hälfte der Wohnungen gelten als angemessener Wohnraum nach den KdU-Grenzen ( http://mehlich.jenapolis.de/20…mpfang-der-wg-carl-zeiss/ ; ebd. ). Die Wohngenossenschaft Lobeda West e.G. hat nach eigenen Angaben eine stabile durchschnittliche Kaltmiete von 4,39 Euro ( http://mehlich.jenapolis.de/20…veranstaltung-der-linken/ ). Die Zahlen von 2010: http://www.jenapolis.de/2011/0…d-friedfische-keine-haie/


    Die Durchschnittsmiete der sanierten Wohnungen bei der kommunalen Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) beträgt 5 Euro pro Quadratmeter ( http://mobil.wiwo.de/ticker/6601362 ).


    Studierende weichen zunehmend in die umliegenden Gemeinden aus und wohnen in Dornburg, Bürgel, Stadtroda, Kahla, Apolda ... oder pendeln täglich aus Weimar, Erfurt, Gera usw. ein, weil Jena für sie nicht mehr bezahlbar ist.


    http://jena.tlz.de/web/lokal/l…naer-Studenten-1962347518
    http://www.tlz.de/web/zgt/poli…en-Wohnungsnot-1109810226
    http://www.jenapolis.de/2011/1…den-kitagebuhren-in-jena/
    http://eisenberg.otz.de/web/lo…gsnot-der-Stadt-788083943
    http://jena.otz.de/web/lokal/l…ierende-in-Jena-570591722


    Stadtratssitzung vom 28.03.2012
    Aktuelle Stunde zur Wohnraumsituation und Mietpreisentwicklung in Jena
    http://www.jenatv.de/soziales/…und_Mietpreisen-8268.html
    http://soundcloud.com/jenapolis/wohnraumsituation


    Kosten der Unterkunft (ALG II etc.): In Jena gelten seit Oktober 2008 5,10 € /m² Kaltmiete und 1,20 € / m² Nebenkosten als Höchstgrenze. In Leipzig liegt die Höchstgrenze bei 4,22 € /m² Kaltmiete.
    http://www.jena.de/fm/415/amt20_08.pdf
    http://www.jena.de/fm/41/Wegweiser_Wohnen%2026.pdf


    Bei der Wohngeldtabelle liegt die Höchstgrenze in Jena für eine Person bei 330 € (Bruttokaltmiete), also etwa 1,00 € / m² über dem Wert der KdU-Richtlinie.


    Einkommensniveau


    In Jena verfügten im Jahr 2009 15.000 Haushalte über ein Nettoeinkommen von unter 900 €. Das entspricht mehr als 25 % aller Haushalte der Stadt Jena. Weitere 11.000 Haushalte verfügten über ein Haushaltsnettoeinkommen zwischen 900 – 1.300 €. Dies sind weitere knapp 19 % der Haushalte. Insgesamt verfügen ca. 44 % aller Haushalte in der Stadt Jena über ein Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.300 €. Zu den Nachfragern nach preiswertem
    Wohnraum gehören die Transferleistungsempfänger, Arbeitslose, Wohngeldempfänger, Rentner, Studierende, geringfügig Beschäftigte und Alleinerziehende. 30 % aller Haushalte können über ein Haushaltsnettoeinkommen von über 2.000 € verfügen. Ein Teil davon ist und wird auch zukünftig in der Lage sein, mittel- und hochpreisig zu mieten oder Wohneigentum im mittleren Preissegment zu erwerben. Allgemein geteilte Auffassung ist, dass die monatliche Gesamtbelastung für Miete oder Finanzierung von Wohneigentum max. 40 % des zur Verfügung stehenden Monatsnettoeinkommens nicht übersteigen sollte.
    http://www.jena.de/fm/41/Anlage%20zur%20BV.pdf


    Ein Leipziger Haushalt hatte 2010 im Durchschnitt 1414 Euro netto pro Monat zur Verfügung. Das sind 13 Euro weniger als im Vorjahr. Im Jahr 2010 verfügte ein Drittel aller Haushalte (33 %) monatlich über weniger als 1.100 €, während in 9 % der Haushalte mindestens 3.200 € pro Monat zur Verfügung standen (Leipziger Sozialreport 2011 - http://www.leipzig.de/de/buerg…Stadt-Leipzig-19926.shtml).


    Altersstrukturen
    Den höchsten Anteil junger Haushalte findet man in der Universitätsstadt Greifswald. 21,5 Prozent der Haushaltsvorstände dort sind jünger als 30 Jahre. Leipzig und Jena folgen mit 21,1 beziehungsweise 20,1 Prozent.
    http://www.gfk-geomarketing.de…ng/BVSD2010_20110127.html


    Laut der Beratungsgesellschaft Analyse & Konzept lag die Leerstandsquote in Jena Ende 2009 stadtweit bei 0,9 Prozent (darin enthalten sind auch reservierte leere Wohnungen). In Winzerla waren es schon im Jahre 2008 0,5 Prozent. Wegen des Zustroms weiterer Student_innen müssen die Zahlen nun wohl gen 0 korrigiert werden (http://jena.tlz.de/web/lokal/w…e-null-Prozent-2017498343). Jena hatte im Mai 2011 einen Wohnungsleerstand von ca. 0,5 Prozent ( http://www.jenapolis.de/2011/0…-hat-ein-wohnungsproblem/ ).
    In Leipzig betrug der Wohnungsleerstand mit etwa 34.000 leeren Wohnungen im Jahre 2010 rund 10,5 Prozent ( http://www.leipzig.de/de/buerg…iter-gesunken-22463.shtml ).

    26 Mal editiert, zuletzt von LE Mon. hist. () aus folgendem Grund: Weitere Zahlen ergänzt

  • Man findet sehr unterschiedliche Preisangaben zu Jena. Jedenfalls habe ich in Jena noch keine Wohnung gesehen, die in akzeptabler Lage unter 10 EUR zu haben gewesen wäre. In guten Altbaulagen sind 2000 EUR kalt für um die 60qm Standard. Angebot und Nachfrage eben! Die höheren Preise in Jena haben jedenfalls dafür gesorgt, dass ein schwunghafter Immobilienmarkt entstanden ist. Zwar ist Jena zu klein, um für große Investoren interessant zu sein, jedoch gibt es derzeit eine Reihe interessanter Großprojekte, die einzelne Stadteile weiter aufwerten.
    Leipzig dient da durchaus als Vorbild. Die sonderbare Auffassung von dancingdwarf über die neuen Stadtbewohner will ich jedenfalls nicht teilen, noch erlaube ich mir den Leuten Dummheit und mangelnde Hygiene zu unterstellen, etwas klischeebeladen, negativistisch und ziemlich anmaßend. Deren Einkommensniveau ist in jedem Falle um einiges höher und tut ehemals heruntergewirtschafteten Stadtteilen sehr gut.


    Zu fragen wäre doch auch mal, worin der Sinn bestehen sollte, Gentrifizierungsprozesse zu verhindern? Hat das denn Vorteile und worin bestehen die?