Leipzig: Stadtleben

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    Wäre der Artikel am 1.April erschienen; ok ich hätte es grad noch verstanden.
    Die Gegebenheiten Leipzigs mit den Vorzügen und Freiheiten einer Metropole wie gar Berlin zu vergleichen ist in meinen Augen unsinn und gar grob fahrlässig.
    Leipzig tolerant und weltoffen?! Haha, lange nicht so gelacht, bzw Wut im Bauch verspürt, wie bei dieser Behauptung.
    Es ist richtig, dass Homophobie in jeder Stadt anzutreffen ist; leider! In Leipzig ist es aber so, dass das Straßenbild eindeutig heteronormativ und extrem "deutsch" geprägt ist und weniger durch Buntheit und Toleranz besticht. D.h. für gleichgeschlechtliche veranlagte Menschen, die dies offen zeigen; kann der Gang durch Leipzig schonmal zu einem Spießroutenlauf werden.
    Ja, werden jetzt manche sagen, dass könne einem in Berlin-Marzahn auch passieren; mag sein...aber es gibt in Berlin ebenso Rückzugsgebiete wo dies offen möglich ist. Ich denke an Berlin-Schöneberg. In Leipzig ist in der Beziehung halt so gesehen überall Berlin-Marzahn.
    Aber nicht nur Homosexuelle können es in Leipzig sehr schwer haben; ebenso Migranten und sonstige Menschen, die nicht in das Weltbild des ostdeutschen "Bürgers" hier passen.
    Derzeit läuft beispielsweise eine breit aufgestellte Kampagne gegen die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen:
    http://taz.de/Rassistische-Proteste-in-Leipzig/!95677/


    Zu guter Letzt könnte man sich gar fragen, wieso der Boden der Toleranz in Leipzig und mit Sicherheit ebenso in den meisten weiteren Teilen der Neuen Bundesländer nicht fruchtbar ist.
    Die Gründe hierfür sind bestimmt vielfältig; vielleicht liegt es u.a. daran dass viele Menschen von einer strukturellen und verfestigten Langezeitarbeitslosigkeit betroffen sind; hierdurch zutiefst verbittert sind und sich "Opfer" suchen. Vielleicht liegt es auch an der Sozialisation, die oftmals noch von Gegebenheiten der DDR-Sozialisation geprägt ist. Wichtige und eine Gesellschaft prägende Ereignisse wie beispielsweise die von 1968 fanden in den Neuen Ländern nicht statt. Auch die Präsenz und Integration von Migranten war marginal.

  • Phoenix


    ist langzeitarbeitlosigkeit für dich eine mögliche begründung für abneigung gegen homosexuelle? ich erkenne, dass du es im konjunktiv formulierst, deswegen will ich dir da keine meinung unterstellen. nur finde ich es persönlich sehr schul-sozioligisch, es an möglicher "engstirnigkeit" oder "mangelnder perspektive" festzumachen, nur weil es in den neuen bundesländern einen teil der bevölkerung gibt, denen ein konservatives umfeld mehrgefällt, als irgendwelche möchtegern hipster, die zum großteil gar nicht homosexuell sind, sich aber gerne so geben, um mehr aufmerksamkeit zu erlangen.
    mir selbst gefällt eine offene szene, wie sie vorallem in berlin ausgeprägt ist. nur verstehe ich auch, dass es nicht überall in der bundesrepublik so aussehen muss. schließlich sollte sich hier JEDER wohlfühlen, der die deutsche staatsbürgerschaft hat, oder auch nur zu gast hier ist. Und der großteil der bevölkerung ist weder homosexuell, noch asylbewerber, also sollte es auch flecken auf der landkarte geben, in denen sich heterosexuelle so bewegegen und entfalten können, wie sie es belieben. Und wenn es zur entfaltung eines konservativen menschens gehört, dass nicht ausnahmslos jede wand seines stadtviertels mit graffiti "verschönert" und "individualisiert" ist und nicht aus jedem keller goa-musik erklingt, dann respektiere ich das ebenfalls. das hat alles nichts mit sozialen problemen, mangelnder aufklärung oder weltoffenheit hier in der gesellschaft zu tun!

  • Zitate von Ranger:

    Schließlich sollte sich hier JEDER wohlfühlen, der die deutsche staatsbürgerschaft hat, oder auch nur zu gast hier ist. Und der großteil der bevölkerung ist weder homosexuell, noch asylbewerber, also sollte es auch flecken auf der landkarte geben, in denen sich heterosexuelle so bewegegen und entfalten können, wie sie es belieben


    Wie; und das heißt im Umkehrschluss das Homophobie und Xenophobie durchaus ok ist?! Da Deiner Meinung nach also die Mehrheit der Menschen in Leipzig heterosexuell veranlagt sind; ist es also Deiner Meinung nach in Ordnung, dass homosexuelle Menschen um Ihre physische und psychische Versehrtheit in Leipzig fürchten müßen; wenn Sie Ihre Homosexualität offen zeigen?!


    Und wenn es zur entfaltung eines konservativen menschens gehört, dass nicht ausnahmslos jede wand seines stadtviertels mit graffiti "verschönert" und "individualisiert" ist und nicht aus jedem keller goa-musik erklingt, dann respektiere ich das ebenfalls


    Was hat das mit Xenophobie und Homophobie nun zu tun? Richtig; rein gar nichts.
    Du hast das Thema Hundekot vergessen.

  • Phoenix,


    ich kann nirgends in meinem text erkennen, dass ich zu gewalt aufrufe. wenn du soetwas daraus liest, dann tut es mir leid für dich!
    ich habe ausschließlich vorn respekt jedem individuum gesprochen. und das beinhaltet leider auch respekt vor der majorität, nicht nur von minderheiten. dass hundekot ein thema ist, was ich leider ausgelassen hab, dich aber brennend zu interessieren scheint, können wir in einem anderen thread auch gerne darüber diskutieren. ich bin da offen!

  • und das beinhaltet leider auch respekt vor der majorität, nicht nur von minderheiten


    Verlangst Du jetzt ernsthaft Toleranz gegenüber homophoben Einstellungen, bzw Fremdenfeindlichket, da die Majorität der Menschen in Leipzig in Deinen Augen heteronormativ geprägt ist und Migranten in der Minderheit leben?!


    Wo siehst Du denn den angeblichen mangelnden Repsekt gegenüber der "Majoriät"????
    Dein Begriffsverstädnis von Respekt und Toleranz ist mir nicht verständlich und nicht klar dargestellt. Wo werden beispielsweise heterosexuelle Menschen in Leipzig offen diskriminiert? Psychisch und physisch angegriffen?
    Wo fehlt Dir der Respekt gegenüber der Majorität?


    Was möchtest Du also mit Deinem Satz hier uns sagen:

    Und der großteil der bevölkerung ist weder homosexuell, noch asylbewerber, also sollte es auch flecken auf der landkarte geben, in denen sich heterosexuelle so bewegegen und entfalten können, wie sie es belieben

  • Die Debatte erinnert mich an einen Artikel in der FP, wo eine, wahrscheinlich selbst ausgewiesene Expertin, die die geringen Ausländerzahlen in den neuen Ländern bzw. Sachsen auf die für sie alltägliche Fremdenfeindlichkeit zurückführte. Kein Wort über die fehlende ökonomische Motivation fiel in ihrer Analyse.


    Wichtige und eine Gesellschaft prägende Ereignisse wie beispielsweise die von 1968 fanden in den Neuen Ländern nicht statt.


    Klaus Schroeder beschreibt in seinem Buch "Die veränderte Republik", die verschiedenen gesellschaftlichen Ausgangslagen nach der Wende sehr plausibel. Demnach haben sich in den neuen Ländern Verhaltensweisen erhalten die man landläufig als konservativ oder rückständig konnotiert, die aber keineswegs mit den Begriffen der Fremdenfeindlichkeit oder des Rassismus verwechselt werden dürfte die in der DDR ebenfalls bekämpft und angeprangert wurden. (eingeflochten in die allgemeine politische Erziehung)


    Um zum konkreten Punkt zu kommen. Es gibt glaube ich ein signifikantes Problem, welches sich Homosexuelle mitunter selbst geschaffen und erhalten haben. Unabhängig von der allgemeinen Homophie die aber nicht minder verbreitet ist wie der allgemeine Argwohn zu Ungewohntem. Das sind für mich die Schwulenverbände, die die Homosexuellen als eine gesellschaftliche Schicht vertreten und sie selbst damit zu einer institutionalisierten Minderheit degradieren die sie eigentlich gar nicht sind und die auch die meisten gar nicht sein wollen. Viele Homosexuelle wollen nicht weiter auffallen oder ihre Neigung großartig nach außen hin postulieren. Was ja auch selbstverständlich ist. Heteros rennen auch nich durch die Gegend um ihre Liebe zu anderen Geschlecht zur Schau zu stellen. Aus dem Grund, weil es eigentlich niemanden etwas angeht wer mit wem warum und wieso.


    Dann wiederum gibt es Menschen, die aus ihrer Homosexualität einen Lebensstil und ein auftreten ableiten der für die meisten Menschen schlicht Ungewohnt ist. Dieses zur Schau stellen der eigenen Individualität ist aus zu Anfangs beschriebenen Gründen in den neuen Ländern kaum verbreitet. Für viele ist das aber unabhängig von der Sexualität sondern eine allgemeine Abneigung der Selbstdarstellerei die oft auch als Anbiederung oder oder Provokation empfunden wird. Was es ja im Grunde auch sein soll, wer alltäglich wie auf dem Christopher Street Day rumläuft will auffallen und provozieren. Da ist es nur logisch, dass man auch Argwohn und Abneigung erntet.


    Ich will damit nicht die konsequente Abneigung der Homosexualität von einigen Menschen rechtfertigen. Aber auch mich stört es, wenn einige das "Schwulsein" als Etikett mit sich rumtragen wie einen Personalausweis. Das ist Kategorisierung vorprogrammiert und über die brauch man sich dann nicht wundern.

  • Gibt es denn eine genaue Quelle, wie viel Prozent der Bevölkerung tatsächlich Aversionen gegen wie auch immer definierte Minderheiten haben und auch äußern? Dann hätten wir mal eine Diskussiongrundlage.
    Bauchgefühle habe ich auch so manche, wenn ich irgendwo langgehe...

  • Man kann in Leipzig als Schwuler normal leben, ohne ständig mit Schwierigkeiten konfrontiert zu werden.


    Problematisch finde ich eher Diskussionen ÜBER eine Sache, von der man selber nicht betroffen ist...


    Im übrigen gibt es auch unter den Schwulen alle Meinungen. Viele sind auch konservativ und wollen ganz einfach nicht im rosa Tütü rumlaufen. Vielleicht sollte es auch einfach mal akzeptiert werden, dass es auch den Schwulen gibt, der beispielsweise als Soldat in Afghanistan dient und Graffitis garnicht mag. Aber für Otto-Normal-Verbraucher muss der Schwule tuntig sein, als Frisör arbeiten und hochtoupiertes Haar haben... Er muss eben als Schwuler erkannt werden können - und dann muss man ihm als Normalo sagen können, dass er ja nichts dafür kann, dass er "so" ist und dass man ihn ja "trotzdem" akzeptiert.


    Das sind Diskussionen von vorgestern, die mit dem normalen Leben gleichgeschlechtlich orientierter Menschen nix gemein haben... :nono:


    Und ob die Ghettoisierung a la Berlin nun toll und ein Fortschritt ist ? Das würde ich mal klar verneinen. An einem "normalen" Leben ist man in Leipzig viel näher dran.

  • Zitat von Saxonia

    Demnach haben sich in den neuen Ländern Verhaltensweisen erhalten die man landläufig als konservativ oder rückständig konnotiert, die aber keineswegs mit den Begriffen der Fremdenfeindlichkeit oder des Rassismus verwechselt werden dürfte die in der DDR ebenfalls bekämpft und angeprangert wurden. (eingeflochten in die allgemeine politische Erziehung)


    Da bin ich anderer Meinung. Die DDR ist in meinen Augen ein ganz schlechtes Beispiel für die Überwindung rassistischer Ressentiments gewesen. Deutsch-Sowjetische Freundschaft, Völkerfreundschaft etc. standen vielleicht auf dem Papier, aber diese Dinge wurden nicht nur nicht umgesetzt, sie wurden von der DDR-Administration, wo sich rassistisches Gedankengut bis in die oberen Etagen hielt und toleriert wurde, schlicht unterbunden. Die DDR-Bevölkerung kam zudem kaum mit den wenigen Ausländern in Berührung. Selbst in den Kombinaten oder an den Universitäten blieben Ausländer oft isoliert. Auch dies entsprach der sozialistischen Ausrichtung einer nicht erwünschten pluralistischen Gesellschaftsform. Um rassistische Vorbehalte abzuschütteln, ist es m.E. außerdem von Vorteil, andere Länder gesehen zu haben. Auch in diesem Punkt war der normale DDR-Bürger sehr eingeschränkt. Spätestens am Balaton war bekanntermaßen Schluss.


    Ich finde es auch unschön, den Osten Deutschlands per se als fremdenfeindlich abzustempeln (zumal es erstens nicht stimmt und zweitens in Westdeutschland ebenfalls fremdenfeindliche Ansichten kursieren, nur eben meist unterschwelliger als im Osten), aber dass es dort zu mehr fremdenfeindlichen Übergriffen kommt sehe auch ich als direkte Folge mangelnder Aufklärungsbereitschaft und mangelndem Umgang mit Ausländern in der DDR.

  • Selbst in den Kombinaten oder an den Universitäten blieben Ausländer oft isoliert. Auch dies entsprach der sozialistischen Ausrichtung einer nicht erwünschten pluralistischen Gesellschaftsform.
    ...
    aber dass es dort zu mehr fremdenfeindlichen Übergriffen kommt sehe auch ich als direkte Folge mangelnder Aufklärungsbereitschaft und mangelndem Umgang mit Ausländern in der DDR.


    Ich erinnere mich an sog. Polenwitze eines SED-Sekretärs zu Zeiten der Solidarność-Bewegung. Vietnamesische sog. Vertragsarbeiterinnen blieb bei einer Schwangerschaft nur die Wahl zwischen Abtreibung oder Rückkehr in die Heimat.

  • Zitate von Saxonia


    Es gibt glaube ich ein signifikantes Problem, welches sich Homosexuelle mitunter selbst geschaffen und erhalten haben


    Wie? Das schwule oder lesbische Pärchen welches händchenhaltend durch die Straße geht und dafür angepöbelt und körperlich angegangen wird, ist also selber dran Schuld?!
    Aua!



    Heteros rennen auch nich durch die Gegend um ihre Liebe zu anderen Geschlecht zur Schau zu stellen


    Wo leben Sie? Also ich sehe ständig heterosexuelle Pärchen sich küssend und umarmend in der Öffentlichkeit; wieso wollen Sie das homosexuellen Pärchen absprechen?!
    Und Sie werden staunen; diese Menschen pöbel ich jetzt auch nicht an. Mir ist es sowas von egal; ich freue mich gar darüber wenn sich Menschn lieb haben.


    Was es ja im Grunde auch sein soll, wer alltäglich wie auf dem Christopher Street Day rumläuft will auffallen und provozieren. Da ist es nur logisch, dass man auch Argwohn und Abneigung erntet.


    Wer provoziert hier wen!? Wieso fühlen sie provoziert wenn ein Mensch sich anders kleidet als andere Menschen?
    Wo liegt da für Sie ein Problem? Wer gibt Ihnen verdammt nochmal ein Recht dazu, zu urteilen was wer tragen kann oder nicht?!
    Waren Sie schonmal in London? Da spielen Äußerlichkeiten dahingehend keine Rolle, dass jeder Mensch so rumlaufen darf wie er/sie mag.

  • Bleiben wir doch bitte beim Du, das ist in Internetforen allgemein üblich.


    Zu Absatz 1:
    Mir scheint du findest gefallen daran, dich zu empören. Wo hab ich in meinen Ausführungen denn irgendwo physische Gewalt gegen Homosexuelle gebilligt? Ich hab lediglich Kritik an den Schwulenverbänden geübt, die Homosexualität als Unterscheidungsmerkmal zum Rest der Gesellschaft durch angebliche Interessensvertretung zementieren, obwohl Sexualität etwas privates ist, das überhaupt nicht als Begründung für irgendwas herhalten sollte. Weder für noch gegen etwas.


    A. 2:
    Da haben wir wohl ein anderes Verständnis von zur Schaustellung. Und wieder, ich möchte Niemanden irgendetwas asprechen. Wir diskutieren hier über Ursachen. Ich frage mich langsam warum man sich da von dir immer Homophobie unterstellen lassen muss.


    A. 3.
    Da weiß ich gar nicht was ich drauf antworten soll. Deine Aussage hat so gar nichts mit dem zu tun was ich weiter oben dazu geschrieben habe.
    Der CSD ist auch eine lange nicht von allen Homosexuellen für sinnvoll erachtete Veranstaltung. Wo wir wieder bei deTatsache wären, dass einige das Schwulsein als Lebensstil definieren der eher an Kabaret und Karneval erinnert und andere sich damit überhaupt nicht identifizieren können sondern "konservativ" leben wie viele Heterosexuelle auch.


    Ich habe einfach ein Problem damit, dass sich Schwulenverbände so aufspielen als wären Homosexuelle eine Art Minderheit wie die Sorben. Das ist selbst forcierte Segregation und trägt nicht dazu bei, dass Schwulsein von den Menschen als ähnlich normal empfunden wird wie bspw. Vegetarier zu sein.

  • Der kausale Zusammenhang von Homophobie und Lesben-/und Schwulenverbände leuchtet mir nicht ein.
    Ferner sehe ich das für Hauptziel dieser Verbände darin, für Gleichberechtigung heterosexueller und homosexueller Lebensweisen sich einzusetzen. Aber das sollte jetzt nicht das Thema sein.
    Nicht die Menschen, die sich in Deinen bunt und schrillig kleiden sind das Problem, sondern diejenigen die solchen Menschen es nicht gestatten wollen.
    Jeder und jeder sollte nach seiner Facon glücklich werden.

  • Wir reden hier über Ursachen nicht über Wunschvorstellung. Das heißt, warum ist es nicht so wie du es beschreibst. Und was das Einsetzen für Gleichberechtigung angeht. Ich glaube kaum, dass diese Verbände einen signifikanten Anteil an der Liberalisierung der Gesellschaft haben. Wer sich heute öffentlich homophob äußert ist diskreditiert, wie neulich ein CDU Mann (Pressesprecher wars glaub ich) aus Plauen.


    Daher sind sie aus meiner Sicht vollkommen überflüssig. Eine Institutionalisierung von Sexualität, das macht angreifbar, selbstverständlich möchte man sagen. Gegen Kritik sollte kein Verein/Verband immun sein.

  • Mal wieder ein bisschen Statistik zwischendurch. Die sächsischen Einwohnerzahlen für Dezember 2011 sind vom statistischen Landesamt in Kamenz endlich bestätigt worden. Demnach - erwartungsgemäß - fällt die endgültige Zahl für Leipzig noch einmal höher aus als die vorher veröffentlichte vorläufige Festsetzung. Zum 31.12. 2011 zählte die Messestadt 531.809 Einwohner. Das waren 8.926 Einwohner (+1,7%) mehr als noch ein Jahr zuvor. Konkret heißt das, dass letztes Jahr über 9.000 Einwohner mehr in die größte sächsische Stadt zogen als von ihr fort (Der Geburtensaldo beträgt etwa -300).


    Quelle

  • Brief an Leipzig in der ZEIT

    Robert Schimke schreibt in der ZEIT vom 28.6.2012 einen Brief an die Stadt Leipzig:
    http://www.zeit.de/2012/27/S-Briefwechsel-Leipzig/seite-1


    Gentrifizierung
    Liebes Leipzig!
    Ein Brief an meine Stadt: Warum ich neuerdings leide an dem Ort, der mir ans Herz gewachsen ist


    Er beklagt vor allem den zunehmenden Verlust der Freiräume, die er als eines der Hauptmerkmale der Stadt beschreibt, und den Drang, so "schön" werden zu wollen wie andere deutschen Großstädte:


    Aber ich verzeihe dir nicht, dass du ihm [dem Oberbürgermeister] sein Bekenntnis zur Normalität durchgehen lässt, zu dem, was ist. Er begeht Verrat an deinem Leitmotiv: dem Fantasieren darüber, was du sein könntest. Ich verzeihe dir auch nicht, dass du deinem Baubürgermeister erlaubst, sich in Statistiken zu versenken und dann zu behaupten, das Angebot zentrumsnahen billigen Wohnraums sei immer noch größer als in vergleichbaren Weststädten.


    Als ob der Westen der Maßstab wäre! Du wirst doch nicht allen Ernstes wie Hannover werden wollen? Oder wie Düsseldorf, Stuttgart? Alles schöne Städte. Doch du, Leipzig, warst von allen die schönste in dem Moment, als deine Großspurigkeit unermesslich war wie die Summe deiner leeren Flächen.


    Obwohl, vielleicht ist dir dein Leitmotiv gar nicht abhandengekommen. Womöglich ist der Eifer, mit dem deine Lenker früher um Großprojekte gekämpft haben, der gleiche, mit dem sie jetzt versuchen, dich zu einem Normalfall zu machen. Ich glaube, das liegt daran, dass die aktuellen Stadtherren Angst vor Dingen haben, die sie in ihrem früheren Leben nicht kennengelernt haben. Brachen, die einfach so in der Sonne herumliegen, verunsichern sie.


    Vor allem aber möchte ich, dass du dich zum Unfertigen bekennst, dass du auch mal Nein sagst. Hast du, habe ich etwas davon, wenn ein Investor wieder eine deiner Lücken zukleistert?


    Danke, Robert!

  • ^ Ja, ein wirklich supi Leserbrief. Ist ja auch blöd, wenn die Erde sich so einfach weiter dreht. Kann denn nicht alles so bleiben wie es war? Von "Brachen, die einfach so in der Sonne herumliegen", haben schließlich fast alle was davon: Gassigänger, Drogendealer und -konsumenten, Alkoholiker, illigale Müllentsorger. Und wenn mal eben die Blase drückt; und jede Menge Getier. Mehr Sonne, dafür weniger Schatten. Hach...


    Danke, Robert Schminke! Und danke, LE Mon. hist., dass du dem Forum diesen Leserbrief nicht vorenthalten hast.

  • Den Inhalt können wir gerne hier diskutieren. Nur wäre vorher zumindest kurz darauf hinzuweisen, das dies kein Leserbrief gelangweilter Rentner_innen ist, wie sie auf der zweiten Seite des Lokalteils der LVZ in kleinerer Schrift am linken Rand abgedruckt werden, sondern ein Artikel in der Rubrik Zeitgeschehen in einer der größten überregionalen deutschen Wochenzeitung. Der Autor heißt Robert Schimke.


    geboren 1975 in Karl-Marx-Stadt, Studium der Romanistik und Politikwissenschaft in Madrid, Barcelona und Leipzig, Abschluss Magister Artium 2003. Seit 2005 selbständig arbeitend als freier Autor und Journalist, u.a. als Kunstredakteur für das Leipziger Stadtmagazin kreuzer, freier Mitarbeiter für ddp – Deutscher Depeschendienst, Mitteldeutscher Rundfunk, taz, Leipziger Volkszeitung, GEO spezial, Insight Medienmagazin, Photonews, Häuptling Eigener Herd und andere, Feature-Autor für MDR Figaro. ...
    http://www.geschichtswerkstatt…r-details/member/348.html


    Von April 2006 bis Mai 2012 war er zudem für das Leipziger Stadtmagazin kreuzer tätig, zunächst im Kunstressort, ab Juli 2010 auch als Chefredakteur. http://jugendjournalistenpreis.de/die-jury Anfang Juni ist Robert Schimke von seinem Posten als Chefredakteur des Stadtmagazins Kreuzer zurückgetreten.
    http://mephisto976.uni-leipzig…uzer-zurueckgetreten.html

  • Nur wäre vorher zumindest kurz darauf hinzuweisen, das dies kein Leserbrief gelangweilter Rentner_innen ist, wie sie auf der zweiten Seite des Lokalteils der LVZ in kleinerer Schrift am linken Rand abgedruckt werden


    Das eine ist prinzipiell nicht schlechter als das andere. Zumal selbst Robert gelegentlich irren kann und er in dem "Brief" noch die offizielle Kreuzer-Haltung verfolgt: Jürgen Schneider, ein skrupelloser Krimineller, wird verniedlicht, die Olympia-Bewerbung für gut befunden. Dabei trägt die Olympia-Bewerbung ihren Anteil am Abriss denkmalgeschützter Bauten etwa in Jahnallee und Friedrich-Ebert-Straße. Die Stadt musste etwas gegen den Vorwurf unternehmen, das hohe Verkehrsaufkommen nicht bewältigen zu können. Verwaltung und Politik wären gnädiger etwa mit der Kleinen Funkenburg umgegangen, wäre sie nicht Olympia im Weg gewesen.


    Was man mit "Cowboy" diskutieren könnte, weiß ich nicht. Er ist offensichtlich weder in der Lage, das feuilletonistische Genre zu begreifen, das Robert mit dem "Brief" pflegt, noch hat er den Inhalt erfasst. Da passt es, dass er nicht mal den Namen richtig schreiben kann.


    Im Übrigen bin ich nur in wenigen Punkten Roberts Meinung. Er will, dass die Stadt ihren Größenwahn weiterpflegt. Ich hielt diesen Größenwahn immer für schädlich. Es war immer das Unkraut, dass diese Stadt interessant gemacht hat. Die Spinnerei ist heute ein Kunstzentrum, weil es in den 90ern den Quadratmeter warm für eine D-Mark gab (heute 3,50 Euro kalt). Jim Whiting ist noch immer in Leipzig, weil sein Bimbo Town hier auf vergleichsweise verständnisvolle Verwaltungsangestellte traf. Ein Projekt wie das Westwerk wäre so in Düsseldorf, Hamburg oder München undenkbar. Das wäre ordnungsbehördlich sofort gesperrt worden. Die Liste ließe sich lange weiterspinnen. Sinnvoller wäre es aber wohl, zu schauen, ob es enger und strenger wird in Leipzig. Die Distillery konnte sich bislang behaupten, das Superkronik haben die Behörden dicht gemacht.


    Robert Schimke erwähnt das Jahrtausendfeld:

    Eine deiner schönsten Brachen, sie trägt den Namen Jahrtausendfeld, wird bald verschwinden. Die Stadtverwaltung wollte dort eine dringend benötigte Schule für die Babyboomer der überlaufenden neuen Wohlstandsviertel im Westen bauen – eine würdige Nutzung. Ein Investor war schneller. Warum hast du dich nicht gewehrt?


    Stimmt das? Meines Wissens hat Leipzig der Stadtbau AG das Grundstück weggeschnappt und der Bildungscampus wird realisiert.


    LE Mon. hist.: Danke, ich hätte den Text ohne Dich nicht mitgekriegt. Nebenbei: Im Grunde adaptiert Robert hier das "Nachdenken über Leipzig"-Format der LVZ für die Zeit.