Leipzig: Stadtleben

  • Das Lustige an dem Welt-Artikel ist ja, dass er schon vor 15 oder 20 Jahren hätte geschrieben werden können, aber da galt Leipzig noch als mausgraue Stadt im schrumpfenden und von Arbeitslosigkeit und Depression geprägten Osten. Supiglückliche Studenten gab es hier schon damals mehr als genug. Von daher ist es wohl wirklich auf den Hype zurückzuführen, weshalb solche Jubelartikel jetzt ständig verfasst werden.

  • Der Hinweis auf den gründerzeitlichen Altbestand ist auch etwas wohlfeil. Klar ist der schön. Aber den gibts drüben auch, im Ruhrgebiet bspw. en masse. Nur da sieht er großteils so aus wie in Leipzig vor 20 Jahren. Man muss halt was draus machen aus den Häusern, sie auch als einen optischen Mehrwert erkennen. In Leipzig ist das so, wie aufwendige Rekonstruktionen sowohl außen als auch innen zeigen.

  • ^@


    Na ja, Leipzig und das Ruhrgebiet kannst Du allerdings eher schlecht miteinander vergleichen. Hier gelangst Du ja praktisch von einem „Gründerzeitviertel“ ins nächste während dort nach meinen Erfahrungen eher Nachkriegsarchitektur im größeren Stil präsent ist. Ich kann mich ad hoc eigentlich nur an die Dortmunder Nordstadt erinnern, die auch überregional bekannt ist (man möge mich hier korrigieren). Weitere Unterschiede, die m.A.n. die momentane unterschiedliche Qualiät beim Altbaubestand ausmachen sind zum einen die Denkmal AfA sowie die Manpower bzw. das Knowhow was hiesige Firmen (Restauratoren usw.) über die Jahre im Bereich Denkmalsanierung angesammelt haben und welche die Bauträger auch gerne in Anspruch nehmen da „Billigsanierungen“ bis dato schwerer vermietbar waren.

  • Rüttenscheid ist noch ein Beispiel für Gründerzeitarchitektur im Ruhrgebiet. Die Gebäude sind auch weitgehend gut in Schuss und drumherum gibt es einige Villengegenden aus derselben Zeit (Moltkeviertel, Bredeney).


    Aber insgesamt ist das Ruhrgebiet wesentlich "bunter" als Leipzig, was den Architekturmix angeht. In Rüttenscheid z.B. finden sich zwischen den Gründerzeitgebäuden jede Menge (passable) Nachkriegsbauten. Ein Schleußig findet man dort eher nicht.
    Dazu kommt die Siedlungstruktur: Die Ruhrpottstädte sind zu beträchtlichen Teilen um die Zechengelände gewachsen. Letztere sind heute oft Gewerbegebiete, darum verstreut liegen ehemalige Arbeitersiedlungen (die teilweise mindestens so attraktiv sind wie Gründerzeitviertel - Beispiel Margarethenhöhe). Dazu kommen Straßen und Bahntrassen, die die Siedlungsgebiete viel mehr zerschneiden als das hier der Fall ist.


    In Leipzig gibt es keine innerstädtische Autobahn, wenig Bahntrassen, kaum innerstädtische Gewerbegebiete, und man kann kilometerweit laufen ohne irgendwas anderes als Wohnhäuser und Bäume zu sehen.

  • Danke für Deine Einschätzung. Da ich mich in Essen hauptsächlich nur im Bereich Innenstadt aufgehalten habe bin ich per StreetView mal kreuz und quer durch Rüttenscheid gecruist. Scheint ein nettes Viertel zu sein wenngleich der Altbaubestand gefühlt auch nur 50 % auszumachen scheint dafür wie Du schreibst aber gut in Schuss. Leider ist die Banalität der 50er und 60er Jahre-Wohngebäude teilweise recht ernüchternd und dies ist dann doch wieder so typisch Revier. Deine Einschätzung hinsichtlich der Siedlungsstruktur hab ich auch so in Erinnerung - Leipzig wirkt im Gegensatz dazu weniger heterogen.

  • Also grundsätzlich ist der absolute Großteil der deutschen Großstädte von der Gründerzeit geprägt. Da gibt es nur wenige Ausnahmen.


    Aber es gab trotzdem Städte, welche durch die Industrialisierung und die enorme Urbanisierung dazu noch wesentlichere bauliche Entwicklungen zu dieser Zeit nahmen. Da das Bevölkerungswachstum zwischen 1871 und 1914 dort das bisherige völlig übertraf. Dazu gehören die damals großen Städte wie Berlin, Hamburg, München, Köln, und eben Leipzig. Die großen Städte heute, wie Frankfurt, Stuttgart, und Düsseldorf waren vor der deutschen Teilung wesentlich kleiner. Das sind aber genau jene Standorte, welche in der Nachkriegszeit und mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der 1960er Jahre, eine großes Wachstum verzeichneten.


    Deswegen spiegelt der Gründerzeitbestand in Leipzig zum einen das starke Bevölkerungswachstum dieser Zeit wieder. Zum anderen zeigt es die damalige Größe von rund 750.000 Einwohnern. Das hat dann weniger etwas mit dem Sanierungsstand zu tun. Sondern eher mit der baulichen Struktur der Stadtviertel welche in vielen der jetzigen Top 10 Städte in Deutschland nicht so dicht (Berliner/Hamburger Höhe [5-6 Geschosse] Münchener/Leipziger Höhe [4-5 Geschosse] Nürnberger/Dresdener Höhe [3-4 Geschosse]) und großflächig bebaut waren.

  • Für den Clara-Zetkin-Park ist ja ein Entwicklungskonzept in der Mache (EDIT: Entwurf von 2013 bei der Stadt, aktueller gibt es nicht? - http://www.leipzig.de/fileadmi…ept_Clara-Zetkin-Park.pdf). Doch jetzt gibt es laut Bild erstmal eine Einteilung in Verbotszonen:
    http://www.bild.de/regional/le…n-park-52313396.bild.html


    Mir ist klar, dass man bei der intensiven und zunehmenden Nutzung der Parkflächen manche Entwicklung kritisch begleiten muss (Müllthematik, Brandflecken in der Wiese durch Einweggrills, Schäden an Bäumen durch unzureichend gepolsterte Slacklines, ...). Aber ein so reglementiert-piefiger Plan passt überhaupt nicht zu Leipzig und wird sicher auch zu massivem Unmut führen - schon weil die Aufteilung so komplex ist, dass sie kaum oder nur mit einem irren Schilderwald zu kommunizieren sein wird.

    Einmal editiert, zuletzt von PhilippLE ()

  • Die Petition wollte ich auch schon posten - das Thema stößt zumindest auf rege Resonanz. Hoffen wir mal das es was bringt. Leipzig und Sperrstunde - das ist so 80er.

  • In der heutigen LVZ fordert der sächsische Innenminister Ulbig städtebauliche Maßnahmen, "um ein Abschotten eines Stadtteils wie Connewitz zu beenden und zu verhindern". Er wird damit etwas konkreter als Bundesinnenminister de Maizière, der meint: „So etwas, was es in Connewitz in Leipzig gibt, kann man nicht hinnehmen. Wenn das einmal eingerissen ist, ist das nicht so leicht wieder zu lösen.“


    http://www.lvz.de/Leipzig/Loka…pzig-Connewitz-schliessen


    Von linker Seite gibt es die zu erwartenden Repliken. Ich bin gespannt, was für bauliche Maßnahmen Ulbig genau meint.

  • ^ Er meint damit gar nichts, da er von der städtebaulichen Situation in Connewitz keine Ahnung zu haben scheint. Wahrscheinlich stellt er sich Connewitz als wehrhaftes Dorf mit einer Stadtmauer aus stets brennenden Barrikaden vor. Ist halt schon ein gewisser Kontrast zu seinem Wohnsitz in Pirna im Tal der Anfälligen.


    Zu de Maizière kann man wohl als wichtigsten Satz aus dem Artikel den folgenden zitieren:


    Zitat von LVZ

    Eine rechtliche Grundlage oder Beweise für seine Anschuldigung, lieferte der sächsische CDU-Politiker nicht mit.

  • 1. Quartal: Registerbereinigungen und die Auswirkungen der Zweitwohnungssteuer:



    Die Zahl der wohnberechtigten Einwohner_innen ging wie gesagt um 50 zurück, davon 1046 Deutsche weniger und 996 Ausländer_innen mehr. Es sind 2747 Personen mit Hauptwohnsitz hinzugekommen, davon 1713 Deutsche und 1034 Ausländer_innen. Bei den Ausländer_innen ist die Zahl ähnlich (nur 38 Unterschied), bei den Deutschen beträgt der Unterschied 2759. Dies dürfte wohl in erster Linie auf Abmeldungen von Leuten mit Nebenwohnsitz zurückzuführen sein, die die Steuerbescheide erhalten haben oder vermeiden wollten.


    Im ersten Quartal 2016 wuchs die Zahl der wohnberechtigten Einwohner_innen um 2993, davon 309 Deutsche und 2684 Ausländer_innen. Bei den Personen mit Hauptwohnsitz waren es 3149 mehr, davon 458 Deutsche und 2691 Ausländer_innen. Alle drei Werte liegen nahe beieinander.


    Im zweiten Quartal 2017 kamen 716 wohnberechtigte Einwohner_innen hinzu, davon -90 Deutsche und 806 Ausländer_innen. Bei den Personen mit Hauptwohnsitz waren es 1.266 Einwohner_innen mehr, davon 436 Deutsche und 830 Ausländer_innen.


    Innerhalb eines Jahres sind 10.653 Personen mit Hauptwohnsitz hinzugekommen, davon 6.640 in der zweiten Jahreshälfte 2016 und 4.013 in der ersten Jahreshälfte 2017. In der ersten Jahreshälfte 2016 hatte es einen Zuwachs von 5.044 Einwohner_innen mit Hauptwohnsitz gegeben - vor allem bedingt durch den hohen Zuwachs an Ausländer_innen, in erster Linie Geflüchteter.


    1. Halbjahr 2016: Deutsche: + 1.282, Ausländer_innen + 3.762; gesamt: + 5.044
    2. Halbjahr 2016: Deutsche: + 4.570, Ausländer_innen + 2.070; gesamt: + 6.640
    1. Halbjahr 2017: Deutsche: + 2.149, Ausländer_innen + 1.864; gesamt: + 4.013
    _________________________________________________________________________
    2015-Mitte 2017: Deutsche: + 8.001, Ausländer_innen + 7.696; gesamt: + 15.697


    Etwas verzerrt wird das Ganze aber immer durch 2.377 bzw. laut PM "rund 2.700 im Register von Amts wegen gestrichenen" Personen (in 2016):
    http://www.deutsches-architekt…d.php?p=551466#post551466



    Setzt sich diese Entwicklung weiter so fort, dürften Leipzig am Jahresende 2017 bei etwas über 590.000 Einwohner_innen mit Hauptwohnsitz liegen und die 600.000er Marke am Ende 2018 knacken.

  • Dass die älteren Prognosen zur Zahl der Geburten und damit zu der der Schüler_innen nicht ganz so treffsicher waren, geht dieser Tage durch die Zeitungen der Republik:



    Nach Jahren des kontinuierlichen Rückgangs erwarten die Forscher einen "Schüler-Boom": Im Jahr 2025 werden ihren Berechnungen zufolge 8,3 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland in allgemeinbildende Schulen gehen. Das seien 300 000 mehr als 2015 - und mehr als eine Million mehr, als die Kultusministerkonferenz (KMK) in ihrer aktuellsten Prognose aus dem Jahr 2013 annimmt. Diese Entwicklung treffe das Schulsystem daher weitgehend unvorbereitet.


    Süddeutsche Zeitung, 12. Juli 2017
    Schülerzahlen. Forscher erwarten "Schüler-Boom"
    http://www.sueddeutsche.de/bil…n-schueler-boom-1.3583996


    MDR, 13.07.2017
    Bertelsmann-Studie
    Mehr Geburten und Zuwanderer sorgen für Schüler-Boom
    http://www.mdr.de/nachrichten/…rtelsmann-studie-100.html


    PM Bertelsmann-Stiftung, 12.07.2017
    Schüler-Boom: Zehntausende zusätzliche Lehrer und Klassenräume notwendig
    Die Zeiten sinkender Schülerzahlen sind vorbei. Nach 15 Jahren kontinuierlichem Rückgang kündigt sich ein Schüler-Boom an. Das trifft die Schulsysteme unvorbereitet. Steuern Länder und Schulträger nicht um, droht ein dramatischer Engpass an Lehrern und Gebäuden.
    https://www.bertelsmann-stiftu…-klassenraeume-notwendig/


    Nur in Dresden sieht die Welt mal wieder ganz anders aus:


    Sächsische Zeitung, 11.07.2017
    Hat Dresden bald zu viele Schulen?
    Das Ende des Babybooms ist absehbar. Trotzdem baut die Stadt weiter. Eine Analyse.
    http://www.sz-online.de/nachri…iele-schulen-3724290.html

  • Zu den Einwohnerzahlen im 1. Halbjahr dieses Jahres in #1197: Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob die Dynamik gegenüber dem Vorjahr nachgelassen hat. Der Rückgang von rund 1.000 Personen im ersten Halbjahr ist allerdings rein auf die gesunkene Asylbewerberzahl zurückzuführen. Im Januar und Februar 2016 kamen beim Abbau des Registrierungsstaus quasi über Nacht noch einmal rund 1.500 Asylbewerber in die städtische Statistik dazu.


    Lässt man die ganze Asylproblematik mal außen vor, hat die Dynamik eher noch zugenommen. Das sieht man auch daran, dass knapp doppelt so viel Deutsche im ersten Halbjahr dazukamen als im ersten Halbjahr 2016 (wo es doch bei immer denselben Sofaexpterten im LVZ-Kommentarbereich heißt, dass nur noch Ausländer in die Messestadt ziehen).


  • Nur in Dresden sieht die Welt mal wieder ganz anders aus:


    Sächsische Zeitung, 11.07.2017
    Hat Dresden bald zu viele Schulen?
    Das Ende des Babybooms ist absehbar. Trotzdem baut die Stadt weiter. Eine Analyse.
    http://www.sz-online.de/nachri…iele-schulen-3724290.html

    Hier muss man sagen, dass sich die Prognosen in Dresden aber recht gut mit den Prognosen des Freistaats decken. Und diese auch tatsächlich für alle Kommunen bzw. Landkreise in Sachsen zutreffen. Dresden hat durch mehrere Faktoren nicht die gleiche Prägnanz mit der Zuwanderung in den letzten Jahren erreicht wie Leipzig. In Dresden rechne ich mit einem ungef. Plus von 20.000 bis 30.000 Einwohner bis 2030.


    Leipzig hat in der Tat eine ganz andere Dynamik angenommen. Welche so leicht auch nicht mehr zu stoppen ist. Nicht nur ist der Zuzug aus anderen Teilen Deutschlands größer, sondern natürlich auch aus dem Ausland. Und hier erleben wir gerade eine typische Entwicklung einer entstehenden Migrationsgesellschaft und deren Infrastruktur. Das fängt bei der Vernetzung schon bestehender Community-Strukturen an und hört mit z.B. Kultur- und Glaubensangeboten auf. Genau diese machen dann eben Leipzig heute interessanter für Migration aus dem Ausland als noch vor 10 Jahren. Dazu kommt der wachsende Arbeitsmarkt mit großem Bedarf in den Service- und Dienstleistungbereichen.


    Ein Cocktail welcher die Stadtgesellschaft in Leipzig bis 2030 noch einmal stärker an jene angleicht, welche in den westeuropäischen Städten heute normal ist.