Auf den Spuren ehemaliger Dresdner Straßenbahnstrecken

  • Von der Antonstadt zum Waldschlößchen und nach Bühlau (Teil I)

    Seit dem 22. August 1899, also seit nunmehr fast 120 Jahren, kämpfen sich elektrische Straßenbahnen den steilen Hirschberg hinauf, um Bühlau, Quohren und den Weißen Hirsch mit der großen Stadt drunten im Talkessel zu verbinden. Wenn man das Adjektiv „legendär“ auch gern über die Maßen verwendet, auf die Bühlauer Außenbahn trifft es mit Sicherheit uneingeschränkt zu.


    Ab dem Waldschlößchen steigt die Strecke bis zum knapp 6 Kilometer entfernten Bühlauer Endpunkt nahezu kontinuierlich an, und mit einer Maximalsteigung von 77 ‰ gehört sie zu den steilsten Strecken des Dresdner Netzes überhaupt. Zudem ist sie von ausgesprochenem landschaftlichen Liebreiz, insbesondere der Abschnitt bis zum Weißen Hirsch gehört wohl zum reizvollsten, was ein deutscher Straßenbahnbetrieb heute zu bieten hat.


    Und nicht zuletzt stellte die Bahn stets besondere Herausforderungen an das hier eingesetzte Rollmaterial. Waren es anfangs besonders stark motorisierte Triebwagen, behängt mit im Gegenzug besonders leichten Beiwagen, die die Steilstrecke erklommen, kamen ab 1931 die Großen Hechtwagen zum Einsatz, die der Linie 11 zur Berühmtheit gereichten und die Strecke für fast vierzig Jahre fest in Beschlag nahmen. Dann folgten ab 1969 die bekannten T4D-Traktionen (der Beiwageneinsatz nach Bühlau war im Fahrgastverkehr stets verboten) und schließlich nach der Jahrtausendwende die Niederflurwagen, insbesondere die NGTD 12 DD, die heute scheinbar mühelos den Hirschberg hinaufschweben…


    Nicht zuletzt aber ist es auch die Liniennummer 11, die der Strecke zu ihrem Nimbus verhalf. Seit Einführung der Nummerierung 1906 kam bislang noch nie jemand auf die Idee, die Bühlauer mit einer anderen Bezifferung zu beglücken – abgesehen von recht kurzlebigen zusätzlichen Angeboten namens 111, 10, S11 oder 51.


    Die heutige Bühlauer Strecke beginnt in der allgemeinen Wahrnehmung an der Kreuzung Bautzner/Rothenburger Straße, denn ab hier ist die 11 seit den Nachkriegsjahren meist allein unterwegs – ohne weitere Verknüpfungspunkte zu anderen Straßenbahnstrecken. Bereits seit 1881 jedoch war es möglich, mittels Pferdebahn-Decksitzwagen der Linie Postplatz – Waldschlößchen (später Teil der Linie 9) per Geleisen das beliebte Etablissement mit angeschlossenem Brauhaus am Elbhang direkt aus der Stadt zu erreichen. Die Pferdebahn löste wiederum eine bereits seit 1838 bestehende Pferdeomnibuslinie des Dresdner Omnibus-Vereins mit fast identischer Streckenführung ab und wurde ab 1899, kurz vor der Eröffnung der Bühlauer Außenbahn, elektrisch befahren. Bis Ende Januar 1906 verkehrten die Wagen der ab dem gleichen Jahr als „11“ bezeichneten Bühlauer Außenbahn im Anschlussverkehr ab Waldschlößchen, erst dann wurden sie bis zum Neustädter Bahnhof und später weiter über das Stadtzentrum in den Süden geführt. Dabei ist es bis heute geblieben, auch wenn sich die Durchfahrtsstrecke durch das Zentrum und die jeweiligen Endpunkte im Süden im Laufe der Zeit mehrfach ändern sollten.



    Das erste Dresdner Nahverkehrsmittel - Gefährt des Dresdner Omnibusvereins vor dem Waldschlößchen zur Mitte des 19. Jahrhunderts.



    Begeben wir uns also auf die Strecke der Linie 11, auch wenn diese natürlich heute noch quicklebendig daherkommt und damit eigentlich nicht unter die Rubrik dieses Stranges fällt. Beginnen werden wir am Albertplatz, wo seit 1881 die Pferdebahnlinie Postplatz – Waldschlößchen aus der Mittelfahrbahn kommend in die Bautzner Straße abbog.



    Albertplatz vor dem Ersten Weltkrieg. Noch erhebt sich das Albert-Theater am östlichen Platzrondell. Aus der Haltestelle im Gleisbogen davor fährt gerade ein Straßenbahnzug ab. Es muss sich dabei um eine Linie 9 zum Waldschlößchen handeln, denn die ab 1909 zwischen Georgplatz und Forststraße deckungsgleiche 16 verkehrte mit roten Wagen, wie es sich für eine Linie mit gerader Nummer geziemt.




    Der winterliche Albertplatz zur Pferdebahnzeit (Foto von Ermenegildo Antonio Donadini, Deutsche Fotothek). Im Vordergrund biegt ein Decksitzwagen der Waldschlößchen-Linie in Richtung Hauptstraße ab.




    Auch etwa 130 Jahre später lässt sich das Motiv noch erahnen, wobei natürlich der Turm der Dreikönigskirche durchaus weiterhilft.




    Im ersten Teil der Strecke folgen wir der ehemaligen Pferdebahnlinie zum Waldschlößchen. So gestaltete sich deren Beschilderung.




    Fahrplan der Pferdebahnlinie von 1883.




    Gut gepflegt zeigen sich die Grünanlagen zwischen alter und neuer Bautzner Straße im Rücken des nicht mehr existenten Albert-Theaters.




    Historischer Blick zurück zur Einmündung der Alaunstraße, das Eckhaus rechts existiert noch immer. Links angeschnitten das Albert-Theater, der rote Triebwagen befährt die Linie 16 in Richtung Grenadierkaserne. Seit 1909 verkehrt diese über die Augustusbrücke und die Hauptstraße parallel mit der 9, vorher nahm sie den umständlichen Weg über Elb- und Hasenberg, Terrassenufer, Sachsenplatz und Albertbrücke zur Bautzner Straße, ein Relikt des Parallelverkehrs der Privatbahnzeit, wo man die Gleise der Konkurrenz mied wie der Teufel das Weihwasser.




    Vergleichsblick aus der alten Bautzner Straße zum markanten Eckhaus mit der Rothenburger Straße, ehemals Markgrafenstraße.





    Bautzner/Markgrafenstraße. Hier kreuzte die Waldschlößchen-Linie jene vom Georgplatz zum Alaunplatz, die später über den Bischofsweg zur Hechtstraße verlängert wurde und von der Sachsenallee bis zum Bischofsplatz heute Teil der Linie 13 ist. Das Bild entstand vor 1906, denn der kleine gelbe Triebwagen führt noch das vormalige Liniensymbol, ein rotes Dreieck mit weißem Rand anstelle der Liniennummer 5, auf dem Dach spazieren.




    Seit 1946 heißt die Markgrafenstraße Rothenburger Straße, ansonsten hat sich baulich wenig verändert. Selbst die Straßenbahnstrecken sind hier noch alle erhalten.




    Die kriegsbedingten Baulücken wurden nach der Wende mit mehr oder weniger geglückten postmodernen Neubauten gefüllt. Hier das dem vorigen Eckhaus diagonal gegenüberliegende Exemplar in einer Gegenlichtaufnahme. Der Eckturm erinnert an eine Katjuscha-Rakete.




    Gleiche Ecke, nur etwa 120 Jahre früher. Das “Café Parzifal“ überlebte die Luftangriffe nicht. Man beachte die „gelbe“ Straßenbahnherrlichkeit auf der Kreuzung: Wieder eine „Dreieckslinie“, diesmal in Richtung Alaunplatz, auf der Bautzner Straße ein Zug der Linie Waldschlößchen – Neumarkt – Strehlen (ab 1906 Linie 9) auf der Fahrt in Richtung Altstadt.




    Bautzner Straße. Der gefällige Benchmark-Neubau hinter dem Pferdebrunnen schließt adäquat die Bombenlücke zwischen Holzhofgasse und Bautzner Straße. Was man vom linkerhand sichtbaren potzbudenhässlichen Parkhaus-Neubau des un-netten Herrn Nettekofen beim besten Willen nicht sagen kann.




    Anstelle des Benchmark-„Headquarter“ befand sich dereinst der “Goldene Löwe“. Bis September 1906 nahmen die Wagen der „roten“ Linie zur Grenadierkaserne (später 16) hier die abenteuerliche Route durch die Carl-(Lessing-)straße und Melanchthonstraße zur Glacisstraße zwecks Vermeidung von Feindkontakt mit den gelben Geleisen. Erst die Übernahme durch die Städtische Straßenbahn ermöglichte deren Mitbenutzung auf größerer Länge, und die „16“ bog bis 1909 bereits an der Bautzner/Kurfürstenstraße in erstere ein. Es war eine der ersten Streckenstilllegungen der Dresdner Straßenbahn.




    Bild nach 1906, denn die in die Carlstraße führenden „roten“ Gleise sind verschwunden. Die „rote 16“ nimmt nun den Weg über die Bautzner Straße auf ehemals „gelber“ Route. Links das sehr markante „Hotel Garni“ an der Ecke zur Martin-Luther-Straße. Davor befand sich die gleichnamige Straßenbahnhaltestelle.




    Der anstelle des kriegsabgängigen „Garni“ in den 1990ern errichtete postmoderne Lückenbau nimmt mit seinem Eckturm durchaus Bezug auf das historische Vorbild. Trotz der modernen Architektur lässt sich die historische städtebauliche Situation heute nach dem Verschwinden der zahlreichen Bombenlücken wieder sehr gut nachvollziehen.




    Der 1921 aufgestellte Pferdebrunnen auf dem namenlosen, aber sehr hübschen Platz zwischen Bautzner Straße und Holzhofgasse. Er erinnert an die Strapazen, die die Zugtiere der damals noch häufigen Fuhrwerke bei der Erklimmung des Hirschberges auf sich nehmen mussten.




    Aus dem „Goldenen Löwen“ blicken wir zurück zum Albertplatz, wo sich markant die Rückfront des Albert-Theaters mit seinem mächtigen Bühnenhaus ins Bild schiebt. Eine beiwagenlose „9“ strebt stadteinwärts.




    Ähnliche Perspektive von ebener Erde heute. Schmerzlich wird das Fehlen des markanten Theaterbaus als städtebaulicher Fixpunkt deutlich.




    Wir springen eine Haltestelle weiter zur Diakonissenanstalt. Eine unschöne Baulücke klafft noch immer im Zwickel zwischen Bautzner und Prießnitzstraße, da, wo dereinst die „Hohen Haine“ von Friedensreich Hundertwasser entstehen sollten, deren bauliche Umsetzung durch das Ableben des Künstlers leider verhindert wurde. Dafür sieht man den Turm der Martin-Luther-Kirche umso besser.




    Vergleichsbild. Man kann den Kirchturm erahnen. Die straßenständigen Gebäude der Diakonissenanstalt links sind verschwunden.




    Diakonissenkrankenhaus – straßenseitige Mauer mit landwärtiger Haltestelle. Diese hieß dereinst „Forststraße“ und war Trennungspunkt der Linien zum Waldschlößchen (Linien 9 und 11) und zur Grenadierkaserne (Linie 16).




    Ab 1922 wurde schließlich die 9 zur Grenadierkaserne geführt, wo sie bis zum 13. Februar 1945 verblieb. Der Waldschlößchen-Ast wurde ab 1925 durch die neu eingeführte „13“ verstärkt. Fahrpläne der Linie 9 von 1929.





    Sprung zum Waldschlößchen. Ursprünglich befanden sich die Gleisanlagen auf der Nordfahrbahn des Rondells unterhalb der Stützmauer. Stadtplanauszug von 1911.




    Eines der bekanntesten Vorkriegsmotive des 1836 als Brauerei eröffneten „Waldschlößchens“. Wir blicken über das Rondell auf den Straßenbahn-Endpunkt. Die Liniennummern sind nicht auszumachen, doch bei dem bergwärts erkennbaren Beiwagen-Zug könnte es sich um eine „11“ handeln.




    Vergleichsbild mit der heutigen Haltestellenanlage.




    Aktuelles Rollmaterial der „11“ mit Werbung für einen örtlichen Getränkehersteller, dessen wichtigstes Produkt auch (noch) die Brust der Fußballprofis der SG Dynamo ziert.




    Der Ausbau der Bautzner Landstraße in den dreißiger Jahren brachte auch für die Straßenbahn zahlreiche Verbesserungen. Die Gleise am Waldschlößchen wurden in Mittellage gebracht und eine Haltestelle auf eigenem Bahnkörper angelegt, die noch immer existiert, aber nun auch von Bussen befahren werden kann. Man beachte das elegante Warte- und Trafohäuschen links und natürlich den schnittigen „Großen Hecht“ auf Talfahrt. Das Bild stammt höchstwahrscheinlich aus dem DVB-Archiv (genaue Quelle ist mir entfallen).




    Zwei Blicke auf den ehemaligen Gleisbereich unterhalb des Waldschlößchens.





    Genau dort steht der „Bühlauer Wäschewagen“, eine Spezialität der Steilstrecke. Er ersparte den Waschfrauen aus der proletarischen Antonstadt ab 1900 den beschwerlichen Anstieg den Hirschberg hinauf, wenn sie die Wäsche der reichen Familien auf dem „Hirsch“ abholten bzw. nach vollbrachter Arbeit zurückbrachten. (DVB-Archiv)




    Was wäre das Waldschlößchen ohne den entsprechenden Blick auf die Stadt? Damals störte noch keine umstrittene Elbquerung die Idylle, und die Hochhäuser der Johannstadt verstellten noch nicht den Blick auf die Altstadt…




    Wir verabschieden uns zunächst vom Waldschlößchen, und dies mit dem Auszug aus dem „Verzeichnis der Straßenbahnlinien“ von 1909. Ein Vergleich der Haltestellenlagen und –namen mit späteren Zustanden empfiehlt sich…


  • Von der Antonstadt zum Waldschlößchen und nach Bühlau (Teil II)

    Wir verlassen nun die alte Pferdebahnstrecke und wenden uns der eigentlichen Bühlauer Außenbahn zu. Ab 1899 wurde am Waldschlößchen elektrisch gefahren und die Verlängerung nach Bühlau in Betrieb genommen. Ab 1906 trug die Außenbahn das Liniensignal „11“. und wurde wenig später zum Neustädter Bahnhof verlängert. Es bleibt unklar, warum man nicht die vorhandene (spätere) Linie 9 nach Bühlau führte. Vermutlich hing dies mit den besonderen Anforderungen an das Fahrzeugmaterial zusammen…




    Bühlauer Außenbahn, Haltestellenlagen 1929. Man vergleiche mit den Bezeichnungen von 1909.




    Verweilen wir noch kurz am Waldschlößchen und betrachten noch einige Dokumente aus der Verkehrshistorie. Fahrpläne der Linien 9 und 11 aus dem Verkehrsbuch von 1908. Beide Linien überstanden die große Reform von 1909 unverändert.




    Fahrpläne der hier ab 1925 endenden Linie 13. Diese verblieb bis 1930 am Waldschlößchen und wurde hier 1931 bis 1933 durch eine sehr kurzlebige Linie 8 Räcknitz – Waldschlößchen ersetzt, die mit der Stillegung der Strecke über die Bergstraße nach Räcknitz alsbald wieder verschwand.





    Unseren nächsten Halt legen wir am Schloss Albrechtsberg ein, denn von hier gibt es ebenfalls verkehrshistorisch Interessantes zu berichten. Ursprünglich mäanderte die Bautzner Landstraße mittels einer scharfen S-Kurve unmittelbar vor die Torhäuser des Schlosses und zog sich anschließend geradlinig den Berg hinauf. Diese Situation ist im Stadtplanausschnitt von 1911 erkennbar. Der eingeklinkte Ausschnitt von 1941 zeigt schon die in den dreißiger Jahren verlegte und verbreiterte Straße. Der ursprüngliche Straßenverlauf wird aber noch durch die Stadtgrenze markiert, die dem ursprünglichen nördlichen Straßenrand folgte; das Gebiet der Heide gehört erst seit 1945 zu Dresden.




    Streckenbild (Archiv: DVB) mit der alten Straßen- und Streckenführung Anfang der 1930er Jahre. Die Verbindung von S-Kurve und starker Steigung war neben dem Hirschberg der schwierigste Punkt der Strecke und konnte im Winter durchaus für manch Ungemach sorgen. Ihre Entschärfung durch die Straßenverlegung war daher nur konsequent.




    Heute befindet sich anstelle der Straße ein Vorplatz.




    Schloss Albrechtsberg, Gartenseite. Das Schloss entstand 1850 bis 1854 nach Plänen von Adolf Lohse aus dem Lord Findlater‘schen Weinbergsanwesen für den Preußenprinzen Albrecht, der aufgrund nicht standesgemäßer Zweitheirat am preußischen Hof unerwünscht war und sich daher zu den südlichen Nachbarn flüchtete. Zu DDR-Zeiten war das Gebäude als „Pionierpalast Walter Ulbricht“ überregional bekannt.




    Ursprüngliche Streckenführung bergan und die entschärfte Kurve der verlegten Straße.





    Das Ganze in Talrichtung.




    Haltestelle „Elbschlösser“ mit bergwärts eilender „11“, mit der wir zur Mordgrundbrücke fahren.




    Die Haltestelle Mordgrundbrücke liegt mitten im Grünen.




    Vergleichsbild, gleiche Richtung, andere Straßenseite. Der bergwärts fahrende Zug illustriert wunderbar das Fahrzeugmaterial der Anfangszeit: ein typischer „gelber“ Triebwagen mit Rechteck-Fenstern zieht einen der winzigen und besonders leichten Beiwagen, der hier nur zwei Fenster pro Seite aufweist! Bei genauerem Hinsehen fällt jedoch eine revolutionäre Neuerung auf: Die Bühlauer Triebwagen besaßen bereits von Beginn an verglaste Plattformen, die im Stadtlinien-Fahrzeugpark erst etwa zehn Jahre später allgemeiner Standard wurden. Nicht zu sehen ist selbstredend die Fallklotzbremse, die aus Sicherheitsgründen zusätzlich installiert wurde.




    Die Brücke mit der Kurve an der Einmündung der vom Körnerplatz hinaufführenden Schillerstraße. Gleich dahinter beginnt der Hirschberg, steilster Streckenabschnitt der Bühlauer Bahn.




    An dieser Stelle befand sich bis in die 1990er Jahre das Gleisdreieck „Mordgrundbrücke“. Dieses wurde bei Bauarbeiten gern genutzt, so auch für diverse Inselbetriebe nach Bühlau, möglich durch den dort befindlichen Straßenbahnhof. Zudem endeten hier häufig Sonderfahrten, die Schulklassen zum Pionierpalast beförderten.




    Die alte hölzerne Wartehalle der stadtwärtigen Haltestelle überlebte bis in die Nachwendezeit. Das Bild aus dem DVB-Archiv zeigt den Zustand zu Beginn der dreißiger Jahre mit den damals üblichen ovalen roten Haltestellenschildern.




    Die alte Wartehalle hat allerdings eine würdige Nachfolgerin gefunden, die gleichfalls eher an eine Wanderhütte als eine Straßenbahnhaltestelle erinnert.




    Einmal gedreht, der Blick geht talwärts. Links die Schillerstraße, rechts im Hintergrund die ehemalige Einfahrt in das Gleisdreieck, das aus einem Anschlussgleis entstand.




    Identische Situation mit einem bergwärts fahrenden Zug der Bühlauer Außenbahn vor 1906, da noch ohne die „Elf“ auf dem Dach. Gleich kann der kleine Triebwagen zeigen, was in ihm steckt.




    Noch ein Stück um die Kurve...




    …ein weiteres Vergleichsbild mit talwärts fahrender „11“ um 1910.




    Ein letzter Blick auf die Mordgrundbrücke. Im Hintergrund sehen wir das hölzerne Wartehäuschen.




    Nun geht es steil den Hirschberg hinauf. Eine „11“ in Richtung Innenstadt stürzt sich todesmutig den Hang hinunter und hat dabei dessen steilstes Stück an Lahmanns Sanatorium bereits hinter sich.




    Die Stützmauern zur rechten verraten die Steigung.




    Kurz vor der Haltestelle „Plattleite“ im Zentrum des Weißen Hirschs geht es steil bergan am ehemaligen Lahmann‘schen Sanatorium vorbei.





    Lahmanns Sanatorium in besseren Tagen.




    Talwärtiger Blick von der Haltestelle Plattleite aus. Auch hier darf ein Vergleichsbild nicht fehlen.





    Eine neuzeiltiche „11“ hat den steilen Anstieg mühelos bewältigt und fährt in die Haltestelle Plattleite ein. Die links abgehende Plattleite hieß bis zur Eingemeindung des „Hirsches“ 1921 Loschwitzer Straße, die Fortführung rechterhand in den Wald Lahmannstraße, heute Stechgrundstraße.




    Parkhotel an der Haltestelle Plattleite, heute und in den dreißiger Jahren mit einem der legendären Hechtwagenzüge.





    Ein Omnibus der Eillinie E an gleicher Stelle. Wir kommen hierauf gleich zurück…




    Ein historischer Blick auf das Kurhaus, dem eigentlichen Gut „Weißer Hirsch“, das dem Stadtteil seinen Namen gab. Der historische Bau, der sich heute noch nahezu unverändert zeigt, geht bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurück.




    Wir aber springen ein Stück weiter zum „Weißen Adler“, frisch saniert als Wohngebäude. Die zahlreichen Gasthöfe am Berg waren früher für Kutscher und Zugtiere gleichermaßen überlebenswichtig.




    Am „Weißen Adler“ endete von 1926 bis 1931 die Omnibus-Eillinie E. Fahrpläne von 1929. Eine ähnliche Funktion übernimmt heute die Linie 261 der OVPS, auch wenn diese wesentlich seltener verkehrt.





    Fortsetzung folgt…

    Einmal editiert, zuletzt von antonstädter () aus folgendem Grund: Bild ersetzt

  • Von der Antonstadt zum Waldschlößchen und nach Bühlau (Teil III)

    Auf unserer letzten Etappe begeben wir uns nach Bühlau hinein und beginnen noch einmal mit einem verkehrstechnischen Kuriosum.


    Als Ende des 19. Jahrhunderts der Staat zwecks Erschließung des Schönfelder Hochlandes eine meterspurige Schmalspurstrecke von Dürrröhrsdorf über Weißig nach Bühlau plante, legte man in die neu entstehende Außenbahn bis zur Flurgrenze mit dem weißen Hirsch eine dritte Schiene in das Stadtspurgleis ein, um hier einen Güterverkehr mit meterspurigen Rollböcken und normalspurigen Güterwagen durchführen zu können, ähnlich wie wenig später auf dem Gebiet der späteren Stadt Freital im Plauenschen Grund. Die Wirtschaftskrise von 1900 sowie das Fehlen jedweder potenzieller Anschlusskunden verhinderte die Bauausführung, und die nie genutzte dritte Schiene wurde im Zuge von Gleisbaumaßnahmen in den Folgejahren peu à peu wieder entfernt.



    Bautzner Straße in Höhe des „Trompeters“ um die Jahrhundertwende. Deutlich ist die nie genutzte dritte Schiene im Gleis erkennbar.




    Von der dritten Schiene fehlt schon seit weit über einhundert Jahren jede Spur.




    Die Haltestelle am ehemaligen Straßenbahnhof Bühlau, die heute „Schwimmhalle Bühlau“ heißt. Der Bahnhof entstand 1999 und beherbergte Zeit seines Lebens die Linie 11, lange Zeit sogar exklusiv.




    Der Betriebshof Bühlau wurde wie fast alle der kleinen Bahnhöfe an der Peripherie in den 1990er Jahren geschlossen. Zuletzt diente er zur Abstellung ausrangierter TATRA-Wagen, die hier auf den Verkauf nach Osteuropa oder die Verschrottung warteten. Ein guter Zeitpunkt, uns der Beschilderung der Linie 11 aus der DDR-Zeit zuzuwenden, schließlich war das Schilderregal des Bahnhofs außen am Einsatzleiterhäuschen direkt an der Straße gut einsehbar.


    Seitenschild von 1965/66 mit alter Linienführung nach Coschütz. Dieses schmückte bis 1969 die großen Hechtwagen und heute die Sammlung des Straßenbahnmuseums. Eine Replik würde dem historischen „Hecht“ gut stehen…





    Ab 1969 verkehrte die „11“ nach Jahrzehnten wieder unmittelbar durch die Innenstadt und weiter nach Plauen. Im Nachtverkehr pendelte sie nur zwischen Bühlau und Postplatz – hier das entsprechende Schild, leider ohne Haltestellen.




    Linienschild, nach 1975. Auffällig die überklebten, Ende der 70er eingezogenen Haltestellen „Fischhausstraße und „Klarastraße“ zwischen Wilhelminen- und Waldschlößchenstraße – die Stasi wollte in ihrem Domizil an der Bautzner gern unter sich sein und sah die vor dem Gelände wartenden Fahrgäste wohl als akutes Sicherheitsrisiko. Der daraus resultierende Haltestellenabstand von etwa 900 Metern war einer der längsten des Dresdner Straßenbahnnetzes. Heute ersetzt die Haltestelle „Angelikastraße“ die beiden Richtungshaltestellen von einst.





    Auch die Linie 11 erhielt Anfang der 80er Jahre neue Schilder mit den damals hochmodischen riesigen Liniennummern, die deutlich besser erkennbar waren. Das gezeigte Exemplar ist allerdings etwas jünger. Die Ende des Jahrzehnts auf anderen Linien eingeführten Plasteschilder in neuer Aufmachung gab es für die „11“ nie…





    Umfeld des Bahnhofes, Bautzner Landstraße in Bühlau mit landwärtiger Haltestelle heute. Im Hintergrund der „Trompeter“ am Ortsausgang Richtung Weißer Hirsch.





    Wir springen weiter zur Einmündung der Grundstraße am ehemaligen Rathaus Bühlau. Um die Jahrhundertwende stand das 1899 zeitgleich mit der Straßenbahnstrecke entstandene Gebäude noch allein auf weiter Flur.




    Heute beherbergt das seit der Eingemeindung 1921 arbeitslose Gebäude u.a. eine Stadtteilbibliothek.




    Hier haben wir ein weiteres wunderbares Beispiel dafür, wie den heutigen Technokraten jedwedes ästhetisches Gespür abhanden gekommen ist. Wie sonst kann man es erklären, dass man den fetten Oberleitungsmast ausgerechnet dort platzieren musste, wo die Ansicht des eigentlich recht hübschen Gebäudes am meisten beeinträchtigt wird? Außerdem: Eine eisenbahnähnliche Hochkette ist halt für ein historisches Ortsbild doch eher wenig geeignet. In La France undenkbar!




    Nur noch wenige Meter sind es von hier bis zur 1931 eröffneten Gleisschleife am Ullersdorfer Platz. Von 1908 bis 1949 ging es geradeaus weiter nach Weißig.




    Kurhaus Bühlau, ehedem Gasthof, seit 1899 Endpunkt der Bühlauer Außenbahn.




    Linie 11 am Endpunkt in Bühlau. Die Schleife soll bekanntlich durch einen Neubau am Bühlauer Ortsausgang Richtung Weißig ersetzt werden, womit immerhin die Hälfte der alten Strecke wieder reaktiviert werden würde.




    Noch zwei Ansichten des alten Endpunkthäuschens, bevor wir unsere Begehung mit einigen historischen Dokumenten abschließen. Sein Abriss wird in der Tat momentan diskutiert. Es wäre ein weiterer unwiederbringlicher Verlust einer historischen Kleinarchitektur.





    Nur etwa ein Jahr bestand die Linie 10 Bühlau – Nürnberger Straße, nämlich 1948/49, als Begleiterin der mittlerweile über den Stadtring nach Coschütz gelegten „11“. Es war die einzige Hauptlinie, die neben der 11 jemals den Bühlauer Hang erklamm. Übersicht über beide Linien im Haltestellenverzeichnis der Dresdner Verkehrs-Gesellschaft AG vom Januar 1948.




    Fahrpläne der Linien 10 und 11 vom Mai 1949, aus dem Fahrplanheft des KWU – Verkehrsbetriebe. Man beachte die historische Reklame, weswegen ich die Pläne auch komplett liefere.


    Für die „11“ ist anzumerken, dass der Pendelverkehr nach Weißig bereits seit Februar 1949 durch einen Omnibus-Ersatzverkehr ersetzt wurde. Aus dem Plan geht dies aber noch nicht hervor.









    Haltestellen- und Fahrzeitenverzeichnis von 1956. Die „11“ ist mittlerweile wieder unter sich.



    Fahrplan von 1967.






    Und zu guter Letzt der Fahrplan von 1969. Die Linie 11 fährt nun nach Plauen, und die TATRA-Wagen halten Einzug. Diese Linienführung hatte bis 1995 Bestand.





    Wir verabschieden uns aus dem lauschigen Bühlau mit diesem Blick auf das Dorf nach der Jahrhundertwende. Anstelle der Grünfläche vorn entstand später die Gleisschleife und der Ullersdorfer Platz.


  • Vom Postplatz zur Friedrichstraße (Teil I)

    Es existieren heute nur noch sehr wenige Stellen im Dresdner Straßenbahnnetz, an denen sich die lebhafte Konkurrenzsituation der beiden alten Privatbahngesellschaften unmittelbar nachvollziehen lässt. Da die zu spät gekommene „rote“ Deutsche Straßenbahn-Gesellschaft meist auf weniger lukrative Nebenstraßen ausweichen musste, die Hauptrouten waren ja bereits von der wesentlich älteren Konkurrenz in Beschlag genommen worden, sind es in aller Regel deren Strecken, die die Vereinigung der beiden Betriebe unter städtischer Ägide, die Wirtschaftskrisen der zwanziger Jahre und die Not der Nachkriegszeit nicht überlebten. Allein in der Friedrichstadt koexistieren in friedlicher Eintracht nach wie vor die alten Pferdebahnstrecken der „Gelben“ auf der Schäferstraße und die der „Roten“ in der Friedrichstraße, parallel und nur durch wenige hundert Meter voneinander getrennt.




    Straßenbahnstreckein in der nördlichen Friedrich- und Wilsdruffer Vorstadt 1908, ein Jahr vor der ersten großen Linienreform. Die Linienfülle, ein Erbe der Privatbahnkonkurrenz, ist bemerkenswert. Die am Postplatz endeten Linien wurden ein Jahr später zu durchführenden Strecken zusammengelegt, und die „2“ fuhr ab da für einige Jahre über den Wettiner Platz statt durch die Ostra-Allee. Gut zu erkennen ist die Herkunft der Strecken anhand der Liniennummern: Noch sind ungerade Nummern (ex „gelb“) und gerade Nummern (ex „rot“) strikt getrennt.



    Wir begeben uns heute auf die Spuren der ersten Straßenbahnlinie der „Roten“. Am 21. September 1890 eröffnete die Deutsche Straßenbahn-Gesellschaft in Dresden ihre Linie Friedrichstraße – Striesen. Die inzwischen elektrifizierte und nach Blasewitz verlängerte Linie erhielt ab 1906 die Nummer „2“ und verkehrte so nach weiteren Verlängerungen zum Schlachthof und nach Loschwitz bis zum Jahre 1969. Nur die Durchfahrung der Altstadt sollte sich hierbei mehrfach ändern, 1948 wich die Linie auf den westlichen Stadtring aus, um die „26“ zu ersetzen. Seit 1948 also wird die Relation vom Postplatz direkt durch die Ostra-Allee, Max- und Friedrichstraße nicht mehr planmäßig befahren, auch wenn dies technisch nach wie vor möglich wäre und bei diversen Umleitungen auch schon mehrfach praktiziert wurde. Auf diesen zentrumsnahen Abschnitt werden wir uns beschränken und gehen einmal mehr auf stadt-und nahverkehrsgeschichtliche Spurensuche.




    Beschilderung der Linie Friedrichstraße – Striesen, später Linie 2, der Deutschen Straßenbahn-Gesellschaft in Dresden.



    Wir beginnen am Postplatz, zu dessen herausragender Rolle im Dresdner Stadtverkehr nun wahrlich nichts mehr gesagt werden muss. Die Aufnahme aus dem Fundus der Deutschen Fotothek zeigt die Szenerie vor der Jahrhundertwende, als sich der Platz noch fest in der Hand der hippomobilen Fortbewegungsart befand und die neumodischen elektrischen Luftkabel noch nicht das Stadtbild verunzierten.


    Bemerkenswert ist der „Kreisverkehr“ um die Insel nebst Laterne im Vordergrund, wo sich ein Wägelchen unserer Friedrichstraßen-Linie gerade anschickt, aus der Ostra-Allee kommend in die Wilsdruffer Straße einzufahren, um seinen Weg weiter gen Striesen fortzusetzen. In Platzmitte steht noch der Cholerabrunnen, und neben diesem genießt das Personal (inklusive Pferdchen) der „gelben“ Linien Postplatz – Pieschen (später Linie 17) und Postplatz – Waldschlößchen (später Teil der Linie 9) ihre Pause, bevor die schweren Decksitzwagen wieder über die Augustusbrücke zurück auf die Neustädter Seite bugsiert werden müssen.


    Rechts angeschnitten das „Stadtwaldschlößchen“ am Eingang zur Sophienstraße, im Hintergrund der mächtige Bau des alten Hôtel Weber mit seinem markanten Eckturm zur Ostra-Allee, links daneben der erst 1968 abgerissene Gasthof „Gambrinus“.




    Ein kurzer Ausflug zu den anfänglich eingesetzten Pferdebahnwagen. Mit solcherlei Rollmaterial eröffnete die „Rote“ 1890 ihren eigenen Pferdebahnbetrieb. Das Foto dürfte aus dem Eröffnungsjahr stammen.




    Bei starkem Andrang wurden auch von der deutschen Gesellschaft Decksitzwagen eingesetzt. Der Festschmuck lässt auf eine Eröffnungsfahrt deuten, womöglich für die erste Verlängerung in Striesen zum Barbarossaplatz. Für beide Bilder gilt: Aufnahmeort leider unbekannt. Jedoch tragen beide Wagen die Beschilderung unserer Linie…




    Zurück zum Postplatz in das Hier und Jetzt. Wir blicken in die Ostra-Allee, wo sich linkerhand bis zum Abriss der Ruine 1968 der Nachfolgebau von Webers Hôtel erhob und das Schauspielhaus verdeckte. Die Strecke durch die Ostra-Allee wird seit 1969 durch die Linie 11 befahren.




    Blick rechterhand in die Sophienstraße auf Taschenbergpalais, Hausmannsturm und den Glockenspielpavillon des Zwingers. So erfreulich die Ausstaffierung mit Altkandelabern, so disgraziös die mächtigen modernen Oberleitungsmasten. Warum kann man an derart sensiblen Stellen nicht auch auf historisierende Repliken zurückgreifen?




    Die gleiche Situation noch zu Pferdebahnzeiten. Das Taschenbergpalais wirkt mit dem flachen Satteldach eher wie eine Kaserne. Vor der Bogengalerie des Zwingers betätigen sich zwei Wagen der Linie Postplatz – Pieschen der Tramways Company, bzw. Dresdner Straßenbahn-Gesellschaft, oder kurz der „Gelben“. (Deutsche Fotothek)




    Ostra-Allee, im Vordergrund die Gleisanlagen der heutigen Straßenbahn, im Hintergrund das Dresden-Motiv schlechthin.




    Einige Detailaufnahmen des Zwingers, wenn wir ihn denn schon einmal passieren. Langgalerie mit Kronentor und Zwingergraben.




    Zoologischer Pavillon und Porzellansammlung, ehemals Standort des Opernhauses am Zwinger.




    Kronentor und Zwingergrabenbrücke.




    Mathematisch-Physikalischer Salon mit Anbau aus den 1920er Jahren, darunter die Festungsmauer der Flanke der Bastion Luna.




    Ostra-Allee, Schauspielhaus von Lossow und Kühne (1911-13). Als 1890 die Pferdebahn eröffnete, befand sich hier noch der wenig fotogene Kuttelhof der Fleischerinnung.




    Malergäßchen mit Schauspielhaus links und der nach der Zerstörung vereinfacht wiederaufgebauten Handelsschule (1912 bis 1916).




    An besagter Ecke befand sich noch bis kurz nach der Jahrhundertwende der 1902 abgebrochene malerische Malersaal (18. Jahrhundert). Links das erst 1898 errichtete Wiener Café eines gewissen Carl Weise, der sich hartleibig weigerte, sein noch fast neues Anwesen zu veräußern, wodurch der Bau des Schauspielhauses bis 1911 verzögert wurde.




    Ostra-Allee mit Gewerbehaus, dahinter das Logenhaus der Freimaurer und der Herzogin Garten. Die heute hier einmündete Herta-Lindner-Straße wurde erst nach dem Krieg neu angelegt.




    Heutiges Vergleichsbild mit Nachwende-Neubauten.




    Weiterer Verlauf der Ostra-Allee vor der Zerstörung. Links der Herzogin Garten mit der Orangerie, rechts die Stallstraße (Am Zwingerteich) mit der heute fehlenden flankierenden Bebauung. Letzte Ruinenreste verschwanden erst Ende der 1970er Jahre. Man beachte die Dichte an roten Straßenbahnwagen auf der Allee: zu Hochzeiten fuhren hier vier Linien der Deutschen Straßenbahn-Gesellschaft!




    Ein ebenerdiges heutiges Vergleichsbild. Zwar sind die Straßenverläufe noch weitgehend original erhalten, doch ohne die Yenidze als Blickfang ließe sich die Situation dennoch kaum nachvollziehen.




    Schräg gegenüber An der Herzogin Garten die aus dem 18. Jahrhundert stammende und unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg durch einen Neubau ersetzte Nudelmühle, einst vom Weißeritzmühlgraben aktiviert und zuletzt eine beliebte Gastwirtschaft. Vom viel größeren Nachfolgebau überlebte die noch genutzte Erdgeschosszone die ersten Nachkriegsjahrzehnte, bevor sie dem Bau der Theaterwerkstätten weichen musste.




    Der Vergleich fällt ernüchternd aus. Zwar gehören die Theaterwerkstätten sicher zur besseren Architektur der späten DDR-Zeit, doch die autistische Gebäudestruktur nimmt der Ostseite der Ostra-Allee sämtliches städtisches Gepräge. Die Straße wurde vom Lebens- zum Verkehrsraum degradiert, ein leider immer noch häufig anzutreffendes und städtebaulich katastrophales Phänomen bei Neubauten.




    Gegenüber geht die teilrekonstruierte Orangerie vor dem „Palais“-Wohnneubau der Vollendung entgegen. Trotz vieler Unkenrufe auch in diesem Forum halte ich die Neubauten städtebaulich für einen absoluten Gewinn, deren Wirkung erst dann vollständig abzuschätzen sein wird, wenn der Bewuchs des wiederhergestellten Parks seine üppige Endhöhe erreicht haben wird.




    Das noch recht neue Holiday Inn in mittlerweile auch schon historischer Bausubstanz wenige Schritte weiter. Die behutsame Sanierung steht den frühen DDR-Bauten recht gut.




    Abzweig der Maxstraße mit dem sehr voluminösen Baukörper des Art’otel, der der Ecke gemeinsam mit dem Haus der Presse echten Großstadtcharakter verleiht.




    Die recht niedrige originale Inselbebauung des Dreiecks zwischen Ostra-Allee (rechts), Maxstraße (links) und Könneritzstraße fiel bis auf wenige Häuser an der Könneritzstraße/Ecke Maxstraße den Bomben zum Opfer. Den Rest erledigten Ende der 1980er Jahre die Räumkommandos: die Häuser standen der Straßenverbreiterung im Weg. Der kleine rote Triebwagen der Linie 2 strebt seinem Ziel in der Friedrichstadt entgegen.




    Blick in die Maxstraße, Strecke im Zuge der Pferdebahnlinie Friedrichstraße – Striesen von 1890. Die heutige Betriebsstrecke wurde nach dem Krieg nur noch kurzzeitig im planmäßigen Linienverkehr befahren. Die Straße war ursprünglich Teil der Ostra-Allee, die hier zum namensgebenden Vorwerk abbog und an der Weißeritz in die Friedrichstraße überging. Erst mit der geradlinigen Fortführung der Ostra-Allee Richtung Marienbrücke erhielt sie 1877 ihren Namen nach dem am Straßenanfang liegenden Palais des Prinzen Max.




    Besagtes Palais, erbaut von Gaetano Chiaveri 1742, abgebrochen 1890. Auch in alten Tagen ging man mit kulturhistorisch wertvoller Bebauung nicht eben glimpflich um, wenn sie dem gemeinen Fortschritt im Wege stand. Foto von Hermann Krone, fotografiert aus der späteren Maxstraße 1856. Deutsche Fotothek.




    Vergleichsbild mit Haus der Presse, MOPO-Schuppen rechts und dem Erlweinspeicher im Hintergrund.




    Erst 1992 kehrten mit der Linie 12 die Planzüge in die Maxstraße zurück, hier das Linienschild von 1994/95. Man beachte die gerade neu eingeführte Haltestelle „Am Zwingerteich“. Bis dahin fuhren die Bahnen auf der gesamten Strecke zwischen Postplatz und Maxstraße bzw. Haus der Presse (Linie 11) durch. Abgelöst wurde die „12“ durch die „8“, aber auch nur bis 1999: Dann kehrte auf der Maxstraße bis auf gelegentlichen Umleitungsverkehr oder die Cargo-Tram wieder Stille ein.





    Wenden wir uns zurück. Eckhaus Ostra-Allee/Maxstraße, 1912 neu errichtet.




    Vorher gab es hier einen nicht unerheblichen Engpass, wie der Vergleich zeigt. Das weit vorstehende kleine Häuschen stand der Straßenverbreiterung im Weg.




    Bevor wir unseren Weg gen Friedrichstadt fortsetzen, machen wir einen kurzen Abstecher auf nahverkehrsgeschichtlichen Pfaden. Endabschnitt der Ostra-Allee auf einer historischen Postkarte. Keines der hier zu sehenden Gründerzeithäuser auf dem Kleinen Ostragehege hat die Zerstörung überstanden, ebensowenig wie die rechts einmündende Permoserstraße durch den ehemaligen Standort des Prinz-Max-Palais. Heute erhebt sich hier das Haus der Presse.




    Uns aber interessiert besonders die ehemalige Hausnummer 30. Hier hatte ab 1900 die Direktion der Deutschen Straßenbahn-Gesellschaft ihren Sitz. Ein Bild ist mir leider nicht überliefert…




    1890 bis 1898 bestand auf dem Gelände der Gartenbaugesellschaft „Flora“ am Westende der Ostra-Allee ein Straßenbahnhof der Deutschen Straßenbahn-Gesellschaft. Mit einem Bild kann ich leider auch nicht dienen, ein solches wäre mir auch bislang noch nicht untergekommen. Dafür aber mit einem hochinteressanten Ausschnitt aus den Katasterplänen der Stadt Dresden aus den 1890ern.



    Man beachte vor allem die Gleisanlagen, die in der Maxstraße ursprünglich eingleisig waren. Der Ring (hier die Könneritzstraße) ist noch straßenbahnfrei, die Gleise wurden hier erst mit der Freigabe der Marienbrücke für den Straßenbahnverkehr im Jahre 1901 verlegt und nie von Pferdebahnen befahren. Der Anschluss aus der Ostra-Allee heraus in die Könneritzstraße zur Marienbrücke ist aber bereits vorbereitet, zu erkennen an den Weichen zum Abzweig des Straßenbahnhofes. Die Engstelle in der Könneritzstraße bestand bis zur Beseitigung der letzten alten Häuser zur Wendezeit und wäre heute ein undenkbares Nadelöhr im Verkehrsgewühl.


    Noch viel interessanter aber ist natürlich der eingezeichnete Straßenbahnhof auf dem Gelände der Gartenbaugesellschaft „Flora“ (heute Standort des Hauses der Presse): Links schraffiert das ehemalige Brückenzoll-Einnehmerhäuschen der Marienbrücke, straßenständig ein Gebäude der Flora, dazwischen die zweigleisige Bahnhofseinfahrt. Offenbar verfügte der Bahnhof „Flora“ über eine Schiebebühne, was bei den kurzen Wagen auch kein Problem darstellte und Platz und Weichen sparte. Die Wagenhalle dürfte eine einfache Holzkonstruktion gewesen sein, schließlich war sie keine zehn Jahre später wieder verschwunden.



    Wir beschließen den ersten Teil mit dem ältesten mir zur Verfügung stehenden Fahrplan der Linie 2 aus dem Jahre 1908.


  • Vom Postplatz zur Friedrichstraße (Teil II)

    In Teil Zwo geht es von der Wilsdruffer Vorstadt hinein in das Herz der Friedrichstadt. Dass noch heute auf der Ostra-Allee reger Straßenbahnverkehr herrscht, mag diese Aufnahme zweier sich kreuzender 11en bezeugen.




    Begeben wir uns in die Maxstraße und schauen noch einmal auf die fast metropolitane Bebauung der nördlichen Ostra-Allee.




    Auf dem Art’otel verabschiedet uns A.R. Pencks „Pimmelmännel“.




    Maxstraße, Gründerzeitler auf der südlichen Straßenseite.




    Blick von der Könneritzstraße zurück in die Maxstraße. Es fehlt kriegsbedingt der Eckbau zur Ritzenbergstraße.




    Das Pendant gegenüber ist noch erhalten.




    Maifestzug 1908 in der Ritzenbergstraße, links das heute fehlende monumentale Eckhaus. Friedrichstadt und Wilsdruffer Vorstadt waren von jeher proletarischer Hotspot der vorwiegend bürgerlichen Residenz. Noch heute befindet sich am Schützenplatz das Dresdner Gewerkschaftshaus.




    Der Weg führt nun unter den Hochgleisanlagen der Eisenbahn hindurch hinüber in die Friedrichstadt.




    Blick auf das Hotellerie-Kleinodium am Eingang der Friedrichstraße. Davor befand sich bis zur Verlegung der Weißeritz die Friedrichsbrücke, die die Grenze zur Friedrichstadt markierte.




    Kurz vor dem ersten Weltkrieg entstand das große Eckhaus anstelle der heutigen Hotelkiste. Leider überlebte es die Zerstörungen nicht. Die schwer heruntergerittenen Nachbargebäude in der Weißeritzstraße in gleichem Stil entschwanden größtenteils erst nach der Wende.




    Das Hotel umfasst auch das Grundstück des Keglerheims in der Friedrichstraße 12. Dieses war einer der wichtigsten Treffpunkte der hiesigen Arbeiterbewegung in den 20er und 30er Jahren. Am 25. Januar 1933 kamen hier bei einer Veranstaltung neun Arbeiter ums Leben, als mit der Situation völlig überforderte Polizeischüler in die Menge schossen.




    Blick in die Friedrichstraße heute und in den dreißiger Jahren. Die „2“ war ab Mitte der 1930er Jahre jahrzehntelang Heimstätte der „Kleinen Hechtwagen“-Züge.






    Das Restaurant „Zum Eishaus“ (Nr. 19) im Vordergrund entstand um 1730 und wurde in den 1950er Jahren wegen Baufälligkeit abgerissen. Noch immer prangt hier eine empfindliche Baulücke an der Südseite der Friedrichstraße.





    Wunderschön saniert zeigt sich die Friedrichstraße 26. Bemerkenswert ist die für Dresden eher untypische Fachwerkarchitektur des 1726 errichteten ehemaligen Manufakturarbeiterhauses. Die beiden hohen Nachbarn scheinen das Haus förmlich zu erdrücken.




    Friedrichstraße, Blick zurück in Richtung Weißeritzstraße. Die Nordseite zeigt sich mittlerweile wieder geschlossen, wenn auch durchsetzt mit mehr oder minder übler Nachwende-Investoren-Tristesse. Für die Brache gegenüber stehen ja ebenfalls große Veränderungen ins Haus, so dass man hier in Kürze wohl wieder echte städtische Struktur verspüren kann. Für die schwer gebeutelte Friedrichstadt kann dies nur von Vorteil sein.




    Duckwitzhaus, entstanden 1845, gestiftet vom gleichnamigen Bankier und jahrzehntelang als Altersheim in Nutzung. Der heutige Zustand in Anlehnung an die „nationale Bautradition“ entstand beim Wiederaufbau 1952.





    Vergleichsbild um 1900. Die pittoreske Bebauung der Friedrichstraße ist, als wohl letzter Barockstraße auf Altstädter Seite, zumindest noch in Teilen vorhanden. Hier schlummert ein wahrer städtebaulicher Schatz, den es noch zu heben gilt.




    Als Beweis die beiden Barockhäuser Friedrichstraße 29 (1670, barock umgebaut um 1730) und 33 (um 1740) auf der Südseite der Straße.






    Bedeutendstes Gebäude der Straße aber ist zweifelsohne das barocke Palais Marcolini mit seinen diversen Erweiterungsbauten, heute historischer Kern des Friedrichstädter Krankenhauses.





    Der zwischenzeitlich verbaute Ehrenhof zeigt sich seit den dreißiger Jahren wieder geöffnet.





    Blick in den Ehrenhof, heute Haupteingang des Krankenhauses von der Friedrichstraße und der Straßenbahnhaltestelle aus.




    Auch gegenüber gibt es Historisches zu bestaunen. Innerer Katholischer Friedhof, Torhaus um 1740.




    Daneben die Gebäude der ehemaligen Königlichen Wachsbleiche und der Menageriegarten, ebenfalls vom Anfang des 18. Jahrhunderts.




    Erläuterungstafel zur Geschichte des Ortes.




    Straßenbahn vor dem Palais Marcolini.




    Noch einmal ein Vergleichsbild des Palais, diesmal in östliche Richtung geschaut.





    Vom historischen Vorwerk Ostra, dem Nukleus der an Beginn des 18. Jahrhunderts planvoll angelegten Friedrichstadt, sind heute nur noch Rudimente erhalten, die einer Wiederauferstehung und Nutzung harren. Hier könnte ein echter Anziehungspunkt auch in kultureller Hinsicht entstehen.




    Vergleichsbild und Erklärtafel.



  • Vom Postplatz zur Friedrichstraße (Teil III)

    Die Matthäuskirche entstand 1728 bis 1730 nach Plänen Matthäus Daniel Pöppelmanns. Der Wiederaufbau nach schweren Kriegszerstörungen begann 1974




    Vergleichsbild vor 1906, Begegnung zweier noch liniennummernloser Wagen der Linie Friedrichstraße – Striesen. Es fehlen heute die Eckbebauung zur Vorwerkstraße wie auch die Vorwerksgebäude auf der rechten Straßenseite.




    Matthäuskirche, Westseite und Turm.




    Gedenkstein für den berühmten Erbauer, der hier auch seine letzte Ruhestätte gefunden hat.




    Die sanierten Reste der monumentalen Mietskasernenwand am westlichen Ende der Friedrichstraße. Anstelle der fensterbewehrten Ostwand befanden sich früher Nachbargebäude im gleichen Stil, die Zeile reichte einst ums Eck bis in die Vorwerkstraße.




    Blick zurück zur Matthäuskirche. Links das verwilderte Grundstück des Vorwerks, davor der Gleisbogen des Dreiecks in Richtung Schlachthof, angelegt 1964. Vorher war die 1910 eröffnete Verlängerung zum Schlachthof über die Walther- und Magdeburger Straße angebunden – die Neubautrasse wurde durch das ehemalige Vorwerk geschlagen. Ab 1979 diente das Dreieck als Endpunkt Friedrichstadt (Vorwerkstraße).




    Das um 1720 errichtete Hegereiterhaus direkt neben dem Gleisdreieck ist ein weiteres verkanntes Kleinod in der Friedrichstadt.






    Ehemaliges Streckenende der Friedrichstraßen-Linie. Ab 1910 ging es zum Schlachthof weiter, in den zwanziger Jahren erfolgte von hier aus die noch heute vorhandene Anbindung des neuen Straßenbahnhofes Waltherstraße.




    Dieser ersetzte den kleinen Bahnhof Friedrichstraße direkt an der Ecke der Friedrich- und der Waltherstraße. Das heute gewerblich genutzte Grundstück weist keinerlei Spuren seiner Straßenbahn-Vergangenheit auf.




    Wenige Bilder existieren vom Straßenbahnhof Friedrichstraße. Hier sehen wir den roten Triebwagen 657 vor der hölzernen Wagenhalle. Das Bild entstand zwischen 1906 und 1910, denn der Wagen trägt bereits die städtische Wagennummer und das Stadtwappen, die Verlängerung zum Schlachthof ist aber noch nicht eröffnet.




    Auszug zur Linie 2 aus dem „Verzeichnis der Straßenbahnlinien“ von 1909. Es zeigt die geänderte Linienführung über Wettiner Platz und nimmt bereits die noch nicht erfolgte Verlängerung zum Schlachthof vorweg. Bis 1969 war die Linie 2 in der Friedrichstraße heimisch.




    Nach der jahrzehntelangen Regentschaft der „2“ wurde es in der Friedrichstraße etwas unübersichtlich. 1969 folgte zunächst die „10“ (ab 1979 wieder verkürzt bis Friedrichstadt, Vorwerkstraße), dann die „15“ von 1983 bis 1989, anschließend die „9“ und seit 2000 wiederum die „10“. Eine Auswahl an Schildern:


    Linie 10, 1980.





    Linie 15, 1983.





    Linie 9, 1991.





    Zum Abschluss blicken wir vom früheren Endpunkt die Friedrichstraße hinunter zurück Richtung Stadtzentrum und verabschieden uns von der ersten „roten“ Linie der Dresdner Straßenbahn.


  • Nur zur Sicherheit: Ich lese diesen Strang nach wie vor uns sehr interessiert mit. (Feedback, Wertschätzung usw.).

  • Endhaltestelle Pauli Friedhof

    Kommentar zu Bild img_1540jejd2.jpg
    Meiner Erinnerung nach bogen die Gleise (zumindest eines) noch nach rechts in die heutige Radeburger Straße ab. Mitte der 80 waren noch Gleisreste Stadteinwärts in der heutigen Bushaltestelle zu erkennen. Auch Luftbilder von 1943 (siehe auch Google Earth) belegen das. Selbst heute (mit Phantasie) ist dort eine Ausparung in der Vegetation erkennbar. Ich bilde mir sogar ein dort Oberleitungsmasten gesehen zu haben.

  • Hechtstraße

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    Nein die Haken haben nichts mit der Straßenbahn zu tun. Sie gehöten zur Straßenbeleuchtung die nach dem aus der Straßenbahn mittig auf dem südlichen Teil der Hechtstraße geführt wurden

  • Mit der Pferdebahn vom Postplatz nach Löbtau (Teil I)

    Die Linie Postplatz – Löbtau der Tramways Company of Germany Ltd. gehörte zu den ersten Dresdner Verbindungen der englischen Gesellschaft und nahm ihren Betrieb am 8. Juli 1881 auf, zunächst allerdings nur bis zur damaligen Stadtgrenze zu Löbtau in Höhe der Glasfabrik Siemens an der Freiberger Straße. Die Verlängerung in das bis 1897 eigenständige Löbtau hinein erfolgte aber bereits wenige Monate später, und ab dem 7. November desselben Jahres zuckelten die gelben Wägelchen die damalige Wilsdruffer Straße (heute Kesselsdorfer Straße) hinauf bis zum Neuen Annenfriedhof. Zwei Jahre später erhielten die Wagen und Zugtiere der Linie eine eigene Unterkunft in Löbtau – der hiesige Pferdebahnhof bestand von 1883 bis 1895. Mit dem Ende des Pferdebahnbetriebes war auch sein Schicksal beschieden, denn für die anstehende (wenngleich erst 1900 vollzogene) Elektrifizierung erwies er sich auch wegen der beengten Platzverhältnisse als ungeeignet.




    [i]Beschilderung der Linie Postplatz – Löbtau. Die Verlängerung den Hang hinauf nach Wölfnitz erfolgte 1893. Die 1900 als letzte „gelbe“ Linie elektrifizierte Route erhielt 1906 die Nummer 13, die bis 1909 Bestand hatte und dann durch die „ 7“ abgelöst wurde, welche seitdem ununterbrochen in Löbtau beheimatet ist.(/i]



    Unsere kurze Vorstadtlinie, die wegen des sehr geringen Fahrgastaufkommens nur mit kleinen Zweispännern betrieben wurde, führte lange Jahre ein relativ unaufgeregtes Dasein. Bis auf die Streckenführung in der Wilsdruffer Vorstadt über Annenstraße und Freiberger Platz, die 1963 durch eine Neubautrasse in der verlängerten Freiberger Straße ersetzt wurde, kann man noch heute entlang der alten Pferdebahn-Geleise lustwandeln. Von der ehemaligen Vorstadt-Beschaulichkeit ist allerdings seit den Kriegszerstörungen 1945 nur noch wenig zu spüren. Seit dem Bau des Gorbitzer Neubaugebietes in den 80er Jahren bildet die uralte Strecke eine der Hauptzubringerachsen für die zahlreichen Bewohner des Gorbitzer Hanges, so dass sich die Züge der Linien 12 und 7 heute meist gut gefüllt präsentieren.


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    Und wioeder einmal starten wir am Postplatz. Dieser präsentiert sich hier zu Zeiten der Pferdebahn, wohl noch vor 1890, denn es fehlt die „rote“ deutsche Konkurrenz. Links das alte Hôtel Weber, rechts Stadtwaldschlößchen und Sophienkirche, mittig ziert den Platz der Cholerabrunnen, der heute ein abseitiges Dasein am Taschenbergpalais fristet. Für uns besonders interessant sind jedoch die beiden Pferdebahnwagen im Vordergrund: Abfahrbereit steht vor dem Cholerabrunnen ein Wagen der Linie Postplatz – Plauen (spätere Linie 15) über die Chemnitzer Straße, erkennbar an den roten Dachschildern mit weißer Schrift, am linken unteren Bildrand ein Gefährt unserer Löbtauer Linie (gelbe Dachschilder). Die beiden Linien teilten sich nicht nur den gemeinsamen Endpunkt am Südrand des Postplatzes vor dem Hauptpost- und späteren Telegrafenamt, sondern auch die ersten Meter Strecke bis zur Annenkirche.




    Der heutige Anblick des ehemaligen Endpunktes unserer Pferdebahn inmitten des Baustellengewirrs ist, nett ausgedrückt, wenig spektakulär – wir aber genügen der Dokumentaristenpflicht. Die „Käseglocke“ löste beim vorletzten großen Postplatz-Umbau 1827/28 den Cholera-Brunnen als Platzdominante ab. Anstelle des 1945 vernichteten Stadtwaldschlößchens grüßt der SAP-Würfel. Nur der Zwinger im Hintergrund lässt alte Herrlichkeit erahnen…




    Eine weitere historische Aufnahme. Es ist Sommer, denn man kann mittels offenem Sommerwagen die annähernd drei Kilometer bis nach Löbtau bei frischem Fahrtwind überwinden. Auf dem Platz selbst herrscht reger Betrieb, denn mittlerweile haben sich die roten Wägelchen der deutschen Konkurrenz zum englischen Platzhirsch in gelb gesellt. Hinter dem Cholerabrunnen erblicken wir zwei gelbe Decksitzwagen der Linien nach Pieschen (spätere 17) und zum Waldschlößchen (Vorläuferin der 9). Vor dem Brunnen ein roter Wagen, vermutlich der Linie Neustädter Bahnhöfe – Bergkeller.




    Steigen wir ein nach Löbtau… (DVB-Archiv)




    Auch hier noch einmal ein Vergleichsblick, aber wenden wir uns in Grausen ab.




    Der Blick in die Gegenrichtung, allerdings bereits zu elektrischen Zeiten. Die Gleise vor dem Telegrafenamt sind verschwunden und kehren erst in den zwanziger Jahren als durchgehende Gleisverbindung aus der Annen- in die Wilsdruffer Straße wieder zurück – sie bestanden so bis 1969. Seit der Elektrifizierung 1900 enden die Wagen der Löbtauer Linie an der Zwingerseite. Wir blicken am Hauptpostamt und der Oberpostdirektion vorbei in die Annenstraße, der wir nun folgen werden.




    Der mächtige Anbau des Hauptpostamtes an die Oberpostdirektion dominierte seit der Jahrhundertwende die Platzecke an der Marien- und Annenstraße.




    Vergleichsbild mit den der Vollendung entgegen gehenden CG-Bauten auf den Rudimenten der Oberpostdirektion.




    Langsam zeichnen sich wieder Platzkonturen ab. Die Überbauung der Einmündung der Annenstraße in Richtung Postplatz halte ich aber für einen schwerwiegenden städtebaulichen Fehler.




    Annenstraße/Ecke Am See mit den CG-Bauten.




    Die exakt gleiche Ecke mit der Oberpostdirektion von 1878. Noch fehlt der Anbau Richtung Postplatz.




    Blick zur Annenkirche. Trostlose Schlafstadt-Tristesse herrscht an der früher so geschäftigen Annenstraße.




    Annenstraße, Blick zurück zum Postplatz. Rechts Stadthaus und Oberpostdirektion, links die Einmündung der Großen Zwingerstraße. Die Linie 13 ist nichts anderes als die benummerte elektrische Nachfolgerin unserer Pferdebahnlinie nach Löbtau, so bezeichnet ab 1906. Bereits 1909 wurde sie mit der Linie 7 vereinigt und fuhr nun durchgehend von Wölfnitz über Postplatz zum Arsenal. (Deutsche Fotothek)




    Annenstraße, Einmündung der heute völlig überbauten Großen Zwingerstraße aus Richtung Postplatz gesehen.




    Eine weitere Ansicht der Annenstraße, Höhe Am See, Blickrichtung zum Postplatz. Das Sammelsurium an Flachbauten zur linken wich wenig später den im vorigen Bild zu sehenden großen Geschäftshäusern, darunter zu nennen vor allem das Kaufhaus Bernhard am Postplatz. Städtebaulich befriedigend gelöst wurde die Situation an der zusammengewürfelten Westseite des Postplatzes jedoch nie – eine bemerkenswerte Parallele zu den aktuellen Diskussionen!




    Unweit der obigen Stelle befindet sich heute die Dresden International School in den Gebäuden des ehemaligen Annen-Gymnasiums. Im Leipzig-Strang hat sich ja kürzlich ein Diskutant verstiegen zu behaupten, so etwas gebe es im Osten nur da und in Berlin! Die DIS jedenfalls besteht bereits seit 1996…




    Annenkirche heute und auf einer Postkarte, nach 1900. Vor der Kirche trennten sich die Strecken nach Plauen, die weiter Annenstraße zum Sternplatz folgte, und Löbtau, die bis 1963 auf den Freiberger Platz abbog.





    Der Freiberger Platz, früher heimliches Zentrum der dicht an dicht bevölkerten proletarischen Wilsdruffer Vorstadt, präsentiert sich heute zwar strukturell noch vorhanden, doch als städtebauliche Diaspora. Nur die Annenkirche und deren Terrasse mit ihrem alten schmiedeeisernen Geländer vermag noch historische Kontinuität zu vermitteln.





    Die heute verödete Annenstraße in belebteren Tagen.



    Die mittlerweile hochgeschossenen Bäume verdecken gnädig das aktuelle städtebauliche Elend. Wo einst Tausende von Menschen auf engsten Raum unter allerdings meistenteils fragwürdigen Lebensumständen hausten, herrscht heute weitgehend Tristesse.




    Bis 1937 stieß man hier noch auf den Weißeritzmühlgraben, der unter anderem die Hof- und Bäckermühle speiste. Der Wasserfall zwischen den beiden Mühlengebäuden war einst eine beliebte Ausflugsstätte, ebenso die in und neben den Mühlengebäuden untergebrachte volkstümliche Gastronomie zu moderaten Preisen.




    Vergleichsbild der Ostseite des Freiberger Platzes. Nur die Kirchterrasse lässt erahnen, dass es sich tatsächlich um das identische Motiv handelt!





    Die Gedenktafel an der Annenkirche verrät den Grund für die heutige Misere. Leider war die Gnade Gottes den Behausungen der geretteten Menschen weniger zugeneigt…




    Etwas verloren steht die Namensgeberin der Kirche auf dem leeren und öden Freiberger Platz.




    Stadtarchäologie: Die am Freiberger Platz beginnende Rosenstraße folgt noch immer ihrem kurvenreichen mittelalterlichen Straßenverlauf. Die alten Granitplattenwege waren dereinst von kleinen, meist nicht mehr als zweistöckigen Vorstadthäuschen gesäumt.




    Blick zurück zur Annenkirche. Eine städtebauliche Fassung des Freiberger Platzes ist aus meiner Sicht eine der dringendsten strukturellen Maßnahmen in der Wilsdruffer Vorstadt.




    Bebauungsrest an der Ostseite des Platzes.




    Wir treffen auf die Anfang der sechziger Jahre verlängerte Freiberger Straße, der seitdem auch die Straßenbahn zum Postplatz folgt. Der Eingang der Alfred-Althus-Straße, ehemals Stiftsstraße, ist seit kurzem durch das Punkthaus am Eck wieder städtebaulich gefasst. Die alte Straßenbahntrasse bog nach links in die damals erst hier beginnende Freiberger Straße ein.




    Die Verlängerung der Freiberger Straße mit der Haltestelle Alfred-Althus-Straße wirkt ebenso wenig einladend wie die Annenstraße oder der Freiberger Platz. Die Wilsdruffer Vorstadt ist durch den in weiten Teilen verfehlten Wiederaufbau zu einer reinen Schlafstadt geworden, unpassend und unwürdig für einen derart zentral gelegenen Teil der Innenstadt, der einst von purem proletarischem Leben nur so überquoll…




    Städtebauliche Umwälzungen gab es hier jedoch bereits zu früherer Zeit. Das vor den Toren der Stadt gelegene mittelalterliche Bartholomäus-Hospital nebst Kirchlein wich bereits 1838/39 der sich ausdehnenden Stadt. Nicht mehr umgesetzte Planungen der zwanziger Jahre sahen eine vollständige Beräumung der alten, verwinkelten und in weiten Teilen durch miserabelste Lebensumstände geprägten Wilsdruffer Vorstadt vor. Was erst Inflation und dann die Weltwirtschaftskrise verhinderten, sollte schließlich der Feuersturm erledigen…




    Beenden wir den ersten Teil mit einem Ausschnitt aus Pässlers „Neuestem Uebersichtsplan der Dresdner Strassenbahnen“ von 1885. Er zeigt den Verlauf unserer Löbtauer Linie in voller Länge.


  • Mit der Pferdebahn vom Postplatz nach Löbtau (Teil II)

    Teil Zwo eröffnen wir mit dem Fahrplan der Pferdebahn von 1883. Warum nicht alle Wagen bis zum Annenfriedhof durchfuhren bleibt unergründlich, lag der ansonsten als Endpunkt dienende Straßenbahnhof doch nur einen Katzensprung entfernt. Dazu jedoch kommen wir viel später.




    Wir folgen nun der Freiberger Straße auf ihrer gesamten ehemaligen Länge. Rechts das Elsa-Fenske-Heim auf dem Gelände des Maternihospitals, links das World Trade Center.




    Das Maternihospital wurde in Teilen ein Raub der Bomben. Während der ehemalige Kapell-Eckbau zur Ammonstraße in den 1990er Jahren rekonstruiert wurde, behalf man sich an der Freiberger Straße mit einem kompletten Neubau, der auf das historische Vorbild kaum Bezug nimmt, wie der Vergleich zeigt. Einer Rekonstruktion hätte auch die zwischenzeitlich an dieser Stelle immens verbreiterte Freiberger Straße einen Riegel vorgeschoben.





    Drei Bauetappen in einem: Das originale Erdgeschoss des Eckbaus ist an der starken Bossierung zu erkennen, darüber die vereinfacht rekonstruierten Etagen, die auf das nach dem Krieg als Flachbau weiterbestehende Erdgeschoss aufgepfropft wurden. Rechts der Neubau an der Freiberger Straße, der keinerlei Bezug auf das historische Vorbild nimmt.




    Die direkte Verbindung von Löbtau zum Postplatz über die Freiberger Straße, bis 1995 durch die Linie 7 (und 8) gewährleistet, obliegt seit 2000 der 12. Sie folgt damit unmittelbar den Spuren der alten Pferdebahn von 1881.




    Der rekonstruierte Eckbau, im Original 1905 nach Plänen von Hans Erlwein errichtet. Auch hier ist die unterschiedliche Bossierung des Erdgeschosses und der Aufstockung von etwa 1995 auffällig. Hier, am alten Freiberger Schlag, zog sich die Akzisemauer entlang, und es waren Einfuhrzölle auf Waren zu entrichten, die in der Stadt feilgeboten werden sollten. Der Begriff der „Schläge“ verlor sich erst weit nach der Jahrhundertwende.




    Gemütlich wartet es sich an der grünen Haltestelle „S-Bahnhof Freiberger Straße“ der Linie 12, die bis letztes Jahr noch „Haltepunkt Freiberger Straße“ davor „Freiberger Straße (World Trade Center)“ und wiederum davor „Ammon-/Freiberger Straße“ hieß.




    Der Blick geht in Richtung Bahnunterführung Freiberger Straße, die wir als nächstes passieren werden. Im Jahre 1881 kreuzte die Pferdebahn die Gleise der Verbindungsbahn zwischen den Neustädter Bahnhöfen und dem Böhmischen Bahnhof noch ebenerdig.




    Die Bahnunterführung der Freiberger Straße war in den 1990er Jahren berühmt dafür, dass hier mindestens einmal pro Woche ein ortsunkundiger LKW-Fahrer die sehr tief hängende Fahrleitungsanlage herunterholte. Dies ging so weit, dass man die Straße einige Jahre völlig für den Durchgangsverkehr sperrte. Mit dem Brückenneubau scheinen sich die Probleme aber offenbar erledigt zu haben. Im Vordergrund der 1990 hier neu trassierte 26er Ring. Die starke Steigung der Bahnunterführung verhinderte lange Jahre die Fertigstellung der neuen Ringtrasse, denn man hatte erhebliche Probleme, die sehr nahe am Bahndamm liegenden neuen Gleise und die Steigung in Einklang zu bringen. Letztlich waren umfangreiche Erdarbeiten nötig.




    Blick aus der Unterführung auf den Turm des WTC.




    Der westliche Bereich der Freiberger Straße zwischen Ring und Löbtau ist heute eine der trostlosesten Ecken der Stadt, eine Mischung von unkrautüberwucherten Brachen, Industrieruinen und letzten Resten der Vorkriegsbebauung bestimmt die Szenerie, die aber bei genauem Hinschauen doch hier und da manch sehenswertes Detail hervorzubringen vermag.




    Blick zurück über den Bahndamm zum WTC.




    Wie so oft sind es die alten Straßenzüge, die bis heute die Struktur der alten Stadt bewahren. Von der begleitenden Bebauung allerdings ist nahezu nichts mehr zu sehen. Wir blicken in die seit der Enttrümmerung noch immer unbebaute Papiermühlengasse. Welch ein Entwicklungspotenzial schlummert hier, nur wenige Minuten vom Stadtzentrum entfernt!




    Eine städtische Insel inmitten der Einöde findet sich zwischen Florastraße und Jagdweg.




    Blick in die Florastraße. Wo wilde Autohändler und manch wüstes Kleingewerbe die Szenerie bestimmen, könnte man sich durchaus innerstädtischen Wohnungsbau in Größenordnungen vorstellen. Verkehrsgünstiger gelegen geht es kaum.




    Niederflur-Straßenbahn auf verkehrshistorischen Spuren und an einer ebensolchen Stelle, denn in unserem Rücken befindet sich die Brache des fiskalischen Kohlenbahnhofes, der von 1855 bis 1868 als „Albertbahnhof“ (oder auch Tharandter Bahnhof) als Endpunkt der Albertsbahn fungierte. Hierhin gab es sogar zeitweilig eine Pferdeomnibuslinie.




    90er-Jahre-Gewerbebau am Jagdweg. Zurückgesetzt finden sich Überbleibsel der alten gewerblichen Hinterhofbebauung.





    Typische Szenerie der Freiberger Straße, Blick in Richtung Westen, mit einem Zug der Linie 7. Links die Brache des Kohlenbahnhofes.




    Eine weitere 7 hält in der Gegenrichtung an Haltestelle „Rosenstraße“. Diese befindet sich inmitten eines wahrhaft bronxialischen Ambientes.




    An der Einmündung der Rosen- in die Freiberger Straße unmittelbar an der ehemaligen Unterführung durch die Industriebahn zum Kohlenbahnhof. Im Hintergrund der Kühlturm des Kraftwerkes Nossener Brücke.




    Leider wurde die malerische Bahnüberführung mit Stilllegung der Industriebahn 2007 beseitigt, die Brücke liegt aber noch immer inmitten von Unkraut neben dem Bahndamm. Was bleibt ist die Rohrbahn in gleicher Höhe, die noch immer interessante und unerwartete Motive bietet.




    Eine umgeleitete 6 fährt die Unterführung hinunter. Im Hintergrund das markante Eckhaus zwischen Freiberger und Oederaner Straße.




    Die „Messbahn“ ist in der Gegenrichtung auf der Linie 12 unterwegs. Die schmucken Niederflurwagen wirken in dem gammeligen Ambiente irgendwie deplatziert…




    Blick in Richtung Oederaner Straße. Hier, unmittelbar an der bis 1897 bestehenden Stadtgrenze, befand sich in den ersten Monaten der Endpunkt der Pferdebahnlinie.




    Fabrikstraße mit Kühlturm. Das Gelände gehörte einst zu den weitläufigen Fabrikanlagen des Glaswerks Siemens…




    …dessen brachliegendes Gelände einer neuen zukünftigen Nutzung harrt. Das Glaswerk wurde 1991 geschlossen und 2005 abgerissen – womit die Glasproduktion in Dresden ihr Ende fand.




    So wird diese wohl aussehen. Bleibt zu hoffen, dass die Gewerbebauten im städtischen Kontext eine entsprechende Gestaltung erfahren. Leider sind die Zeiten ja vorbei, in denen Zweckbauten mit hohem gestalterischem Anspruch entstanden.




    Das markante Eckhaus im Zwickel Freiberger/Oederaner Straße (bis 1946 Hohenzollernstraße) befindet sich in Sanierung. Bei den großen Häusern rechts auf der Vergleichspostkarte handelte es sich um Arbeiterwohnbauten des benachbarten Glaswerks Siemens.





    Ansicht des Glaswerkes. Ungefähr mittig ist das spitze Eckhaus an der Hohenzollernstraße zu erkennen. Der Eingangsbereich an der Fabrikstraße mit dem großen Verwaltungsgebäude fiel dem Krieg zum Opfer.




    Nur wenige Details der Grundstückseinfriedung haben sich erhalten und wurden glücklicherweise in die Gestaltung des Weißeritzgrünzuges mit einbezogen.




    Die Haltestelle „Oederaner Straße“ kann auf eine Geschichte zurückblicken, die bis in die Frühzeit des Dresdner Straßenbahnverkehrs nachzuverfolgen ist. Sie trug auch die Namen „Hohenzollernstraße“, „Siemens- und Hohenzollernstraße“ oder „Glaswerk Siemens“.




    Hier am ersten Endpunkt der Pferdebahn machen wir einen kurzen Zwischenstopp und widmen uns der Verkehrshistorie. Ab 1906 trug die 1893 nach Wölfnitz verlängerte Linie (wobei zu Beginn längst nicht alle Wagen von Löbtau aus durchgebunden wurden), die 1900 als letzte der Dresdner Straßenbahn-Gesellschaft („gelb“, ex Tramways Company) elektrifiziert worden war, die Nummer 13. Hier sehen wir den Fahrplan aus dem Jahre 1908.




    Ausschnitt aus meinem schematischen Liniennetzplan von 1908. Die „13“ ist in voller Länge mit allen damals noch sehr dicht aneinander liegenden Haltestellen zu sehen.


  • Mit der Pferdebahn vom Postplatz nach Löbtau (Teil III)

    Ab 1909 löste die Linie 7 die 13 auf dem Weg nach Löbtau ab. Auszug aus dem „Verzeichnis der Straßenbahnlinien der Stadt Dresden“ von 1909.




    Wir begeben uns wieder auf den Weg. Ehemaliges Eingangstor an der Freiberger Straße.




    Blick in Richtung Ebertplatz, im Hintergrund die Hochstraße der Löbtauer Brücke.




    Blick in die Saxoniastraße. Das gesamte Dreieck zwischen Oederaner Straße, Freiberger Straße und Ebertplatz wurde auf dem Gelände des Königlichen Holzhofes, oder Floßhofes, nach dessen Schließung 1879 parzelliert.




    Geschäftsinschriften am Eckhaus an der Saxoniastraße.




    Gähnende Leere beherrscht seit Ende der 1980er Jahre den Weißeritzübergang, den die Hochstraße der Löbtauer Brücke brachial überspannt. Die repräsentativen Gründerzeithäuser, die allesamt die Bombenangriffe fast unbeschädigt überstanden, wurden dem vermeintlichen Fortschritt geopfert. Seitdem kann man diese Ecke nur noch als städtebaulichen Unort schlimmster Sorte bezeichnen, leider auch für die nächsten Jahrzehnte irreparabel.





    Vergleichsansichten.





    Der Wassereinlass des Floßhofes zur Weißeritz wurde beim Ausbau des Weißeritzgrünzuges freigelegt und kann heute über eine Treppenanlage besichtigt werden.




    Ebertplatz, Dr.-Höhne-Häuser des Dresdner Spar- und Bauvereins von 1920/21.




    Der Weißeritzübergang in Löbtau ist bereits seit dem Mittelalter nachweisbar. Eine steinerne Brücke wurde erstmals 1704 angelegt. Die heute namenlose einstige Bismarckbrücke entstand 1837 und wurde 1994/95 durch eine daneben liegende Stahlbetonbrücke ergänzt. Die historische Brücke wurde anschließend grundlegend saniert und nimmt heute die Straßenbahngleise auf.





    Blick über die Brücke zur Kesselsdorfer Straße.




    Vergleichsbild mit „Dreikaiserhof“. Das Hotel wurde ein Opfer der Bomben, der Begriff jedoch ist fest im lokalen Kompass der Dresdner fixiert: „Du musst am Dreikaiserhof umsteigen!“…



    „Huschhalle“ und Stützmauer an der Weißeritz.




    Das kriegsverlustige Löbtauer Rathaus habe ich schon in mehreren Beiträgen thematisiert. Auf der Bismarckbrücke herrscht (hineinretuschierter) nahverkehrlicher Hochbetrieb: neben der „Glocke“ verkehrten hier ab Mitte der zwanziger Jahre auch die Kraftomnibusse der Städtischen Straßenbahn.




    Gesamtansicht des Weißeritzübergangs. Keines der hier zu sehenden Häuser hat die Abrissorgie der 1980er Jahre überstanden. Seit 1898 kreuzte hier die rote Konkurrenz in Richtung Altplauen und später durch den Plauenschen Grund nach Freital. Die Kreuzung am Dreikaiserhof ist seit 1998 Geschichte, aber der 1998 ebenfalls für den Linienverkehr eingestellte untere Teil der Löbtauer Straße wird seit 2000 (mit flutbedingter Unterbrechung von 2002 bis 2006) wieder durch die Linie 6 befahren.




    Sehr geschäftig geht es im unteren Teil der Kesselsdorfer Straße noch immer zu. Mit dem Bau der neuen Zentralhaltestelle wird sich die Szenerie in wenigen Wochen jedoch grundlegend ändern.





    Straßenszene in der unteren Kesseldorfer Straße. Große Geschäftshäuser aus der Nachwendezeit bestimmen die schwer durch die Bombenangriffe in Mitleidenschaft gezogene untere Kesselsdorfer Straße, die vor der Eingemeindung als Wilsdruffer Straße bekannt war.




    Wesentlich kleinteiliger als heute zeigte sich die Vorkriegsbebauung zwischen Reisewitzer und Gröbelstraße.




    Seitenblick durch die Reisewitzer Straße zur Friedenskirche. Der Vergleich zeigt die gravierenden Änderungen, die der Wiederaufbau als Notkirche mit sich brachte.





    Typische Löbtauer Würfelhausbebauung an der Kesselsdorfer Straße.




    Leer präsentiert sich noch immer das Grundstück der „Musenhalle“ an der Ecke zur Poststraße. Die Musenhalle entstand als Vergnügungsetablissement Ende des 19. Jahrhunderts, nach der inflationsbedingten Schließung Anfang der 20er Jahre öffneten hier 1929 die „Li-Mu“ – Lichtspiele Musenhalle – bis zur Zerstörung am 17. April 1945.





    Blick in Richtung der heutigen Haltestelle „Bünaustraße“ im Vergleich. Die Vorkriegsbebauung ist hier noch weitgehend vorhanden.





    Haltestelle „Bünaustraße“ – von 1962 bis 1993 hieß sie „Otto-Franke-Straße“ und wurde dann gemeinsam mit der zugehörigen Straße wieder rückbenannt.




    Anstelle der Geschäftsflachbauten befand sich von 1883 bis 1895 der Pferdebahnhof Löbtau. Hier endeten die meisten vom Postplatz kommenden Wagen, die Strecke führte aber noch einige Meter weiter bis zum Neuen Annenfriedhof. Dieser Streckenabschnitt wurde anfänglich nur nachmittags zur Hauptbesuchszeit des Friedhofes bedient.





    Stadtplanausschnitt von 1893. Löbtau wird erst vier Jahre später eingemeindet werden, und die im selben Jahr eröffnete Streckenverlängerung nach Wölfnitz fehlt noch. Man beachte auch den eingezeichneten Pferdebahnhof…


  • Mit der Pferdebahn vom Postplatz nach Löbtau (Teil IV)

    Im letzten Teil folgen wir den letzten Metern der alten Pferdebahnstrecke bis zum Neuen Annenfriedhof. Das markant in der Spitze zwischen Werner-und Kesselsdorfer Straße gelegene Café Zum Frieden ist eine Löbtauer Institution, die bis heute überdauert hat.





    Löbtauer Würfel zwischen Werner- und Rudolf-Renner-Straße (Kronprinzenstraße). Zu Pferdebahnzeiten war hier noch freies Feld mit einigen wenigen eingesprengselten dörflichen Anwesen.




    Blick zurück zur Wernerstraße.




    Der Abzweig in die Kronprinzenstraße (seit 1945 Rudolf-Renner-Straße) existiert seit 1909 als Abzweig der Linie 7. Die Strecke nach Altcotta hat seitdem schon mancherlei Linie kommen und gehen sehen. 1913 wurden die Kurse in „13“ umbenannt, womit die ursprüngliche Nummer kurzzeitig ihre Auferstehung feierte. Es folgte in den zwanziger Jahren die „20“, dann ab 1948 die „8“, gefolgt 1995 von der „14“ und schließlich seit 2000 der „12“. 1998 sollte es der Querverbindung durch Cotta an den Kragen gehen und sie durch Busse ersetzt werden. Dazu kam es nach massiven Protesten jedoch nicht.




    Der Neue Annenfriedhof wurde 1875 bis 1878 aufgrund des Platzbedarfs außerhalb der Stadtgrenzen zur Entlastung der bestehenden Friedhöfe angelegt. Die monumentale Trauerhalle (Robert Wimmer) wurde durch Bombentreffer zerstört, die Arkaden sind aber noch heute erhalten, durch den Bewuchs jedoch schwer zu fotografieren. Die Friedhofsanlage war eine wesentliche Triebfeder für die Errichtung der Pferdebahnlinie nur wenige Jahre später.





    Eine Haltestelle gibt es hier immer noch – allerdings wird diese nur von nach Gorbitz einrückenden Fahrzeugen oder bei Umleitungen bedient. Die „12“ hält hier, wie man meinen könnte, nicht.




    Die Rudolf-Renner-Straße, auf Cottaer und Löbtauer Flur gelegen, wurde erst im Jahr 1896 als Friedrich August-Straße angelegt und erhielt den Namen Kronprinzenstraße nach der Eingemeindung von Cotta im Jahre 1904. Seit 1945 trägt sie ihren heutigen Namen.




    Wir blicken vom ehemaligen Streckenende die Kesselsdorfer Straße hinunter.




    Zum Abschluss blicken wir noch einmal dokumentarisch in die jüngere Geschichte unserer Strecke. Viele Jahre war es das unzertrennliche Linienbündel der 7 und 8, das die Verbindung vom Postplatz nach Löbtau übernahm. Seit 1995 ist dies Geschichte: An die Stelle der 8 trat zunächst die 14, dann die 12, und die 7 fährt seitdem über den Hauptbahnhof zum Pirnaischen Platz. Zwei klassische Linienschilder vom Beginn der 1980er Jahre.







    Damit verabschieden wir uns aus Löbtau und wenden uns neuen Aufgaben zu.

  • Die Bahnunterführung der Freiberger Straße war in den 1990er Jahren berühmt dafür, dass hier mindestens einmal pro Woche ein ortsunkundiger LKW-Fahrer die sehr tief hängende Fahrleitungsanlage herunterholte. Dies ging so weit, dass man die Straße einige Jahre völlig für den Durchgangsverkehr sperrte. Mit dem Brückenneubau scheinen sich die Probleme aber offenbar erledigt zu haben. Im Vordergrund der 1990 hier neu trassierte 26er Ring. Die starke Steigung der Bahnunterführung verhinderte lange Jahre die Fertigstellung der neuen Ringtrasse, denn man hatte erhebliche Probleme, die sehr nahe am Bahndamm liegenden neuen Gleise und die Steigung in Einklang zu bringen. Letztlich waren umfangreiche Erdarbeiten nötig.



    Der fehlende Abzweig vom Bahnhof Mitte kommend führt übrigens zu einer der kuriosesten Umleitungen, die man seit langem bewundern konnte (Im aktuellen Plan gut an der 6 zu sehen: https://www.dvb.de/-/media/fil…18/dvb_lnp_200618_web.pdf).
    Da fühlt man sich doch glatt an die abstrusen Streckenführungen mancher Roten Linien im letztem Jahrhundert erinnert ;)

  • Gesamtansicht des Weißeritzübergangs. Keines der hier zu sehenden Häuser hat die Abrissorgie der 1980er Jahre überstanden.


    "Keines der hier zu sehenden Häuser" trifft es nicht ganz. Die hinter dem 1988 gesprengten Ärztehaus befindliche und teilweise zu sehende Bebauung (Werkstätten und ein oder zwei direkt an der Freiberger Str. stehende Mehrfamilienhäuser sowie weitere Gebäude) hatte es noch bis in die Mitte der 2000er Jahre geschafft. Jetzt ist auf dieser Straßenseite nur noch die 122/124 übrig.

  • Mit dem Eilwagen durch den Plauenschen Grund (Teil I)

    Heute gibt es einen einschlägigen Beitrag ohne Zutat eigener Vergleichsmotive – in erster Linie deshalb, da ich die betroffenen Strecken anderweitig bereits ausreichend gewürdigt habe.



    Wir schreiben das Jahr 1927. Von den dunklen Schatten, die sich alsbald über die Lande legen werden, ist aktuell noch wenig zu spüren. Im Gegenteil: Nach Jahren des Mangels und der Austerität in allen Lebensbereichen kann auch die Städtische Straßenbahnverwaltung der Hauptstadt des Freistaates Sachsen wieder aus dem Vollen schöpfen. Musste man sich in der unmittelbaren Nachkriegszeit noch von der einen oder anderen Straßenbahnstrecke trennen, so kann man nun sogar an weiterreichende Planungen denken und sogar das eine oder andere Stückchen Neubautrasse in Betrieb nehmen. So geschehen auch am 15. Februar 1927 in Plauen, als die zwar kurze, aber doch sehr nützliche Verlängerung der Linie 1 vom Chemnitzer Platz zur Habsburgerstraße an der Plauenschen Grundbahn in Betrieb genommen werden konnte.


    Die Städtische Straßenbahn nutzte die Gunst der Stunde, um unter Zuhilfenahme des neuen Lückenschlusses eine völlig neue Betriebsart zu erproben: Offenbar ließ man sich von der großen Bahn inspirieren, und gleichzeitig mit der Eröffnung der besagten Verbindung in Plauen ging auch eine Straßenbahn- Eillinie in Betrieb. Sie verband von nun ab halbstündlich im Zuge der Linien 22 und 1 den Straßenbahnhof Freital mit dem Dresdner Hauptbahnhof und ließ dabei wenig frequentierte Zwischenhalte einfach aus. So hoffte man, die Reisegeschwindigkeit signifikant zu steigern. Doch lassen wir hierzu die Sächsische Volkszeitung vom 15. Februar 1927 zu Wort kommen:



    Zum Einsatz auf der neuen Prestigelinie kamen ausschließlich die zu jener Zeit neuesten und schnellsten Wagen aus einer bedeutenden Serie großer sechsfenstriger Triebwagen, die weithin als „MAN-Wagen“ bekannt wurden. Besonders interessant im obigen Artikel sind die Aussagen zur Fahrzeugbeschilderung. Leider lassen die wenigen Schwarzweiß-Fotografien, die es von der Linie gibt, keine eindeutigen Befunde zu, doch scheint es auf der folgenden Fotografie aus dem DVB-Archiv, die mit Personal im Straßenbahnhof Freital entstand, doch so, als ob die Beschriftung tatsächlich abweichend von den Standardlinien in Rot vorgenommen wurde, denn die Schrift erscheint sehr hell. Zu erkennen sind auch die roten liegenden Kreuze in den Ecklaternen, die anfangs anstelle einer Nummer der Linienerkennung dienten.




    Aus dieser und weiteren Fotografien konnte der Autor die folgenden Ausführungen zur Beschilderung rekonstruieren. Die Grafik zeigt auch die weitere Entwicklung der Linie, die trotz ihrer Kurzlebigkeit unter ihrer späteren Liniennummer „30“ Eingang in die Annalen der Dresdner Nahverkehrsgeschichte gefunden hat.




    Es dauerte aber nur wenige Tage, und schon war die Euphorie über die neuartige Verbindung tiefer Ernüchterung gewichen. Die überhöhten Fahrpreise sorgten für eine recht spärliche Nutzung, und so fand man bereits am 20. Februar die folgenden lyrischen Ergüsse n der Sächsischen Volkszeitung, die die Problematik der Linie pointiert auf den Punkt bringen:




    Das Auslassen von Haltestellen mag ja in der Theorie ganz gut funktioniert haben. Was aber, wenn der Eilwagen, der sich ja seine Strecke mit regulären Linien teilen musste, auf eine verspätete 1 oder 22 auflief? Dann zuckelte man hinterher, und der entrichtete doppelte Fahrpreis für die versprochene schnelle Beförderung war gelinde gesagt für den Allerwertesten. Erschwerend kam hinzu, dass die Eilwagen nur aller 30 Minuten verkehrten – für eine Großstadtlinie alles andere als ein akzeptables Angebot…


    Die Städtische Straßenbahn musste reagieren. Einen willkommenen Anlass boten Gleisbauarbeiten am Hauptbahnhof, so dass die Wagen ab 25. März weiter in die Stadt zum Georgplatz verkehrten. Eine nachträgliche Meldung aus der Sächsischen Volkszeitung vom 31. des Monats:




    Und auch dies war nur von kurzer Dauer, denn mit dem Sommerfahrplan 1927 erhielt die Linie nicht nur ihren endgültigen innerstädtischen Endpunkt am Rathenauplatz, sondern auch ihre Nummer, wie diese Meldung vom 2. Mai, wiederum aus der SVZ, den geneigten Leser kund und wissen lassen:




    Dergestalt zeigte sich nun die Linienführung der „30“ bis zu ihrem verfrühten Ende im Oktober desselben Jahres:




    Nach dieser Dokumentenflut gehen wir erst einmal auf historische Entdeckungsreise mithilfe historischer Postkartenmotive und Aufnahmen aus der Deutschen Fotothek. So kurzlebig wie die Linie 30 war ist es nicht verwunderlich, dass man sie auf Stadtplänen weitgehend vergeblich sucht. Fündig geworden bin ich jedoch im Kartenforum der Deutschen Fotothek: Der Kleine Klemich von 1927 beweist ihre Existenz! Hier ein Ausschnitt rund um den Rathenauplatz am Altstädter Brückenkopf der Carolabrücke. Die „30“ nahm zwischen Rathenau- und Georgplatz den Weg über die Ringe – ohne den Plan hätte ich dies nicht endgültig verifizieren können, denn theoretisch hätte sie auch über Amalien- und Johannisstraße verkehren können.




    So zeigte sich der Rathenauplatz vor der Zerstörung. Blick von der Carolabrücke auf das Redlichhaus zwischen Amalienstraße (links) und Moritzring (rechts). Am linken Bildrand ist der Elbberg erkennbar, der hinunter zum Terrassenufer führte. Sein westliches Pendant ist der noch heute in veränderter Lage vorhandene Hasenberg am Gondelhafen.




    Einmal gedreht, Moritzring. Das Reichsbankgebäude entstand erst ein Jahr nach dem Ende unserer Eillinie. Dennoch vermag das Bild die Stimmung der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre recht gut wiederzugeben. Der Beiwagen des Zuges der Linie 12 zeigt die mit den Hechtwagen Ende der zwanziger Jahre neu eingeführte cremefarbene Lackierung, die bereits vom städtischen Kraftomnibusbetrieb bekannt war.




    Nach Passieren des Moritzringes, in etwa da, wo auch heute noch die Straßenbahntrasse der Linien 3 und 7 verläuft, traf unsere Eillinie 30 auf den Pirnaischen Platz. Den Kaiserpalast lassen wir in diesem Falle rechts liegen. Im Hintergrund sehen wir den Endpunkt am Rathenauplatz, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Postkarte noch Amalienplatz hieß. Die Benennung nach dem ermordeten Außenminister erfolgte 1922.




    Ein Bild aus den dreißiger Jahren: Kaiserpalast aus der Johannisstraße gesehen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme waren die Gleisanlagen bereits vereinfacht worden: Nunmehr bestand zwischen Prager Straße und Rathenauplatz nur noch ein Richtungsgleis pro Straßenzug: Nach Norden ging es durch die Johannis- und Amalienstraße, nach Süden über die Ringe. Die „30“ wäre in der alten Form nun also nicht mehr möglich gewesen…




    Nächster Halt war am Georgplatz. Den mächtigen Komplex der 1. Bürger- und 9. Bezirksschule konnte man auch aus der „30“ heraus erspähen.




    Blick vom südlichen Georgplatz auf das Neue Rathaus. Heutiger Standort des Fotografen wäre die Grüninsel an der Einmündung der Bürgerwiese. Die wohl auf immer verlorengegangene Urbanität der Dresdner Innenstadt schmerzt mich persönlich erheblich mehr als der Verlust der Einzelarchitekturen…




    Ähnliche Perspektive, rechts ist die neogotische Kreuzschule sichtbar. Wir befinden uns etwas abseits der Strecke der Linie 30 und begeben uns daher zur Waisenhausstraße.




    Blick in die Waisenhausstraße vom Georgplatz aus. Im Hintergrund sind die hohen Giebel des Victoriahauses zu erahnen. Auch in der Waisenhausstraße verschwand das Doppelgleis Anfang der dreißiger Jahre, und sie wurde nur noch in Richtung Georgplatz befahren. In der Gegenrichtung fuhr man ab dato über den benachbarten Friedrichsring, heute Dr.-Külz-Ring. Die aktuelle Gleistrasse liegt auf der ehemaligen Inselbebauung zwischen den beiden parallelen Straßenzügen.




    Weithin bekannt ist das 1891/92 in Neorenaissanceformen anstelle des gleichnamigen Hotels errichtete Victoriahaus, hier aus ungewohnter Perspektive aus der Prager Straße gesehen. Die Linie 30 folgte der 1 und bog wie diese in die Prager Straße ein. Heute befindet sich an exakt auf dem Grundstück des Victoriahauses die Straßenbahnhaltestelle „Prager Straße“.




    Vom Ende der zwanziger Jahre, also genau in dem für uns interessanten Zeitraum, entstand diese Aufnahme. Vorn die Kurve in die Waisenhausstraße, im Hintergrund ein Kraftomnibus der Linie E, die ebenfalls als Eillinie deklariert war und den Hauptbahnhof mit dem Weißen Adler verband, um die Linie 11 zu entlasten.




    Die Prager Straße, in der die „30“ alle Haltestellen bediente, habe ich bereits im Beitrag zum 5-Pfennig-Omnibus recht ausführlich abgehandelt. Daher sollen einige wenige Motive genügen. Hier blicken wir von der Ecke zur Ferdinandstraße nach Norden, links die großen Fenster der Centralpassage.




    Hotel Sendig – Deutscher Hof an der Ecke Prager Straße/Sidonienstraße. Genau hier befindet sich heute der namenlose Weg zwischen „Prager Spitze“ und Mercure-NEWA.




    Die südliche Prager Straße, mittig im Hintergrund das Sendig-Hotel. Die Aufnahme entstand in den dreißiger Jahren, denn das Hecht-Zeitalter hat die „30“ nicht mehr erlebt. Man beachte auch den regen Kraftomnibusverkehr parallel zur Straßenbahn…




    Blick vom Wiener Platz in die Prager Straße zur gleichen Zeit, rechts die Feuerversicherung. Das ehemalige Kaiser-Café wird nun von der KVG Sachsen belegt, die hier eine Wartehalle für die Passagiere ihres Busbahnhofes am Wiener Platz unterbrachte – heute hieße so etwas wohl Servicepoint oder Mobilitätszentrale.




    Wir haben den Hauptbahnhof erreicht, der in den ersten Wochen ihres Bestehens als Dresdner Endpunkt der noch namenlosen Eillinie diente. Ausschnitt aus dem Klemich-Plan von 1927.




    Eine sehr kraftomnibuslastige Aufnahme vom Ende der zwanziger Jahre. Der städtische Büssing-Hochrahmen nimmt auf dem Wiener Platz von hinten seine Fahrgäste in Richtung Löbtau auf – der Heckeinstieg der ersten Kraftomnibusse von 1925 wurde später verschlossen und dafür seitlich ein neuer angelegt. Links angeschnitten der Omnibusbahnhof der KVG Sachsen, damals einem der größten deutschen Omnibusbetriebe überhaupt. Die staatliche Kraftwagenverwaltung war Verläufer der Kraftverkehrs-Kombinatsbetriebe zu DDR-Zeiten. Nicht umsonst nutzte der Kraftverkehr Dresden das Gelände noch bis in die 1990er Jahre…




    Die gleiche Perspektive aus dem gleichen Zeitraum, nun aber mit Straßenbahnverkehr. Der Büssing-Niederrahmen der Linie J kommt aus Cotta (Pennricher- oder Blumenthalstraße) und fährt weiter über Prager Straße, Altmarkt, Schloßstraße, Georgentor, Augustusbrücke und Hauptstraße zum Neustädter Bahnhof. Der halb verdeckte Straßenbahnzug dahinter ist eine „11“, die bis 1928 zur Nürnberger Straße (heutiger Endpunkt Südvorstadt), danach nach Zschertnitz fuhr, eindeutig identifizierbar am leichten „Bühlauer Beiwagen“ ohne Oberlicht. Nicht zu identifizieren ist der Gegenzug, es dürfte sich aber mit einiger Wahrscheinlichkeit um eine aus Plauen kommende „1“ handeln.




    Der Bereich der Haltestelle der Strecken nach Süden zwischen den Brücken kurz nach der Jahrhundertwende. Noch geht es hier eher geruhsam zu, und die beiden gelben Triebwagen der späteren Linie 1 sind noch unter sich.




    Ein Sprung in die zwanziger Jahre, also genau jene Zeit, die uns interessiert: Die Haltestellen haben mittlerweile Inseln erhalten. In Richtung Prager Straße sehen wir einen typischen Zug der Linie 1, der gerade seinen Fahrgastwechsel vollführt, bestehend aus einem vierfenstrigen MAN-Triebwagen und einem großen sechsfenstrigen Beiwagen mit Oberlicht – ein baugleiches Fahrzeug ist mit der Nummer 1135 in der Sammlung des Dresdner Straßenbahnmuseums erhalten. Beide Fahrzeuge entstanden kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Die alte Linie 1 ging aus der allerersten Pferdebahnlinie Blasewitz – Böhmischer Bahnhof von 1872 hervor und bestand zuletzt beidseitig verlängert in der Relation Planettastraße (Altplauen) – Loschwitz (Grundstraße) bis zum 13. Februar 1945. Der links entschwindende Beiwagen 33 gehört zu einer „11“. Für die steile Bühlauer Außenbahn wurden extra leichte, kleine Anhänger beschafft, die in aller Regel auch nur dort zum Einsatz kamen. Nach dem Krieg überflüssig geworden, wurden sie in den 1950er Jahren verschrottet oder verkauft, sie kamen zum Beispiel auch noch in Cottbus oder Schwerin zu weiteren Ehren.
    (Deutsche Fotothek)




    Haltestellen der Straßenbahn unter den Brücken in Richtung Prager Straße geblickt. Der Büssing-Hochrahmen der Linie A hat seine Fahrgäste schon auf dem Wiener Platz eingesammelt (hinterrücks, wie wir gesehen haben) und dröhnt in Richtung Süden, wo er am Nürnberger Platz zum „Ei“ abbiegen und seine Kundschaft in Richtung Löbtau und weiter nach Obergorbitz bugsieren wird. Hinter der Brücke rechts noch einmal die Feuerversicherung am Wiener Platz, in etwa da, wo sich heute die „Prager Spitze“ befindet.




    Die Szenerie von oben, etwa zwanzig Jahre früher. Fast unscheinbar wirkt in all dieser großstädtischen Pracht der Kreuzkirchturm am Horizont.




    Endgültig vom Hauptbahnhof verabschieden wir uns mit einer weiteren Fotothek-Aufnahme und einem Zug der Linie 11, wie er vor Einführung der großen Hechtwagen typisch war. Die Steilstrecke nach Bühlau, insbesondere der Hirschberg, verlangten stets nach besonderem Rollmaterial. Bis zur Übernahme des Betriebs durch die „Hechte“ Anfang der dreißiger Jahre kamen die 1899 mit der Strecke in Betrieb genommenen ehemals „gelben“ Triebwagen der Bühlauer Außenbahn zum Einsatz, die über eine stärkere Motorisierung und zusätzliche Fallklotzbremsen verfügten. Meist zogen sie einen der kleinen „Bühlauer Beiwagen“ aus den Werkstätten der Städtischen Straßenbahn. Zur Gewichtseinsparung verzichtete man beispielsweise auf das in Dresden bis in die zwanziger Jahre übliche Oberlichtdach und baute dafür eine Reihe kleiner Belüftungsfenster an den Wagenseiten ein.


    Der Zug befindet sich direkt auf der Kreuzung mit den ehedem „roten“ Gleisen in der Bismarckstraße, die seit 1909 nicht mehr linienmäßig befahren wurden. Ebenfalls gut erkennbar ist der Abzweig von den Brücken in die Strehlener Straße, bis 1949 die stadtseitige Anbindung der Zschertnitzer Strecke. Bis zum Neubau der Brücken am Hauptbahnhof erinnerte an dieser Stelle ein Gleisdreieck für operative Umleitungen an die ehemalige Straßenbahnstrecke. Auf dem Bild kommt die „11“ noch aus der Südvorstadt, 1928 wurde sie dann für einige Jahre anstelle der „5“ nach Zschertnitz gelegt, wo sie auch heute wieder heimisch ist.




    Unsere „30“ durchfuhr die nun folgenden Haltestellen in der Reichsstraße ohne Zwischenstopp und nahm erst am Reichsplatz wieder Fahrgäste auf. Wir blicken von den Brücken am Hauptbahnhof die heutige Fritz-Löffler-Straße entlang nach Süden. Rechts angeschnitten sehen wir das „Grand Union Hotel“, eines der besten Häuser der Stadt, welches allerdings die Inflationszeit nicht überlebte. Ab 1924 wurde der repräsentative Bau als Verwaltungsgebäude der Sächsischen Werke genutzt. Von all dieser Pracht blieb nur ein Hintergebäude, bis zum Neubau des ENSO-Hauses an der gleichen Ecke noch durch die Verwaltung der Energieversorgung Sachsen Ost genutzt und in den 1990ern abgerissen.




    Technische Hochschule am Bismarckplatz. Auch diese Bauten überlebten die Zerstörung nicht, heute stehen hier 11geschossige Wohnblöcke. Ums Eck an der östlichen Platzfront des heutigen Friedrich-List-Platzes erhebt sich seit Ende der 50er Jahre die durch Richard Paulick entworfene Verkehrshochschule, heute Heimstatt der HTW, und setzt damit die Tradition der Bildungseinrichtungen an diesem Standort fort.




    Leider reicht der „Kleine Klemich“ nur bis zur Südvorstadt, so dass wir uns nun letztmalig auf den Plan stützen können. Gehalten wurde durch die 30 nur am Reichs- und am Münchner Platz, die Haltestellen am Nürnberger Platz und an der Würzburger Straße wurden ohne Halt durchfahren.




    Reichsplatz 1904, eine Aufnahme aus den zwanziger Jahren habe ich nicht gefunden. In Bildmitte die nicht mehr vorhandene Amerikanische Kirche St. John, die erkennbaren Gleise folgen schnurgerade der Bergstraße und gehören zur 1933 eingestellten Räcknitzer Strecke der Linie 6. Die noch heute vorhandene Plauener Strecke liegt außerhalb des Bildmotivs zur linken. Rechts die Terrassen des Bergkellers, einst ein beliebtes Ausflugslokal. Leider überlebte das Etablissement die zunehmende Verstädterung der Umgebung und die damit verbundene Verbauung der ehedem schönen Aussicht nicht und musste noch vor dem Ersten Weltkrieg schließen. Im Hintergrund erhebt sich stolz die Lukaskirche – der Wiederaufbau ihres Turmhelms ist ja aktuell ein heißes Thema. Nur ist der freie Blick durch die Studentenheim-Hochhäuser an der Bergstraße verstellt.




    Reichsplatz, diesmal mit Münchner Straße, rechts wiederum die Hänge des Bergkellers. Der Zug kreuzt gerade die Gleise der Linie 6. Nur die Russisch-Orthodoxe Kirche ist heute noch vorhanden.




    Und weiter ging es bergan. Münchner Straße mit Nürnberger Platz, die abbiegende Strecke zur Nürnberger Straße fehlt noch. Die Straßenzüge, wenngleich stark ausgebaut, sind heute noch vorhanden, ebenso die Aufspaltung der Strecke nach Plauen in die beiden Richtungsfahrbahnen der Münchner Straße. Nur die alte Bebauung fehlt nahezu vollständig – wir befinden uns am Rand des Totalzerstörungsgebiets.




    Einmal gedreht, das Eckhaus zwischen Münchner und Nürnberger Straße. Dort entsteht aktuell ein Studentenwohnheim, womit der Nürnberger Platz erstmals seit 1945 wieder einen Hauch städtebaulicher Fassung erhält. Auch hier fehlt die erst 1913 hinzugefügte Strecke zum Nürnberger Ei, die „1“ strebt auf ihrem Weg nach Loschwitz der Innenstadt entgegen.




    Weiter in Teil II.

  • Mit dem Eilwagen durch den Plauenschen Grund (Teil II)

    Der Nürnberger Platz wurde durch die Eilwagen ohne Halt durchfahren, erst am Münchner Platz wurde wieder ein Stopp eingelegt. Dort galt es u.a., das mächtige Landgerichtsgebäude (1902 bis 1907) anzudienen, noch heute eine wichtige Landmarke des Dresdner Südens. Am Münchner Platz endet die Totalzerstörungszone, und ab sofort begegnet man wieder zunehmend der Vorkriegsbebauung.




    Münchner Platz, Blick in Richtung Innenstadt. Auf der rechten Straßenseite der Münchner Straße, schon damals mit Richtungsgleisen, haben bis zur Helmholtzstraße einige der repräsentativen Jugendstilbauten die Zerstörung überstanden. Man kann nur hoffen, dass die einsetzende Bebauung rund um Münchner und Nürnberger Platz in den nächsten Jahren die noch heute bestehenden städtebaulichen Wunden zügig heilen wird.




    Blick auf die westliche Platzseite zwischen Bamberger und Hübnerstraße kurz nach der Erbauung. Dahinter besteht noch freies Feld in Richtung der Chemnitzer Straße.




    Ähnliches gilt für den Blick südwärts in Richtung Nöthnitzer Straße. Die großen Häuser der Eisenbahner-Baugenossenschaft entlang der Münchner Straße wurden erst ab Ende der zwanziger Jahre errichtet.




    Der Ausgang der Münchner Straße an der Bienertstraße mit dem „Münchner Hof“. Im Vordergrund sehen wir das landwärtige Gleis in die Nöthnitzer Straße abbiegen, diese Situation bestand bis 1945. Der Straßenbahnverkehr nach Plauen wurde erst 1953 wieder aufgenommen, allerdings nur bis zu einer neu geschaffenen Gleisschleife an der Nöthnitzer Straße. Seit 1999 führen die Gleise ab hier weiter den Hang hinauf nach Coschütz – doch dies ist eine andere Geschichte…




    Wir schauen einmal ums Eck in die Nöthnitzer Straße. Von 1900 bis 1909 befand sich hier der Endpunkt der ab 1906 als „1“ bezeichneten Plauener Linie an der Bernhardstraße. Der Weiterbau der Gleise in Richtung Chemnitzer Platz erfolgte neun Jahre später. An der nunmehrigen Zwischenhaltestelle hielt 1927 auch die „30“.




    Auf dieser Postkarte aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg nennt sich der Chemnitzer Platz noch Rathausplatz. Der Blick geht über den Müllerbrunnen zum repräsentativen Rathaus, das sich die Gemeinde Plauen noch 1893/94 durch das renommierte Büro Lossow und Viehweger hatte errichten lassen, gerade einmal zehn Jahre vor der Einverleibung nach Dresden. Die im Hintergrund sichtbare Straßenbahn gehört zur Linie 15 und fährt, aus der Chemnitzer Straße kommend, weiter den Berg hinauf bis zum Endpunkt an der Plauener Ringstraße. Ab dort wurde ebenfalls im Jahre 1927 die neue Strecke nach Coschütz angebunden...




    Eine ähnliche Perspektive, diesmal jedoch erspähen wir neben dem Rathaus eine „1“ an ihrem 1909 in Betrieb genommenen Endpunkt. Hier bestanden günstige Umsteigebeziehungen zur Linie 15. Ein Straßenbahnknoten ist der Chemnitzer Platz seit 1945 nicht mehr, dafür aber wenigstens seit 1999 ein Busknoten, nach Jahrzehnten als nahverkehrliche Diaspora…




    Die Gegenrichtung. Im Gegensatz zum Rathaus gehört das Restaurant Müllerbrunnen zu den Kriegsverlusten. Auf der Straße im Vordergrund wurde die am 15. Februar 1927 in Betrieb genommene Verlängerung nach Altplauen (Habsburger Straße) angelegt – zeitgleich nahm auch die Eillinie ihren Betrieb auf.




    In Altplauen ging es vorbei an der Auferstehungskirche, deren Geschichte bis ins Mittelalter zurückverfolgt werden kann.




    Eine Voraussetzung für die Inbetriebnahme der Verbindung zur Habsburger Straße war die Höherlegung der Gleisanlagen in Plauen. Dabei wurde 1926 auch ein neuer Haltepunkt an der Bienertmühle in Betrieb genommen. Links sichtbar ist das Streckengleis, rechts das Anschlussgleis zur Bienertmühle, was wegen der engen Kurven das Streckengleis bei den Einfahrten in das Mühlengebäude linkerhand kreuzen musste.




    Blick über die Weißeritzbrücke zur Habsburgerstraße. Die Aufnahme entstand vor 1922, denn noch quert die Plauensche Grundbahn die Weißeritz, um gleich vor der Bienertmühle in die alte Staatsstraße rechts der Weißeritz einzubiegen. Heute kann man hier entlangwandern, doch an die neue Straße am anderen Weißeritzufer entlang der Ratssteinbrüche war damals noch nicht zu denken. Die Brücke aber wurde durch die neue Verbindungsstrecke zum Chemnitzer Platz nachgenutzt, und nach dem Krieg wurde hier 1945 die Coschützer Strecke provisorisch angebunden. Der Straßenbahnverkehr in Altplauen endete endgültig 1998.




    Ab hier folgte die Eillinie der „22“ auf ihrem Weg durch den Plauenschen Grund. Dort hielt sie nur einmal, nämlich an der Gitterseebrücke. Zuvor jedoch passierte sie zahlreiche bekannte Höhepunkte der Strecke, wie die Felsenkeller-Brauerei. Rechts im Vordergrund sehen wir den bis 1926 bedienten alten Plauener Bahnhof. Das Gebäude hat alle Irrungen und Wirrungen der Zeit überstanden, inklusive der Jahrhundertflut 2002, und ist heute als „Kunstbahnhof“ bekannt.




    Felsenkeller, Blick in die Gegenrichtung. Rechts der Aussichtsturm auf dem Hohen Stein, linkerhand wiederum der Bahnhof Plauen und dahinter am Horizont die zahllosen Schornsteine der Fabriken in Plauen und Löbtau.




    Ein weiterer Blick auf den Felsenkeller, diesmal jedoch vom Straßenniveau. Die Staatsstraßenbahn durch den Plauenschen Grund wurde 1902 mit einem gewissen Triebwagen 309 der Deutschen Straßenbahngesellschaft in Dresden eröfnet…




    Blick auf den Plauenschen Grund vom Schweizerbett, im Tale die Königsmühle.




    Gegenüber liegt noch heute die „Goldene Krone“, oder zumindest deren ruinöses Gemäuer.




    Eine der bekanntesten Landmarken des Plauenschen Grundes ist zweifelsohne die Begerburg. Heute ist diese Ansicht durch die Brücke der Bundesautobahn 17 verbaut.




    Unweigerlich nähern wir uns dem Territorium der 1921 aus berechtigter Angst vor der Zwangseinverleibung nach Dresden gegründeten Stadt Freital. Zuvor geht der Blick über den südlichen Plauenschen Grund und die aus dem kurfürstlichen Kupferhammer hervorgegangenen König-Friedrich-August-Mühlenwerke. Anstelle von Kupfer wurde an jener Stelle seit dem 19. Jahrhundert Mehl und Brot produziert. (Deutsche Fotothek).




    Luftbild von Potschappel. In Bildmitte der Bahnhof, der nach Vereinigung der Grundgemeinden zur Stadt Freital kurzzeitig den Namen „Freital Nord“ trug. Hier bestand nicht nur Anschluss an die Vorortzüge der Albertsbahn in Richtung Tharandt und Freiberg, sondern auch zur Schmalspurbahn Potschappel – Wilsdruff – Nossen. Davor das Potschappler Rathaus mit seinem markanten Turm.




    Am Rathaus Potschappel vor dem Ersten Weltkrieg. Die „22“ hatte seit 1909, als sie vom Postplatz aus mit der alten 30 zusammengelegt wurde, noch einen langen Weg durch Dresden bis zur Altenberger Straße vor sich. Ein einzelner ehemals „roter“ Triebwagen musste genügen. Die städtische Nummer 530 war übrigens die „rote“ 308, Nummernnachbar der noch heute vorhandenen 309 aus derselben Serie, die eigens für die Plauensche Grundbahn angefertigt worden war. (Deutsche Fotothek)




    Straßenszene in den dreißiger Jahren. Die „22“ ist nun ausgewachsen und hat das Farbkleid geändert. Die Eillinie 30 war zu diesem Zeitpunkt bereits als kurze Episode in den Annalen der Dresdner Nahverkehrsgeschichte entschwunden. (ebenfalls Deutsche Fotothek)




    Und das war auch nicht verwunderlich. Begeben wir uns zurück ins Jahr 1927. Vor allem die Freitaler beklagten weiterhin die Unzulänglichkeiten der Eillinie und forderten neben der Verkürzung der nur halbstündlichen Wagenfolge unter anderem auch die Verlängerung der Linie bis Hainsberg. Doch mit derlei Begehrlichkeiten stießen sie bei der Städtischen Straßenbahnverwaltung auf taube Ohren. So häuften sich in der Presse die einschlägigen Beschwerden, stellvertretend ein Auszug aus den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 27. August. Erstmals ist auch von einer „Einziehung“ der Linie die Rede, sie sollte allerdings noch eine Gnadenfrist erhalten…




    Doch irgendwann war die Geduld aufgebraucht, denn es stellte sich keinerlei Besserung ein. Mit dem ab 18. Oktober 1927 geltenden Winterfahrplan entschwand sie sang- und klanglos. Dafür wurde allerdings jeder zweite Wagen der Linie 1 nun bis Freital und, oh Wunder, weiter bis Coßmannsdorf geführt, etwas, was man der 30 nie zugestehen wollte.




    Am Straßenbahnhof Freital steht der Triebwagen 1620 aufgeschildert als „30“ bereit, gesäumt von stolz dreinblickendem Personal. Die Dienste dürften sicherlich begehrt gewesen sein, denn der Stressfaktor dürfte sich bei den wenigen Fahrgästen doch in Grenzen gehalten haben.




    Und was bleibt von der Eillinie 30? Nichts, bis auf ein Emaille-Schild der eingangs im Zeitungsartikel erwähnten Haltestellenbeschilderung, was auf wundersame Weise die Wirren der Zeit überlebt hat und heute im Straßenbahnmuseum Dresden ein eher unbeachtetes Dasein fristet.




    Schließen möchte ich mit einem Zielschild „Straßenbahnhof Freital“ aus meiner Sammlung. Es dürfte aus den fünfziger oder sechziger Jahren stammen. Anstelle des Straßenbahnhofs, der bis zur Betriebseinstellung der Plauenschen Grundbahn 1974 noch in Betrieb war und danach vom Kraftverkehr nachgenutzt wurde, erstreckt sich heute der Busbahnhof in Freital Deuben.


  • Diese Beiträge zu lesen- welch ein Hochgenuss!

    Lieber „antonstädter“, liebe Forenmitglieder,
    ich habe mich in Absprache mit dem Admin hier registriert, obwohl ich nicht dem Architekturfache angehöre, wohlwissend, dass ich eigentlich nichts in diesem Sinne beitragen kann. Ich bin begeisterter Eisenbahnfan und eher in jenen Foren unterwegs. Aber ich bin ehemaliger Dresdner und habe aufgrund meines Jahrgangs 1965 einschlägige Straßenbahnerfahrungen. Seit längerer Zeit begebe ich mich deshalb auf die Spuren meiner Kindheitserinnerungen. In Striesen wohnend besuchte ich als Kind regelmäßig meine Oma in Weinböhla. Das waren 1 ¼ Stunden in Gotha- oder Lowa-Wagen, von der Augsburger Straße bis zum Endpunkt Weinböhla. Ich erinnere mich da auch dunkel noch an die ursprüngliche Route über die ehemalige Rosa-Luxemburg-Straße (Heinrichstraße). Auch den O-Bus zum Schillerplatz kenne ich noch, wie oft musste der Bügel neu eingehängt werden. Später fuhr ich als Schüler mit der „1“ nach Cossebaude ins Theater der Jungen Generation. Erinnerungen über Erinnerungen…
    Und dann stoße ich durch Zufall Google auf die Berichte von Dir, lieber „antonstädter“, und kann nur über eine Registrierung hier meiner Begeisterung und Bewunderung Ausdruck verleihen. Von der Aufbereitung des Themas (Prolog, Epilog, historische Vergleiche in Bild und Wort, Kartenmaterial) bis zur sprachlichen Umsetzung ein Hochgenuss! Was für eine unglaublich zeitintensive und qualitativ hochwertige Arbeit! In dieser leider so oberflächlichen Zeit so etwas zu lesen, macht mir wieder etwas Mut. Ich melde mich auch deshalb, weil in den Berichten zwischendurch Zweifel bezüglich der Mitleserschaft angedeutet wurden. Mitnichten! Ich lese immer wieder in den Beiträgen, überlege schon, wie man das dauerhaft sichern könnte. Viele Freunde von mir haben bereits den Link erhalten.
    Ich bedanke mich aus tiefstem Herzen dafür!
    Was mir ebenso auffiel, ist der stilvolle Umgang im Forum. Wie hier Hinweise gegeben, Ergänzungen erläutert und diese dankbar reflektiert werden – meine Hochachtung! Das spricht für Niveau. Für mich als Laien taten sich auch architekturmäßig neue Dinge auf, mein Blick hat sich geschärft. Was uns eint, ist auch die Liebe zum Detail. Ich selbst habe einen alten kleinen Bahnhof (Bf Duben) einer ehemaligen Nebenstrecke (NLE) in der Nähe des Spreewaldes erworben und zur Wohnstätte meiner Familie erkoren. Die Restauration alter Backstein-Zierlinien, die Wiederherstellung der geschwungenen Abschlüsse der Dachbalken im sichtbaren Außenbereich (man möge mir die fehlenden Fachausdrücke verzeihen), das Anbringen aufgearbeiteter Elektrotechnik bis hin zum passenden Reichsbahn-Emailleschild, all das bereitet mir Vergnügen und große Befriedigung.
    Nochmals herzlichen Dank, besonders Dir, lieber „antonstädter“,
    mit besten Grüßen aus dem Bf Duben und großer Vorfreude auf weitere schöne Beiträge
    Eckhard:lach:

  • ^Und ich möchte mich sehr für diese netten und aufmunternden Worte bedanken. Auch das ist heutzutage leider nicht mehr selbstverständlich.


    Ich habe aktuell nicht mehr die Zeit noch die Muße, die Beitrage in einst gewohnter Frequenz zu verfassen. Es ist auch nicht immer einfach, die beiden scheinbar recht unterschiedlich gearteten Themen Verkehrs- und Stadt- resp. Architekturgeschichte miteinander zu verbinden, aber genau das ist der Aspekt, der mich persönlich noch mehr fasziniert als rein technische oder faktische Belange. Die rasanten Veränderungen des Stadtbildes laden außerdem zu neuen Vergleichsgängen ein, so dass in der Zunkunft mit weiteren thematischen Begehungen gerechnet werden kann.


    Außerdem öffnen sich zunehmend neue Quellen wie beispielsweise die digitalisierte Version der Tageszeitungen in der SLUB, die ohne aufwendige Vor-Ort-Recherchen vornehmen zu müssen mir zum Teil unbekannte Details erschließen. So ist auch der Beitrag zur Eillinie 30 erst möglich geworden, denn bislang war mir die Lage der bedienten Haltestellen völlig unbekannt. Auch in der einschlägigen Literatur findet sich hierzu bislang überhaupt nichts, so dass ich mich entschieden habe, diese Recherchen auf jeden Fall in geeigneter Form zu veröffentlichen.


    Die Zeitungsmeldungen bieten auch weitere interessante Ansätze zur weiteren Betrachtung - ich habe da schon so meine Ideen. Außerdem werde ich mir auch die Innere Alt- und Neustadt noch einmal systematischer vornehmen, hierzu würde ich aber gern die Fertigstellung der Augustusbrücke abwarten, denn die momentane Baustelle lässte brauchbare aktuelle Fotografien nicht zu.


    Schaun mer mal. und viele Grüße nach Duben! Ich finde es auch toll und bemerkenswert, wenn sich Eigentümer der Werte ihrer historischen Häuser bewusst sind und diese mit viel Linie bewahren. Dafür auch meine Hochachtung.