Die Berliner Zeitung vom letzten Wochenende hat auch einen Beitrag von Nikolaus Bernau zur IBA gebracht. Insgesamt wird die Absage der IBA bedauert. Einerseits hätte Berlin damit renommierte Architekten, wie Jean-Philipp Vassal, vor den Kopf gestoßen. Anderseits würden die IBA-Themen, wie die Aufwertung der Peripherien, aber auch Bürgerbeteiligung, ökologischer Stadtumbau, Wohnungsbau in jedem Fall anstehen. Und zu alledem wären mit der IBA-Absage kreative Ideen in der Verwaltung ausgebremst worden.
Weiterhin kommentiert er den aktuellen Machtkampf zwischen Stadtentwicklungssenator Michael Müller und SPD-Landeschef Jan Stöß. Seiner Meinung nach hätte Stöß die IBA nur torpediert, weil diese Michael Müller Profilierungschancen geboten hätte. Diese Vorgehensweise bewertet der Beitrag sehr kritisch. Er bescheinigt Stöß zwar "anerkannte Intrigenfähigkeiten", aber einen Mangel an überzeugenden Alternativkonzepten.
http://www.berliner-zeitung.de…an,10809150,23612338.html
Was mich an diesem Geschehen beunruhigt, ist nicht so sehr die Absage der IBA, wenn auch ich sie als einen Fehler betrachte. Was ich bedenklich finde, ist die Vorstellung, dass die Berliner Stadtentwicklungspolitik auch in Zukunft durch den Machtkampf Müller contra Stöß gelähmt wird. Meiner Meinung nach geht es bei diesem Konflikt nicht so sehr um das Amt des Regierenden Bürgermeisters (Wowereit wird noch längere Zeit im Amt bleiben), sondern es geht um den Posten des Stadtentwicklungssenators. Jan Stöß hat zwar den Landesvorsitz erkämpft, aber ein Landesvorsitzender ohne Regierungsamt kann nicht viel durchsetzen, das hat zuletzt Detlef Dzembritzki erfahren müssen. Daher entwickelt er derzeit vielfältige Bemühungen, um Müller aus dem Amt zu drängen. Zu diesem Zweck hat er sich auch mit dem konservativen Lager um den ehemaligen Senatsbaudirektor Hans Stimmmann verbündet. Vermutlich glaubt er, auf diese Weise einflussreiche Unterstützer gewinnen zu können.
Ich bin allerdings der Meinung, dass er sich mit dieser Strategie in eine Sackgasse manövriert hat. Einerseits hat Stöß unterschätzt, wie unbeliebt Stimmann und seine Truppe in Berlin ist. Diese Ablehnung hängt weniger mit den Positionen dieses Lagers zusammen, als mit seinem Dogmatismus, seiner Engstirnigkeit, seiner Intoleranz gegenüber anderen Vorstellungen von Urbanität. Selbst für viele Architekten und Stadtplaner, die Regula Lüscher kritisch betrachten, ist die Rückkehr des Stimmann-Lagers an die Macht die reinste Horrorvorstellung. Daher haben die Vorstöße von Jan Stöß zweifellos einen Mobilisierungseffekt erzeugt - allerdings auf der Gegenseite.
Zweitens ist viel zu offensichtlich, dass dieses Bündnis nicht von gemeinsamen inhaltlichen Überzeugungen getragen wird, sondern dass es rein machttaktischer Natur ist. Beispielsweise hält Stimmann den Bau preiswerter Wohnungen durch landeseigene Wohnungsunternehmen für einen Irrweg. Er möchte den Wohnungsneubau lieber Privatinvestoren überlassen. Jan Stöß dagegen möchte die landeseigenen Gesellschaften zu einem umfangreichen Wohnungsneubau verpflichten. Daher wird Stöß kaum vermitteln können, warum er sich nun ausgerechnet mit dem Stimmann-Lager verbündet - mit einem entsprechenden Glaubwürdigkeitsproblem als Konsequenz.
Folgerichtig glaube ich nicht, dass Stöß demnächst Stadtentwicklungssenator werden wird. Er könnte aber dennoch in der Lage sein, viele Stadtentwicklungsprojekte zu torpedieren, weil sie Michael Müller Profilierungschancen eröffnen. Hier sehe ich die Gefahr.