Streit um Kreuzberg

  • Streit um Kreuzberg

    Kreuzberg gibt sich alternativ und weltoffen, ist aber in Wahrheit strukturkonservativ und auf die übelste Art proletarisch und verschlossen. Zuzügler, die nicht das gestörte Weltbild einer sich lautstark artikulierenden Einwohnergruppe teilen, werden als Feinde behandelt. Daher wäre hier Wohnungsbau ganz besonders wichtig. Unverständlich für mich, dass der Senat die Verhinderungspolitik der Bezirksgrünen und Linken auch noch unterstützt.


    Bezieht sich hierauf.
    Bato

    Einmal editiert, zuletzt von Saxonia ()

  • Kreuzberg gibt sich alternativ und weltoffen, ist aber in Wahrheit strukturkonservativ und auf die übelste Art proleterarisch und verschlossen.


    Wie kommst du darauf? Bitte um eine Erläuterung.
    Kreuzberg ist extrem facettenreich und hat nicht nur ein Gesicht. In dem Bezirk prallen einfach sehr unterschiedliche Menschen, Kulturen, Meinungen und Ansichten aufeinander. So unterschiedlich wie die Kreuzberger selbst sind auch die Feinde der Kreuzberger. ;)

  • Jaja, Multikulti wunderbar, schon klar. Die Struktur des Viertels selbst ist mir als Nicht-Anwohner eigentlich völlig wurscht. Nur dass nahezu alle Anwohner Zuzügler als Bedrohung ihres angeblich ganz besonderen Lebensstils wahrnehmen, ist schon etwas besonders abstoßendes. Dass Menschen dort hinziehen und sich die ständigen Angriffen auf ihre Habe oder ihre Häuser antun, lässt sich eigentlich nur mit der Gesamtberliner Wohnungsproblematik erklären. Diese Dymanik gilt es m.E. jetzt zu nutzen um den autonomen Mief der durch Kreuzberg und Friedrichshain wabert ordentlich durchzulüften.

  • Jaja, Multikulti wunderbar, schon klar.
    Nur dass nahezu alle Anwohner Zuzügler als Bedrohung ihres angeblich ganz besonderen Lebensstils wahrnehmen, ist schon etwas besonders abstoßendes.


    Habe ich geschrieben, dass ich Multikulti wunderbar finde?
    Man kann Kreuzberg nicht so schwarz-weiß malen wie du es hier tust. Es empfinden ganz bestimmt nicht "nahezu alle" Anwohner Zuzügler als Bedrohung. Das ist eine dreiste Unterstellung, die ich mir nur durch deine Unwissenheit erklären kann. Kreuzberg hat eine RELATIV große linksautonome Szene, die gegen Gentrifizierung ist. Ansonsten haben viele Kreuzberger Angst vor steigenden Mieten, was aber auch verständlich ist weil Kreuzberg von dieser Problematik besonders betroffen ist.

  • Natürlich ist Kreuzberg fremdenfeindlich. Nicht im ethnischen, kulturellen Sinne, aber fremdenfeindlich gegenüber allem, was nicht ins alternative Hippiemuster passt. Da muss man sich nur mal die Chronik der Anschläge auf "Luxuswagen" oder Neubauprojekte anschauen.

  • @ Saxonia: Meinst Du den frischen Wind, der entsteht, wenn die Mietpreise explodieren? Oder den, den die Umzugswagen verursachen, während sich die Bevölkerung austauscht? Im Ernst: Natürlich braucht Stadt Veränderung, und da gehört Bautätigkeit dazu. Aber anders als Du behauptest, ist Kreuzberg gerade in dieser Ecke (Wrangelkiez und Umgebung) ein sehr dynamischer Stadtteil, der eine zutiefst widersprüchliche Entwicklung durchmacht. Ich weiß nicht, ob die gewählten Mittel immer klug sind – aber den Versuch, die Entwicklung politisch zu steuern, kann ich dem Bezirk nicht verdenken.


    Was Deine politische "Analyse" betrifft: Man könnte versuchen, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen, indem man z.B. mal die Ansätze zeitgenössischer Stadtsoziologen in sein Denken einbezieht (aktuelles Interview hier). Aber natürlich kann man auch immer und ohne jeden gegebenen Kontext auf die linksgrün-versiffte Multikulti-Baggage schimpfen, die den armen Investoren aus reiner Boshaftigkeit ihr hehres Werk vergälle. Wenn's Deinem Seelenfrieden dient, bitte...

  • Natürlich ist Kreuzberg fremdenfeindlich. Nicht im ethnischen, kulturellen Sinne, aber fremdenfeindlich gegenüber allem, was nicht ins alternative Hippiemuster passt. Da muss man sich nur mal die Chronik der Anschläge auf "Luxuswagen" oder Neubauprojekte anschauen.


    In Kreuzberg gibt es eine RELATIV große linke Szene, die gegen Gentrifizierung ist und von der ein kleiner Teil auch nicht vor Anschlägen gegen besonders teure Bauprojekte Halt macht. Aber das ist nur EINE kleine Facette eines großen Stadtbezirkes. Das ist vergleichbar mit Sachsen. Ist jetzt jeder Sachse ein Nazi, nur weil es in Sachsen eine RELATIV große rechte Szene gibt? Nach deiner Theorie wäre das so...

  • Kreuzberg ist tiefste Provinz

    Wie kommst du darauf? Bitte um eine Erläuterung. Kreuzberg ist extrem facettenreich und hat nicht nur ein Gesicht. In dem Bezirk prallen einfach sehr unterschiedliche Menschen, Kulturen, Meinungen und Ansichten aufeinander.


    Das glauben auch nur die Kreuzberger. In Wahrheit ist Kreuzberg veränderungresistente, selbstreferentielle Monokultur hoch drei. Insofern also gar nicht einmal so anders als das von vielen Kreuzbergern verachtete Prenzlauer Berg, mit dem Unterschied, dass es in Prenzlauer Berg nicht hipp ist, im eigenen Müll zu versinken bzw. endlos rechtsfreie Räume zu dulden (der Oranienplatz lässt grüßen), was ich persönlich bevorzuge. Kreuzberg hält sich für weltläufig, ist aber extrem provinziell.


    [Rant over. ;)]

  • ^ Oha. Jetzt haben Sie es aber den Kreuzbergern gegeben. Typisches Beispiel von Voreingenommenheit und polemisch, dummes Geschwafel. Jeder weiß, dass Kreuzberg tatsächlich viele Gesichter hat. Man vergleiche den Bergmannkiez und den rund um den Kotti. Extrem unterschiedlich.

  • Ein beliebtes Missverstädnis von "Toleranz" und "Vielfalt"

    ^ Oha. Jetzt haben Sie es aber den Kreuzbergern gegeben. Typisches Beispiel von Voreingenommenheit und polemisch, dummes Geschwafel. Jeder weiß, dass Kreuzberg tatsächlich viele Gesichter hat. Man vergleiche den Bergmannkiez und den rund um den Kotti. Extrem unterschiedlich.


    Nun machen Sie sich mal locker. Ich habe durch den Hinweis "[Rant over.;)]" deutlich gemacht, das es sich um eine Polemik handelt, und da wird nun einmal nicht mit dem Skalpell gearbeitet, sondern mit dem Holzhammer.


    Aber ganz im Ernst: In Kreuzberg wird die Verwahrlosung des öffentlichen Raumes und die Duldung rechtsfreier Räume gerne als Ausweis von Toleranz und Vielfalt missverstanden.


    Beispiele: Der von Ihnen angesprochene "Kotti" (Kiez um das Kottbusser Tor), der in jeder Hinsicht völlig heruntergekommene "Görli" (-tzer Park) und der bereits erwähnte Oranienplatz, dessen Zweckentfremdung durch eine illegale Zeltstadt die Bezirksverwaltung über ein Jahr lang duldete.


    In Wahrheit nimmt man durch die Hinnahme solcher Zustände aber lediglich die Besitzergreifung des öffentlichen Raumes durch aggressive Gruppen hin, die ihrerseits völlg intolerant sind, und erschwert der friedlichen Mehrheit den Zugang zu ihnen oder macht ihn komplett unmöglich. Meiner Vorstellung von einem toleranten Miteinander entspricht dieser Rückfall in z. T. vorzivilisatorische Zustände (wie lange Zeit am Oranienplatz oder immer noch im dealerverseuchten Görlitzer Park) nicht.

  • der in jeder Hinsicht völlig heruntergekommene "Görli" (-tzer Park)


    Wann waren Sie denn zum letzten Mal da? Ihre Informationen scheinen eher aus der Boulevardzeitung zu stammen als aus eigener Anschauung. Ich bin dort regelmäßig Laufen und sehe eine von tausenden Menschen aller Altersgruppen genutzte Grünanlage mit Liegewiesen, Grillplätzen, einem Fußballfeld, Spielgeräten und sogar einem Streichelzoo. Meine Lieblingsecke ist ein kleines Wäldchen mit Felsen und Hügeln und einem Bach, über den geschwungene Brücken führen – erinnert mich immer ein bisschen an eine ähnliche Ecke im Centralpark.


    Die Rasenflächen werden regelmäßig gemäht, die Büsche beschnitten, die Wege gefegt, die Müllereimer entleert. Gerade wird ein Hang mit einer neuen Rutsche versehen. Heruntergekommen oder verwahrlost ist dort gar nichts. Aber klar: Es gibt auch Punks und Dealer und türkische Großfamilien, und für einige ist das wohl schon Beweis genug, dass brave Bürger dort nichts verloren haben...

  • Ich kann da Architektenkind nur zustimmen. Von heruntergekommen kann da keine Rede sein. Es ist ein Park der auf die Bedürfnisse der Anwohner zugeschnitten ist und keine Gartenausstellung. Ich bin immer wieder gerne dort und auch gern am Paul Linke Ufer Boule spielen, in gepflegtem Umfeld...


    Der Kotti selbst ist halt eine Betonwüste der 70er Sanierungswut, wobei hier eine Gebäudesanierung schon eine grosse Verbesserung darstellen würde. Er ist eben Mittelpunkt eines Partyviertels. Und hier ist Kreuzberg wie auch Friedrichshain ein Opfer seines eigenen Erfolges wie man am Mayfest ablesen kann. Ein als friedliches Anti- Gewalt geedachtes Happening mit mehren Tausend Gästen wurde zum Megaevent mit einer halben Million Besucher!


    Selbst die fast überall gegenwärtigen Dealer...bedienen so gesehen nur eine Nachfrage die nichtmal nur von Berlinern herrührt. Manch Berliner Gäste gehen gerne geradezu davon aus, dass "alle guten Sachen am Start sind" wenn sie hier Party machen wollen.


    Aber der Artikel auf den sich Saxonia hier bezieht handelt ja von einem angeblichen "Vergraulen" von Investoren.
    Nur weil ein Bezirk mal zu den benötigten 25 % Sozialbauwohnungen in einem Bauprojekt steht und nicht das 120te Hotel, die 1000sten Luxuslofts und das 72te Shoppingcenter durchwinkt kann man nicht den Kreuzberger an sich als intolerant und veränderungsresistent bezeichnen!


    Warum soll Investoren nicht auch Einhalt geboten werden? Schon jetzt wird vor einer Berliner Immobilienblase gewarnt. Denn leider ziehen nicht genug, bzw. wachsen nicht genug Besserverdiener in dieser Stadt nach um den Eigentumswohnungsbesitzern ihre teuren Mieten zu bezahlen...ein Verlustgeschäft für fast alle Beteiligten nur die ursprünglichen Investoren haben lange vorher ihren Schnitt gemacht!


    Die Frage müsste andersrum gestellt werden: Warum finden die anderen Bezirke nicht auch mal den Mut "Nein" zu einem Investor zu sagen?
    Das Argument"dann bauen wir eben woanders" würde auch mal entkräftet wenn Bürger und Politik häufiger an einem Strang ziehen würden...

  • Nur weil ein Bezirk mal zu den benötigten 25 % Sozialbauwohnungen in einem Bauprojekt steht und nicht das 120te Hotel, die 1000sten Luxuslofts und das 72te Shoppingcenter durchwinkt ...


    Das "Stehen" bedeutet hier lediglich ein Verlangen des Baus auf Kosten des Investors bzw. der normal zahlenden Wohnungskäufer - wie der TS-Artikel, der den Thread auslöste, berichtet, lohnt sich der Bau der Sozialwohnungen gar nicht. Besteht die Politik auf eine kaum versteckte Zusatzbesteuerung des Wohnungsbaus, werden lieber Hotels und Shoppingcenters gebaut.


    Wie Saxonia schrieb - sonst wird geradezu gejault, dass zu wenige Wohnungen entstehen. Vom Vergraulen der bauwilligen Investoren wird es bestimmt nicht genügend WEs geben.

  • Saxonia: Es wird zu wenig für gering bis mittelverdienende Mieter bezahlbarer Wohnraum gebaut. Der Bedarf an teuren Wohnungen bis zum "Luxussegment" wird dagegen überschätzt und in Zukunft werden die Besitzer von zu teuer eingekauften Wohnungen die Miete nicht erwirtschaften die sie benötigen um die Immobilie abzuzahlen. Es sei denn sie machen Ferienwohnungen draus :D


    Die Warnung kommt soweit ich das verstanden habe vom Verband der Immobilienhändler und nicht von einer Multikulti Linken Gruppe aus Kreuzberg...


    Dass der Bau von Sozialwohnungen keine Rendite bringt ist ja bekannt und sicher ein Problem welches ohne staatliche Hilfe nicht gelöst wird. Evtl. hätte der Investor aber mehr als lediglich 10% anbieten können, das geht ja in anderen Projekten ( wie an der Bachstrasse Tiergarten oder Lehrter Strasse) auch !


    Oder muss ein Bezirk jede Kröte schlucken für eine Handvoll Sozialbauwohnungen??

  • Es wird vor einer Immobilienblase gewarnt? Jault nicht alles, weil zu wenig gebaut wird?


    Ergänzend zu TwistedRoad: Eine Blase entsteht nicht durch die Überproduktion einer Ware (in diesem Falle Wohnraum), sondern durch zuviel Geld, das in einen Markt fließt. Dadurch koppeln sich - plump gesagt - die Preise vom Wert ab und wachsen rasant, bis es irgendwann zum großen Kladderatsch kommt, der die Diskrepanz wieder beseitigt: Die Blase platzt.


    Ich denke, dass man bei Preissteigerungen auf dem Berliner Immobilienmarkt von durchschnittlich 10 Prozent pro Jahr durchaus von einer Blase sprechen kann. Wann sie platzt, steht allerdings in den Sternen: Solange Berlin eine wachsende Stadt ist, bleibt die Nachfrage hoch und der Markt kann sich noch über Jahre hinweg weiter aufheizen.


    Andersherum: Wenn mehr gebaut werden würde, dürfte das die Geschwindigkeit, mit der die Blase wächst, sogar bremsen: Ein größeres Angebot an (bezahlbaren) Miet- und Eigentumswohnungen würde Druck aus dem Markt nehmen.

  • Man muss sich halt fragen, was es nützt. Nun will der Investor (so stand es im Artikel) entweder weiter verkaufen oder Gewerbe bauen. Klassischer Pyrrhussieg der Investorengegner.

    Einmal editiert, zuletzt von Saxonia ()

  • Naja was den Wohnungsbau betrifft sind ja Bezirk und Land ziemlich heuchlerisch unterwegs.
    Bauland, das in Eigentum des Landes bzw. Bundes ist, wird zu Marktpreisen verkauft, dann wurde die Grunderwerbsteuer von drei auf sechs Prozent - bald auf 6,5% wahrscheinlich - erhöht, das heisst daran wird schon verdient. Dazu kommt die auferlegte Quote an Sozialwohnungen und Portion Infrastruktur (Kitas, Schulen Strassen oder sonstwas) an den Investor.
    Damit sind der Bezirk und das Land auch fein raus, sie zahlen keinen Cent für Wohnungen.
    Und der Investor verspricht x Prozent Sozialwohnungen und legt das in seiner internen Kalkulation auf die Wohnungspreise um, die er am freien Markt verkauft, weil er seinen Gewinn natürlich nicht reduzieren will.

    So verstehe ich das jedenfalls, und letztendlich zahlt der 'normale' Wohnungskäufer das alles mit und subventioniert das alles letztendlich auf seine Kosten.
    Das geht im Augenblick gut, weil die Zinsen niedrig sind und die Basispreise in Berlin niedrig waren, aber jetzt stösst halt das System an seine Grenzen, weil eben die Luft langsam dünner wird.


    Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften haben ja auch Vorgaben keine Verluste zu schreiben (um frühere Debakel nicht zu wiederholen) von daher können sie nur relativ wenig neue Wohnungen bauen, schon gar nicht innerhalb der S Bahnrings.


    Der Senat und Bezirk kann sich leicht sozial geben, letztendlich zahlt er ja nichts, sondern der Normalbürger, der sich eine Wohnung kaufen möchte und dies immer weniger kann, weil wie oben dargestellt im Prinzip viele Kosten einfach umgelegt werden.


    So wichtig es ist dass es bezahlbare Mieten usw gibt, ist es meines Erachtens genauso wichtig, dass es noch möglich ist für Normal und Gutverdiener eine Wohnung zu kaufen (ich spreche nicht von den Superreichen) auch noch erschwinglich bleiben, und das wird in Grossstäden geradezu fast unmöglich.


    Mittlerweile wird jeder als Reicher diffamiert, der sich noch eine Wohnung kaufen kann, und sozusagen selbstverständlich alle Kosten aufdrückt, (der kann es sich ja leisten) Dadurch wird es ebenn fast unöglich für normale Menschen Wohneigentum zu erwerben und das ist meines Erachtens langfristig ein viel grösseres Problem.
    Je höher die Wohneigentumsquote desto geringer die langfristigen Kosten für Staat und Land was Altersarmut betreffen und gerade Berlin sollte Eigentumserwerb viel mehr fördern. Berlin hat eine Eigentumsquote, die unter 20% liegt, das heisst mehr als 80 % sind Mieter, das ist meines Erachtens alamierend und verheisst für die Zukunft nichts gutes, das wird leider immer völlig ausgeblendet bei diesen ganzen Diskussionen.