Rekonstruktionen - Für und Wider

  • Damit wurde ein gutes Argument eingebracht was mich stark gegen die aktuelle Mentalität in Denkmalschutzkreisen opponieren lässt. Dieses "Konservieren" von dem was noch da ist, aber kein Rekonstruieren und möglichst auch kein Hinzufügen ist wortwörtlich konservativ. Ein ideenloses Einfrieren. (..)


    Ich habe hohen Respekt vor der Arbeit des Denkmalschutzes, dessen "Mentalität" hier leider nicht richtig wiedergegeben wird.
    Der Denkmalschutz muß denkmalwürdige Gebäude auch gegen den Zeitgeist erkennen und erhalten (hier sind insbesondere Industriedenkmäler zu nennen - und auch Gebäude der Nachkriegszeit).
    Rekonstruktion ist hier selten ein Thema, eher Transformation: Was soll eine rekonstruierte Mälzerei, Turbinenhalle, Wasserturm? Die Frage ist: Wie fülle ich denkmalwürdige Substanz mit neuen Nutzungen, ohne die ursprüngliche Architektur zu entstellen? Von Einfrieren kann absolut keine Rede sein - das Widerspricht der Aufgabe des Denkmalschutzes !



    Aber auch bei Neubauten, die sog. "moderne Architektur" basiert im Grunde auf dem inzwischen fast ein Jahrhundert alten Bauhaus - während sich die gesamte Welt um uns herum während des letzten Jahrhunderts so stark und schnell wie noch nie in der Menschheitsgeschichte verändert hat dauert die aktuelle Architekturepoche die nicht einmal einen eigenen Namen hat an ("moderne Architektur" ist ein Hilfsbegriff, "internationale Architektur" betont gar die Identitätslosigkeit und Beliebigkeit unfreiwillig).


    Die aktuelle Architekturepoche hat keinen Namen, da sich Architektur orts- technik- und personenbezogen pluralistisch entwickelt - es gibt ein Nebenher verschiedenster Stile und Auffassungen. In anderen Bereichen (Populärmusik) verhält sich das ähnlich und wird als Gewinn angesehen. Aus gestalterischer Sicht befinden wir uns vielleicht in sowas wie einer Phase der "Undogmatik" bzw der "Demokratie". Daß sich die Neubauten möglichst UNTERSCHEIDEN, entspricht dem Geist der Zeit.


    Aus technischer Sicht entwickeln sich Städtebau und Gebäude schneller als Autos (was zB die Energieeinsparungen betrifft). Gebäude sind komplexer als die Entscheidung "Stuck, Klinker oder Glas". ;)

  • In der (uralten) Umfrage fehlt die wichtige Unterscheidung nach:
    A - Ich bin für Rekonstruktion. Ohne wenn und aber
    B - Ich bin gegen Rekonstruktion, mir reicht es wenn die Fassaden wieder aufgebaut werden. ;)

  • Zitat von Kato-2k8

    Der Meinung von Wahnfried, das eine Mischbebauung grundsätzlich abzulehnen ist, schließe ich mich allerdings nicht an.


    Ich kann zwar nur für mich sprechen, aber mir gefällt es in einer Stadt spazieren zu gehen welche eine harmonische Fassadengestaltung besitzt. Das muß nicht zwangsläufig nur Gründerzeit, Barock, oder noch weiter zurückliegende Baustile sein. Auch moderne Architektur wie im Westhafen in Frankfurt gefallen mir und laden auch viele Passanten zum bummeln ein.
    Obwohl die Gebäude im Westhafen alle moderne Klötze mit Flachdächer sind, ist meiner Meinung nach der einheitliche Stil der Grund dafür, dass dieses Viertel eine hohe Aufenthaltsqualität besitzt.
    Straßenzüge in denen Gründerzeitler mit Notdächern, neben Glas- und Stahlbeton-Kuben und 50er Jahre Mietskasernen und 60er Jahre Waschbetonklötzen stehen gibt es in Frankfurt viele. Diese werden überwiegend als unschön empfunden. Straßenzüge oder Ensemble mit einheitlicher Bebauung wie zum Beispiel der neue Uni-Campus, Kaiser-Friedrich-Ring in Wiesbaden, Rosengarten in Mannheim, Märchensiedlung in Zeilsheim etc gefallen den meisten Leuten.
    Meiner Meinung nach gerade deswegen weil es dort kein Stilmix sondern ein einheitlicher Stil vorherrscht.
    OK, auch an der westlichen Mörfelder-Landstraße in Sachsenhausen herrscht ein einheitlicher Stil aus spät 40er und früh 50er Jahre Mietskasernen vor. Jedoch, strahlen diese Gebäude nun überhaupt kein Charisma aus und bilden auch keine geschlossene Straßenfront, sondern sind kreuz und quer verteilt mit Rasen, Bäumen und Parkplätze dazwischen.

  • Ich nehms mal wieder auf...


    Ich kann zwar nur für mich sprechen, aber mir gefällt es in einer Stadt spazieren zu gehen welche eine harmonische Fassadengestaltung besitzt. Das muß nicht zwangsläufig nur Gründerzeit, Barock, oder noch weiter zurückliegende Baustile sein.


    Gerade das Gegenteil kann doch auch interessant sein. In einem über Jahrzehnte gewachsenen Ensemble im urbanen Umfeld ist es gerade die Mischung, die die Ästhetik belebt. Gerade die visuelle "Unruhe" zieht doch den Blick des Betrachters an, haucht der Umgebung Leben ein, weckt Interesse am Zusammenspiel. Wichtig ist dabei aber die Abstufung, der Übergang - und der kann sowohl behutsam erfolgen, bewußt spielerisch gestaltet sein aber natürlich auch mißlungen sein. Die Beschränkung auf einen Baustil ist eine geistige Abschottung, ein Konservativismus.


    Rosengarten in Mannheim


    Der Rosengarten ist gerade nicht von einem einheitlichen Baustil geprägt, mindestens seit der letzten Erweiterung. Der Baustil wandelt sich je nach betrachteter Fassade des Baublocks. Dabei präsentiert die Südfassade in Übereinstimmung mit der Bebauung um den Wasserturm den Historismus und an den West- und Ostfassaden geht die Ästhetik von Süd nach Nord stufenweise zum postmodernen Glasbau über, während auf der Nordseite dieser dann mittlerweile vollständig umgesetzt ist.


    Straßenzüge in denen Gründerzeitler mit Notdächern, neben Glas- und Stahlbeton-Kuben und 50er Jahre Mietskasernen und 60er Jahre Waschbetonklötzen stehen gibt es in Frankfurt viele.


    Läßt sich toppen. Ich empfehle die Heidelberger Bergheimer Straße, in deren 2 km langem Verlauf sich jeder, aber auch wirklich jeder Baustil der letzten 150 Jahre findet. Und die übrigens zumindest in längeren Teilelementen durchaus Aufenthaltsqualität besitzt - und zwar nicht in denen mit einheitlichem Baustil, sondern (subjektiv wie aufgrund Frequentierung auch objektiv) gerade an Ecken wie der Kreuzung Bergheimer Str / Römerstr, an der jedes Gebäude aus einem anderen Jahrzehnt stammt.


    Jedoch, strahlen diese Gebäude nun überhaupt kein Charisma aus und bilden auch keine geschlossene Straßenfront, sondern sind kreuz und quer verteilt mit Rasen, Bäumen und Parkplätze dazwischen.


    Ist im Grunde dieselbe Sache - die Beschränkung auf das saubere, geordnete, einheitliche Bild. Rasen, Bäume, Parkplätze - das sind belebende Elemente. Da passiert was. Da ist Farbe. Da spielen womöglich sogar Kinder.