BV östlich der Heidestraße und Otto-Weidt-Platz | Europacity

  • Der Entwurf von Robertneun schreit so laut BANLIEUE, dass einem die Ohren klingen.


    Wer so etwas schreibt, hat keinen blassen SCHIMMER von den städtebaulichen, ökonomischen und sozialpsychologischen Faktoren, die zur Entstehung der Banlieues geführt haben, wie man sie heute kennt. Kleiner Hinweis: Die Gleichung Sichtbeton = Armut + Gewalt geht nicht auf.


    Ich halte den Entwurf von Robertneun für sehr gelungen, sofern der städtebauliche Kontext stimmt – und das wäre hier der Fall gewesen: Er wäre ja nicht Teil einer uniformen und überdimensionierten Großsiedlung geworden, sondern ein besonderer Block in einem Viertel, das ansonsten vom "Gehobene-urbane-Wohnlage"-Einerlei dominiert ist, wie es Jürgen Engel, Eike Becker & Co. derzeit überall in der Stadt hochziehen.


    In dieser Umgebung, mit seinen Arkaden zum (leider des Hafens beraubten) Stadtplatz, hätte es richtig Eindruck gemacht. Schade. Ich hätte dort gerne "dauerhaft mein Dasein gefristet". Allerdings hätte ich mir die Preise wohl nicht leisten können. Bei mir reicht es nur für eine Gründerzeitwohnung.

  • Ich mag den Entwurf von Robertneun für diese Ecke.


    Aber muss John Robie schon teilweise Recht geben. Rein visuell passt das in die Banlieue von Paris(erinnert mich an Sarcelles).


    Im übrigen bezeichnet die Banlieue die Vorstadt im Allgemeinen. Der Begriff "cité" bezeichnet eher die Problemquartiere.



    Aber wie immer: Architektur lebt immer von den Menschen die sie nutzen und vom Umfeld.
    Ich wohne in einer Siedlung in der Banlieue, die 100% 60iger Jahre Stil ist, Modulbauweise, mit aufgeständerten Gebäuden, Müllschlucker etc. ABER mit hohen Nebenkosten, einem grossen gepflegten Park innerhalb der Siedlung. Da funktioniert die Idee der Stadtlandschaft, die unter den Gebäuden "durchfliesst". Keine Jugendgruppen die ständig unter den Gebäuden abgammeln und Krach machen und die Türen einschlagen.


    Ich kenne aber auch gut die Problemviertel Sarcelles/ Stains/ Pierrefitte. Dort befinden sich ähnliche Gebäudetypen und die Ecken unter den Gebäuden sind versifft und gefährlich.


    Gut gemachter Sichtbeton ist deutlich "natürlicher", detailreicher und sinnlicher als die isolierten verputzten Kästen von manch anderem Investor.

  • ^ Hab' ich einen Knick in der Optik oder ist diesmal die Raffinesse am Staab-Bau, dass die Fenster nach oben hin höher und größer werden. Erinnert mich ein Bisschen an das Telefunken-Hochhaus am Ernst-Reuter-Platz mit einem ähnlichen Effekt. Und auch diese 50er Jahre Anmutung mal wieder. Wenn das Dach jetzt noch sehr viel weiter überkragen würde wäre es perfekte 50er.

  • Staab ist zwar meist sehr nüchtern, aber er gehört schon zu den Könnern und zu denen, die auf eine gute Bauausführung achten. Deswegen wirken seine Gebäude im gebauten Zustand besser und wertiger als viele Gebäude seiner Architektenkollegen.

  • ^ Hab' ich einen Knick in der Optik oder ist diesmal die Raffinesse am Staab-Bau, dass die Fenster nach oben hin höher und größer werden. Erinnert mich ein Bisschen an das Telefunken-Hochhaus am Ernst-Reuter-Platz mit einem ähnlichen Effekt. Und auch diese 50er Jahre Anmutung mal wieder. Wenn das Dach jetzt noch sehr viel weiter überkragen würde wäre es perfekte 50er.


    Das liegt wohl daran, dass die vertikalen Lisenen nach oben hin dünner werden bzw. in den Fensterrahmen über gehen.

  • ^ Durch diesen Kniff mit den sich verjüngenden Lisenen sieht es auf jeden Fall klassisch-elegant aus und könnte doch auch gut doppelt so hoch daherkommen.

  • Staab Architekten gewannen ihn mit der üblichen Rasterei.


    Ich finde, dieser Entwurf ist ein gutes Beispiel, warum die Frage: "Raster - ja oder nein?" für die Qualitätsbewertung wenig taugt. Nahezu alles, was in diesem Viertel gebaut wird, ist "Rasterei", aber dieser Bau hier spielt in einer anderen Liga als seine Nachbarn: Unten wuchtig und stabil, oben luftig und filigran und dazwischen ein allmählicher Übergang mit wechselnden Fenster-Rhythmen von Stockwerk zu Stockwerk. Außerdem wieder die vielen kleinen Details, die ich bei Staab so mag, und die so bescheiden gemacht sind, dass sie erst auf den zweiten Blick auffallen.


    Wenn dieses Haus so hochwertig umgesetzt wird, wie es auf der Visu aussieht (und davon kann man bei Staab eigentlich ausgehen), dann gefällt mir das ausgezeichnet. Einschränkung: Man sieht keine Dachaufbauten. Daraus schließe ich, dass diese nicht mitvisualisiert wurden und in der Realität dann entsprechend hässlich aussehen werden. Und ein paar Geschosse mehr würden wirklich nicht schaden.

  • Staab macht es hier genauso wie am Schinkelplatz. Die Fenster werden nach oben hin größer bzw. das Raster weitet sich nach oben hin. Die Idee ist gut, ändert aber nichts daran, dass der Entwurf insgesamt viel zu nüchtern ist.


    Wenn dieses Haus so hochwertig umgesetzt wird, wie es auf der Visu aussieht (und davon kann man bei Staab eigentlich ausgehen), ...


    Deine Aussage ist eher ein Indiz dafür, daß es ein schwacher Entwurf ist. Denn auf eine hochwertige Umsetzung wird immer genau dann gehofft, wenn der Entwurf zu wünschen übrig lässt. In deinen Worten steckt wohl eher die Hoffnung, daß der Entwurf noch irgendwie die Kurve kriegt, indem man ihn durch ein hochwertige Ausführung qualitativ nach oben hebt.

  • ^ Aha, gutes Material, durchdachte Details und fähige Handwerker dienen also dazu, schwache Entwürfe zu kaschieren. Bei guten Entwürfen kann man dagegen ruhig schlampen, weil die Architektur für sich spricht. Tolle Logik. :lach:


    Im Ernst: Natürlich hängt das Ergebnis immer von der Umsetzung ab, und der schönste Entwurf geht vor die Hunde, wenn man aus Kostengründen Plastik- statt Holzfenster einbaut oder die Fugenmaße ungleichmäßig sind. Auch wenn es Dir völlig abwegig erscheint - ich finde den Entwurf toll, und wenn das Ergebnis am Ende so stimmig ist wie am Schinkelplatz, dann entsteht hier ein Highlight.

  • Aha, gutes Material, durchdachte Details und fähige Handwerker dienen also dazu, schwache Entwürfe zu kaschieren. Bei guten Entwürfen kann man dagegen ruhig schlampen, weil die Architektur für sich spricht.


    Der Umkehrschluss (2. Satz) stimmt natürlich nicht. :) Aber der 1. Satz ist tatsächlich richtig. Die wichtigste Zutat ist eben der Entwurf. Wenn der Entwurf langweilig ist, macht auch die hochwertige Ausführung daraus kein Highlight.


    Ich möchte mal als Vergleichsobjekt den Liebeskind-Bau (Sapphire) am BND-Areal nennen. Der/das Sapphire ist ein kurzweiliger Entwurf, der aber in der Ausführung nicht so gut ist, weil das Fassaden-Relief viel zu schwach ausgeprägt ist. Gute Idee, schwache Ausführung. Das ist praktisch das Gegenstück zu diesem Staab-Entwurf, bei dem die Idee langweilig ist und die Ausführung (wahrscheinlich) gut ausfallen wird.


    Wenn ich die Wahl habe zwischen diesen beiden Objekten, dann wähle ich lieber die Kombination "gute Idee & schwache Ausführung" als "schwache Idee & gute Ausführung.

  • Staab baut in bestem konservativen 50er-Jahre Stil, der letzten Epoche, wo Repräsentation ohne Brutalismus oder Ironie auskam. Sofern man dem Render glauben darf, hat es angemessene höhere Geschosse (5, wo Nachbarn 6 andeuten).


    Der Entwurf ist wertig, repräsentativ, Baubronze (vermutlich), vertikal gegliederte große Glasflächen...
    Viel bemeckert: Sein Gebäude am Schinkelplatz, näheres ansehen lohnt:
    http://www.bauwelt.de/themen/b…lplatz-Staab-2772129.html


    Wenn Staab kommt, kommt mit Sicherheit das beste Gebäude der näheren Umgebung.

  • ^ich weiss, was du meinst. Staab ist ein Büro, das für die feingliedrige, "no bullshit" Seite der Moderne des 20. Jahrhunderts steht. Keine pubertären "Brüche" oder Schock-Momente irgendwo reingeklatschter Sichtbetonwände oder sonstiger "Techno-Architektur". Alles hat seine Funktion, zu der eben auch der Nutzwert im Inneren gehört (das größte Problem z. B. der vielen Sichtbetonbunker aus den 70ern ist ja nicht einmal deren Außenansicht, sondern deren fehlendes Tageslicht im Inneren durch wenige oder stellenweise gar keine Fenster, weil dem Architekten wichtiger war, seine schroffe Sichtbetonwand in der Außenansicht unterzubringen).


    Die "feingliedrige" Moderne des 20. Jahrhunderts in der ersten Hälfte ging noch eher vom Nutzer des Gebäudes aus, wozu ja z. B. ebenso gehört, dass man ihm ein Gebäude liefert, das nicht nach ein paar Jahren wegen Überdruss an einer kurzlebigen Architekturmode schon zur ungeliebten Last wird oder durch unüberlegte Materialwahl hohe Folgekosten verursacht.


    Wie du sagst, Baubronze, Holz, Architekturbeton, Terazzo, eine zeitlose Form, das wird ein "gut alternder" Bau, der durchaus seinen ganzen Nachbarn als "Anker" dienen kann. Es reicht ja oft, wenn es in einem Quartier wenigstens ein Gebäude von hoher Qualität gibt, um den das Auge der Betrachter als Fixstern revolviert, um einen positiven Eindruck zu erzeugen.



    https://www.competitionline.co…3c68f0ba020ae1aecca_1.jpg


    man beachte den Terazzoboden und das warme Holz im Fensterbereich und die bodentiefen Fenster zum Gärtchen im EG,


    sowie dazu im Kontrast


    https://abload.de/img/otto-weidt-platz-neubcfsu8.jpg


    die eingefügten Menschen hinter dem Fenster im DG, je höher es geht, also je distanzierter man von der Umwelt ist, desto mehr wird diese Distanz durch größere Fenster "kompensiert", so dass man vermutlich als Nutzer nie das unangenehme Gefühl haben wird, das man ja doch in vielen "Büroklötzen" hat, dass man sich in einer Art isolierten Kapsel befindet (ein Kollege nannte es einmal "das Gefühl, als ob man begraben wäre", als er in einem braunen 70er Sichtbetonklotz mit schmalen, getönten Fenstern, die man nicht öffnen konnte, und Zwangsklimatisierung arbeiten musste). Das wird für die Nutzer eine schöne Arbeitsumgebung werden und das sollte immer noch das Hauptanliegen guter Architektur sein.

  • Aus meiner Sicht wird solche Architektur bereits in 10 Jahren abgeranzt und abrissreif erscheinen. Aber man muss natürlich auch die Funktion betrachten: Die "Europacity" ist eben einfach nur ein funktionaler Raum mit viel Platzangebot für Büros. Das ist aber vielleicht das eigentliche Problem: Die Mischnutzung, Leben und Arbeiten wird in der Europacity nicht ausreichend abgebildet - dies wird aber die bevorzugte Variante der Stadt der Zukunft sein. Damit bauen wir jetzt schon ein Stück Vergangenheit.

  • ^ Du bringst da, glaube ich, einiges durcheinander:


    1. Der Rohbau auf Backsteins Bildern ist nicht das Staab-Projekt, von dem Baukunst und Pumpernickel schrieben. Staab baut in der Tat ein Bürohaus – aber eines, das angesichts hochwertigen Materials und schlichter, klassischer Formen sehr gut altern kann. Das wird in zehn Jahren garantiert nicht "abgeranzt und abrissreif" erscheinen.


    2. Der Block auf Backsteins Fotos ist das langweiligste von drei Projekten (Anm. Mod: Bei Erscheinen der Eingabeauthentifizierung einfach auf "abbrechen" klicken), die architektonisch alle ziemlich durchwachsen, aber unterschiedlich alterungsfähig sind: Es wird Fassaden mit verputztem Styropor geben, die wirklich schnell räudig aussehen, viele werden aber auch mit Back- oder Naturstein verkleidet und können drei Jahrzehnte durchhalten, ohne dass man sie groß sanieren müsste.


    3. Alle drei genannten Blöcke (und noch diverse andere an der Heidestraße) sollen ausschließlich Wohnungen und Geschäfte beherbergen. Insgesamt wird es in der Europacity 3.000 Wohnungen geben. Das ist für diesen Raum nicht wenig und wird den Ansprüchen an ein Mischnutzung für "Leben und Arbeit" durchaus gerecht.


    Fazit: Du machst es Dir mit Deinem Pauschalurteil zu einfach. Ich bin auch skeptisch, ob das neue Viertel als lebendige Stadt funktionieren wird, aber "alles funktional und billig und fast nur Büros" ist schlicht falsch.


    Wenn Staab kommt, kommt mit Sicherheit das beste Gebäude der näheren Umgebung.


    Freut mich, wenn auch andere das so sehen.

  • Mal wieder ein Update zum Baufortschritt, bisher sieht es eher nach Masse als nach Klasse aus. Rohbauten östlich der Heidestraße:



    Nachtrag: Dass es diesem Block an Klasse fehlen wird, fürchte ich auch. Ich finde aber, auf diesem Bild kann man erkennen, wodurch sich die Heidestraße in Berlin von der Europaallee in Frankfurt abheben wird: In Frankfurt stehen rechts und links der (sehr breiten) Allee lange Gebäuderiegel, dahinter ist Schluss. Rechts und links der (viel schmaleren) Heidestraße werden richtige Blöcke gebaut. Zwischen Straße und Kanal liegen 160 Meter Baufeld, hinter dem jetzt sichtbaren Rohbaublock werden eine Querstraße und ein weiteres Gebäude entstehen.


    Will sagen: In Berlin wird die Bebauung der Straße a) dichter sein und b) weiter in die Tiefe reichen – was bessere Voraussetzungen für die Entwicklung städtischen Lebens schafft. Ob sich dieses Leben dann auch tatsächlich entwickelt, steht aber auf einem anderen Blatt.

  • ^ Der erste Neubau auf dem Gelände an der Heidestraße ist jetzt weitgehend gerüstfrei zu "bewundern". Wenn dieses Niveau bei den weiteren Neubauten gehalten wird, dann wird das hier ganz großes Kino: :D





    Blick aus der Ferne, von der Perleberger Brücke aus: