Freiheits- und Einheitsdenkmal (in Bau)

  • Ich persönlich hätte zwar kein Problem mit einer Rekonstruktion des Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals. Anderenorts hat man ein viel unverkrampfteres Verhältnis zur eigenen Geschichte und baut das im Krieg zerstörte Denkmal von König Ludwig II. mit Spendengeldern und Unterstützung der Politik nach historischem Vorbild wieder auf.


    Aber an der Berliner Schlossfreiheit geht es nun einmal nicht um einen Nachguss des Reiterstandbilds Wilhelms I., sondern darum, anstatt der banalen Bespaßungsanlage aus dem Hause Milla & Partner ein würdiges Denkmal für die Deutsche Einheit zu errichten. Diverse Forumsmitglieder haben dazu bereits einige bemerkenswerte Vorschläge gemacht, die allen bisherigen Ergebnissen des offiziellen Wettbewerbs für das "Einheits- und Freiheitsdenkmal" meiner Ansicht nach haushoch überlegen sind.


    Besonders hervorzuheben sind dabei die Vorschläge für die Wiederaufstellung der Kolonnaden und eines Sockels, auf dem die wichtigsten Stationen auf dem Weg zur Deutschen Einheit in Form der Jahreszahlen 1848, 1871, 1953 und 1989 eingraviert sind. Als Reminiszenz an das 21 Meter hohe Reiterdenkmal könnte man darauf ja noch einen schönen Flaggenmast gleicher Höhe stellen ...und fertig ist das Einheitsdenkmal!

  • @Architektator
    König Ludwig II von Bayern hat ja den Ruf eines eher harmlosen Spinners mit tragischen Ende und wird vor allem mit Neuschwanstein u.ä. in Verbindung gebracht.


    Das ist in Berlin anders.

  • Theseus532, bitte keine Unterstellungen! Kaum jemand in unseren Reihen fordert eine Wiedererrichtung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals 1:1. Man wird doch noch differenzieren dürfen und die Wiederherstellung der Kolonnaden für gut finden, ohne damit auch einem Neuguss des Denkmals mit seinen Monstrositäten das Wort zu reden. Der vorhandene Sockel ist nunmal ein starkes Argument für den Wiederaufbau dessen, wofür er einst errichtet war. Und eine schlichte Gedenkstätte im Zentrum dieser Kolonnaden hätte wohl mehr Aussagekraft als irgendeine Spielerei, die auf die vorhandene städtebauliche Situation keinen Bezug nimmt.

  • Die Realitätsferne von einigen hier im Forum ist schon bemerkenswert.
    Sicherlich sind das alles schöne Gedankenspiele wie das alte Denkmal aussehen könnte und sollte.


    Es geht hier nicht um irgendein altes Denkmal, sondern um die Errichtung eines neuen, an historisch vorbelasteter Stelle. Ich denke zwischen Nachguss von Wilhelm 1 und seinem Zoo und der jetzt vorgesehenen goldenen Banane sollte schon noch ein halbwegs erträglicher Kompromiss zu finden sein, der die verschiedenen historischen Ebenen miteinander verbindet. Die Geschichte der Deutschen Einheit beginnt eben nicht erst 1989 - und jener Platz vor dem Schloss wäre tatsächlich ein idealer Ort dies auf intelligente Art und Weise erfahrbar zu machen. Man will es aber offensichtlich nicht und plant stattdessen ein sichtbares Zeugnis der fortschreitenden Infantilisierung dieser Gesellschaft. Es muss blinken und wippen und hinreichend Raum für Nippesverkauf bieten - Rest egal.

  • Ich möchte darauf hinweisen, daß sich unsere Verklemmtheit und Verdruckstheit in Sachen Geschichte durchaus auch ändern kann. Ich betrachte die gegenwärtigen Zustände diesbezüglich durchaus als pathologisch.


    Zudem sagte ich bereits, daß ich meinen Plan eher als frommen Wunsch ansehe, aber nicht weil er schlecht wäre, sondern weil große Teile der Öffentlichkeit noch im Spießer-Modus sind.


    Ich würde mir von den Gegnern der Kolonnaden wünschen, daß sie die Beiträge der Befürworter genau lesen und keine Nebenkriegsschauplätze eröffnen, wie schlimm Preußen oder Kaiser Wilhelm doch war.


    Es gibt Menschen, die weniger verklemmt sind in bezug auf die Vergangenheit und Sachen von damals wiedererrichten können, ganz ohne die Auffassungen zu teilen, für die diese Bauten angeblich einmal standen.


    Im übrigen gibt es keinerlei Konsens, daß angeblich alles, was zerstört wurde, auch im Nirvana bleiben soll. Das ist vielleicht der fromme Wunsch einiger Foristen, entspricht aber nicht der Realität.


    Es lebe das Heilige Deutschland!


    Zitat des Tages:

    Man will es aber offensichtlich nicht und plant stattdessen ein sichtbares Zeugnis der fortschreitenden Infantilisierung dieser Gesellschaft. Es muss blinken und wippen und hinreichend Raum für Nippesverkauf bieten - Rest egal.

    :)


  • Bei jeglichen Gebäuden oder Anlagen, die eine politische Bedeutung in Ihrer Zeit hatten, ist es de facto ausgeschlossen, dass diese eins zu eins wiedererrichtet werden können und sollten....


    Einspruch euer Ehren. Es gibt vermutlich noch mehr Beispiele, aber eines was mir spontan einfällt ist dieses.


    Das Kaiser Wilhelm Denkmal am Deutschen Eck in Koblenz


    http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsches_Eck

  • ^^ich denke ich bin nicht verdruckst, sondern habe mich überdeutlich positioniert und damit sicherlich die Geduld der Forenmoderation bis aufs Äußerste strapaziert. In der Absicht darzustellen, dass es sich gerade nicht um diffuse Verklemmungen handelt, sondern um wohlbedachte Ablehnung, basierend auf meinem Geschichtsbild (König Ludwig von Bayern ist übrigens deswegen als "harmlos" angesehen, weil er die tragische Figur in diesen Vorgängen ist; es ist verbürgt, dass er mitnichten den Preußen die Kaiserkrone antragen wollte - aber der einzige verbliebene Fürst von Rang und Namen in deutschen Landen außer Österreich, den die Preußen zu dem Zeitpunkt übrig gelassen hatten, war nun einmal Ludwig; daher stand und fiel mit seiner Anbiederung das von Bismarck ersehnte preußische Großreich; dazu hat Bismarck versprochen, dass Ludwig sein Gesicht wahren könnte indem Bayern einige Sonderrechte behalten könne und überdies hat Bismarck aus dem, von ihm erbeuteten, Welfenschatz ganz erhebliche Zahlungen in die Privatschatule des durch den Schlösserbau ruinierten Ludwig geleistet, der entgegen des Mythos seine Schlösser nicht auf Staatskosten errichtete sondern dafür die Kassen seiner Familie plünderte und sich verschuldete, was Bismarck auszunutzen wusste... das ist nur eines von vielen weiteren, hier nicht anzuschneidenden, Kapiteln, die für mich die ach so "glorreiche" Reichsgründung zu einer ziemlichen Peinlichkeit machen, da kann man mir noch soviele rote Bewertungen geben)


    Als Konsens scheint sich also aus verschiedenen Richtungen abzuzeichnen, dass die Rekonstruktion der Kolonnaden durchaus gewünscht ist. Meiner Anschauung nach wäre dies auch nachträglich möglich, wenn der aktuell bekannte Entwurf für das Einheitsdenkmal umgesetzt werden würde. Und ich wage die Prognose, dass sich dafür durchaus Befürworter finden werden, sobald die Reko-Fassade des Schlosses einmal steht und die Leute merken, dass das sicherlich ganz schmuck aussieht. Man muss einfach bedenken, dass meiner Erfahrung nach die Leute ziemlich binär an die Sache gehen. Es gibt eine Fraktion, die widmet sich ganz der Abstraktion. Aus der Warte kann man sicherlich, wenn man sich lange genug damit befasst, dem Wippenkonzept was abgewinnen. Und es gibt die Ästheten, die wollen schmucke, gefällige Ästhetik. Dem kann man natürlich auch was abgewinnen. Man sollte halt versuchen beide, jeweils sehr meinungsstarke, Fraktionen einzubeziehen. Und daher finde ich den Kompromiss aus historischen Kolonnaden plus bewusst geschaffener Schlossfreiheit - gerne mit der Flagge unserer gemeinsamen Bundesrepublik an Stelle eines "Götzen" - eigentlich ziemlich elegant. Also dahingehend gibt es ziemlichen Konsens im Forum?!

  • Das Reiterdenkmal eines preußischen Königs nur wenige 100 Meter entfernt wurde bereits in der DDR wiederaufgestellt. Wenn diese Tradition den Kommunisten nicht zu militaristisch war, ist es geradezu merkwürdig, dass hier im Forum ständig jemand deutlich weiter links als Honecker stehen möchte.


    Statt der merkwürdigen Wippe könnte ich mir das KWD mit vereinfacht wiederaufgebauten Kolonnaden vorstellen. In den Kolonnaden könnte man beliebig viele Infotafeln aufstellen, die die heutige Sicht der Ereignisse erklären.


    Ich denke da an eine Stelle in Breslau, wo einst das Reiterdenkmal des Kaisers stand und vor wenigen Jahren eine Reiterstatue des polnischen Königs Chrobry enthüllt wurde - dass ein Reiterdenkmal eines Herrschers da steht, blieb trotz aller Umwälzungen konstant. (Ein Reiterdenkmal Kohls vor dem Schloss würde ich mir nicht wünschen.)

  • Das Reiterdenkmal eines preußischen Königs nur wenige 100 Meter entfernt wurde bereits in der DDR wiederaufgestellt.


    Vom KWD ist so gut wie nichts mehr da. Der alte Fritz war dagegen "nur" eingelagert und konnte mit vergleichsweise geringeren Aufwand - mehr recht als schlecht - wieder an seinen alten Platz hingestellt werden.


    Die Wiederkehr einer völlig überdimensionierten und verkitschten Denkmalanlage die vrs. einen zweistelligen Millionenbetrag kosten wird lehne ich an dieser Stelle ab. Auch die sperrigen Kolonnaden möchte ich dort nicht sehen.
    Wie geschrieben: etwas Kleineres halte ich für den Ort angemessen. Die Wippe geht ja leider in die gleiche überdimensionierte Richtung.

  • ^^^ woher hast du die Info, dass die DDR antimilitaristisch gewesen wäre? Außer natürlich von offiziellen Lippenbekenntnissen, aber danach war es ja auch eine Demokratie. Die militärisch nach der innerkoreanisch am besten militärisch befestigte Landgrenze verlief (von DDR Seite aus) durch Deutschland. Die "NVA" hatte alleine soviele aktive Soldaten, wie die Armee des gesamten wiedervereinigten Deutschlands aktuell (bei einem Bruchteil der Einwohnerzahl). Und auch darüber, ob die "FDJ" nicht teilweise eine paramilitärische Jugendorganisation war, gibt es ernst zu nehmende Debatten (man denke nur an den sog. Wehrkundeunterricht). Nicht zu vergessen die "Betriebskampfgruppen". Oder auch die pompösen Militärparaden. Dazu war die DDR Mitglied im Militärbündnis Warschauer Pakt und verlautbarte alles andere als pazifistische Rhetorik in den Jahrzehnten des Kalten Krieges. Man hatte vermutlich gar nicht soviel dagegen, wenn dieser Militarismus als "historisch gewachsene Normalität" betrachtet wurde. Nach dem Motto der Zweck heiligt die Mittel, ggf. muss man die Menschheit halt zwangsweise mit den Segnungen des Sozialismus beglücken (so ging ja auch zB Mao vor, so ging Stalin vor, so ging man in Vietnam und Korea vor..). Mich verwundert gar nicht, dass man in der DDR mit dem preußischen Militarismus wenig Berührungsängste hatte.


    ^ ja das denke ich inzwischen auch. Weiss jemand was denn konkret dagegen gesprochen haben mag, das so umzusetzen? Oder war das eine rein politische Entscheidung?

  • Weiss jemand was denn konkret dagegen gesprochen haben mag, das so umzusetzen? Oder war das eine rein politische Entscheidung?


    Wüsste nicht, dass das im Parlament debattiert worden wäre.


    Ich für meinen Teil sehe keinen ästhetischen Zugewinn durch den Aufbau der Kolonnaden.

  • ^ Am Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal wurde einst die gewaltige Anzahl verschiedener Personen und 157 Tiere kritisiert - ich glaube, unserer bescheidenen Epoche reichen ein Pferd und ein Homo Sapiens darauf (u.U. noch Genius des Friedens neben dem Pferd, aber keine weiteren Figuren mehr). 9 Meter Höhe müssen auch nicht sein, die natürlichen Reiter-Dimensionen würden langen. Die Kolonnaden könnten ebenso vereinfacht wiederaufgebaut werden, doch eins der Bilder im Wikipedia-Artikel zeigt, dass die Mauer am Wasser immer noch da ist - irgend etwas muss damit ohnehin geschehen.
    Insgesamt dürften die Kosten sogar unter jenen der Wippe liegen.


    Reiterstatuen vor (barocken) Schlössen sind recht üblich - siehe Schloss Charlottenburg oder Versailles. Etwas anderes wäre unplausibel und würde die Komposition verfälschen.

  • @Pferd und ein Homo Sapiens?
    Wie wär's mit gleich zweien davon? Und Alexander und Wilhelm von Humboldt sitzen drauf. Passt doch gut zum gegenüberstehenden Gebäude :)
    Und die Kolonnaden gestaltet Juan Garaizabal. ;)

  • Die DDR war militaristisch und pazifistisch. Man denke nur an die allgegenwärtigen Friedenstauben. Eine davon kann man noch in Schloßnähe bewundern.


    In bezug auf die DDR sprach man manchmal auch von den roten Preußen, weil sie sich eben recht unneurotisch auf dieses Erbe bezogen haben im Falle von Friedrich dem Großen. Das war's dann aber auch. Ist eben sehr ambivalent alles. Stichwort Schloßsprengung.


    Also ich finde die Kolonnaden nicht zu groß. Am besten wäre es, sie wiederzuerrichten und den Rest freizulassen. Dann können noch ein paar Jahre vergehen und man ist ein bißchen lockerer in diesen Dingen. Andere haben es ja schon beschrieben.


    Offenbar sind einige Foristen Anhänger des Voodoo-Kultes und gehen davon aus, daß mit materieller Wiederherstellung auch längst verblaßte geistige Sachverhalte Wiederauferstehung erwarten können. Das meine ich mit verdruckst und verklemmt.


    Und dann noch diese tendenziöse Argumentation, daß man ja unbedingt den Kaiser Wilhelm wiederhaben wolle, obwohl dies schon zigfach zuvor verneint wurde. Da sollten sich doch einige überlegen, was sie schreiben und ob sie nicht vielleicht einen Tunnelblick auf das Thema haben. Man muß hier nicht die halbe Weltgeschichte Revue passieren lassen - denn: All diese geschilderten Sachverhalte sind nun mal nicht zwingend mit so einem Denkmal verbunden.


    Da könnte man gleich auch den ganzen Schloßbau lassen. Übrigens ist mein Vorschlag auch eine Mischung aus abstrakt und figürlich/historisch. Die schon mehrmals beschriebene Form des Gutmenschentums macht uns auch anderweitig das Leben schwer, wenn z.B. irgendwelche Deppen die Mohrenstraße in Mitte umbenennen wollen, weil das angeblich ganz schlimm diskriminierend gegenüber Negern sei. Man braucht wohl diesen linksalternativen Voodoo-Kult, um möglichst viel Ungerechtigkeit und Schlechtes in der Welt feststellen zu können.


    Ein Denkmal mit Kolonnaden würde meiner Meinung nach das Land auch voranbringen und zu einem entspannteren und ehrlicheren Selbstverhältnis führen.

  • Man sollte dieses Projekt aufgeben. Es war von Anfang an eine Kopfgeburt. Der Sockel ist für ein Einheitsdenkmal völlig ungeeignet. Es ist überhaupt fraglich, ob man ein Einheitsdenkmal braucht, das Brandenburger Tor ist doch bereits ein vorzügliches Einheitsdenkmal.


    Man sollte den Sockel restaurieren, die Mosaiken freilegen und über die Geschichte des Ortes informieren und ihm so seinen Stellenwert als eigenständiges und authentisches Zeugnis der Kaiserzeit geben. Wenn das Schloss erst einmal steht, würde sich der Sockel hervorragend als Bühne für Freilichtveranstaltungen wie Konzerte, Theateraufführungen oder Skulpturenausstellungen eignen.

  • Na, bestimmt nicht der erste.
    Aber ich sehe es auch so. :daumen:
    Laßt uns das Projekt "Einheitswippe" einfrieren, bevor erhaltenswerte historische Substanz leichtfertig zerstört wird!

  • Was habt ihr alle? Das Einheitsdenkmal erfüllt doch schon jetzt seinen Zweck: Es vereint alle in einer selten einmütigen Ablehnung. Das ist doch eine Leistung, die man würdigen muss!


    Aber im Ernst: Rako hat recht, das Brandenburger Tor scheint zum "natürlichen" Symbol der Einheit mutiert zu sein, so wie der 9. November, und eben nicht der politisch gewollte 3. Oktober, kollektiv mit der Einheit verbunden wird. Ich sehe wie Rako keine Notwendigkeit für ein eigenes Denkmal.