Boulevard West | Europacity

  • Auch an Dich die Frage: Was an diesem Entwurf ist "extreme Reduktion"? Bzw. andersherum: Was wäre für Dich nicht "extrem reduziert"?


    Die Abfolge der Baukörper ist viel zu monoton. Die Reihe aus hohen Baukörpern an der Bahnlinie ist gut. Auch die Abstufung zum Bereich mit der niedrigeren Bebauung ist ordentlich. Aber die direkt an der Heidestraße liegenden, niedrigeren Blöcke sind viel zu monoton gestaltet. Ich meine die Blöcke, die aus der Vogelperspektive wie Vierecke aussehen. Drei-, viermal handelt es sich um den (immer-)gleichen viereckigen, flachen Baukörper. Diesen flachen Vierecken fehlt offensichtlich auch die Einteilung in verschiedene Teilabschnitte. Es gibt keine Aufteilung in verschiedene Fassadenabschnitte. Das sind riesige Monster, in der Breite ausladend, aber nach oben hin flach.


    Dem Quartier fehlt es außerdem an Formenvielfalt. Ich erkenne keine runden Baukörper. Kein einziger Baukörper ist rund oder abgerundet.

  • ^ Also laut Visualisierungen (1, 2) gibt es genau zwei gleiche quadratische Baukörper, der dritte quadratische hat analog Sondergebiet eine Höhenstaffelung. Angesichts des Fassadenwettbewerbs für das Sondergebiet ist außerdem davon auszugehen, dass die Fassaden der anderen Blöcke ebenfalls nur Platzhalter sind, es also bisher völlig unklar ist, wie die Fassaden aussehen werden und demzufolge auch, ob und wie sie in verschiedene Abschnitte gegliedert sind.

  • ^ der dritte Block mit der sogenannten Höhenstaffelung hat die gleiche Form wie die zwei anderen Blöcke. Da ändert auch die Höhenstaffelung nichts. In der gleichen Reihe folgt dann noch, unterbrochen durch einen zugegebenermaßen gut gemachten städtischen Platz, der vierte Block. Und dieser vierte Block sieht doch auch wieder gleich aus wie die drei Anderen. Ich weiß, alles nur Platzhalter und so.


    Das Straßenraster ist zu quadratisch. Es fehlen diagonal verlaufende Kanten bzw. Straßen. In der Visualisierung kann ich nur eine einzige diagonale Kante erkennen. Das ist aber zu wenig, um den zu homogen wirkenden Stadtgrundriss aufzubrechen. Es müssen nicht immer Quadrate wie in der Friedrichstadt sein. Dem Ensemble fehlen Baukörper wie die Welle in Frankfurt. Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Welle_(Frankfurt_am_Main)

  • ^ Ähh, du schreibst, dass, es gäbe drei, vier flache quadratische monotone Baukörper und dann, dass die Höhenstaffelung des dritten und die Tatsache, dass der vierte ebenfalls eine Höhenstaffelung aufweist und die Form eines unregelmäßigen Fünfecks hat, nicht im Widerspruch zu dieser Einschätzung steht? Das verstehe wer will oder derjenige, der ein Faible für Meckern um des Meckerns Willen hat.


    Es fehlen diagonal verlaufende Kanten bzw. Straßen. In der Visualisierung kann ich nur eine einzige diagonale Kante erkennen.


    Hier nochmal eine Karte des Gebiets. Die Norwestfassade des Sondergebiets liegt geschätzte 25-30° diagonal zur Heidestraße, der davorliegende Platz hat die Form eines Dreiecks, dort führt die Fußverbindung und Sichtachse zur (potentiellen?) Brücke über die Bahngleise entlang - die Sichtachse wird ebenso vom südlichsten Turm des Büroblocks entlang der Bahn aufgenommen. Der von dir erwähnte Platz am Ende der Sellerstraße nimmt die Sichtachse dieser auf und hat deswegen ebenfalls eine unregelmäßige Fläche. Auch diese Tatsachen kann ich nicht so richtig mit deiner Einschätzung, es gäbe dort keinerlei diagonale Kante, in Einklang bringen.


    Was die runden Formen betrifft - wieviele Beispiele für runde Blockrandbebauungen entlang gerader Straßen kennst du? Blieben die runden Ecken. Kann man mögen, muss man aber nicht - genauso wie das Beispiel mit der Welle in Frankfurt. Ich persönlich sehe nicht die städtebauliche Überlegenheit, die du diesem Beispiel offenbar zuschreibst.

  • ^ Ähh, du schreibst, dass, es gäbe drei, vier flache quadratische monotone Baukörper und dann, dass die Höhenstaffelung des dritten und die Tatsache, dass der vierte ebenfalls eine Höhenstaffelung aufweist und die Form eines unregelmäßigen Fünfecks hat, nicht im Widerspruch zu dieser Einschätzung steht?


    Zum Thema Fünfeck:
    Es sind letztendlich fünfmal die gleiche Baukörper, die sich nur in Kleinigkeiten voneinander unterscheiden. Sei mir nicht böse, aber das fünfte Eck dieses unregelmäßiges Fünfecks fällt vielleicht in der Vogelperspektive auf. Aus der Bodenperspektive dürften viele diesen leichten Knick kaum wahrnehmen. Mathematisch gesehen hast du recht. Es ist tatsächlich ein Fünfeck. Es ist ein Fünfeck mit der Langweiligkeit eines regelmäßigen Vierecks.


    Zum Thema Höhenstaffelung:
    Diese Höhenstaffelung beim dritten Block ist so klein, dass sie diesen Block nicht anders erscheinen lässt als die anderen Blöcke. Und auch hier hast du - mathematisch gesehen - natürlich recht. Was das Erkennen geometrischer Körper angeht, gebe ich dir 100 Punkte. Aber diese geringen Variationen reichen nicht aus, um dieses Quartier vor lethargischer Monotonie zu bewahren.


    Was die runden Formen betrifft - wieviele Beispiele für runde Blockrandbebauungen entlang gerader Straßen kennst du?


    Dann muss man eben an der Stelle des runden Grundrisses auf die Blockrandbebauung verzichten. Die Welt wird deswegen nicht untergehen. Übrigens habe ich nie behauptet, dass eine runde Form bis zum Erdgeschoss herunter reichen muss. Möglich wäre auch, dass man auf einen rechteckigen Sockel oben drauf eine runde Form setzt.

  • Die übrigen Entwürfe des Wettbewerbs sind heute im baunetz zu sehen.


    http://www.baunetz.de/meldunge…_entschieden_4974710.html


    Wenn ich mir den zweit- und drittplatzierten Entwurf anschaue, bin ich froh, dass Robertneun gewonnen hat. Allerdings ist auf dem 9. Bild das ganze Ausmaß des Baukörpers zu sehen. Hier frage ich mich, warum in der Europacity nicht kleinteiliger gebaut wird. Aufenthaltsqualität wird sich hier auf diese Weise sicherlich nicht entfalten. Unfassbar, dass diese stadtplanerischen Fehler auch noch im 21. Jahrhundert gemacht werden. Der bislang einzige Kommentar auf baunetz bringt es m. E. auf den Punkt: der Entwurf hat etwas von einer "furchteinflößenden Backsteinhölle".

  • In der Tat kann man angesichts der Konkurrenz ganz zufrieden sein mit dem Gewinner. Die Fassade des Cobe-Entwurfs gefällt mir auch gut. Während einzelne Entwürfe ganz interessante Elemente aufweisen, kranken sie alle jedoch an dem selben Problem: die viel zu großen Ausmaße des Blocks. Es gibt keine Fassade, die so aufregend ist, dass sie über eine Länge von 100 Metern noch interessant und urban wirkt. Das ist ein städtebauliches Problem. Der Wettbewerb ist so ausgestaltet, dass eine überzeugende, urbane Planung von vornherein ausgeschlossen ist. Dazu bräuchte es Vorgaben zu Kleinteiligkeit und wechselnden Fassaden.

  • Die Alternativen sind ja größtenteils grausig. Der Sieger geht also tatsächlich in Ordnung.


    Schon interessant was im Baunetz so wiedergegeben wird: Der geplante Bau von Robertneun an der Riverside aus rohem Beton sei wohl zu progressiv gewesen um realisiert zu werden, während Backstein nicht das experimentellste für den Wohnungsbau sei.


    Dieser Begriff von Fortschritt ist doch total retro. Es ist doch eine wiederaufgewärmte Mode, wie man sie aus anderen Fächern auch kennt. Merkwürdig, dass man es nicht merkt und die 70er Jahre für weiterhin hoch modern hält.


    Im Grunde entscheidet man doch eher aus welcher Epoche man sich bedient z.B. Brutalismus versus klassische Moderne mit Anklängen an Industriearchitektur. (Mir ist das Zweitere dabei deutlich lieber.)

  • ^ Die Erklärung könnte sein, dass die 70er Jahre Moderne die höchste Stufe, der sich von Traditionen befreienden Moderne war, während die Postmoderne mit (teils ironischen) Zitaten aufwartete. Heute moderne Hightech-Architektur bleibt aber aus Kostengründen wenigen Prestigeprojekten vorbehalten.


    Etwas aufgefrischte 70er Jahre Moderne könnte deshalb das Nonplusultra der Progressiven bleiben. Man dreht sich zu Ungunsten europäischer Städte im Kreis.


    Backstein und Rückgriffe auf Inustriearchitektur, klassische Moderne und Grüderzeit sowie vereinzelte Rekos sind deshalb schon Gold wert.

  • Der nächste Wettbewerb wurde entschieden.


    Dazu die PM der Senatsverw. f. Stadtentw.:


    Der Entwurf:






    (C) EM2N Architekten

  • Sichtbeton...gaaaaaaaaaaaaanz viel Sichtbeton. Auch und vor allem im Innenraum. Da freut sich die Psyche der Arbeitnehmer.
    Soll wohl "hip" sein, so mit sichtbeton, holz und Skateboard. Wir werden sehen.


    Zumindest die Renderings sind gefällig

  • Oh, die 70er Jahre lassen grüßen...


    In der Tat, aber in diesem Fall durchaus gelungen. Nämlich unter Aufnahme der großen Gesten, wie sie damals bei einigen Großprojekten umgesetzt wurden, sonst aber meist unter den Tisch fielen. Die Innenräume, wenn sie denn so gebaut werden, sehen toll aus. Vor allem das in der Visu gezeigte Treppenhaus ist grandios.


    Von Außen finde ich das Projekt eher so mittel. Immerhin ergibt sich zur Bahntrasse hin eine beeindruckende Einfahrt in den Hauptbahnhof (tief).

  • ^ Von innen könnte es theoretisch wirklich gut aussehen. Hängt aber sehr von der Material- und Ausführungsqualität ab. Sichtbeton wird in Deutschland leider meist sehr schlampig ausgeführt. Der Grat zwischen "großartiger" und "fürchterlicher" Raumwirkung ist bei der Art der Gestaltung sehr schmal. Ich hoffe das Beste und befürchte aber eher das Schlimmste.


    Von außen ist die Gestaltung von der Art, von der ich hoffte, daß sie überwunden ist - wohl wissend, daß sie es nicht ist...

  • Sichtbeton wird in Deutschland leider meist sehr schlampig ausgeführt. Der Grat zwischen "großartiger" und "fürchterlicher" Raumwirkung ist bei der Art der Gestaltung sehr schmal. Ich hoffe das Beste und befürchte aber eher das Schlimmste.


    Dito..


    So geht Sichtbeton auch:


    https://s-media-cache-ak0.pini…eb875432c65caad01dba8.jpg


    https://www.rockcote.com.au/ga…-nails-form-concrete-look


    http://www.farbrat.de/files/betondesign/sichtbeton-optik.jpg


    Da man aber jede Unachtsamkeit beim Gießen oder bei der Erstellung der Verschalung hinterher sieht ist die Realität doch ganz anders.


    IMHO lassen wir uns inzwischen viel zu oft von Hochglanz-Visus beeindrucken. Das ging früher mit den abstrakten Tusche-Architektenzeichnungen nicht. Da musste man die Fantasie und die Erfahrung real existierender Bauten bemühen. Und in der Tat ist das alles sehr retro. Die Fassade wird real nicht so hell sein und mal wieder werden die Fenster transparent und hell dargestellt, wo sie in Realität nun einmal unter Tags "dunkle Löcher" sind. Und im Innenraum wurde der Weißwert auch arg hoch geschraubt, sieht so natürlich sehr beeindruckend aus.


    Der Riegel verläuft (wenn auch nicht genau) in Nord/Süd-Richtung, das Sonnenlicht kann also nur Morgens und Abends überhaupt so gleisend hell durch die Seitenflanken in das Gebäude einfallen. Und wenn es das tut, dann wird in der Realität ein Blendschutz die Fenster verhüllen, das bedingen schon die Arbeitsschutzvorschriften am Arbeitsplatz. D. h. im Gebäudeinneren wird man vermutlich den ganzen Tag Kunstlicht zuschalten müssen.


    So sehen solche Lichthof-Konzepte in der Realität aus:


    http://www.heinlewischerpartner.de/uploads/pics/kunst_k.jpg


    (Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Bauzeit 1974-1980)


    Wieder einmal ein bischen mehr Neomoderne aus der Schweiz. Da wundert mich auch nicht Frau Lüschers Lob in der verlinkten PM, obwohl das wohl sehr streitbar ist: "Der Gebäuderiegel tritt durch seine städtebauliche Grundstruktur in einen Dialog mit den Wohngebäuden."

  • Erlaubt mir einen kleinen Exkurs über die Differenz von Realität und Abbildung, weil das bei der Architekturfotografie eine wichtige Rolle spielt, aber kaum mal diskutiert wird. Ich beschränke mich hier auf die Belichtung, es gibt aber natürlich noch andere Aspekte. Mein Anlass ist die obige Visu-Galerie plus Pumpernickels Gegenbeispiel:


    So sehen solche Lichthof-Konzepte in der Realität aus:


    http://www.heinlewischerpartner.de/uploads/pics/kunst_k.jpg


    Pumpernickel hat natürlich recht, dass die Visus oben aufgehübscht sind. Visus von Innenräumen sind in der Regel (unter anderem) etwas überbelichtet, um einen freundlicheren Eindruck zu machen, als er in Wirklichkeit gegeben ist – sofern man unter "Wirklichkeit" das versteht, was ein Mensch sieht, der sich in den abgebildeten Räumen aufhält. Aber das als Gegenbeweis angeführte Lichthof-Foto zeigt genauso wenig "die Realität", sondern dreht den Effekt nur um: Es ist so belichtet, dass nur die vom Oberlicht beleuchteten Bereiche gemäß einem neutralen Grauwert "korrekt" wiedergegeben sind. Da Filme oder Bildsensoren einen kleineren Dynamikumfang haben als das anpassungsfähige menschliche Auge, erscheinen die übrigen Innenräume als düster – sie "saufen ab", sagt der Fotograf. Um das mal zu demonstrieren, hier ein Testfoto, das ich per Spotmessung auf eines der Fenster belichtet habe:



    Draußen alles normal, aber bei mir drinnen ganz schön finster, wa? Ganz anders der Effekt, wenn ich den Belichtungs-Messpunkt nicht auf ein Fenster, sondern auf die Wand über dem Plattenspieler lege:



    Nun sind die vorher so düster erscheinenden Bereiche "korrekt" belichtet; dafür erscheint die Außenwelt vor dem Fenster gleißend hell (sie "überstrahlt"). Der Raumeindruck ist ähnlich leuchtend wie auf den Visus. Beide Fotos sind im Abstand weniger Sekunden aufgenommen, und an den realen Lichtverhältnissen im Zimmer hat sich nicht das Geringste verändert.


    Wenn ich für meine Wohnung einen Nachmieter finden wollte, würde ich die lichtdurchflutete Variante veröffentlichen; wollte ich nachweisen, dass Altbauwohnungen "in der Realität" finstere Löcher sind, die düstere. Die Wirklichkeit, also den Sinneseindruck des Auges, treffen beide nicht. Sie lässt sich bei einem derart hohen Kontrastumfang zwischen Innen und Außen technisch schlicht nicht wiedergeben (man kann es mit Mehrfachbelichtung im HDR-Verfahren oder mit aufwendiger digitaler RAW-Nachbearbeitung versuchen, aber das wirkt m.E. schnell nicht weniger künstlich als eine allein am Rechner gebastelte Visu).


    Erkenntnis für die Bewertung von Architektur-Aufnahmen im Allgemeinen und Visus im Besonderen: Man muss halt sehen lernen, was daran geschraubt ist (Überbelichtung, Dynamikumfang, Farbsättigung, etc.) und von unrealistischen Bling-Bling-Effekten abstrahieren. Dem Hochglanz beizukommen, indem man unterbelichtete, verrauschte Handyfotos als vermeintlichen Realitätsschock dagegenhält, kann es aber auch nicht sein. Zumal selbst das Zig-Millionen-Euro-Penthouse auf den Dächern der Kronprinzengärten so finster wirkt wie eine Souterrain-Wohnung bei Stromausfall, sofern man das Innere zeigt, aber auf die Fenster belichtet. Alles Fake... ;)

    2 Mal editiert, zuletzt von Architektenkind ()

  • ^ Die Frage kann man sich schon stellen. Ich nehme mal an, ohne Wettbewerb würden dort Wellblechhütten entstehen...