Neugestaltung der Hauptwache (geplant)

  • Hier noch der Link auf den FAZ-Artikel zur oben schon verlinkten Grafik:


    http://www.faz.net/s/RubFAE83B…Tpl~Ecommon~Scontent.html


    Das Geheule der Einzelhändler hat mich bei Artikel-Lektüre beinahe den Kaffee (Wacker) auf die FAZ spucken lassen. Die Millionen von Autos, die täglich als reiner Durchgangsverkehr an der Hauptwache vorbeifahren, werden künftig durch die Töngesgasse irren und ein gar schröckliches Chaos anrichten. Ich rechne mit einem zweiten Fettmilch-Aufstand.


    Es scheint eine anthropologische Konstante zu sein, dass Ladenbesitzer über jede - wirklich JEDE! - Änderung in der Umgebung ihres Geschäfts jammern. Das war so, als die Zeil Fußgängerzone wurde, das ist jetzt so und wird auch der Fall sein, wenn Speers "Frankfurt 2030" jemals Auswirkungen auf die Innenstadt haben sollte. Und Herr Albrecht gefällt mir schon seit Jahren in der Rolle des Bremsers vom Dienst. Dabei ist sein Parfum-Angebot immer auf dem neuesten Stand, wenn ich auch lieber zu Kobberger gehe... :lach:


    Aber im Ernst: Als Autofahrer und Fußgänger ist mir in den letzten Monaten aufgefallen, wie stark die Baustelle um das Palais den Durchgangsverkehr bereits auf andere Wege gezwungen hat. In der Regel kann ein Fußgänger inzwischen an der Hauptwache auch bei Rot die Straße sicher überqueren. Das war früher anders. Ob der Verkehr von der Eschersheimer Landstraße kommend wirklich über die Kapazität der Kreuzung gehen wird, bleibt abzuwarten. Auch bisher schon besteht ein nicht unerheblicher Teil dieses Verkehrs aus Einkäufern, die ins Börsenparkhaus fahren. Zumindest die Börsenstraße wird von der besseren Verteilung auf mehr Parkhäuser profitieren. Dass der aus der Kaiserstraße strömende Verkehr künftig in die Junghofstraße abbiegen kann, könnte für die Gegend um den Frankfurter Hof evtl. sogar weniger Stau bedeuten. Was die Änderung für Katharinenpforte und Salzhaus bedeutet, wird sich weisen. Ich gehe aber bis zum Beweis des Gegenteils davon aus, dass das Parkhaus Goetheplatz dort viel Druck rausnimmt.

    Einmal editiert, zuletzt von Crimplene ()

  • Womöglich wird es am ehesten auf der Hochstraße, der Berliner Straße und der Junghofstraße zu Problemen kommen. Die Stadt jedoch reagiert mit angepassten Ampelschaltungen. Die neue Ampelschaltung für sieben Knotenpunkte in der Umgebung wird dann in einigen Wochen umgesetzt.

  • Die FNP berichtet, dass die Einmündung zur Katharinenpforte derzeit umgebaut wird. Ein Teil vom Gehweg wird der Fahrbahn zugeschlagen, wodurch ein größerer Kurvenradius ensteht. Dies ist notwendig, damit auch LKW's künftig an dieser Stelle wenden und zum Roßmarkt zurückfahren können. Ab dem 19. Februar werden zusätzlich Stadtpolizisten die Fußgänger geregelt stoppen, damit der Verkehr nicht beeinträchtigt wird. Auch wird es künftig nicht mehr möglich sein, von der Katharinenpforte aus ins Parkhaus Hauptwache zu fahren. Das Straßenverkehrsamt hat das illegale Linksabbiegen in die Parkhauszufahrt mit so genannten "Bischofsmützen" unterbunden. Das sind diese ca. 1m hohen, senkrecht aufgestellen und diagonal orange-weiß gestreiften Kunststoff-Aufbauten in der Straßenmitte (hier ein Bild). Das Parkhaus Hauptwache wird künftig über die Berliner Straße angefahren, wie auch im Parkleitsystem beschildert. Eine Übersicht über das neue Leitsystem findet sich im zweiten Presseabschnitt.

  • Zunächst mal, ich bin ein absoluter Befürworter der Sperrung der Hauptwache. Wenn ich so eine Überschrift wie von der FNP „Mit der Sperre kommt das Chaos“ lese, würgt es mich im Halse.
    Ok, da wird ein Straßenabschnitt auf Dauer gesperrt, der viel befahren ist., und? Das ist nicht das erste Mal, da gab es in den 70ern (z.B. Sperrung der Zeil) extremere Sperrungen und alle haben es überlebt. Natürlich wird es in der ersten Zeit Verkehrsprobleme geben und das wird sich nicht nach 3 Monaten erledigt haben, da in Frankfurt viele Verkehrsteilnehmer nur ab und zu in der Innenstadt unterwegs sind und daher diese Sperrung vielleicht erst im September oder später wahrnehmen. Und ein paar gut platzierte Hinweisschilder können wahre Wunder bewirken.
    Meiner Meinung nach ist das in kauf zu nehmen, da der Nutzen um etliches höher zu bewerten ist. Auch der Hinweis in diesem Artikel das es für Fußgänger an der Ecke Sport-Arena / Katharinenkirche die Strasse zu überqueren ungemütlich werden kann, ich meine das eine Überquerung von der Zeil zur Hautwache im Moment sehr viel ungemütlicher ist und es auch ein Menge mehr Fußgänger betrifft.
    Ich hoffe nur, dass hier nicht später wieder ein Rückzieher gemacht wird, weil im Rathhaus irgendwer „die Hose voll hat“.

  • Ich sehe das ähnlich. Sobald die Menschen merken, das es eben dort nicht durch geht und man schnell in den kleinen Gassen im Stau stehen kann, werde sie diese Stelle umfahren.
    Wie schnell natürlich die Navi-hörigen Ortsunbekannten dort dann noch reinfahren und trotz Beschilderung bis zur Sperrung fahren und sie dann wundern, kann ich noch nicht sagen, aber soviele werden das wohl nicht werden. Die Innenstadt an der Stelle ist eben nicht für den Durchgangsverkehr gedacht, dafür soll man eben Anlagenring und Berliner Straße nutzen, die sind dafür auch ausgelegt. Eher wird die Sperrung eine deutliche Entlastung für die Hauptwache bringen, denn mittlefristig ist dort nur noch Parksuchverkehr unterwegs, der im Norden direkt ins Parkhaus fahren kann und im Süden dann versucht, eine Parklücke zu finden.
    Interessant finde ich die Zufahrt zum Hauptwache Parkhaus. Bisher bin ich auch "illegal" abgebogen, finde aber die Maßenahme ok, die Straße abzusperren. Das einzige, was ich mich jetzt frage: müssen die Autos, die das Parkhaus verlassen, dann zwingend rechts abbiegen und können so nicht direkt Richtung Berliner Straße fahren? Das wäre doch mehr als ungeschickt.

  • Um ehrlich zu sein sehe ich der Sperrung mit gemischten Gefühlen entgegen. Grundsätzlich ist es natürlich legitim aus Verkehrsberuhigungsgründen Straßen zu sperren und diese dem fließenden Automobilverkehr zu entziehen. Vorliegend bin ich jedoch der Meinung, dass die Sperrung, die einzig und allein politisch begründet ist und keinen tatsächlichen Nutzen hat, derzeit nicht angebracht ist. Die Hauptlast des Verkehrs nach Norden soll über die Hochstraße abgewickelt werden. Leider handelt es sich bereits bei dieser Straße um eine Straßenschlucht, die mehr Rennstrecke als urbane Straße ist. Sie ist bereits jetzt chronisch überlastet und weißt besonders zu den Spitzenzeiten lange Staus auf. Die Fahrbahnverengung aufgrund der Bauarbeiten für das Umspannwerk trägt weiterhin zur Versptopfung bei. Jeder, der in den letzten Wochen zu Rush-Hour-Zeiten schonmal im Parkhaus Börse stecken geblieben ist, weil der Verkehr nicht abfließt kann ein trauriges Lied davon singen. Die Verkehrsbehörden schaffen es nicht einmal derzeit durch eine Baustellenampel oder Verkherspolizisten diesesn Flaschenhals zu entschärfen. Stattdessen werden im Parkhaus scheinheilige Hinweise aufgehängt, dass es mal länger dauern kann. Wie der zusätzliche Verkehr bewältigt werden soll ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel.


    Grundsätzlich halte ich gerade in der heutigen Zeit Straßensperrungen, Einbahnstraßen und verkehrsberuhigte Zonen für fragwürdig. Zwar haben sie den lokalen Effekt der Beruhigung und Enftfelchtung des Verkehrs, gesamtstädisch betrachtet führen extensive Einbahnstraßenregelungen, Straßensperrungen und Fußgängerzonen zu einer Erhöhung des Co2-Ausstoßes. Wer um eine Strecke zurückzulegen, sagen wir von der Katharinenpforte zum Eschersheimer Turm, die derzeit wenige Hundert Meter beträgt künftig einen Umweg von über einem Kilometer fahren musss, der produziert unnötig Co2 aufgrund des längeren Weges. Betrachtet man die zahlreichen Behinderungen im gesamten Stadtgebiet kann mann sich leicht vorstellen, wie viele Tonnen CO2 zusätzlich in die Luft geblasen werden, weil immer noch an Verkehrskonzepten festgehalten wird, die mit einer modernen Großstadt nichts zu tun haben.

  • Frage an rako, woraus schließt Du, dass die Sperrung politisch begründet ist? Freue mich schon auf Deine Antwort.
    Und was ist für Dich ein „tatsächlicher Nutzen“? Hat die Hauptwache einen tatsächlichen Nutzen? oder könnte man die auch platt machen, weil einen tatsächlichen Nutzen hat die ja eigentlich auch nicht, oder?
    Ich sehe das noch nicht, dass die Hauptlast über die Hochstraße abgewickelt wird, vielleicht für den Verkehr der nur bis zur Eschersheimer Landstr. kommen will, der komplette andere Verkehr kann auch über die Berliner Str. geführt werden.
    Ich hab mal eine Google-Karte ein wenig bearbeitet. Hierbei habe ich ausgerechnet, dass wenn wir den Willy-Brandt-Platz als Startpunkt nehmen, der Weg über die Hochstr. statt über die Hautwache zur Eschersheimer Landstr. 280m länger ist und zur Friedberger Landstr. über die Berliner Str. statt über die Hauptwache exakt gleich ist.

    By thomasfra at 2009-02-10

    Bei der Hochstr. sprichst Du erst von einer Rennstrecke und dann wieder von Verstopfung!?
    Man nehme die parkenden Autos von der Hochstr. (und stelle sie ins Parkhaus unter dem Goetheplatz oder ins neue PalaisQuartier Parkhaus) und schon wird der Verkehr in Kombination mit der Berliner Str. nicht viel schlimmer als bisher. Und zu warten bis das Umspannwerk fertig ist, sehe ich auch nicht als Lösung, da dann der neue Hotelbau stört und dann evtl. der neue Fraspa-Bau und und und …. Dann können wir die Sperrung der Hauptwache auf das Jahr 2036 verschieben. (ok, etwas übertrieben)
    Am besten gefällt mir Dein Satz, dass Einbahnstraßenregelungen, Straßensperrungen und Fußgängerzonen den CO2 Ausstoß erhöhen. Das ist natürlich ein echter Grund ab sofort keine Fußgängerzonen mehr zu bauen, besser noch: weg damit und freie Fahrt für freie Bürger. Auch Einbahnstrassen in Wohnvierteln sorgt für mehr CO2 – weg damit!
    Aus Deinem letzten Satz entnehme ich, dass in modernen Großstädten Fußgängerzonen nichts zu suchen haben. Sorry, aber dazu fällt mir jetzt nichts mehr ein.:rcain:
    Nicht böse sein, aber das musste einfach raus.

  • thomasfra: natürlich ist die Entscheidung, den Fußgängern im Bereich der Hauptwache das Vorrecht zu geben eine politische Entscheidung. Politik ist halt ein Produkt aus Wirtschaft und ideologie. Aber es ist - und das dürfte Rako gemeint haben - keine rein (grün) ideologische Entscheidung.


    Darüberhinaus muss man sehen, welche Wirkung die Parkhauseinfahrt für das Palaisquartier für den Verkehr auf der Großen Eschenheimer hätte. Bislang war die Strecke Willy-Brandt-Platz/Rossmarkt/Eschenheimer Turm eine Einbahnstraße und weitgehend zweispurig ausgebaut (das Baustellen-Nadelöhr lassen wir außen vor).
    Wenn man jetzt nicht den gesamten Verkehr zum Parkhaus über den Rossmarkt ziehen will oder für die Einfahrt ins Parkhaus (von Norden kommend) längere Zeit per Ampel den Verkehr nach Norden anhalten will (mit Stau am Rossmarkt), dann ist eine weitgehende Beschränkung des Verkehrs auf dieser Straße für den Weg vom/zum Parkhaus notwendig.


    Dazu kommt: Wer muss denn in Zukunft überhaupt am Willy-Brandt-Platz in Richtung Rossmarkt abbiegen? Diejenigen, die zum Frankfurter Hof oder dessen Parkhaus wollen, diejenigen, die glauben, dass gerade sie noch einen der freien Parkplätze im Bereich Kornmarkt, Bleidenstraße, Töngesgasse bekommen und die ganz wenigen, die dort eine Garage besitzen. Die Zufahrt von dieser Seite in das Parkhaus Hauptwache entfällt ja jetzt.


    Die Zufahrt über Kaiserstraße und Kaiserplatz wird ebenso unattraktiv, da es kaum noch Ziele gibt, die man auf dieser Strecke schneller erreicht.


    Kritisch ist damit natürlich die Verkehrsführung im Bereich Neue Mainzer Straße/Hochstraße, in der durch geeignete Ampeltakte ein möglichst schneller Verkehrsabfluss gewährleistet sein muss. Dazu sollten querende oder einmündende Straßen, an denen der Verkehr angehalten werden muss, weitgehend vermieden werden. Die Einmündungen in deer Hochstraße mit ihrer Einfädelspur sind dazu ein guter Ansatz, evtl. sollte die Beziehung Anlagenring/Kaiserstraße nach Kaiserstraße/Kaiserplatz getrennt werden, so dass hier primär von der Neuen Mainzer Straße in Richtung Kaiserplatz gefahren werden kann und von der Kaiserstraße eine Einfädelspur auf die Hochstraße leitet. (Wenn's denn sein muß halt eine Ampel, die alle halbe Stunde mal zwei Autos geradeaus durchlässt).


    An der Junghofstraße geht das so nicht, da hier der Verkehr zu den (privaten) Parkhäusern in der Junghofstraße und in das Parkhaus Goetheplatz queren muss, allerdings kann man die Ampel von der Junghofstraße Richtung Hochstraße Im interesse eines besseren Verkehrsflusses wieder sehr unattraktiv gestalten, da auch dort die Alternativroute über die Große Gallusstraße verfügbar ist.
    Den Verkehr aus der Goethestraße fädelt man über eine Doppelte Haltelinie vor der Fressgass mit ein, so dass er sich vor den Austos von der Neuen Mainzer Straße aufstellen kann, wenn diese wegen der querenden Fußgänger angehalten werden - braucht also nur einen Ampelhalt...


    Kritisch ist dann noch die Engstelle hinter der Fressgass, wo durch die Parkplätze die Durchfahrt auf zwei schmale Spuren verengt wird, da sollte zumindest in der HVZ kein Parkplatz sein.


    Zu Einbahnstraßen: Einbahnstraßen vereinfachen den Verkehrsfluss, da es an einer Kreuzung zweier Einbahnstraßen nur vier Verkehrsbeziehungen (jeweils geradeaus oder in die andere Einbahnstraße) gibt statt der zwölf (vier mal rechts/lings/geradeaus) und dadurch die Ampeltakte in jede Richtung entsprechend länger sein können.
    Die Kombination von Einbahnstraßen mit Einfädelspuren erlauft es theoretisch, komplett auf Ampeln zu verzichten, wo man nicht Fußgängern die Überquerung der Straße erlauben muss.

  • Xalinai


    Genauso wie der Plangedanke einer "autogerechten Stadt" sind die autofreie Hauptwache und die vielen Verkehrsberuhigungen im Nordend (z.B. Friedberger Platz, Rotlintstr., breitere Fussgängerwege) selbstverständlich ideologischer Natur, da sie dem jetzigen Zeitgeist entsprechen.


    Aber ist dieser Zeitgeist einer "ökologischeren/nachhaltigeren Stadt" denn völlig unbegründet? Wir wissen doch alle, dass das Erdöl keine grenzenlose Rohstoff-Versorgung ermöglicht und somit wird das Benzin und das Autofahren auf lange Sicht zwangsweise immer teurer werden. Ich halte die Politik der Stadt daher für durchaus vorausschauend. Hinzu kommt, dass das hervorragende ÖPNV Netz im Rhein Main Gebiet noch immer nicht an seine Kapazitätsgrenzen gestossen ist. Es gibt immer noch zu viele Fahrer, die das Auto nicht aus Notwendigkeit, sondern aus Bequemlichkeit nutzen. Daher wage ich es zu bezweifeln, dass eine Verkehrsberuhigung zwangsweise zu mehr C02 Ausstoss führen wird.


    Um den Bogen aber wieder zurück zur Hauptwache zu spannen: Dieser Platz ist nun mal der absolute Mittelpunkt der Stadt Frankfurt und ist daher nicht vergleichbar mit Platz XYZ. Mit anderen Worten: Dieser Platz ist zu wichtig um vornehmlich als banale Durchfahrschneise zu dienen. Man würde ja auch nicht auf die Idee kommen die Bockenheimer Landstrasse über den Alte Oper Platz zu verlängern.

  • Der Opernplatz, die Zeil und die Fressgass waren früher mal befahrbare Straßen, dass wünscht sich heute auch keiner mehr zurück. Ein in naher Zukunft neu gestalteter Platz an der Hauptwache kann ein großer Gewinn für die gesamte Innenstadt werden. Wenn Autofahrer deswegen jetzt Umwege in Kauf nehmen müssen, die auch nicht wesentlich länger sind als der bisherige Weg über die Hauptwache, oder öfters mal auf den Ausweichstrecken im Stau stehen, dann ist das eben so. Dieser zentrale Innenstadtbereich ist hervorragend an den öffentlichen Nahverkehr angebunden, von Wiesbaden bis Hanau, von Darmstadt bis Friedberg, da muss man dann eben abwägen, ob man nicht doch mal auf das Auto verzichtet.

  • Der FAZ-Debattenbeitrag soll zum Nachdenken anregen - was ich im Falle vieler Fußgängerzonen in kleinen und mittleren Städten für sehr angebracht halte.


    Die Innenstadt von Saarbrücken z.B. wurde mit der Bahnhofstraße als Fußgängerzone quasi totberuhigt. Und wer sich jemals Nachts nach Rüsselsheim gewagt hat, wird einsehen, dass Straßenverkehr durchaus für eine gewisse Urbanität auch im Sinne von gefühlter Sicherheit sorgen kann. Gerade die Zeil funktioniert als Fußgängerzone jedoch hervorragend. Z.B. an der Berliner Straße kann man sehr gut erkennen, dass eine Rennpiste eben keine Aufenthaltsqualität (!) erschafft. Und somit ist es nur konsequent, den Störfaktor des reinen Durchgangsverkehrs an der Hauptwache* zu beseitigen.


    Etwa bei der Goethestraße oder der Kaiserstraße würde ich die Sache deutlich anders sehen. Aber was ist mit der Fressgass? Ist irgendjemand dafür, sie wieder für Autos zu öffnen?


    Fußgängerzonen als stets grün-ideologisch-motiviert zu verteufeln führt meiner Meinung nach zu Nichts.




    *Kann sein, dass ich als Aageplackter auf dem falschen Dampfer bin: Verwechselt Ziegler nicht Rossmarkt und Hauptwache?

  • Die Fressgasse wurde meines Wissens Mitte der Fünfziger Jahre zu einer mehrspurigen Hauptverkehrsstraße ausgebaut (dazu wurde mindestens ein Haus gegenüber der neu erbauten Volksbank abgerissen) und der Verkehr ging dann direkt über aus der Bockenheimer Landstraße über den Opernplatz und die Fressgass in die schon früher (um 1950) verbreiterte Biebergasse und die Zeil. Ich habe mir eben noch mal ein Luftbild davon angeschaut, dass wirklich erschreckend ist. Die Freßgass war eine Verkehrshölle.


    Man hielt es damals für notwendig, die autogerechte Stadt zu bauen. Aus der gleichen Planung von 1948 stammen die grandiose Kurt-Schumacher-Straße ("Süd-Nord-Verkehrsstraße") und ihre später erfolgte Verlängerung in der heutigen Konrad-Adenauer-Straße. Man hatte also zwei parallele Süd-Nord- und zwei parallele Ost-West-Trassen durch die Innenstadt zu hauen. Also Untermain-Brücke/Friedensstraße/Hauptwache/Eschersheimer nach Norden plus Alte Brücke/Schumacher/Adenauer/Friedberger nach Nordwesten und quer dazu Bockenheimer/Freßgass/Biebergasse/Zeil/Wittelsbacher (als Querspange zum Alleenring) und südlich davon die Berliner/Batton/etc. die südlich wie heute noch in die Hanauer Landstraße mündete. Die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt oder an den Einkaufsstraße war etwas, was sich in den Köpfen der Planer vermutlich über die perfekte Erreichbarkeit mit dem Auto herstellte.


    Aus Perspektive eines Flaneurs (oder einer einkaufenden Hausfrau) stellt sich die Entwicklung nicht so dar, dass es früher "urban" war und heute verödet ist, wie es dem FAZ-Autor offenbar erscheint. Vielmehr hat sich nach meiner Vorstellung eine etwas komplexere Entwicklung vollzogen.
    Zu Ende des 19. Jahrhunderts waren die Hauptverkehrsstraßen in der (oder in die) Stadt - ich bleibe mal bei der Linie Alte Oper-Konstabler Wache - ganz gewiss von Droschken und Fuhrwerken, Tram-Bahnen, Handkarren und Menschen überfüllt. Es war aber noch keine fast hermetische Trennung der Verkehre vollzogen und auch die Geschwindigkeiten unterschieden sich nicht so drastisch wie später. Die Fressgass war zum Opernplatz und der Biebergasse offen, aber ein Engpass. Die Hauptwache auf dem Schillerplatz im wesentlichen von Straßenbahnen umkreist. Zu Fuß bahnte man sich seinen mitunter nicht ungefährlichen Weg, war aber in der Auswahl seines Weges (ob kreuz oder quer) fast völlig frei. Mit der Einführung der Autos änderte sich das natürlich. Es wurde eine klarere Trennung der Verkehrsteilnehmer nötig, um Unfälle zu vermeiden und den schnellen Autoverkehr fließen lassen zu können. Das führte dazu, dass schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg die Verkehrswege in Frankfurt massiv umgekrempelt werden sollten. Die Ideologie, dass das moderne Verkehrsmittel Auto den Vorrang vor allen anderen zu erhalten habe, konnte sich aber erst nach dem Krieg endgültig Bahn brechen und führte dazu, dass z.B. auf der Fressgass wie auf der Zeil die Fussgänger an die Ufer des Verkehrsflusses verbannt wurden und diesen nur an wenigen Stellen überqueren konnten (ganz anders als noch 1940). In einigen Städten führte das zu absurden Fussgänger-Stegen über den Straßen (Leipzig, Offenbach), nahezu überall zu einem wirklich nur noch für Autofahrer erträglichen Getöse und Gedränge. Flanieren auf Fressgass oder Zeil waren in den 60er Jahren Höllentrips und kein Spaziergang.


    Was der FAZ-Autor sich zu wünschen scheint ist eine imaginierte Vergangenheit, die ich evtl. in der Zeit der 20er ansiedeln würde. Es gab zwar schon recht viel motorisierten Verkehr, der aber auf den alten Straßen sich zu bewegen hatte, die Fussgängern relativ viele Bewegungsräume liessen, zumal es noch keine Ampeln gab. Ich hielte die Abschaffung von Fussgängerzonen für einen Rückschritt, der sowohl der Bevölkerungsentwicklung als auch der Entwicklung der Transportmittel widerspricht. Einen solchen Schritt quasi romantisierend zu begründen wie der FAZ-Autor das tut, finde ich direkt lächerlich. Der motorisierte Individualverkehr in seiner heutigen Form ist das, wovon die Planer der 50er Jahre ausgegangen sind und was sie auch mit ihrer Planung aktiv gefördert haben. Die Städte waren also durchaus "zeitgemäß" und zukunftstauglich (jedenfalls für zwei Jahrzehnte). Jetzt wären sie es nicht mehr. Für Frankfurt hiess das schon 1972 die Sperrung der Zeil für Autos und vor über 20 Jahren den Abschied von der Idee der "schienenfreien Innenstadt". Und heute scheint für mich die Sperrung der Hauptwache eine logische Folge zu sein. Straßenbahnen auf dem Schillerplatz wären schön - aber völlig natürlich unsinnig :) Man könnte den schönen Garten des Hauptwache-Cafés rekonstruieren, das wäre was!


    Ergänzung:


    Das moderne Fußgängerzonen mitunter den Charme von öffentlichen Bedürfnisanstalten haben, ist klar. Zumal man wegen austauschbarer Kaufhaus-Architektur oft nicht weiß, ob man sich auf Zeil oder Kettwiger Straße (Essen) aufhält. Am Konzept "Fußgängerzone" scheint mir das nicht zu liegen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Crimplene ()

  • Aus Perspektive eines Flaneurs (oder einer einkaufenden Hausfrau) stellt sich die Entwicklung nicht so dar, dass es früher "urban" war und heute verödet ist, wie es dem FAZ-Autor offenbar erscheint. Vielmehr hat sich nach meiner Vorstellung eine etwas komplexere Entwicklung vollzogen.


    (...)


    Das moderne Fußgängerzonen mitunter den Charme von öffentlichen Bedürfnisanstalten haben, ist klar. Zumal man wegen austauschbarer Kaufhaus-Architektur oft nicht weiß, ob man sich auf Zeil oder Kettwiger Straße (Essen) aufhält. Am Konzept "Fußgängerzone" scheint mir das nicht zu liegen.


    gut beschrieben, der autor des artikels stellt tatsächlich einige zusammenhänge her die mehr als absurd sind. urbanität findet sicherlich nicht statt, wenn menschen in ihren autos durch die gegend düsen. urbanität gibt es auch seit tausenden von jahren, autos erst seit etwas über hundert.


    die trennung zwischen autoverkehr und anderem verkehr die du beschreibst und die ja tatsächlich für den autoverkehr eingerichtet wurde, damit dieser schneller fließen kann, die ist viel problematischer und raubt vielen straßen die aufenthaltsqualität. gerade in kleineren städten wäre statt durchgangsstraße oder fußgängerzone ein shared-space wesentlich besser.


    straßen wie die berger straße oder die schweizer funktionieren auch nicht nur deswegen so gut, weil man sie mit dem auto befahren kann, sondern vor allem weil sie in lebendigen vierteln liegen und genau das fehlt natürlich bei der zeil.
    auf der zeil lebt niemand, wer soll da also nachts für leben sorgen wenn die geschäfte geschlossen sind und alle shopper verschwunden? es gibt dort nichts anderes als geschäfte. nicht die fußgängerzone ist das problem, sondern die mangelnde vielfältigkeit.


    und dass diese geschäfte auch noch die immergleichen sind wie auf allen anderen einkaufstraßen schränkt die vielfalt und aufenthaltsqualität zusätzlich ein.
    meiner meinung nach ist hier insbesondere bei der zeil zusätzlich noch das problem, dass alles so fokussiert auf dieses kurze straßenstück zwischen hauptwache und konstablerwache ist. die nebenstraßen haben bis auf ausnahmen nichts zu bieten und stellen sich dem besucher wenig einladend dar. meiner meinung nach müsste man die zeil rundherum in den seitenstraßen, vieleicht nicht als fußgängerzone, aber z.b. als shared space ausführen (für anlieferungen, abholungen, parkhauseinfahrten). durchfahrtstraßen gibt es ja ohnehin keine, also braucht man da auch keine "richtigen" straßen.


    so könnte man die besucher der zeil auch mehr in die seitenstraßen hineinlocken und es könnten sich um den mittelpunkt mit den immergleichen großen geschäften die aufgrund ihrer größe und ihres namens die menschen auf die zeil locken auch mehr kleinere geschäfte angesiedelt werden die durch den kundenstrom mit profitieren. bisher rennen die meisten die zeil einmal von west nach ost oder umgekehrt durch und biegen kaum einmal ab weil die angrenzenden straßen eben auch nicht dazu einladen da abzubiegen (insbesondere die nördlichen, südlich gibt es einige ausnahmen.)


    ob sich an einem standort wie der zeil nur große geschäfte etablieren können oder ob es auch individuellere angebote gibt könnte die politik in die richtige richtung steuern, aber das gegenteil ist der fall befürchte ich, denn anstand die nähere umgebung aufzuwerten baut man ein neues riesending dahin mit dem palais quartier. wer soll da eigentlich einziehen? h&m mit dem dritten geschäft auf der zeil?

  • Ich muss sagen: Ich glaub, ich bin im falschen Film.


    Auf den bisher veröffentlichten Karten gab es eine Unklarheit: Die einen haben Biebergasse/An Der Hauptwache zur Fußgängerzone erklärt, die anderen nicht.


    Ich war mir (Trugschluss!) immer ziemlich sicher, dass hier die Grafiker einfach nur ein bisschen geschlampt haben, denn welchen Sinn würde es schon ergeben, dort Individualverkehr durchzuquetschen. Doch was sehe ich jetzt? Auch auf TraffIQ (Die sollten es doch wissen?) ist diese unglaublich nervende Straße - nun von Norden kommend - für den Straßenverkehr offen.


    Weiß jemand Details? Warum denn so und nicht richtig konsequent? Ist es vielleicht nur ein Provisorium oder haben die Taxiunternehmer darauf bestanden?