Freiheits- und Einheitsdenkmal (in Bau)

  • Ich habe lieber freien Blick auf den Reichstag, als auf etwas, was ich noch nie zu Gesicht bekommen habe. Einen Blick zu verlieren, zumal einen, den man jeden tag in der Tagesschau sieht, ist etwas anderes, als einen den man nie hatte und den es in der Baugeschichte kaum jemals gab, nicht zu bekommen. Wenn man freien Blick auf das Schloss braucht, dann hätte man es gleich am Stadtrand bauen können. Da es aber im Zentrum der Stadt steht, muss man sich mit den üblichen Konflikten eines Stadtkerns abfinden. Das heißt Enge, Nutzungskonflikte und Brüche.

  • ^ Welch Widersprüche - durch den Verzicht auf etwas, was es nicht gibt und noch nie gab (die Wippe), zumindest für diesen Ort, erspart man sich solche Probleme. Wenn am Stadtrand bauen - und warum nicht die Wippe, die es in der Baugeschichte im Zentrum noch nie gab?


    Dass die einstige Altstadt bereits zu viele Brüche als zu wenige hat, wurde wohl oft genug geschrieben - man muss nicht gekünstelt weitere schaffen.

  • Ein Artikel aus dem Tagesspiegel zeichnet noch einmal die Geschichte der Standortfindung für das Freiheits- und Einheitsdenkmal nach. Demnach wurden zwischen 2005 und 2008 mehrere Standorte geprüft, darunter auch der Platz der Republik und der Alexanderplatz. Es fanden mehrere öffentliche Hearings zum Standort statt, außerdem wurde eine Expertengruppe eingesetzt. Am Ende kam der Bundestag zum Ergebnis, dass der Standort an der Schlossfreiheit der optimale Standort ist.


    Für diese Entscheidung waren vor allem zwei Argumente wichtig:
    -Der Schlossplatz war ein zentraler Ort der Friedlichen Revolution 1989/90. Hier fand die Demonstration am 4.11.1989 und andere Demonstrationen statt, hier beschloss die Volkskammer den Beitritt der DDR zur BRD.
    -Hier stand früher das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal. Ein Einheits- und Freiheitsdenkmal auf dem Sockel des Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals macht deutlich, dass dieses von unten erkämpfte neue Deutschland ein Gegenmodell zum Zweiten Reich ist, dass von oben erzwungen wurde. Es symbolisiert für alle sichtbar einen Bruch mit dem wilhelminischen Deutschland.


    https://www.tagesspiegel.de/ku…eit-gehoert/22748092.html

  • Letztlich hätte doch niemand etwas gegen den Standort, wenn die Form des Denkmals mehrheitlich befürwortet werden würde. Man kann es drehen und wenden wie man will, aber die Wippe ist nicht der große Wurf, den niemand in Frage stellt. Baurechtlich und technisch erforderliche Planungsänderungen trugen dazu noch bei. Dazu kommt noch das Thema des Denkmalschutzes des Sockels, den damals keiner im erforderlichen Umfang beachtete. Auf der anderen Seite setzt einfach die pure Realität des Humboldtforums dem Ganzen die Krone auf. Sein barock-historistisches Äußeres schafft für den Ort einfach Tatsachen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung für den Standort des Denkmals so nicht bestanden.

  • Dazu kommt noch das Thema des Denkmalschutzes des Sockels, den damals keiner im erforderlichen Umfang beachtete


    Ist denn da noch was schützenswertes erhalten? Zumindest die Bodenbeläge und sonstige Ornamentik wurden doch schon vor Jahren vorsorglich entfernt und in irgendein Depot ausgelagert, nachdem sie zuvor weitgehend unbeschadet die Jahrzehnte unter Asphalt überdauert hatten... Bloß nichts erhalten, was irgendwie der Banane im Weg sein, oder gar eine Rekonstruktion des Ensembles anregen könnte.

  • Wenn man böse wäre, könnte man sagen: Die BRD macht heute da weiter, wo die DDR damals aufgehört hat. Ein sensibler Umgang mit geschützten Baudenkmälern sieht jedenfalls anders aus.

  • Ist denn da noch was schützenswertes erhalten? Zumindest die Bodenbeläge und sonstige Ornamentik wurden doch schon vor Jahren vorsorglich entfernt und in irgendein Depot ausgelagert, nachdem sie zuvor weitgehend unbeschadet die Jahrzehnte unter Asphalt überdauert hatten...


    Aus denkmalschützerischer Sicht könnte man sogar sagen, daß der Ausbau der Mosaike für die denkmalgerechte Sanierung (für das Abdichten der Gewölbe und deren Sanierung) unbedingt notwendig war. (wobei hier die Betonung auf "könnte" liegt)
    Nur müßte man jetzt konsequenter weise, aus denkmalschützerischer Sicht, die Mosaike auch wieder verlegen.


    Somit wäre normalerweise, auch aus denkmalschützerischer Sicht, erstmal alles gut und sehr viel schützenswertes erhalten.


    Weshalb sich der Denkmalschutz gerade nach der aufwendigen Sanierung und der nun geplanten teilweisen Beschädigung bis Zerstörung nicht klar positioniert bleibt leider weiterhin ein Mysterium.



    Gruß, Jockel

    Einmal editiert, zuletzt von Jockel HB () aus folgendem Grund: wegen der bösen Rechtschreibung

  • Ist denn da noch was schützenswertes erhalten?


    Natürlich ist etwas Schützenswertes erhalten! Der Sockel an sich stellt bereits einen Denkmalwert dar. Er wurde gerade aufwendig saniert. Dazu enthält das Innere beeindruckende Gewölbe, die ebenfalls vollständig gerhalten sind. Für die Wippe müssten riesige Stahlträger durch die Gewölbe hindurch gestochen werden, was zur Zerstörung wertvoller Strukturen sowohl beim Denkmal an sich als auch bei den Gewölben führen würde.


    Zudem ist das ein ungeheurer Aufwand der mit erheblichen Kosten verbunden ist. Daher habe ich immer dafür geworben, wenn man die Wippe schon bauen möchte, sich einen Standort zu suchen, wo man einfach eine Bodenplatte baut und fertig ist die Sache. Warum man sich gerade einen der schwierigsten Orte in Berllin für eine so komplexe Konstruktion wie eine bewegliche Wippe aussucht, das verstehe wer will.


    Zudem sind die Mosaike auch weitgenend erhalten, man könnte sie nach erfolgter Restaurierung wieder auf dem Sockel anbringen. Und vielleicht wäre es als Kompromiss für alle vertretbar, wenn man den Sockel erst mal leer lässt. Keine Kolonnaden, keine Wippe. Man baut einfach ein Geländer zur Spree und wartet erst mal ab, bis das Schloss fertig ist und sich im Stadtbild etalbiert hat und denkt vielleicht in 10 Jahren darüber nach, ob und wenn ja wie man diese Leerstelle füllen möchte!

  • Nationaldenkmal !

    Genau meine Rede, Odysseus! :daumen:


    Ende der 90er hatte ich Gelegenheit, ein klassisches Konzert in diesen Gewölben des national-Denkmals an zu hören.
    Es war ein begeisterndes (Klang-) Erlebnis.
    Allein schon, wie der Kontrabass-Spieler sein Instrument durch die Einstiegsluke hinein und nachher wieder hinaus pfrimelte... :lach:
    Im Dunkeln dort habe ich mir eine böse Schramme am Schienenbein geholt, weil ich in der Dämmerung des Kerzenlichtes einen Stuhl übersehen hatte...
    Schwamm drüber!


    Der Sockel mit seinen Gewölben ist ein erhaltenswertes Objekt, das zu schade für ein Wippen-Gimmick ist.

  • Wie aus einem Bericht der Berliner Morgenpost hervorgeht, soll die Einheitswippe statt ursprünglich 10 jetzt satte 17,1 Millionen Euro kosten.


    Nein, das steht dort nicht. Die Formulierung der "angeblichen" Kostensteigerung von 10 Mio € auf ... ist für die Debatte aus dem Jahr 2016 schon richtig gewählt. Darauf hatte übrigens auch Milla & Partner damals geantwortet: Punkt 3 der "Falschmeldungen und Irrtümer".

  • Ein Artikel aus dem Tagesspiegel zeichnet noch einmal die Geschichte der Standortfindung für das Freiheits- und Einheitsdenkmal nach. Demnach wurden zwischen 2005 und 2008 mehrere Standorte geprüft, darunter auch der Platz der Republik und der Alexanderplatz. Es fanden mehrere öffentliche Hearings zum Standort statt, außerdem wurde eine Expertengruppe eingesetzt. Am Ende kam der Bundestag zum Ergebnis, dass der Standort an der Schlossfreiheit der optimale Standort ist.


    Für diese Entscheidung waren vor allem zwei Argumente wichtig:
    -Der Schlossplatz war ein zentraler Ort der Friedlichen Revolution 1989/90. Hier fand die Demonstration am 4.11.1989 und andere Demonstrationen statt, hier beschloss die Volkskammer den Beitritt der DDR zur BRD.
    -Hier stand früher das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal. Ein Einheits- und Freiheitsdenkmal auf dem Sockel des Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals macht deutlich, dass dieses von unten erkämpfte neue Deutschland ein Gegenmodell zum Zweiten Reich ist, dass von oben erzwungen wurde. Es symbolisiert für alle sichtbar einen Bruch mit dem wilhelminischen Deutschland.


    https://www.tagesspiegel.de/ku…eit-gehoert/22748092.html



    Bodenlose Unverschaemtheit von diesen Leuten! Das zweite Reich war das Resultat der 48`ger Revolution. Man forderte 48` dies:
    > Einen Kaiser, aber besser und Potenter als die Habsburger wegen staendiger Uebergrife auslaendischer Truppen.
    > Eine Goldgedeckte Waehrung da die Auslaender und eigenen Fuerstentuemer nicht gedecktes Geld druckten und
    > eine demokratisch gewaehltes Parlament mit demokratischen Parteien. 1871 Ist alles gekommen wie gewuenscht.
    1871 wurde gegen den Willen der Nachbar Staaten Deutschland teilweise wiedervereinigt.



    Ein Denckmal zur Wiedervereinigung von 1871 absichtlich verhindern zu wollen, zeigt mir das es sich nicht um "Experten" gehandelt haben kann! Welche Experten sollen das sein? Ich plaediere es zu machen wie die Italiener: Die Saeulen von dem 1871`ger Denkmal mit 16 Fahnenmasten der Laender hier und die Wippe woanders.

  • ^ Korrekt. Und Marx schrieb damals noch bekanntlicher: "Die Proletarier haben nichts zu verlieren als das ungedeckte Geld der Ausländer. Sie haben einen Kaiser zu gewinnen!"

  • [...]
    -Hier stand früher das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal. Ein Einheits- und Freiheitsdenkmal auf dem Sockel des Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals macht deutlich, dass dieses von unten erkämpfte neue Deutschland ein Gegenmodell zum Zweiten Reich ist, dass von oben erzwungen wurde. Es symbolisiert für alle sichtbar einen Bruch mit dem wilhelminischen Deutschland.


    https://www.tagesspiegel.de/ku…eit-gehoert/22748092.html


    Zeigt nur noch mal, wie unausgegoren die Entscheidungsfindung war.
    Zunächst einmal wurde durch die Wiedervereinigung von 1990 die Reichseinigung von 1870/71 natürlich nicht erinnerungspolitisch "aufgehoben", wie es im Artikel heißt. Die Einheit von 1990 unterstreicht nur nochmal die Wirkmächtigkeit des bismarckschen Gebildes, in dessen völkerrechtlicher Tradition sich die Bundesrepublik immer gesehen hat. Der Wiedervereinigunsgwunsch unter den Deutschen in der DDR zeigt ja nichts anderes. Trotz eines scharfen Grenzregimes und erheblichen staatlichen Anstrengungen zur Desintegration, ist das Zusammengehörigkeitsgefühl ungebrochen geblieben. Kein Vergleich bspw. zu Österreich, wo es seit 1945 nicht mehr ansatzweise eine derartige deutschnationale Bewegung gegeben hat.
    Im Übrigen ist die Einheit von 1871 natürlich trotz des monarchischen Gestus und der Betonung auf fürstliche Souveränitäten allenthalben begrüßt worden, auch von Protagonisten der 48er Revolution (bspw. dem exilierten Friedrich Hecker). Der größte Kritikpunkt war noch der Ausschluss Österreichs und die preußische Hegemonie, mit der man sich auch im Süden erstaunlich schnell arrangierte.
    Auch sehe ich in der Wahl des Standortes keine Symbolik des Gegensatzes, wie ja offenbar impliziert, sondern der Kontinuität, also das genaue Gegenteil. Das Denkmal der neuen Einheit steht auf dem Fundament für das Denkmal der alten Einheit.

  • Das Denkmal der neuen Einheit steht auf dem Fundament für das Denkmal der alten Einheit.


    Genau das ergibt aber doch auch Sinn!
    Es baut halt alles aufeinander auf, von daher ist es doch auch eine schöne Symbolik.
    Was Du geschrieben hast, macht aber auch deutlich wie unsinnig und welch riesen Rückschritt ein wiedererrichtetes Nationaldenkmal wäre, es würde ja sämtliche Geschehnisse seitdem ignorieren und passt überhaupt nicht mehr zum heutigen Verständnis von Staat, Staatsoberhaupt und Volk.


    Das Neue basiert auf dem alten Fundament, aber das alte Denkmal und damit die alte Denkweise bleibt zerstört.

  • ^ Was vom alten Denkmal übrig blieb, steht bekanntlich unter Denkmalschutz. Ohne die Kolonnaden aufzubauen müsste doch möglich sein, die Sockelreste samt Mosaiken denkmalgerecht in Szene zu setzen.


    Auch wenn die Wippe woanders aufgestellt wäre, wird bestimmt jeder den Unterschied zwischen den demokratischen Politikern wie Seehofer und Merkel mit selbstlosem Dienst an der Allgemeinheit und demokratischer Würde gegenüber einem Bismarck zu würdigen wissen.


    Man zerstört ja auch nicht die Überbleibsel vom Antiken Rom usw. irgend einer Symbolik wegen.

  • Auch wenn die Wippe woanders aufgestellt wäre, wird bestimmt jeder den Unterschied zwischen den demokratischen Politikern wie Seehofer und Merkel mit selbstlosem Dienst an der Allgemeinheit und demokratischer Würde gegenüber einem Bismarck zu würdigen wissen.


    :confused:
    1: Das passt irgendwie gar nicht zum aktuellen Geschehen...


    2. Bei mittlerweile hier im Forum 121 abgegebenen Stimmen und somit über 43% mit der Aussage "Ich will das Nationaldenkaml wiederhaben" und der Annahme, dass das in der Öffentlichkeit ähnlich ist, ist Deine Aussage entweder naiv oder berechnend.

  • Genau das ergibt aber doch auch Sinn!
    Es baut halt alles aufeinander auf, von daher ist es doch auch eine schöne Symbolik.


    Eben. Wie gesagt, das ist so die in meinen Augen sinnfälligste Symbolik. Sie entspricht aber laut dem von Klarenbach zitierten Artikel nicht der offenbar eigentlich intendierten Symbolik.

    Was Du geschrieben hast, macht aber auch deutlich wie unsinnig und welch riesen Rückschritt ein wiedererrichtetes Nationaldenkmal wäre, es würde ja sämtliche Geschehnisse seitdem ignorieren und passt überhaupt nicht mehr zum heutigen Verständnis von Staat, Staatsoberhaupt und Volk.


    Das hängt davon ab, ob man den Sockel von vornherein als Teil eines Denkmals mit zeitgenössischer und erinnerungspolitischer Relevanz begreift. Was ja eigentlich nur so ist, weil wir die Pläne für das neue Denkmal kennen. Ein Gegenbeispiel wäre das Deutsche Eck in Koblenz. Dort hat man das Kaiserdenkmal wieder aufgesetzt und die ansonsten erhaltene Anlage damit wieder komplettiert. Mit den an der Landzunge wehenden Fahnen des Bundes und der deutschen Länder wurde dennoch eine Brücke in die Gegenwart geschlagen. Darüberhinaus befinden sich dort auch noch Tafeln aus der Zeit vor 1990, als das Denkmal als Mahnmal der Teilung diente, die u.a. die Ostgebiete miteinbeziehen. Wir haben dort also drei zeitliche Ebenen in Sachen "Deutsche Einheit". Das ist schon spannend und ich denke, die Leute sind durchaus in der Lage, diese Entwicklung nachzuvollziehen.


    In Berlin wäre der Aufwand natürlich deutlich größer, da vom eigentlichen Denkmal ja kaum was erhalten ist. Der Zug ist diesbezüglich definitiv abgefahren. Schlimm ist nur, dass der Bestand mit Entfernung der Mosaike weiter beschädigt wurde. Ein weiterer Belege für die Fahrlässigkeit der ja ohnehin schon ewig andauernden Planungen und Vorbereitungen.