Neben den schon genannten Gründen gegen dieses Groß-Ereignis: Man muss so ehrlich sein, dass Deutschland, das selbsternannte Musterland der Ingenieure, zuletzt ein Zeugnis des Schreckens bei Großprojekten abgegeben hat. Das ist noch nicht mal nur auf BER Flughafen, Elbphilharmonie, Nürburgring oder S21 bezogen , sondern eine scheinbare Systematik bei Großunternehmern und Architekten sich bei Großprojekten ihre Planungen schön zu rechnen und dann die zusätzlich Kosten „strategisch geschickt“ explodieren zu lassen, sobald man in einer besseren Verhandlungsposition ist.
Das ist aber auch eine sehr selektive Wahrnehmung. Nehmen wir neben der Elbphilharmonie die U4, die nun gerade kein einfacher Bau war, u.a. durch Altstadt und (ehemaliges) Hafengebiet. Der erste Abschnitt wurde leicht teurer (300 auf 320 Millionen), aber blieb im Zeitplan. Der Abschnitt zu den Elbbrücken wird nach aktuellen Zahlen früher und günstiger fertig. Selbiges für das letzte Kreuzfahrtterminal, diverse Straßenbauarbeiten und Gebäude (u.a. im Schul- und Hochschulbereich). Aber das sind eben keine Schlagzeilen in den Medien, genau wie man von Problemschulen liest und nicht von jenen, wo es keine Vorfälle gibt. Die Ursachen für Kostensteigerungen in den genannten Beispielen sind auch andere. Gegen Korruption ist man auch am BER nicht gewappnet, genau wie an nachträglichen Änderungen durch die Politik, die mehr Geld kosten. Wenn Berlin, Brandenburg und der Bund im laufenden Bau beschließen, dass der Flughafen mehr Leistung haben soll (weitere Terminals, Abfertigungsanlagen, Erschließung usw.), dann gibt es das natürlich nicht zum Nulltarif. Wenn ich ein Auto beim Händler bestelle und zwei Tage später sage, dass ich doch lieber den Fünf- statt Dreitürer hätte sowie die Sportedition, dann wird das mein Händler auch machen, aber eben nicht zum ursprünglichen Preis. Ist das selbe Thema wie bei der Fehmarnbeltquerung, wo die Politik entschließt, aus Umweltschutzgründen einen teureren Tunnel anstelle einer Brücke zu bauen (dänische Seite) sowie aus Gründen der Verkehrsemissionen einen Umweg sowie weitere Lärmschutzwände einzurichten (deutsche Seite). Auf die Ingenieure zu schimpfen, wird da der Sache nicht gerecht; sie sind nicht perfekt, aber nicht der treibende Grund für Kostensteigerungen bei ausgewählten Baumaßnahmen. Von denen haben sie persönlich auch nichts.
Auch alles nur Nein-Sager und Miesepeter?
Wenn man sich nur darüber aufregt, dass einige Zeitungen nach subjektiver Einschätzung eher pro Olympia sind, und man deshalb dagegen ist, ist das schon etwas kurios. Durchaus legitim, aber mit den eigentlichen Planungen hat das nichts mehr zu tun.
Vollkommen richtig. Olympia und auch Fußball-WMs haben nach all den Skandalen (Korruption, Kostenexplosionen, Baupfusch, fehlende oder mangelhafte Nachnutzungskonzepte, Doping und Manipulation) leider längst nicht mehr den Glanz von einst.
Man hätte ja zeigen können, dass man mit Sotschi und co. nichts am Hut hat. Schon dadurch, dass man in Hamburg bzw. Deutschland ein Antidopinggesetz hat, das weltweit einmalig ist und sowas unter Strafe stellt. Auch mit der Transparenz könnte man ein deutliches Zeichen setzen. Oder man resigniert und beschwert sich später, wenn andere unsere Standards nicht einhalten. Das Thema hatte man ja schon vor der Bewerbung Hamburgs in Deutschland.
A: "Spiele wie Olympia sind doch eh dauernd in Diktaturen, damit will ich nichts zu tun haben"
B: "Dann lass uns doch zeigen, dass man demokratische Spiele abhalten kann".
A: "Nee, das will ich auch nicht"
Man sagt, Angst sei ein schlechter Ratgeber, aber German Angst vor Atomkraft oder German Angst vor Bologna-Krise sind in diesem Fall Triebfedern gewesen.
Welche Bologna-Krise? Die Umstellung von Studiengängen? Das lag eher an der "German eifrigkeit". In Deutschland sind Hochschulreformen traditionell eher radikal. Fängt schon oberflächlich an, da man in Deutschland alte Abschlussbezeichnungen abgeschafft hat. In Österreich, Norwegen, Frankreich etc. kriegt man die alten Namen für den Master, die man schon vorher hatte (u.a. den Dipl.-Ing. an der TU Wien). Auch eine fünfjährige Regelstudienzeit ist absolut Bologna-kompatibel, aber wird nur an wenigen Hochschulen in Deutschland praktiziert (u.a. im Verkehrsingenieurwesen an der TU Dresden). Stattdessen hat man einige ältere Forderungen umgesetzt und begründete sie mit Bologna. So haben einige Hochschulen in Norddeutschland die Anwesenheitspflicht eingeführt ("Bologna!"), während sie in NRW per Gesetz abgeschafft wurde ("Bologna!"). Beides hat mit den europäischen Vereinbarungen nichts zu tun. Da ging es "nur" um die Modularisierung mit einer einheitlichen "Einheit", um Leistungsaufwand zu vergleichen -- und orientierte sich an den deutschen SWS, die mit dem Faktor 1,5 zu CP bzw. ETCS wurden. Zu Studiengebühren, Lehrinhalten, Prüfungsformen, Betreuungsverhältnissen usw. ging es bei Bologna nicht, die Deutschland ja auch nicht ablehnte, im Gegenteil. Würden die Bologna-Kritiker zum einen in die internationalen Vereinbarungen schauen und zugleich ergebnisoffen die früheren Verhältnisse betrachten (Beispiel: http://www.spiegel.de/unispieg…rg-jacobsen-a-895170.html), dann hätten wir die Diskussion bzw. Ablehnung bezüglich jeder Veränderung gar nicht, sondern eine sachliche Debatte bzw. eine Befürwortung der allgemeinen Ziele (und nicht jener einiger übereifrigen Professoren und Präsidenten, die alte Wünsche endlich zu realisieren glaub(t)en und sich bei Kritik hinter dem Begriff Bologna versteckten).
Eijeijei, gar Schlimmes ist hier zu lesen von "Mutlosigkeit", "Bedenkenträgertum", "linken Wutbürgern" gar. (Dabei kommen mir immer nur rechte Wutbürger unter – egal.)
Vielleicht haben die Hamburger auch nur klug erkannt, dass ein Posten für die Bewerbung vom rotgrünen Senat entweder vergessen oder versteckt wurde: das fällige Bestechungsgeld für die stimmberechtigten alten Herren des IOC. Um nicht von all den anderen guten Argumenten gegen Olympische Spiele zu reden.
Gibt irgendeinen (halbwegs!) handfesten Beleg dafür, dass die IOC-Vergabe 2017 von Bestechungsgeldern abhängig ist? Und bitte kein "in einer anderen Organisation gab es vor Jahren einen bisher unbestätigten Verdacht". Wenn nicht: ein gelungenes Beispiel für das erwähnte Bedenkträgertum. Um zum Abschluss (die Arbeit ruft leider gleich schon wieder) noch zwei Zitate zu bringen:
Den Deutschen wird gerne nachgesagt, dass sie passionierte Bedenkträger seien. Egal wie gut es ihnen gehe und welche Vorteile man ihnen gewähre, sie fänden immer ein Haar in der Suppe. Johannes Gross hat diese Auffassung in einem Beitrag des FAZ Magazins folgendermaßen karikiert: „Als die ersten Menschen sich aufrichteten, um auf zwei Beinen zu gehen, ist gleich ein Deutscher zugeeilt, um dringlich zu warnen: Das sei gefährlich, es drohe der Sturz, besonders bei Kindern und Alten; vor allem sei es unsolidarisch gegen die übrigen Vierbeiner, auch theologisch bedenklich, denn es wende das Menschengesicht ab von der Erde, dem mütterlichen Grund“
(in Ortwin Renns "Das Risikoparadox - Warum wir uns vor dem Falschen fürchten")
„Wenn einer nichts hat – Bedenken hat er.“
(Kurt Tucholsky)