Potsdam: Wiederaufbau der Garnisonkirche

  • Die Tatsache, dass die Touristenzahlen in den letzten Jahren stark anziehen, hat wohl weniger mit den vielen Schlössern und Gärten zu tun, die den 2. Weltkrieg und die SED-Herrschaft nahezu schadlos überstanden haben. Sie ist wohl vielmehr dem stetigen behutsamen Aufbau der schönen Altstadt Potsdams geschuldet.


    Das glaube ich nicht. Ich denke die steigenden Besucherzahlen in Potsdam sind einfach ein Nebeneffekt des Berlin-Tourismus. Auf dem Rückweg aus Berlin hält der Reisebus nochmal in Potsdam an und es werden ein paar Stationen aus dem Reiseführer abgelaufen. Die Hauptattraktion ist Sanssouci der Rest ist Beiwerk das angesehen wird wenn noch eine Stunde übrig ist. Meist wird es über einen Spaziergang in der Brandenburger Straße nicht hinausgehen.


    Touristen die vom Berlin-Besuch einen ganzen Tag für ein Abstecher nach Potsdam einplanen haben etwas mehr Zeit und schaffen noch ein paar Seiten mehr aus dem Reiseführer ehe sie müde werden.;-)

    3 Mal editiert, zuletzt von Chandler ()

  • Ich kann Braunschweig als "Provinzstädtchen" leider nicht stehen lassen!
    Ansatzweise stimmte das vielleicht 1985.
    Genauso wie Potsdam, hat auch Braunschweig einen wahren Aufschwung erlebt.
    Die Innenstadt / Altstadt wurde saniert, die Braunschweiger sind Lokalpatrioten, Wir haben unser Schloss wiederaufgebaut ( Fassadenrekonstruktion mit moderner Nutzung eines Shopping Centres - spricht Jedermann an, weil es besucht wird! Kulturelle Einrichtungen z.B. Museum, Archiv, Stadtbücherei sind auch dabei) Es ist ein voller Erfolg und zum Magneten Braunschweigs geworden.
    Die Tourismus-und Investionszahlen sind auch gestiegen - Braunschweig ist führender Forschungs-und Wissenschaftsstandort eingebettet im Braunschweiger Land.Die Einwohnerzahlen liegen bei knapp unter 250 000.
    Wir sind stolz auf Braunschweig und freuen uns über jeden Besucher! ( Ganz gleich, was er für eine Meinung vertritt)

  • Die Diskussion wird sich ewig im Kreis drehen, solange es keine Bürgerbefragung zur GK gegeben hat. Es gibt ja anscheinend noch nicht einmal eine repräsentative Meinungsumfrage. Ob die 14000 Unterzeichner der Volksbegehrens repräsentativ für eine Mehrheit der Potsdamer Bürger waren, wird sich dann zeigen. Fällt das Votum negativ aus, sollte man mE die Bemühungen um einen Wiederaufbau vorerst einstellen und späteren Zeiten die Entscheidung überlassen. Man kann das Baufeld ja freihalten, denn es besteht keine Notwendigkeit, dort irgendetwas zu bauen. Ist eine Mehrheit der Potsdamer für den Wiederaufbau, haben die Befürworter einen unabweisbaren Trumpf in der Hand. Es könnte mit gutem Gewissen der Wiederaufbau vorangetrieben werden - was angesichts der jetzigen Situation, d.h. ohne brauchbares Meinungsbild, irgendwie arrogant erscheinen würde.

  • Das Poblem mit Volksabstimmungen ist, daß sie von hochorganiserten Minderheiten dafür genutzt werden, einer uninformierten und trägen bis desinteressierten Masse ihren Willen aufzudrücken. Wenn dieses politische Instrument tatsächlich vermehrt sinnvoll eingesetzt werden sollte, wären erstmal Reformen angesagt (ich denke da etwa an eine Mindestwahlbeteiligung von über 50% der Wahlberechtigten). Weiterhin besteht (überall) das Problem sehr tendenziell bis tendenziös berichtender Medien. Wie man hier eine (unbedingt notwendige) neutrale Berichterstattung gewährleisten könnte, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Im konkreten Fall der Garnisionskirche käme dies alles so oder so zu spät, eine Klärung hätte im Vorfeld stattfinden müssen. In einer Situation, in der eine Stiftung sowohl das Grundstück besitzt als auch das notwendige Baurecht, kann zwar noch politisch gehandelt werden (wobei Schadensersatzforderungen fällig würden), sollte es aber nicht, da Rechtssicherheit (auch für getroffene politische Entscheidungen) die Basis eines jeden funktionsfähigen Rechtsstaates darstellt.

  • Wieso ist das "ein Problem mit Volksabstimmungen"?


    Schon Carl Schmitt sagte:
    "Wenn ein Volk nicht mehr politisch aktiv ist, dann ist das nicht das Ende der Politik sondern das Ende eines schwachen Volkes."


    Das gilt auch für die Kommunalpolitik, auch für die Volksabstmmungen oder Bürgerentscheide.


    Wer sein Recht nicht nutzt, der gibt es preis!

  • Ich verfolge diesen Disput nun schon eine ganze Weile. Die bisherigen Argumente gegen die Garnison Kirche sind lächerlich. „Nazi-Kirche“, Disney-Land, Wiederbelebung des Feudalismus /Militarismus,... sind so abwegig, dass man schon ganz schön einfältig sein muß um das ernst zu nehmen.
    Ich denke der wirkliche Grund warum die Linke so wehement gegen den Wiederaufbau der Garnison Kirche ist liegt woanders. Die Linke möchte ungern an die mutwillige Sprengung der Kirche durch die SED erinnert werden. Eine wiederaufgebaute Garnison Kirche würde eine ständige Erinnerung an die vormalige Sprengung der Kirche sein.

  • ^ Vor wenigen Tagen sah ich auf ZDF Info eine Reportage über die Hohenzollern, von der mir besonders ein Teil im Gedächtnis blieb - demnach schickte Honecker ganz kurz vor der Wende einen Beauftragten zu den Hohenzollern, der diese überzeugen sollte, die Gebeine des Großen Friedrichs könne man bereits zurück nach Potsdam überführen. Kohl war dagegen, daher folgte die Rücküberführung erst nach der Wende, zwei Jahre später.
    So gab es einen Wandel der Rezeption des Preußentums in der DDR - zum Ende meinte man wohl, man könne die Genossen Könige gut als Personifizierung etlicher Tugenden wie Pflichtbewußtsein & Co. gebrauchen. Immerhin verabscheute der Soldatenkönig persönlich den Krieg und hielt das Schuldenmachen für schlimmer als Diebstahl - ein Vorbild, das man heute in Europa gut gebrauchen könnte. Schade, dass nach der Wende die Perzeption des Preußens im linken Lager um einige Jahrzehnte zurückgeworfen wurde - statt sich weiter im Sinne der Akzeptanz fortzuentwickeln.


    Hätte Honecker noch ein paar Jahre überdauert, hätte er vermutlich selbst die Kirche wiederaufgebaut und die Zerstörung auf Fehler und Abweichungen seiner Vorgänger geschoben.


    Wenn das Grundstück und die Baugenehmigung da sind, ist die Sache ohnehin entschieden. Eine Volksabstimmung ist doch nicht als Bestandteil jeder etwas kontroverserer Planung zwingend vorgeschrieben? Wird eine etwa bei der Denkmalschutzstellung einer Plattenbausiedlung durchgeführt, was ebenso kontrovers ist?

  • Vorgeschrieben ist eine Volksabstimmung sicherlich nicht, aber sie hätte schon ihre Berechtigung. Ich bin im Prinzip für direkte Demokratie jedoch mit klaren Regeln. Ich will in keinem Land leben wo die Mehrheit der Minderheit in allen Bereichen reinreden kann. In der Schweiz ist mir das teilweise zu extrem (Wie z.B. im Minarettstreit). Bei großen stadtprägenden Bauvorhaben kann ich den Wunsch nach direkter Mitsprache aber vollkommen verstehen. In diesem Fall kommt er aber viel zu spät.


    Aus meiner Sicht ist der Konflikt um die Garnisonskirche schlicht ein "Stellvertreterkrieg".
    Eigentlich geht es um die völlig berechtigte Sorge vieler Potsdamer langsam aus ihrer eigenen Stadt verdrängt zu werden. Aber eine Verhinderung der Kirche wird daran nichts ändern und ist verschwendete Kraft an einem Symbol anstatt die echten Probleme anzugehen.


    Auch wenn ich die Springerpresse verabscheue, manchmal hat die Welt ganz interessante sachliche Artikel, wie hier über den Tag von Potsdam.


    Kurz zusammengefasst wird in dem Artikel davon berichtet, dass zunächst eigentlich das Stadtschloss für den Tag von Potsdam vorgesehen war, dieses jedoch nicht über einen ausreichend großen Saal verfügte (was ein Glück das das Schloss bereits wieder steht). Weiterhin wird davon geschrieben, dass Goebbels sich sorgen machte das seine Inszenierung der Reichswehr und dem Preußentum mehr Aufwind gibt als den Nationalsozialisten, weswegen Hitler z.B. die stattfindenden Gottesdienste "schwänzte" und in der Zeit gefallende SA-Männer auf einem Friedhof besuchte.
    Außerdem wird in dem Artikel suggeriert, dass die Garnisonskirche zwar unschuldig am Tag von Potsdam ist, dieser Makel aber trotzdem ewig sei.


    Letzteres glaube ich nicht. Ich glaube gerade wenn die Kirche wiedererrichtet wird, wird das konservative Bürgertum auf ewig an einen ihrer größten Fehler erinnert und aus dem Makel wird eine Mahnung nicht erneut zu versagen.


    Somit bin ich architektonisch sowieso aber auch aus poltischer und moralischer Sicht eindeutig für den Wiederaufbau.

  • Mittlerweile nimmt die Bürgerbefragung zur Garnisonkirche konkretere Formen an. Wie die Potsdamer Neuesten Nachrichten von heute melden, strebt Die Linke eine Bürgerbefragung im ersten Quartal des nächsten Jahres an. Da sich bereits Oberbürgermeister Jann Jakobs und weitere SPD-Politiker für eine Bürgerbefragung ausgesprochen haben, dürfte dieser Vorstoß gute Chancen haben.


    http://www.pnn.de/potsdam/879577/

  • Direkte Demokratie ist ja schön und gut, aber welchen Sinn hat eine Bürgerbefragung, die zwar zeit- und kostenintensiv, aber rechtlich nicht bindend ist? Fest steht jedenfalls, dass für den Wiederaufbau des Garnisonkirchturms


    • bereits seit Juli 2013 die Baugenehmigung vorliegt,
    • mit mehr als 20 Millionen Euro schon die Hälfte an Spenden gesammelt wurde, und
    • eine Auflösung der Stiftung aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Kuratorium sowie der Rechtsverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland nicht möglich ist.


    Schließlich erteilt man einem privaten Bauherr auch nicht erst die Baugenehmigung und entscheidet dann darüber, was er auf seinem Grundstück bauen darf. Und die Fassaden des Berliner Stadtschlosses werden bekanntlich ebenfalls rekonstruiert, obwohl mit fast 40 Millionen Euro noch die Hälfte der Spenden aussteht. Anstatt einen Stellvertreterkrieg gegen die Garnisonkirche zu führen, sollten sich die Linken lieber ihrer aussichtslosen Lage bewusst werden und als gute Demokraten am Konzept für das internationale Friedens- und Versöhnungszentrum im Turm des Barockbaus beteiligen.

  • @Architektator
    Bzgl. Spendensumme: Die Stiftung Preußisches Kulturerbe hat ihre 6,3 Millionen zurückgezogen, 12 Millionen stammen vom Bund. In Wirklichkeit liegt die Spendensumme bisher wohl bei 2 Millionen statt 20 Millionen wie du schreibst. Dass Volks- Bürgerabstimmungen rechtlich nicht bindend sind ist häufig der Fall also normal.


    Privat ist das ganze Projekt nur formal in Wirklichkeit ist es recht staatlich. Staatsgrundstück, Staatsgeld, Staatsdiener in der Stiftung, evangelische Staatskirche usw.
    Das Berliner Stadtschloss als Beispiel? Daran ist bekanntlich auch wenig privat. Insgesamt ist bei deinem Posting wohl eher der Wunsch Vater des Gedankens.

  • Im Gegensatz zur Garnisonkirche hat das wiederaufgebaute Stadtschloss auch einen tatsächlichen Nutzen, die Kirche dagegen ist nur Deko mit fraglicher Botschaft und so nützlich wie ein Kropf. Ich kann es gut verstehen, dass man dafür kein Geld ausgeben will.

  • Vor der Bürgerbefragung muss ohnehin zunächst geprüft wurde, inwiefern das Bürgerbegehren rechtlich umgesetzt werden kann. Falls dies wie erwartet nicht der Fall ist, halte ich es nach wie vor für die beste Lösung halten, wenn bei der Bürgerbefragung gefragt wird, ob/ inwiefern die Stadt Potsdam den Wiederaufbau finanziell/ ideell unterstützen soll. Auch wenn eine solche Befragung nicht verbindlich wäre, so wäre sie dann zumindest in jedem Fall umsetzbar und die Politiker könnten sich danach richten. Ich denke, dass es so auch die größte Chance gäbe für mehr Frieden/ gegenseitige Akzeptanz zu sorgen.


    Szenario 1: Eine Mehrheit spricht sich gegen jegliche Form der Unterstützung des Wiederaufbaus durch die Stadt Potsdam aus. Das wäre wohl zumindest ein gefühlter Sieg für die Gegner, auch wenn sie evtl. zuvor akzeptieren mussten, dass es juristisch eben nicht möglich ist, die Stiftung aufzulösen/ zu enteignen und das Projekt komplett zu kippen. Trotzdem wäre dann sowohl das ursprüngliche Begehren angenommen als auch der ersehnte Beweis erbracht, dass die Mehrheit gegen eine tragende Funktion der Stadt für den Wiederaufbau ist. Zudem hätten sie somit erfolgreich verhindert, dass der Bau neben den 12 Mio des Bundes durch zusätzliche Steuergelder finanziert wird - was wohl für viele das primäre oder aber wenigstens ein Minimalziel sein dürfte. Der Wiederaufbau würde dann auch nur stattfinden, wenn schnell genug ausreichend Spenden fließen (denn wenn die Baugenehmigung erlischt, könnte es vorbei sein - ich weiß nicht, ob sie sie nach dem Annehmen des Bürgerbegehrens durch die Stadt erneut von dieser ausgestellt werden könnte/ dürfte). Die Befürworter müssten diese Situation und die Mehrheitsmeinung dann akzeptieren und versuchen trotzdem ausreichend private Unterstützung zu gewinnen. Falls es am Ende dann nicht reicht, müssten sie damit auch leben. Ich bspw. würde das auf jeden Fall akzeptieren können.


    Szenario 2: Die Mehrheit spricht sich für eine Unterstützung des Projektes durch die Stadt Potsdam aus. Dann müssten wiederum die Gegner akzeptieren, dass es weder juristisch möglich ist, das Projekt zu stoppen (s.o.) noch dies von der Mehrheit der Bürger überhaupt gewünscht wird. Mit dieser zusätzlichen Legitimation könnte der Bau anteilig durch öffentliche Mittel finanziert werden. Ich denke, dass zumindest langfristig die Akzeptanz auch immer weiter steigen würde - es sei denn sinistere Grüppchen mit Spitzhelmen oder gewissen Armbinden pilgern regelmäßig dorthin (das ist natürlich ironisch gemeint!). Denn Potsdam hätte ein früheres Wahrzeichen zurück, das ähnlich wie die Gedächtniskirche in Berlin einerseits auf die Vergangenheit verweisen aber andererseits die heutige Sicht auf diese verkörpern könnte. Aber auf jeden Fall dürfte es wie diese eine Touristenattraktion werden ;)


    ouyawei: Für Menschen die das Humboldtforum nicht nutzen wollen, wird es evtl. auch nur ein teurer unnützer Kasten sein. Oder sie erfreuen sich zumindest an der Architektur. Ich persönlich würde die GK auch nicht als Kirche nutzen, fände sie deswegen aber nicht unnütz wie einen Kropf. Auch empfinde ich die intendierte Botschaft überhaupt nicht als fragwürdig. Ist eben Ansichtssache.

    Einmal editiert, zuletzt von jan85 ()

    • bereits seit Juli 2013 die Baugenehmigung vorliegt,
    • mit mehr als 20 Millionen Euro schon die Hälfte an Spenden gesammelt wurde, und
    • eine Auflösung der Stiftung aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Kuratorium sowie der Rechtsverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland nicht möglich ist.


    Alles richtig, bis auf die Behauptung das schon 20 Millionen an Spenden eingesammelt wurden. Laut der letzten offiziellen Aussage der Stiftung im April steht für den Baustart 13 Milllionen zur Verfügung. Davon sind 12 Millionen Steuerzusagen. Lediglich 1 Million wäre demnach von den 9,7 Millionen bisher eingesammelten Klein- und Großspenden, aber auch PMO und Lottogelder übrig. In fast 10 Jahren gingen für die temporäre Kapelle, Baupläne und nicht zu vergessen für zwei bis vier hochdotierte Volltagsstellen über 8 Millionen drauf. Ob das so im Sinne der fleißigen Spendenziegelkäufer war?


    Wenn jetzt, 4 Monate später von 20 Millionen die Rede ist, dann wurde anscheinend in kürzester Zeit 7 Millionen eingesammelt. Natürlich bleibt die Stiftung ihrer Intransparenz treu und sagt nicht ein Wort über die Zusammensetzung der "Spenden". Gibte es eine Aufsicht der Stadt über den Sitz im Kuratorium? Quatsch!


    Auch wenn es keine rechtliche Möglichkeit mehr besteht einen Wiederaufbau zu verhindern, bleibt doch am Ende folgende Frage übrig:


    Wird es sich die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz wagen können GEGEN eine Stadtbevölkerung, diese mit einer 100 Millionen teuern Symbol-Kirche zu beglücken. Wohlgemerkt sich diese Kirche auch noch aus Spenden und öffentlichen Mittel finanzieren zu lassen, ohne selbst einen Cent zuzugeben?


    Ich denke es ist eine Frage der Zeit, wann die evangelische Kirche die Reißleine zieht. Die Kirche nimmt einfach zu viel Schaden. Handelte es sich um eine katholische Kirche hätte der Pabst längst eingegriffen (siehe Tebartz von Eltz). Die Kirche verliert Glaubwürdigkeit und Mitglieder. Jedes wirtschaftlich denkende Unternehmen muss irgendwann das Ruder rumreißen oder es geht bankrott.

  • Auch wenn es keine rechtliche Möglichkeit mehr besteht einen Wiederaufbau zu verhindern, bleibt doch am Ende folgende Frage übrig:


    Wird es sich die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz wagen können GEGEN eine Stadtbevölkerung, diese mit einer 100 Millionen teuern Symbol-Kirche zu beglücken. Wohlgemerkt sich diese Kirche auch noch aus Spenden und öffentlichen Mittel finanzieren zu lassen, ohne selbst einen Cent zuzugeben?


    Und wieso? So lange die Stadt Potsdam keine Mittel dazugibt, spricht doch nichts dagegen durch Spenden (da ist per Definition keiner gezwungen sich zu beteiligen) und Mittel des Bundes ein Projekt zu realisieren was die Mehrheit der Bevölkerung nicht unbedingt haben will/ nutzen wird. Oder fragt auch sonst jeder Bauherr vorher die Bevölkerung um Erlaubnis bevor er sie "beglückt" wie Du es etwas polemisch formulierst? Ob am Ende aber überhaupt in einem überschaubaren Zeitraum genug Geld zusammenkommt, ist eine andere Frage (zunächst wären es aber "nur" 40 und nicht 100 Mio).

  • Ich sehe die Dinge eigentlich ähnlich wie Potsdamer. Das Argument, nach dem ein Votum der Bürger zum Wiederaufbau der Garnisonkirche nicht zielführend wäre, da es sich bei dem Bauherren um eine Stiftung handeln würde und diese selbst bei einem Votum gegen die Garnisonkirche bauen würde, finde ich nicht überzeugend. Ich würde das Argument noch akzeptieren, wenn es sich bei dem Bauherren um einen amerikanischen Investmentfonds handeln würde, dem die Meinung der Bürger ziemlich egal sein dürfte. Bei der Stiftung Garnisonkirche sehen die Dinge aber ganz anders aus: Diese wird von der Stadt Potsdam, dem Land Brandenburg und vor allem von der evangelischen Kirche getragen. All diese Träger sind demokratischen Grundsätzen verpflichtet. Daher werden sie kaum in der Lage sein, ein Votum gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche zu ignorieren.


    Weiterhin bin ich der Meinung, dass man auch die Lust der evangelischen Kirche an Zuspitzungen und polarisierenden Projekten nicht überschätzen sollte. Ich glaube nicht, dass viele Kirchenvertreter wirklich so erpicht darauf sind, in Potsdam ein Projekt hineinzusetzen, das von einer Bevölkerungsmehrheit abgelehnt wird. Daher denke ich, dass schon die derzeitige Situation auch für die evangelische Kirche sehr unangenehm ist. Allein die Manöver der Rathauskooperation haben nicht nur in Potsdam, sondern in ganz Deutschland ein negatives Echo hervorgerufen. Wenn es dann eine Bürgerbefragung gibt, dann wird sie in ganz Deutschland, möglicherweise sogar international, für Aufmerksamkeit sorgen. Das Ergebnis dieser Abstimmung wird niemand ignorieren können. Und viele werden dann froh sein, wenn sich gesichtswahrend aus diesem Schlamassel herauskommen.


    Zudem muss man bedenken, dass die evangelische Kirche kein monolithischer Block von Garnisonkirchenbefürwortern ist. Der Streit über die Garnisonkirche wird auch innerhalb der evangelischen Kirche geführt. So hat sich der angesehene Theologe und Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer eindeutig gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche ausgesprochen. Ich halte Schorlemmers Wortmeldung auch deshalb so wichtig, weil er einerseits der Religionsfeindlichkeit völlig unverdächtig ist. Andererseits hatte er schon während der DDR-Zeit mit sehr viel Mut gegen die Politik der SED gekämpft, er ist daher irgendwelcher Sympathien für die SED völlig unverdächtig.


    http://www.pnn.de/potsdam/638900/


    Weiterhin wurde im vorigen Jahr gemeldet, dass zahlreiche Potsdamer Kirchenmitglieder verärgert sind, weil der Kirchenkreis Potsdam der evangelischen Kirche seine Ressourcen auf den Wiederaufbau der Garnisonkirche konzentrieren würde. Aufgrund dieser Prioritätensetzung würde aber das Geld für die dringend notwendige Sanierung der Friedenskirche fehlen. Die Folge: Die Friedenskirche, die von Ludwig Persius errichtet wurde und die zum UNESCO-Welterbebereich gehört, verfällt immer mehr.


    http://www.maz-online.de/Lokal…t-fuer-die-Friedenskirche


    Und die Friedenskirche ist kein Einzelfall. Der langjährige brandenburgische Landeskonservator Detlef Karg hat darauf hingewiesen, dass ein Großteil der 1164 Dorfkirchen und 700 Stadtkirchen in Brandenburg vom Verfall bedroht sind. Er bewertete daher das Wiederaufbauprojekt als verantwortungslos.


    http://www.pnn.de/potsdam/619409/


    Ein Bürgervotum über die Garnisonkirche würde diese Debatte innerhalb der evangelischen Kirche noch weiter befeuern.


    Aufgrund dieser Gemengelage bin ich optimistisch, dass sich auch die evangelische Kirche einem Dialog über das Projekt nicht verschließen wird und auch ein Votum gegen die Garnisonkirche nicht ignorieren wird. Unabhängig davon dürfte es schon jetzt sinnvoll sein, mit der evangelischen Kirche in einen Dialog über die Frage einzutreten, ob das Projekt eines Zentrums für Frieden und Versöhnung nicht in einer weniger polarisierenden Form realisiert werden kann.

  • So lange die Stadt Potsdam keine Mittel dazugibt, spricht doch nichts dagegen durch Spenden (da ist per Definition keiner gezwungen sich zu beteiligen) und Mittel des Bundes ein Projekt zu realisieren was die Mehrheit der Bevölkerung nicht unbedingt haben will/ nutzen wird. Oder fragt auch sonst jeder Bauherr vorher die Bevölkerung um Erlaubnis bevor er sie "beglückt" wie Du es etwas polemisch formulierst?


    Und woher hat der Bund das Geld?
    Der Vergleich mit dem privaten Bauherrn hinkt, passender wäre hier die GEZ, da muss ich auch zahlen, egal ob ich fernsehe oder nicht.
    Nur das da die Mehrheit der "beglückten" anscheinend tatsächlich dahinter steht.

  • ^^erst einmal sind das alles Einzelmeinungen, wie auch hier unsere Meinungen. Die sind auch alle für sich legitim. Und gerade darum finde ich nicht überzeugender, wenn ein Befürworter oder Gegner nun evangelisch ist, gar ein Amt in der Kirche innehat - oder atheistischer Straßenmusiker ist. Entscheidend ist aber, was die lokale und konkrete Kirchengemeinde will und die Stiftung will. Und die hat sich nun einmal, siehe das Rekonstruktionsbegehren, entschieden! Und wenn alle 80 Mio. anderen Bundesbürger sich anders positionieren ändert dies nichts daran. Darüber kann man also nicht einfach hinwegsehen.


    Die Frage, die leider auch in diesem Kommentar einmal mehr ausgeklammert wird, ist ob es der Öffentlichkeit bzw. dem Staat zusteht, die konkrete Gestaltung von Gotteshäusern durch Mehrheitsheitentscheidungen zu beeinflußen. Trennung von Staat und Kirche heißt nicht nur, dass die Kirche nicht mehr reinregieren kann sondern nur eine Interessengruppe - unter vielen - ist, sondern auch, dass umgekehrt die Kirche machen kann was sie will, wie jede andere private Stelle und sich Staat umgekehrt bei der Kirche rauszuhalten hat, solange der allgemeine Rechtsrahmen nicht verletzt wird . Das verbietet natürlich keinen offenen Dialog über solch eine Frage (ein Allgemeinplatz, nichts verbietet einen Dialog). Aber letztlich ist es alleine die Sache der einzelnen Kirchengemeinde über sowas zu entscheiden.


    Die allgemeine Öffentlichkeit hat über formaljuristische oder politische Instrumente einer Glaubensgemeinschaft in deren Riten, Gestaltung von Glaubensstätten usw. nicht reinzureden, wo diese eigentlich an keiner Stelle mit Strafrecht, Baurecht usw. im Widerspruch stehen und es eigentlich bloß um sowas wie eine "Geschmacksfrage" geht. Die man so aber auch anders - jeweils vollkommen im Einklang mit dem Rechtsrahmen und der FDGO - entscheiden kann. Wenn dies so der Fall ist, dann hat in meinen Augen die Allgemeinheit und insbesondere der Staat die Finger weg zu lassen. Und dies ist hier offenkundig der Fall, es geht explizit um die Rekonstruktion eines Gebäudes und das ist und bleibt eine reine Geschmacksfrage.


    Der Staat kann sich höchstens überlegen, ob er finanziell fördert usw., aber eben ohne Anschauung des konkreten Projektes. Und das macht er ganz generell, nicht nur bei christlichen Gemeinden sondern im Rahmen soziokultureller Förderung auch bei Projekten aller möglichen anderen Glaubensgemeinschaften. Die politische Entscheidung liegt hier aber nicht dabei, dies davon abhängig zu machen, wie die konkrete architektonische Umsetzung nun aussieht, sondern die politische Entscheidung - das steht Staat und Allgemeinheit selbstredend zu - besteht darin, zu entscheiden ob man ganz generell Steuermittel in dieser Richtung aufwenden möchte oder eben nicht (das scheint aber auch gar nicht der Punkt zu sein, die Gegner wären offenbar auch Gegner, wenn der Staat keinen Cent dazu geben würde sondern alles über Spenden und Kirchenmittel bestritten werden sollte, diese "Gegenprobe" zeigt, dass es um ganz direkte Einflußnahme auf Belange der Kirchengemeinde geht!). Dass nun nachträglich gar versucht wird dahingehend Druck auszuüben, dass die Politik einmal gemachte Zusagen irgendwie zurücknehmen soll, weil die konkrete Ausgestaltung durch die Kirchengemeinde Dritten nicht gefällt, dann ist das mit meinem Verständnis von Trennung zwischen Kirche und Staat (also Religion und Politik) sowie Artikel 4 Grundgesetz nicht vereinbar.


    Mich würde interessieren, wie denn dazu der Standpunkt der Gegner aussieht - historische und politische und ästhetische Debatten mal ganz außen vor, das wurde alles zigmal rekapituliert. Aber ich habe den Eindruck, dass sich die Gegner um die Behandlung der von mir aufgeworfenen Frage schlicht "drücken" wollen. Dabei ist diese in meinen Augen im Zweifel relevanter als alle anderen Diskussionsstränge, da sie nämlich ein Grundrecht und ein Grundprinzip der FDGO berührt. Und Demokratie heißt eben gerade nicht, dass alles im Rahmen von Mehrheitsentscheidungen disponierbar ist. Insbesondere nicht die Grundrechte und wenn Art. 4 GG explizit, obwohl die anderen Grundrechte dies in ihrem Wesensgehalt eigentlich abgedecken würden, die freie Religionsausübung garantiert, dann muss das einfach zu einem anderen Umgang führen, als zB mit der Frage ob ein Hauptbahnhof nun unterirdisch gebaut werden soll oder nicht. Hier wird nicht begehrt über irgend eine alltägliche politisch beliebig disponierbare Entscheidung abzustimmen, sondern die Art und Weise, wie eine Kirchengemeinde ihre Glaubensstätte gestalten will, zu beeinflußen.


    Das ist daher auch zB eine vollkommen andere Debatte als die ganzen anderen Rekonstruktionsdebatten in Potsdam a lá "Landtagsschloss". Dieser Besonderheit sind sich Gegner meinem Eindruck nach entweder schlicht nicht bewusst (vgl. atheistisches Milieu) oder sie ignorieren sie schlicht, weil sie, wenn sie den eigenen demokratietheoretischen und humanistischen Prinzipien konsequent folgen wollten, eigentlich eingestehen müssten, dass man da etwas über das Ziel hinausgeschossen ist.


    Meinungen dazu?

    4 Mal editiert, zuletzt von Eisber ()

  • All diese Träger sind demokratischen Grundsätzen verpflichtet. Daher werden sie kaum in der Lage sein, ein Votum gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche zu ignorieren.


    Dann schauen wir uns doch mal die Zusammensetzung des Kuratoriums der Stiftung an:


    Aktive Politiker: 1 [sicher contra (Stadt)]
    Kirchliche Vertreter: 3 [moralische Verpflichtungen]
    Politiker AD: 3 [keine politische Verpflichtungen mehr]
    Privat (Wirtschaft, Historiker): 4 [sicher pro]


    Es ist durchaus nicht unmöglich, dass sich die kirchlichen Vertreter gegen die Garnisonskirche stellen, jedoch kann ich mir nicht vorstellen das eine Mehrheit der Potsdamer dazu ausreicht, sondern es müsste eine Mehrheit innerhalb der Kirche sein. Die aber zu Stande kommen könnte, sollte sich eine extrem große Mehrheit für die Gegner herausstellen.
    Falls es so kommt steht es vier zu vier und die drei ehemaligen Politiker werden zum Zünglein an der Waage. Jeder einzelne von ihnen kann sich frei entscheiden. Sie sind alle klar für die Kirche, jedoch würde ich nicht ausschließen, dass ein starkes Contra-Votum sie einknicken lässt. Zumal sie unter bestimmten Voraussetzungen vom Endsender (z.B. Land) durch neue Mitglieder ersetzt werden können.


    Weiterhin wurde im vorigen Jahr gemeldet, dass zahlreiche Potsdamer Kirchenmitglieder verärgert sind, weil der Kirchenkreis Potsdam der evangelischen Kirche seine Ressourcen auf den Wiederaufbau der Garnisonkirche konzentrieren würde.


    Sorry, aber inzwischen ist klar, das auch für die Garnisonskirche keine kirchlichen Gelder fließen werden. Zudem ist die Friedenskirche im Besitz der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, die mit der Garnisonskirche nichts zu tun hat. Außerdem wird dort im Gemeindeumfeld lediglich kritisiert, dass für die Friedenskirche keine Spenden gesammelt werden wie bei der Garnisonskirche oder dem Pfingstbergverein oder ähnlichem. Also mitnichten ein Statement gegen die Garnisonskirche.


    Der langjährige brandenburgische Landeskonservator Detlef Karg hat darauf hingewiesen, dass ein Großteil der 1164 Dorfkirchen und 700 Stadtkirchen in Brandenburg vom Verfall bedroht sind. Er bewertete daher das Wiederaufbauprojekt als verantwortungslos.


    Ein alter Artikel. Er möchte lieber einen modernen Bau, wie dieser Finanziert werden soll lässt er aber offen, was sich bis heute nicht geändert hat. Ganz abgesehen davon, dass die Entscheidung ob die Kirche gebaut wird oder nicht keinen Einfluss auf diese anderen bedrohten Kirchen haben würde. Die 12 Millionen vom Bund würden dann in ein anderes Prestigeprojekt fließen und nicht in Dorfkirchen.



    Alles in allem würde ich meinen, siegen die Gegner bei der Befragung, bleibt trotzdem alles beim Alten. Feiern Diese jedoch einen Erdrutschsieg ist alles wieder offen.
    Die Befürworter müssen also ihre Öffentlichkeitsarbeit deutlich verbessern, wenn sie nicht untergehen wollen.