Nürnberg - Nordbayerns Metropole

  • Zum Sonntag ein bisschen Nürnberger Stil aus der Fürther Straße. Die Fürther Straße verbindet Fürth mit Nürnberg und war bis zum 1. WK auf dem besten Weg ein vollwertiger Boulevard zu werden, der breiter als die üblichen Straßen Nürnbergs angelegt war, und entsprechend hochwertig bebaut wurde. Es gab sogar eigene Kandelaber für die Straßenillumination.


    Heute ist von all der Pracht nur noch ein Teil vorhanden, aber der ist durchaus sehenswert:



    Leider ohne die historische Dachlandschaft:






    Das alte Schulhaus hat ein für heutige Maßstäbe meines Erachtens sehr gelungen Anbau erhalten:



    Auch das ist in Nürnberg "Stil": Einer der unzähligen in der Nachkriegszeit entstandenen Kinos im Stile der 50'er Jahre mit auffälliger Leuchtreklame und etwas poppiger Fassadengestaltung:






    Höhepunkt ist zweifellos der Justizpalast, Baujahr 1916:




    Leider ist die Fürther Straße heute eher eine der Hauptausfallstraßen, durch die sich täglich die Autolawinen quälen, obwohl sich wenige 100 Meter weiter südlich parallel eine Art Autobahn befindet. Auf der kommt man allerdings auch kaum schneller voran.
    Zurzeit existiert wohl kein Konzept für diesen ehem. Boulevard, sowohl was die Qualität der flankierenden Bebauung anbelangt - die mal sehr hochwertig ausfällt, oft aber auch eher unterdurchschnittlich - als auch den Umgang mit dem massiven Autoverkehr.

  • Vielen Dank für die Bilder. Ich denke, vor allem durch die eher praktischen Planungen der U-Bahn, wurde dieser Boulevard ziemlich verschandelt. Der Verkehr gibt der Fürther Straße den Rest!


    Hast Du ein Bild wie das Dach des Orgaplus-Gebäudes im Original aussah? Die anliegenden Gebäude scheinen auch gekappte Gründerzeitler zu sein. Eine Wiederherstellung der Giebel würde die Ausstahlung der Straße sicherlich um einiges verbessern.

  • Du sagst es, schon mit der Wiederherstellung der dachlandschaft könnte man viel reparieren. Aber das ist in Nürnbegr leider nicht Mode, im Gegenteil. Erst kürzlich hätte man bei der Sachsanierung eines Doppelwohnhaushälfte an der Hainstraße einen kleinen Giebel wieder aufbauen können (linkes Haus), man hats aber nicht getan.


    Vom Orgaplus-Gebäude in der Fürther Straße habe ich mal ein historisches Bild gesehen, mit Dachlandschaft. Leider hab ich keinen Link mehr.

  • Schweinau und Hohe Marter

    Für die spätwinterlichen Sonntage könnte sich dem geneigtem und kälteresistentem Architekturfan ein Spaziergang durch den Südwesten Nürnbergs anbieten. Zum Beispiel ab dem U-Bahnhof Hohe Marter durch den nördlichen Teil Schweinaus. Auf einer Historischen Luftaufnahme aus ca. 1944 lässt sich der Weg für diesen Spaziergang, die Schweinauer Hauptstraße mit Blickrichtung Norden, gut vorzeichnen:



    Quelle: Bildindex der Kunst und Architektur, Marburg


    Auf der historischen Aufnahme oben erkennt man am oberen Bildrand den Stadtteil Gostenhof mit den ehemaligen Linde-Eisfabriken an der Bahnlinie nach Fürth/Würzburg. Im oberen Bilddrittel etwa liegt der sehr dicht und gründerzeitlich bebaute Stadtteil St. Leonhard, davor die Bahnlinie nach Ansbach/Stuttgart mit dem heutigen S-Bahnhof Nürnberg-Schweinau und die Schweinauer Hauptstraße, die damals noch Straßenbahngleise hatte. Heute sind sie durch die unterirdisch laufende U-Bahn ersetzt.


    Das Bild könnte glatt vom unrühmlichen Wahrzeichen des Stadtteils, dem Fernsehturm aus aufgenommen worden sein. Der Turm ist der dritthöchste Fernsehturm Deutschlands und bietet wie alle anderen erfolgreichen Fernsehturmbauten ein Restaurant und eine Aussichtsplattform. Haken: der Turm ist seit über 20 jahren zu, und jede Initiative zur Wiederbelebung durch besucherverkehr verläuft im Sande. Gegen die Aussicht vom Burgberg in der Altstadt hat der Fernsehturm am Stadtrand halt leider keine Chance. Immerhin sieht der als reiner Funkturm genutzte Bau dennoch recht stolz aus:



    Die unten erkennbaren Jugendstil-Mietshäuser haben die Zeiten gut überstanden und bilden heute das architektonische Zentrum der Gegend "Hohe Marter", die es rein stadtplanerisch nicht zu einem eigenständigen Stadtteil geschafft hat, sondern zu Schweinau gehört. Die Gebäude allerdings zeigen doch den Optimismus der Investoren um 1900, die eine hohe Wohndichte in Schweinau erwartet hatten und deshalb mitten im Grünen fünfgeschossig bauen ließen. Heute freilich ist das passend:




    Zurückhaltend im Spätjugendstil wurde diese "Investorenarchitektur" um 1900 so robust und pflegeleicht erstellt, dass sie noch heute an der vielbefahrenen Hauptstraße nahezu unbeeindruckt die Straße ziert.



    Die auf der historischen Aufnahme sichtbare Straße, die fast waagerecht von links (westen) in die Bildmitte reicht, ist die Nopitschstraße, die heute Teil des ausgebauten Stadtrings einer autogrechten Stadt ist, und dadurch Hohe Marter vom Rest Schweinaus im Norden trennt. Die dahinter sichtbare bebauung an der Schweinauer Hauptstraße ist fast durchweg erhalten. Zu erwähnen und jedem Nürnberger bekannt ist definitiv diese Häusergruppe, die zwischen 1890 und 1925 entstanden ist:



    Nebem dem hübsch gepflegten Kilnker-Sandsteinhaus sind vorallem die Gebäude aus der Weimarer Zeit zu erwähnen, die ein kleines aber feines und in Nürnberg eher seltenes Ensemble bilden:



    Leider stehen sie nicht unter Denkmalschutz, daher ist es schon fast ein Wunder, dass Fassaden nicht schon wegoptimiert worden sind.


    Schon wenige Schritte weiter steht ebenfalls ein Ensemble aus drei Häusern, an denen sich die Baugeschichte Schweinaus, die ihre Blüte tatsächlich zwischen 1890 und 1960 hatte, gut ablesen lässt. Das Sandstein-Klinkergebäude von 1890 rechts steht allerdings hier unter Denkmalschutz:



    Ebenso vom Denkmalschutz erfasst ist die dahinter liegende Scheune, die im Kern um 1650 datiert und damit viel älter ist als die Vorderhäuser und von der Zeit des landwirtschaftlich geprägten Schweinaus erzählt:



    Der vereinfachte Gründerzeitbau in der Mitte mit den teils ungeschickten Fenstern ist - vermute ich mal - ein Opfer der sparsamen Sanierungen, denn Kriegsschäden und -lücken sind in Schweinau eher die Ausnahme. Ebenso verhält es sich mit dem Rumpf daneben. Diese Häuserzeile ist typisch für Schweinau: Eine heterogene Zusammenstellung aus authentischen, ungeschickt gepflegten Wohnhäusern verschiedenster Baustile, die jedes für sich an der Grenze zur Banalität sind, aber gemeinsam einen urbanen Reiz und individuellen Charakter entwickeln, den es in Neubauvierteln so wohl nie geben kann.


    Komplettiert wird dieser Eindruck von einer gegenüberliegenden Jugendstilvilla, kein Denkmalschutz und durch eine brachiale Aufstockung entstellt:



    Im Detail wiederum sind hübsche Einzelheiten zu erkennen, wie die die oft wegsanierte originale Einfriedung, den Fahnenhalter, die Jugenstil-Eingangstüre oder auch der schmiedeeiserne Baldachin über dem Eingang:



    Wenige Schritte weiter entdeckt der Aufmerksame eine echte Rarität: Ein Geschäftshaus aus dem Baujahr 1946! In den Jahren größter Not und des Mangels ist hier ein repräsentativer Ladeneinbau entstanden, der noch die gestalterische Handschrift des vergangenen Jahrzehnts trägt und sich bis heute erhalten hat:





    Mich würden ja zu sehr die Hintergründe dieses Einbaus interessieren. Unter Denkmalschutz steht der Bau allerdings nicht. Anders als wenige Schitte weiter ein offensichtlich aus der Zeit um 1800 stammendes Bauwerk, das im Kern als Fachwerkhaus aus 1452 datiert ist und im Barockzeitalter umgebaut wurde. Heute wird es als Pizzeria genutzt. Leider fehlen die Fensterläden, die Haken und Feststeller sind noch da:



    Das dahinter angeschnittene Fachwerkhaus Gasthof "Schwarzer Adler" ist indes viel Jünger und wird als im Kern 18. Jahrhundert in der Denkmalliste geführt. Ebenso auf die Liste gehört m.E. ein Apothekenneubau aus der frühen Nachkriegszeit, ca. 1960:



    Die Fassade des Wohn- und Geschäftshauses in Ecklage betont in einer heute völlig aus der Mode gekommenen Gestaltungsfreude die Straßenecke, und weist freundlich auf die Apotheke im Hause hin. Lediglich die weiße Verdachung stört etwas. Einen Hauch des Space-Ages, der Zeit von Star Trek, der Tütenlampen oder der Isetta versprüht noch die im Rautenmuster gestrichene Fassade eines Wohn- und Geschäftshauses daneben:



    Womit man schon fast beim gesellschaftlichen Kern des Stadtteils angekommen ist, der sich schon durch die stringent hochwertige Bebauung aus der Gründerzeit ausweist, und bis heute gut erhalten ist:



    ... mitsamt den Details...



    Das bedeutendste Stadtteilprojekt des Sanierungsgebietes Schweinau, das Mehrgenerationenhaus, das auch Sonntags gut besucht ist...



    bildet mit seiner Umgebung direkt am U-Bahnhof Schweinau das Zentrum des an sich ruhigen Wohnviertels. Gut zu erkennen ist, wie die Eigentümerstruktur in den typischen Wohnhäusern einer typischen westdeutschen Stadt immer wieder zu diesen uneinheitlichen Fenstern in den Fassaden führt:



    Das Mehrgenerationenhaus wurde um 1860 als Rathaus Schweinau errichtet und später als Schule genutzt. Die übrigen Sandsteingebäude der letzten vier Bilder und auch das Eisentor sind 40 Jahre jünger und stehen ebenfalls unter Denkmalschutz. genau wie das Ziel für diese Runde, ein Sandsteinbau ganz anderer Färbung an der Holbeinstraße:



    Mit diesem Haus vor sich hat man den S-Bahnhof im Rücken, und St. Leonhard direkt neben sich. Dort soll der nächste Spaziergang hinführen.

  • Straßenraster und Turmhelme - St. Leonhard


    St. Leonhard ist in meinen Augen ein ganz besonderes Nürnberger Stadtviertel. Zum einen ist es ein sehr ruhiges, weil ungünstig zwischen vom übrigen Stadtgebiet abschneidenden Verkehrsarmen liegend. Im Norden haben wir die Bahnlinie nach Fürth (Leipzig/Berlin) und den stadtautobahnähnlichen Frankenschnellweg, die gemeinsam eine Barriere darstellen wie in Köln der Rhein. Selbst die Pegnitz lässt sich in Nürnberg stehts leichter queren. Im Südosten liegt die Bahnlinie nach Stuttgart und im Westen läuft das Viertel langsam aus in Mischgebiete an der Von-der-Thann-Straße, die dank Lärmschutzwänden wiederum wie eine Schnellstraße daherkommt. Das bedeutet aber auch, dass wer nicht muss auch nicht St. Leonhard ansteuertn sondern immer drumherum fährt. Man muss es schon auf dem Plan haben.
    Andererseits allerdings wirkt das Viertel so heile und seelenberuhigend wie kaum ein anderes in Nürnberg: Architektur zu genießen ist in Nürnberg sehr schwer. Man findet zwar immer wieder mal hochwertige Objekte aus allen Epochen. Aber sie sind nur sehr selten gerahmt in gestalterisch entsprechende Nachbarn. Stets versetzt einem eine geschmackliche Entgleisung einen Schlag in die Magengrube. Das Stadtbild wird zu einer Ansammlung aus nach Aufmerksamkeit schreienden Solitären, wie die musikalische Beschallung duzender Kirmesbuden auf einem Rummel. Nicht so in St. Leonhard. Vom Krieg weitgehend verschont ist die Bausubstanz des Viertels weitgehend erhalten geblieben. Neubauten sind meist Lückenfüller und keine Ersatzbauten für Kriegsverluste, wie sonst oft der Fall. Das Viertel kommt dem Zugewanderten aus anderen Großstädten daher vertraut vor, hier findet man in Fülle was alle über Nürnberg sagen: Altbau.



    Der historische Kern des Viertels ist die kleine Pfarrkirche St. Leonhard aus dem 14. Jahrhundert mit dem angrenzenden Friedhof, die um den einst als Siechkobel gegründeten Ort errichtet wurden. Die Nürnberger schickten damals wohl ihre hoch ansteckenden, dem Tode geweihten Leprakranken hierher, raus aus der engen Altstadt. Viel getan hat sich in den darauf folgenden Jahrhunderten hier nicht, denn die einzige, wohl damals als feste Straße existierende 'Schwabacher Straße', auch heute noch Hauptdurchfahrtsstraße, weist oft entsprechende niedriggeschossige Bebauung auf. Direkt um die Kirche herum entlang der Schwabacher Straße bleibt es bis ca. 1880 dreigeschossig, kein Denkmalschutz.




    Welche Tradition also eine Apotheke am Ort hier haben könnte, dieses Haus ist von ca. 1925, kann ich leider nicht recherchieren. Es steht - wie im Übrigen alles östlich der Schwabacher Straße - nicht unter Denkmalschutz. Was ich ziemlich skandalös finde.



    Dieses kleine Haus dürfte eines der ältesten in St. Leonhard sein. Es wird derzeit tapfer gehalten von einem Juwelier, wirtschaftlich gesehen. Natürlich kein Denkmalschutz.



    Gehen wir die Straße weiter hinauf Richtung Nürnberger Innenstadt und damit weiter weg vom Ortskern "St. Leo's", wird die Bebauung höher. Die beiden Gründerzeitler links, westlich der Schwabacher Straße stehend, sind denkmalgeschützt. Das stolze Eckhaus aus den 1950'ern allerdings nicht:



    Gerade diese Nachkriegszeithäuser lerne ich städtebaulich zunehmend wertzuschätzen. Zu schnell wird vernichtend über sie geurteilt, aber sie haben oft was heutigen Entwürfen in Nürnberg fast völlig fehlt. Eine Sockelzone, ein kräftiges Traufgesims und eine feingliedrige Gestaltung aus Fensterachsen, Balkon und meist Lisenen oder Risaliten. Heutige Entwurfsverfasser bekommen oft nichteinmal das hin und nennen es dann Bauhausstil. Nicht alle, aber recht viele dieser Nachkriegsbauten haben denen gestalterisch einiges voraus, insbesondere wenn es noch Fassadenmalerien oder Sgraffito gibt/gab. An sonsten findet sich im Norden St. Leonhards das ehem. Schlachthofgelände, das m.E. höchst unglücklich überverdichtet wurde mit Reihenhauszeilen. Es macht keinerlei Spaß dort irgend etwas zu fotografieren. Zusätzlichd as etwas besser gelungene Zuckerbär-Areal mit der geretteten Fabrikantenvilla (Link). Direkt daneben steht eines der wenigen, reinrassigen Jugendstiljuwelen Nürnbergs, die Villa Meck:



    Diese steht in einem Straßenzug aus weitgehend gut erhaltenen Gründerzeitlern in hier bereits oft erwähntem Nürnberger Jugendstil. Und es deutet sich an, was in der Überschrift bereits steht: Erstaunlich viele der alten Häuser haben noch ihre intakte Dachlandschaft mit samt der Turmhelme, wie hier in der Holzschuherstraße:




    Nicht wenige Gebäude haben sogar mehrere davon auf ihren Dachgauben, wie die Rothenburger Straße Nr. 142, wenn auch in jüngerem Gewand.



    Gehen wir die Rothenburger Straße entlang.




    Richtung Westen.




    Am Ende der urbanen Altbauzeile findet sich ein ganz besonderes Stück Altbauensemble, eine Gruppe aus drei Jugendstilhäusern in Ecklage zur Zollerstraße:




    Unter Denkmalschutz stehlt allerdings nur das Gebäude Zollerstraße 3, erbaut von Simon Hahn um 1909. Eine wunderbare Fassade mit üppigem Jugendstildekor, das im Somemr hinter dichtem Laub versteckt bleibt. Dieses Haus spricht so garnicht die Sprache des Nürnberger Stils, es ist eher ein internationaler Stil, den man so auch in Leipzig oder Prag oder Wien erwarten würde.



    Als Nürnbergbesucher erwartet man freilich ganze Straßenzüge und Stadtviertel in diesem Standard. Is aber nicht. Nürnberg ist anders und man muss sich erst dran gewöhnen. Man lernt zu schätzen, wenn überhaupt noch eine gewisse Harmonie im Stadtbild vorhanden und historische Details aus der Blütezeit des Kunsthandwerks erkennbar sind, wie hier in der Heinrichstraße mit orginalen Balkongeländern und Fensterläden sowie vorhandener originaler Nachbarbebauung:



    oder eine Reihe gepflegter, typischer Sandsteinfassaden mit nicht allzu hässlichen Dachgauben in der Kreuzerstraße:



    oder in der Grünstraße:



    Das Herumgelaufe im Norden des Stadtteils führt unweigerlich an einem der sehenswertesten Gebäude vorbei, einer der in Nürnberg glücklicherweise noch zahlreich erhaltenen "Schulpaläste", wie sie in der Zeit vor dem erstem Weltkrieg jährlich mehrere fertig gestellt wurden. Infrastrukturleistungen übrigens, die die Stadt heute bei weitem nicht erreicht.




    Wir nähern uns von den westlichen Wohnstraßen kommend dem Kmplex der Mittelschule Schweinau-St. Leonhard:



    Blick in den geschützt liegenden Schulhof innen, der heute freilich zu klein ist für die vielen Schüler und daher mit "Schulcontainern" zugestellt ist. Das Wachstum der letzten 100 Jahre kann man gut erahnen wenn man bedenkt, dass der Vorgängerbau dieses Komplexes auf dem ersten Foto in meinem Beitrag ganzoben, links mit den Treppengiebeln zu sehen ist. Der Nachfolgebau ist hier links angeschnitten (dummerweise kein Denkmalschutz)...



    vielleicht weil das Haus nur wenige Jahre ausgereicht hat und man den Jugendstil-Neubau errichten musste. Ein kleiner Nebeneingang, mit original Eisentor, feinstes Spengler-Kunsthandwerk:



    Und schließlich die Hauptfassade Richtung Osten gerichtet:



    Als Volksschule 1904 mit reichem Jugendstildekor erbaut, richtet es an seine Schüler bereits vor dem Betreten motivierende Worte. Detail:



    Schade, dass Schüler während ihres Schulalltags kaum gefallen an solchen Details finden können. Erst wenn man die Schule verlassen hat und Leute kennenlernt, in die stickigen, engen und hellhörigen Schulhausbauten aus den 70'ern und jünger gelernt haben weiss man so einen Schulpalast zu schätzen. Von hier geht es dann weiter in die oben angekündigen gründerzeitlichen Wohnstraßen. Später.

  • Schöner Rundgang. Wenn ich hier und da so lese, was alles nicht unter Denkmalschutz steht, kann man es aber schon mit der Angst zu tun bekommen.

    Einmal editiert, zuletzt von Saxonia ()

  • Richtig, in St. Leonhard wird besonders deutlich, was Denkmalschutz für ein wirksames Instrument sein kann. Denn das Viertel westlich der Schwabacher Straße steht großzügig unter Ensembleschutz voller Einzeldenkmale. Und so dort Geld in die Hand genommen und etwas renoviert wird, schaut es hinterher sehr erfreulich aus. Freilich sind leider immernoch zu viele Bruchbudenfenster in den Fassaden. Aber man kann die positive Wirkung des Denkmaschutzes auf Stadtgestaltung gut nachvollziehen. Man sieht aber auch wiederum, wie inkonsequent Nürnberg Denkmalschutz betreibt. Zum Einen werden willkürlich Straßen als Grenzen hergenommen, d.h. die Gebäude an der westlichen Straßenflanke stehen unter Schutz, die östlichen nicht. Welche Art "Schutz" die Ensemble- und Denkmaleigenschaft hier dann entfalten soll ist mir schleierhaft, gerade in direkter Umgebung der Kirche und des Friedhofs. Wir haben zwar das Glück, dass die Hauptdurchfahrtsstraße sehr schmal und gestalterisch wenig beeinträchtigend ist, aber wenn die Hälfte der Bebauung einst gedämmt oder gar abgerissen und durch Schuhkartons ersetzt werden wird, wie z.B. das Juweliergeschäft oben, dann haben wir den "Schlag in die Magengrube"-Effekt auch hier und das Viertel geht kaputt. Auch sonst ist St. leonhard eines der dichtest besiedelten Stadtviertel und sollte meines Erachtens nicht weiter verdichtet werden, jedenfalls nicht hier in der Schwabacher Straße und Umgebung des Friedhofs.
    Die oben gezeigten Bilder zeigen ein durchwachsenes, aber durchaus nicht hässliches Wohnviertel. Der südliche Teil allerdings ist wesentlich hübscher. Schon auf der Karte lässt sich die rasterförmige Straßenanlage erkennen, die zeigt wie schnell hier am reissbrett im 19. Jahrhundert Stadtentwicklung vorangetrieben wurde. Zack zack ein paar Straßen gezogen, die in wenigen Jahren nahezu komplett bebaut werden sollten. Und das in einer gestalterischen Qualität und Harmonie, dass es einem eine Freude ist dort herum zu spazieren. Allen voran die Schweinauer Straße, die direkt von Gostenhof Richtung Schweinau das Viertel durchschneidet und die neue Hauptstraße werden sollte:



    Heute ist es eine Fußgängerzone und gleichzeitig Deckel des U-bahnschachtes darunter. Die Fußgängerzone allerdings hat viele Geschäfte lehrgefegt, hier herrscht Ladenleerstand.




    Die Hausfassaden nehmen alle aufeinander Bezug, sie zitieren sich gegenseitig in Materialität und Gestaltung, und trotzdem sind sie alle verschieden. Ein harmonisches Zusammenspiel aus architektonischen Gestaltungsmitteln. Akustische Genießer hören Konzerte, optische Genießer mit Architekturinteresse finden Freude an soetwas. In Nürnberg halt leider wirklich sehr selten. Diese Straßenkreuzung z.B. mit allen vier erhaltenen Eckgebäuden Schweinauer Straße / Leopoldstraße ist äußerst selten in Nürnberg:






    Zwar sind die Ladeneinbauten im Erdgeschoss oft versaut, aber die Dachlandschaft ist gut erhalten. Die Leopoldstraße ist durchaus auch einen Blick wert:





    Genießen ist, wenn man nicht viel dazu sagen muss...




    nach einigen hundert Metern allerdings endet die historische Bebauung und wandelt sich in ein Mischgebiet aus Nachkriegswohnblöcken, gewerbebetrieben, Reihenhaussiedlungen und dahinter dann die Von-der-Thann-Straße. Auch die Lücken werden größer und sind mit den Konstruktiven Errungenschaften jüngerer Jahrzehnte gefüllt. Zwei wunderbar gepflegte Jugendstilhäuser (wieder mal kein denkmalschutz weil zu weit von den anderen Gründerzeithäusern entfernt) neben einem Plattenbau:



    An dieser Stelle findet der aufmerksame Rundgänger ein versteckt liegendes Kleinod in der Blücherstraße:



    Eine ehemalige Frabikantenvilla, erbaut um 1900 und unter Denkmalschutz. Das Gebäude beherbergt mehrere einzelne Wohnungen:



    Die Fabrikgebäude sind auch nicht untinteressant. Sie zeigen, wie schlicht eine Fassade gestaltet sein kann, und dennoch befriedigend aussieht wenn ein gekonnt angesetztes Gesims und ein Sockel es gleidern. Gleichwohl ist der Gesamteindruck der Anlage erschütternd (kein Denkmalschutz):



    In der Geissseestraße laufen wir wieder zurück in das Wohnviertel, wo es aweng schöner ist. Dort begegnet und ein weiteres versteckt liegendes Art-Deco-Gebäude:



    Das als Umspannwerk um 1927 von Walter Brugmann errichtete Gebäude steht gottseidank unter Denkmalschutz. Ich kannte es bis dato noch nicht, aber im Winter sieht man mehr. Zurück in der Schweinauer Straße:






    Besonder herausstechend ist hier ein Betonklotz am U-Bahnhof St. Leonhard:



    Kann man sich drüber ärgern, muss man aber nicht. Er passt farbig in das Viertel und ist nicht aus Styropor. Wer sich hierüber ärgert, den bringen aktuelle Bausünden anscheinend komplett um den Schlaf, denn das können wir heute alles noch viel besser als früher. Das Dogma des Kontrastes in der Architektur - in keiner Kunstform sonst gibt es ihn so - ist seither noch mächtiger geworden. Der Klotz ist allerdings vom Ensembleschutz umfasst und eingebettet in die übrigen Jugendstilhäuser. z.B. das Eckhaus zur Orffstraße:



    Kurzer Walk durch die Orffstraße. Das Stadtarchiv hat hierzu aktuell einen kleinen Beitrag online gestellt.


    http://www.stadtarchive-metrop…aeuschende-strassennamen/






    Warum die Entwicklung in St. Leonhard so langsam voranschreitet würde ich mit den Eigentumsverhältnisse der Hauseigentümer begründen. Man sieht gut, wie oft die Fassaden verschiedenste Fenster in den jeweiligen Wohnungen führen - je nach Geschmack oder Geldbeutel der Eigentümer. Der Denkmalschutz bewirkt mithin, dass die Stellschraube Geschmack ausgeschaltet wird und sich kein Wettbewerb um das hässlichste, billigste Plastikfenster entwickelt. Dennoch dauert es bis jeder Wohnungseigentümer beschließt, seine Bruchbudenfenster mal gegen gescheite Denkmalfenster auszutauschen. Doch wenn es einmal gemacht wurde ist man meist sehr zufrieden damit, diese Fenster sind eben nicht nur schöner, sondern auch ergonomischer und praktischer.


    Die Schwabacher Straße laufen wir zurück zur Dorfkirche. Auf der östlichen Straßenseite wieder die niedriggeschossige Bebauung, die es anscheinend nicht wert war geschützt zu werden:



    Die Schwabacher Straße senkt sich zum Bahngleis hin ab um als Unterführung hindurchzulaufen. Vor über 100 Jahren hat es hier sicher eine Schranke mit Bahnwärter gegeben und ständig Verkehrsprobleme deswegen.



    Das 50'er Jahre Wohn- und Geschäftshaus mit seinem reichen Reklameschmuck verrät wie es in der Nachkriegszeit hier gebrummt haben muss. Das Viertel war weitgehend intakt und wenig Kriegsbeshädigt und liegt auch noch nahe an den Industriebetrieben der Stadt. Hier war sicherlich ordentlich urbanes Gewühl. Die Reklame wird sicherlich bei der nächsten Sanierung verschwinden und das Haus dadurch nicht besser:



    Lückenschluss oder verunstaltetes Gründerzeithaus? Vielleicht verrät es die Geschosshöhe.



    Westliche Straßenseite, das großstädtische Gründerzeitviertel, hier das Eckhaus zur Orffstraße:






    Wir kommen wieder bei der Kirche an, die am Nordnende eines Platzes liegt, der früher vielleicht Dorfanger gewesen ist.



    Dessen Randbebauung ist sehr heterogen, hier mit einem Neubau aus den 80'ern oder 90'ern:



    Und schönen Jugendstilhäusern mit Fensterkrankheit:



    Detail Eingangstür:



    Derzeit streitet man sich um den Erhalt des vermutlich ältesten Bürgerhauses am Platz, Bildmitte:



    Die Stadt hat das Haus bereits zugunsten einer Neubebauung preis gegeben und den Denkmalschutz aufgehoben. Der Eigentümer möchte lieber neu bauen. Mir schwant schlimmes. Mehr dazu im entsprechenden Strang.
    Damit soll der Spaziergang auch zuende sein. Das Viertel haben wir nicht ganz gesehen, und dennoch viel zu sehen bekommen. Einen fahlen Geschmack hinterlässt bei mir der Denkmalschutz. Dieses wirksame Instrument der Stadtgestaltung wird anscheinend von Unfähigen angewendet, und nimmt dadurch unnötig Schaden. Denn einerseits wird immer wieder auf den Denkmalwert, der sowohl kunsthistorisch-gestalterisch definiert werden kann, hingewiesen, andererseits wird auch eingeräumt, dass ein Denkmal nicht zwingend hübsch sein muss, hauptsache es gibt eine historisch belegbare Bedeutung.


    Für beide Ansätze gibt es allein in St. Leonhard einige Beispiele, in denen der Denkmalschutz sich selbst nicht ernst nimmt. Das Ergebnis ist das Gefühl von Willkür und Unordnung im Stadtbild. Nicht zuletzt müssen dann Bürgerinitiativen und Baukunstbeiräte ran.