Nürnberger Herrensitze

  • Nürnberger Herrensitze


    Etwa 30 davon soll es im Stadtgebiet Nürnberg davon noch geben: Kleine Schlösschen im engmaschigen Umkreis um die Altstadtmauern. Grund genug für die Altstadtfreunde Nürnberg, eine Tour zu einigen dieser Schmuckstücke anzubieten. Dabei ist das bereits bei den Schulpalästen bewährte Konzept der Fahrradtour zum Einsatz gekommen, da sich so bis zu einem Duzend dieser Adressen ansteuern ließen.


    Im Mittelalter dienten diese Anwesen der Verteidigung der einst reichen und unabhängigen Reichsstadt Nürnberg, die sich von Feinden umzingelt sah. Daher waren die meisten dieser Herrensitze militärisch ausgebaut, mit Wassergraben und manchmal sogar mit Befestigungsmauer zur Abwehr von feindlichen Streitkräften. Andere, spätere Herrensitze hatten Wegezollfunktion, insbesondere nachdem Burganlagen im 18 Jahrhundert an militärischer bedeutung verloren, da der technische Fortschritt auch vor der ritterlichen Kriegskunst nicht halt machte. Da ich aber kein Experte auf dem Gebiet bin zeige ich hier vorallem Fotos einiger der besuchten Schlösschen. Mehr dazu lässt sich nicht zuletzt auf Wikipedia nachlesen.


    Los ging es am Lichtenhofer Schlösschen, dem sog. "Betzenschloss", dessen älteste überlieferte Besitzer die Familie Betz war. Zugleich wurde erklärt, dass dieser Bau sozusagen den Archetyp des Herrenschlösschens noch erlebbar macht, da hier noch Mauer, Graben und das sandsteinerne Haupthaus mit vier massiven Eckerckertürmen an allen Hausecken vorhanden sind:




    (Foto von 2012)


    Anschließend ging es nach Glockenhof zum sog. "Grundherrnschlösschen", einem im der Barockzeit wiederauf- und umgebauten Herrensitz, in dem heute eine IT-Firma residiert:



    Das besondere hier an der Führung war allerdings die offene Türe, durch die dankenswerterweise der Zutritt ermöglicht wurde. Hochinteressant, wenn man mal hinter die Fassade schauen darf. Wer allerdings barocke Pracht erwartete wurde bitter enttäuscht. Im Innern hat sich außer der alten wendeltreppe, die zudem durch Aufdoppelung der Stufen und Deckenspots an der Unterseite erst auf dem zweiten Blick als solche zu erkennen gab, nicht viel historisches zu sehen. Der repräsentative große Saal zeigte sich sodann im Charme eines intensiv genutzten, jüngeren Konferenzsaals:



    An der unten knapp beschnittenden originalen barocken Flügeltüre erkennt man das Ausmaß der Modernisierung, die dem Raum doch einiges an Ausgewogenheit genommen hat. Da ich aber nicht weiß wie es hier vor der Renovierung ausgesehen hat und was überhaupt noch an wiederherstellbarer historischer Substanz vorhanden war, soll das keine Kritik sein. Nur wer mal das Schloss in Almoshof gesehen hat erwartet doch etwas anderes.


    Weiter ging es in flotten Pedalen über St. Peter, wo auf ein längst verschwundenes Schloss aufmerksam gemacht wurde, das einst auf dem heutigen Auto-Kraus-Gelände stand, zum bekannten Zeltnerschloss in Gleishammer. Dort war allerdings nicht viel zu sehen, da es gerade saniert wird:



    Ich habe aber noch Bilder aus dem Herbst 2012. Besonders aus diesem Schlösschen ist natürlich die öffentliche Nutzung als Ort der Kultur in der großzügig ind fast komplett erhaltenen Anlage als Wasserschloss mit Graben und Wehranlage. Kriegsbedingt sind leider die sandsteinernen Eckerker verloren gegangen, die man sich dummerweise beim Wiederaufbau gespart hat:





    Weiter nach Mögeldorf mit erstem Halt am Mögeldorfer Plärrer. Dort habe ich allerdings kein Foto gemacht vom "Holzschuher'schen Jagdschlösschen" im ehem. Volksgarten, in dem bedingt durch die zentrale Lage und dem daraus resultierenden Nutzungsdruck heute eine Osteria betrieben wird. Doch nur wenige Meter weitere im Ortskern von Mögeldorf vorbei am in den 70'ern für ein Wohnhochhaus abgerissenen "Doktorschlosschen" warteten gleich drei weitere Herrensitze auf Besuch. Das Schmausenschloss aus der Zeit des Barock, heute eine Dependance der städtischen Musikschule:



    Die Gartenansicht:




    (Fotos aus dem Herbst 2016)


    sowie das Cnopf'sche/Linck'sche Schloss:



    Dieses wurde erst in der architektonisch grandios kreativen und produktiven Gründerzeit um seine prächtigen hölzernen Eckerkertürmchen ergänzt, die man heute als einzigartig nürnberisches Stilmittel noch an einigen Häusern im Stadtgebeit findet - mit leider abnehmender Tendenz:



    Der private schmucke Hof.



    (Fotos aus dem Herbst 2016)


    und zuletzt das sog. Hallerschloss, das immer wieder mal für Besucher offen steht, da der umbauende Eigentümer und Architekt offensichtlich stolz auf seine Arbeit ist und sich vor kritischen Blicken nicht verstecken muss. Mein Bild von vor einem Jahr zeigt es noch im Umbau mit Gerüst:



    (Fotos aus dem Herbst 2016)


    Mittlerweile ist das Gerüst weg, und zum Tag des offenen Denkmals am 08. September 2017 waren die Pforten geöffnet. Wie ich hörte wurde der arme Schlossherr von Besuchermassen überrannt. Wohl zu Recht, da die Sanierung außerordentlich sorgfältig und stilvoll vonstatten geht. Es wird bspw. ein Fahrstuhlschacht angebaut, um das 6 Stockwerke hohe Gebäude barrierefrei zugänglich zu machen, damit es als Mehrgenerationenhaus bewohklt werden kann. Dabei "tarnt" der Architekt die Anbauten im Architekturstil des Schlosses und der Zeit, womit sie unsichtbar bleiben und keine störenden Anbauten darstellen, wie es oft praktiziert wird. Vielleicht habe ich mal die Gelegenheit Fotos nachzuliefern, es wird sich sicherlich wieder eine Gelegenheit dazu finden.

  • Von Mögeldorf ging es weiter unter der Bahnlinie hindurch nach Erlenstegen, wo es ebenfalls 3 Herrensitze zu sehen gab. Zunächst das an der Erlenstegenstraße 111 gelegene Grolandschlösschen, das in der Barockzeit stark umgebaut worden ist:



    Weiter zu dem eher versteckt liegenden Wölckern'schen Schlösschen, das heute einem bekannten Kabarettisten gehört. Wäre er da gewesen hätte man womöglich hinein gedurft, da es auch innen wohl noch reichlich viel Erhaltenes gibt:




    Wenige Meter weiter, hinter dem sehr empfehlenswerten Café Glückswinkel liegt der sog. "Kressenhof", den ich sogar noch aus Immobilienanzeigen vor einigen Jahren kenne, als darin "Wohnungen in historischen Mauern" angeboten wurden:



    Über den Platnersberg führte die Tour quer durch Erlenstegen, wo man nie sicher sein konnte was hier das nächste Schloss sein würde. Hier stößt man auf so manch Anwesen "Großkopferter", die den gezeigten Schlösschen problemlos das Wasser reichen könnten. Von der Gründerzeit über den Jugendstil an bis in die heutige Zeit entstehen dort Villen und bilden den ausgedehnten Villenvorort Erlenstegen. An der Oedenberger Straße gab es den Herrensitz Weigelshof zu sehen:



    mit dem nachträglich im 19. Jahrhundert von Heidelloff angebauten Treppenturm im angesagten neugotischen Stil:



    und an der Bismarckstraße das bereits hier ausführlich gezeigte Schübelsberg-Schlösslein, das in den vergangenen Jahren aufwändig restauriert und renoviert worden ist:



    Höhepunkt und Abschluss war der Besuch des Herrensitzes Schoppershof, oder auch "Schloss Schoppershof" genannt, welches auf dem ersten Foto dieses Strangs zu sehen ist. Zwar konnte man das Innere des Schlosses nicht besichtigten - es wird sowohl privat bewohnt als auch als Bürogebäude genutzt - allerdings war der Garten frei zugänglich:



    Das beeindruckende Gebäude ist nicht nur eines der größeren Herrensitze, es ist auch noch außerordentlich gut erhalten mitsamt seinen großzügigen parkanlagen und der Wehrmauern. Im Sommer ist es indes kaum zu sehen, da die hohen alten Bäume es fast vollständig verbergen. Umso schöner, sich an diesem Herbstnachmittag im Schlossgarten umzusehen:




    Details des überdachten Eingangsbereichs:





    Insgesamt eine spannende Tour bei der man immer wieder Ecken zu sehen bekommt, die sich dem täglich hastenden Großstädter sonst völlig verschließen. Für den, der die Stadt nur mit dem Auto und wenig Zeit im Gepäck zu sehen bekommt, bietet sie entlang der Hauptverkehrsstraßen nicht (mehr) viel. Aber wenn man mal die Karre stehen lässt und sich zu Fuß oder mit dem Rad aufbricht, oder bei einer solchen Gelegenheit mit den Altstadtfreunden eine geführte Radtour mitmacht, bekommt man die schönen Seiten der Stadt präsentiert, die sich leider wohl nur abseits der Verkehrsachsen gut erhalten haben. Nürnberg ist keine Stadt für die Liebe auf den ersten Blick, man muss schon genauer hinsehen. Und ich kann nur hoffen dass jeder, der in Nürnberg etwas Historisches anpacken und renovieren will, mit Feingefühl an die Sache herangeht und so Details bewahrt und ergänzt werden, die sonst viel zu leicht dem Fortschrittsglauben geopfert würden. Großen Dank also an die Altstadtfreunde und jenen, die ihre Türen für sie geöffnet haben. Der Rundgangsleiter kündigte zudem eine weitere Fahrraddtour der Altstadtfreunde zum Thema "Nürnberger Herrensitze" für 2018 an, möglicherweise geht es da durch den Norden oder den Süden.

  • Wunderschöne Bilder, als wäre man selber dabei gewesen. Vielen Dank nothor!


    Ich habe selbst mit dem Gedanken gespielt mitzufahren, aber als wohnhafter Erlanger ist das leider bei Radtouren etwas mühsam.


    Zum Thema Herrensitze im Nürnberger Land empfehle ich die Seite http://www.herrensitze.com/ auf der die Geschichte von über 300 Ansitzen dokumentiert ist.

  • Im aktuellen Rundbrief der Altstadtfreunde wird es bestätigt, in 2018 wird es eine Fortsetzung der geführten Fahrradtour zu den Nürnberger Schlössern und Herrensitzen geben. Wohin wird nicht verraten, sicherlich, weil oft bis kurz vor Schluss an dem Programm getüftelt werden muss.

  • Wirklich sehr schöne, eindrucksvolle Impressionen. Obwohl ich jahrlang in einigen dieser durchradelten Stadtviertel gewohnt habe, kenne ich vielleicht ein Drittel der besuchten Schlösschen. Schön, dass es solche Bauten noch gibt. Schade, dass sie einem nicht ins Auge springen.