Museumsinsel und Erweiterungsbauten (James-Simon-Galerie)

  • Guderian,


    dieses textnahe Zitieren ist zwar wunderbar analytisch und methodisch korrekt, jedoch unter Beachtung der Möglichkeiten, die die Forensoftware bietet, leider nur unhöflich. Schließlich hat der Antwortende nicht die Chance, darauf ähnlich dezidiert einzugehen und dabei den ursprünglichen Kontext zu beachten. Eine Zitat-des-Zitates-Funktion ist nicht existent.




    Aber ich halte zunächst fest:


    - Beton ist ein minderwertiges Material (genau wie seine Hauptbestandteile Wasser, Kies, Kalk und Eisen in der Bewehrung, was man vom Hauptbestandteil des Sandsteines natürlich nicht behaupten kann)


    - größere homogene Flächen sind de facto unästhetisch (Sie tragen nie unifarbene Kleidung und lassen sich regelmäßig Strähnchen färben, richtig?)


    - je jünger das künstlerische Resultat, desto schlechter seine ästhetische Qualität (für diese Denkstrukturen gibt es auch einen pathologischen Begriff, der mir nur gerade nicht einfällt)


    - die politische Ausrichtung einer Treppe hängt im Wesentlichen davon ab, wer sie baut (bei der letzten Sonntagsfrage gaben nahezu 100 Prozent aller Betontreppen an, den rot-roten Senat zu unterstützen, während Treppen aus anderen Materialien eher einen Machtwechsel zu Gunsten des konservativen Lagers wünschten, unter ihnen nahezu 100 Prozent aller befragten Patzschke-Treppen); gilt analog für unbebaute Flächen und die Frage, ob man auf ihnen Nippes verkauft oder sie zum Entspannen einladen


    - vier Fenster sind besser als zwei, zwei besser als eines usw. (woran man erkennen kann, dass Kinder stets die größten Künstler sind, ihre Hausbilder haben immer viele Fenster, sind meist symmetrisch, verfügen über ein rotes Satteldach und oft sogar einen Schornstein mit Qualm, nicht selten besitzt die Sonne in der Bildecke sogar ein Gesicht)


    - der Architekt ist nichts, der Computer alles (naja, wenigstens der Software- oder Prozessorarchitekt sonnt sich dann noch in Ihren Gnaden)


    - Proportionen sind nachrangig, vordergründig zählt die naturorientierte Detailgestaltung (lieber geblümte Shorts auf Zuwachs, als langweilige Anzüge mit perfektem Schnitt)


    - rund ist besser als eckig (siehe "Fleischwürfelbrüste")


    - Sie lassen keine anderen Meinungen als die eigene und die Gleichgesinnter gelten ("so und nicht anders ...")





    Da stellt sich mir folgende Frage: wenn es doch jedermann bekannt ist, dass die Resultate der Künste der Abwärtsspirale unterliegen (sehr gut am Beispiel Schinkels erkennbar, zunächst ein Protagonist des Klassizimus, später hat er nur noch englische Industriearchitektur nachgeäfft), weshalb haben dann ausgerechnet jene, die sich schon von Berufs wegen intensiv damit beschäftigen oder auch ein paar andere Schreiberlinge dieses Forums davon noch nichts mitbekommen? Wer ist eigentlich "jedermann"? Sind das nur jene, die ihre Meinung teilen? Jene die schreien, "entweder Blümchentapete oder garnicht renovieren"? Warum sind Sie nicht in der Lage, Ihre Meinung auch als individuell aufzufassen? Klar, wenn man den ganzen Tag im Netz nach Erna Mischkes Leserbriefen fahndet, findet man irgendwann gnügend Gleichgesinnte. Die restlichen Ungläubigen sind dann wohl kranke, fehlgeleitete Gestalten.


    Ich halte Ihnen zugute, dass sie als Berliner offenbar die jüngere Bautätigkeit und den hier genutzten Baustoff Beton vorrangig in Form von Sozialbauten oder als sozialistische Utopie kennengelernt haben. Und selbstverständlich führt die gesellschaftliche Liberalisierung auch in der Kunst dazu, dass sich Scharlatane und Marketingfüchse unter die Leute mischen können, um ihren Nonsens für teures Geld an den Mann zu bringen. Aus solchen Beobachtungen aber eine Weltanschauung zu machen, die allem Zukünftigen Schaffen das Stigma des Unvollkommenen im Vorfeld anlastet - es sei denn, Sie persönlich oder Herr Jedermann, die von dieser Degeneration offenbar ausgenommen wurden, legen noch einmal letzte Hand an - halte ich für maßlos selbstgefällig und in den gesellschaftlichen Auswirkungen geradezu für fatal (warum erinnert mich Ihre Argumentation eigentlich sehr entfernt an die der Islamisten?).


    Sie wollen scheinbar nicht zur Kenntnis nehmen, dass sich der klassische Kunstbegriff einem Bedeutungswandel unterzogen hat. Er musste es sogar. Das fotorealistische Malen ist heute nicht mehr erforderlich, allenfalls die Sujetwahl ist es noch. Auch die "verzierte", da sonst sehr wuchtige Stütze, die etwa nach dem Vorbild frühester abendländischer Kulturbauten wie ein gestauchtes Strohbündel aussieht und sich das Prädikat einer beliebigen antiken Ordnung anheften kann, ist heute nicht mehr konstruktiv erforderlich. Deshalb konnte sich die (Bau-)Kunst von einigen Fesseln lösen. Auf der anderen seite musste sie es auch, da wir heute nicht mehr nach Hütten und Palästen unterscheiden und die Arbeitsleistung einen ganz anderen Stellenwert angenommen hat. Das einfach zu negieren und zu behaupten, früher war alles besser, ist - Entschuldigung - wirklich pathologisch! Sie kritisieren zwar die Kunst, meinen damit jedoch lediglich deren handwerklichen Aspekt. Und richtig, in Zeiten von Computern würde es besonders leicht fallen, eine Kollektion von altertümlichen Idealsäulen einmalig zu entwerfen und anschließend millionenfach industriell zu fertigen. Denken Sie intensiv darüber nach, weshalb ein Künstler heute nicht tut, was ein durchschnittlicher Baumarktkunde gerne hätte.


    Sie, der hochgeschätzte Kunstkritiker, fallen statt dessen auf die Masche der Patzschkes herein. Am Ende glauben Sie vermutlich noch, ausser diesen Beiden (und ihrem Sohn) ist kein lebender Architekt mehr in der Lage, mit dem Vokabular vergangener Epochen zu arbeiten. Ein Irrtum, über den hier schon sehr viel diskutiert wurde. Statt dessen sollten Sie sich fragen, weshalb das Kopieren unten und das Erfinden oben innerhalb der künstlerischen Degenerationsspirale anzusiedeln ist.


    Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass ich mit keinem Wort den konkreten Entwurf Chipperfields verteidige. Um diesen geht es mir an dieser Stelle überhaupt nicht, auch wenn ich den Architekten sehr schätze und für einen der besten unter den Aktiven erachte. Ich selbst würde mir z. B. jederzeit anmaßen, einen Patzschke-Bau bzw. dessen Vorlage wenn es sein müsste zu imitieren (leistungsstarke Hardware vorausgesetzt), Chipperfields Bauten hingegen sind für mich nicht so einfach reproduzierbar. Andererseits gibt es aber vielleicht auch kleine Gemeinsamkeiten zwischen uns. Ich lehne die Erfindung um der Erfindung Willen in der Mehrheit der Fälle strikt ab. Auch Kontraste, die nur provozieren und polarisieren sind mir zuwider. Statt dessen setze ich mich lieber einmal mehr für die Fortführung einmal eingeschlagener Wege ein (ws ich im Übrigen bei Chipperfield in eher angemessener Weise zu erkennen glaube)


    Ich trete aber entschieden auf gegen die einfältige Populärkritik, die Sie hier wortgewandt mit jedem Satz üben!

  • @ Guderian


    In der Tat ist Ihre Antwort ausführlich. Jedoch ist sie immer noch zu beliebig!
    Sie argumentieren sehr ungenau mit Vorstellungen von Stinemann um dann doch eine Art kritische Rekonstruktion zu fordern. Das ist so das alte PDS Muster, wir wollen keine DDR mehr, aber vieles war doch viel besser als heute!
    In sich ist eine derartige Argumentation in erster Linie etwas sehr hausgemacht!


    Ich habe extra auf die Bauten von Libera verwiesen, da grade eine transparente Fensterfront die Möglichkeit bietet, sehr großflächige Innengemälde einzusetzen. Falls sie einmal in Rom sein sollten, sollten sie sich von dieser Wirkung einmal selber übrezeugen!
    Die Transparenz hat aber auch andere Vorteile:
    Somit kann der Interessierte schon von weitem Einblick nehmen. Grade mit einer effektvollen Beleuchtung kann dies sehr wirkungsvoll sein.
    Das Gebäude kehrt somit sein Innerstes nach Außen. Es handelt sich somit um das Gegenteil eines monolithischen Blockes!
    Ein weiterer Aspekt ist, dass die Blockwirkung durch die Fenster nicht gegeben ist. Sie hantieren mit Bildern des Palastes der Republik, undurchsichtige Fenster sind doch nirgendswo ersichtlich!
    Ganz im Gegenteil, der Bau wirkt auch mich grade nicht zu massiv!


    Ich glaube sogar, dass jede weiter Verschnörkelung durch Risalite etc dem Bau mehr schaden als nützen würde!

  • Die Treppe finde ich am besten am Chipperfield-Entwurf. Sie öffnet das Gebäude, gibt Freiheit und geometrische Gliederung.


    Dass er rücksichtsvoll gebaut hätte, kann ich allerdings nicht erkennen. Bis jetzt sind seine Entwürfe immer irgendwelche Kuben oder irgendwelche Säulenhallen. Jetzt hat er aus Kuben Säulenhallen gemacht, schon heißts, er hätte sich angepaßt.


    Der Patzschke-Entwurf ist meiner Meinung nach blöd. Der Entwurf baut etwas, was nicht benötigt wird. Warum denn das? Wenn sie dafür zum Ausgleich das Pergamonmuseum im Innenhof überdachen wollen, um den Raum zu gewinnen, mag das an sich ein guter Vorschlag sein. Aber dann braucht man weder den Säulengang, noch den Minitempel... dann wäre das Ganze überflüssiges Tamm-Tamm.


    Und AeG: Bitte nicht immer diese Kleidervergleiche, inzwischen weiß ich gar nicht mehr, was ich anziehen soll! ;)

  • Chipperfield is everywhere.

    @ AeG (Aus Erfahrung Gut ;)


    - Wenn zitieren unerwünscht ist, kann ich das auch sein lassen. Andre Foren andre Sitten. Das meine Meinung meine Meinung ist und nicht ihre Meinung sein muss, können sie schon daran erkennen, das neben meinem Posting mein Forumsname steht und nicht ihrer.


    - Meiner Meinung nach ist Beton ein beschissenes Baumaterial, sobald man anfängt alles daraus zu bauen. Große fensterlose Wände sind aber auch dann Mist, wenn man sie komplett aus Sandstein baut. Glücklicherweise waren die Architekten zu der Zeit, als man noch bevorzugt mit Sandstein gearbeitet hat, keine solchen Minimalisten wie heute.


    - Ja, ich finde moderne Architektur (tendenziell und mit Ausnahmen) hässlicher als historische. Die Auffassung müssen sie nicht teilen aber akzeptieren. Ich bin damit auch garnicht so allein, wie sie vielleicht glauben. Oder warum werden in Deutschland Frauenkirchen und Stadtschlösser wieder aufgebaut? Weil die Mehrheit der Menschen historische Architektur unmodern findet und gerne mit der Architekturgeschichte ihres Landes brechen würde?


    - Ich erinnere daran, das wir von einem konkreten Ort reden und dessen architektonischem Kontext. Und nicht davon ob altes Bauen perse besser ist als neues. Die Bauten auf der Museumsinsel sind alle ganz unterschiedlich, aber keines davon ist minimalistisch oder nüchtern. Der Chipperfieldentwurf bricht mit dem Kontext, kontrastiert und negiert ihn. Weshalb es besonders gut zusammen passen soll, wenn man das glatte Gegenteil des vorhandenen macht, müssen sie mir erklären. Wiederum, ein Gebäude ist nicht perse hübscher je mehr Fenster und Satteldächer es hat. Aber die Gebäude auf der Museumsinsel haben Satteldächer und stark gegliederte kunstvolle Fassaden. Auch runde Säulen sind nicht perse besser als eckige. (Es soll sogar Kirchen geben in denen sich runde und eckige Säulen abwechseln.) Dennoch halte ich einen Bau der nur aus Rechtecken besteht an diesem Ort für fehl am Platze.


    - Sicher könnte man Patzschkes Entwürfe genauso von einem Computer zeichnen lassen, nur wäre das Chipperfield Programm noch um einiges kürzer. Es besteht ja nur aus Rechtecken. Für "würdevoll" nehme man Rechtecke mit einem Seitenverhältnis von 4 zu 1. Es sei ihnen ja erlaubt (trotz meiner talibanhaften Argumentation) den Herrn Chipperfield für einen bedeutenden Architekten zu halten. Ich muss aber sagen, ich kann das anhand dieses Entwurfs nicht nachvollziehen. Ich würde es eine Gruppe 7t Klässlern zutrauen, nach einer Woche Training Entwürfe für beliebige Gebäude zu präsentieren, unter denen sie den Original Chipperfield nicht mehr herausfinden könnten. Das ist vielleicht frech und arrogant von mir, aber warum soll ich meine Meinung verzuckern.


    - Minimalismus mag eine anerkannte Kunstrichtung sein, schwierig wird es wenn es sich um aus Rechtecken zusammengesetzte Gebäude handelt. Stapelbare Rechtecke sind nämlich auch die ökonomischste Lösung, weshalb hunderte von nichtkünstlerischen Konstruktionen (von Schwimmbädern bis zu überdachten Baustellengängen), die nur zweckmässig oder billig sein sollten, exakt genauso würdevoll oder würdelos aussehen, wie dieses Kunstwerk. Da sie schon von malenden Kindern sprachen. Es soll auch schon Maler gegeben haben, die in der Kritik durchgefallen sind, weil ihre Bilder nicht von den Fingerfarbenbilder von Kindergartenkindern zu unterscheiden waren und bildende Künster deren Ausstellungsstücke von Putzfrauen in den Müll geschmissen wurden, weil sie danach aussahen. Ja ich denke die Moderne Kunst hat da ein grundsätzliches Problem.


    - Sicher sind so dicke Säulen wie in der Antike, heute nicht mehr konstruktiv erforderlich und werden daher ganz natürlich verschlankt. Das ist ja auch in Ordnung. Aber auch in der Antike war es konstruktiv nicht erforderlich, das die Säulen rund sein mussten, die Dächer dreieckig und das Ganze besonders verziert und strukturiert. Es wäre den Griechen durchaus möglich gewesen, alles aus Rechtecken zu bauen, nur ein bisschen dicker als heute. Glücklicherweise haben sie darauf verzichtet. Ob man heute noch wüsste, wer die griechischen Götter waren, wenn ihre Tempel nur aus Rechtecken bestanden hätten? Es ist eine bewusste Entscheidung auf jedwede andere Form als das Rechteck zu verzichten, das ist keine Restriktion, die durch die vorhandenen konstruktiven Mitteln, erklärt werden kann. Eher noch durch die vorhandenen finanziellen Mittel. Plattenbauten sind einfach billiger.


    - Es tut mir leid wenn ihnen meine einfältige Populärkritik nicht zusagt. Ich habe sicher etwas oft "Rechteck" gesagt, aber meine (freilich überspitzte) Kritik daran ist ernst gemeint. Warum dort? Warum muss ausgerechnet dieser Ort der Kunst auch noch mit Rechtecken zugepflastert werden? Die gibt es doch schon überall. Deswegen versteh ich auch nicht, wieso sie Patzschke für einen Kopisten halten und Chipperfield für einen Erfinder. In Wahrheit verhält es sich doch genau umgekehrt. Chipperfield gibt es schon überall, wo man nur hinschaut. Patzschkes Stil dagegen ist ein eher neuer Trend, eine Abwechslung im Rechteckeinerlei, sehr selten zu finden und deswegen regelrecht modern.


    Meine Meinung

  • Kent of Neaples


    Ich versuche meine Antworten kürzer und weniger beliebig zu fassen. Dennoch sind ihre PDS DDR Vergleiche auch nicht gerade inhaltlliche Argumentationen und wirken auf mich in erster Linie etwas sehr hausgemacht! Das sie in Hamburg die PDS Argumentationsmuster nicht mögen, ist nett zu wissen, tut aber architektonisch auch nichts zur Sache.


    Stimmanns Vorstellungen kenne ich nicht genau genug, um sie exakt wiederzugeben. Deswegen nur soviel. Ich denke Städtebau sollte sich weitgehend an dem historischen Straßenverlauf und Straßenbild orientieren. Zumindest an den zentralen und historisch wichtigen Plätzen einer Stadt. Und zwar auch dann, wenn von den früheren Gebäuden nicht einmal die Grundmauern noch stehen und sich der allgemeine Baustil seit her radikal geändert hat. Ich finde es nicht verkehrt, sich bei Fenstergrößen, Gebäudehöhen und Fassadengliederungen an dem historischen Vorbild zu orientieren, auch dann, wenn konstruktiv mehr drin wäre. Keine Ahnung ob ich die Vorstellungen von Hans Stimmann so korrekt wiedergegeben habe, so hab ich ihn jedenfalls verstanden. Der gebürtige Lübecker kann seine Ansichten sicher viel besser erläutern als ich mit meiner DDR Argumentation.


    Kurz gesagt, ich denke nicht, das die Fähigkeit zu neuen konstruktiven Mitteln und modernen Stilen dazu nötigt diese auch zu verwenden. Insbesondere nicht an einem Ort, der als Weltkulturerbe in seiner Ursprünlichkeit erhalten und geschützt werden soll(te). Es ist nicht zwingend notwendig, Fenster immer größer zu bauen, nur weil man es kann. Letztlich haben auch die Antiken Säulen, ob sie nun Strohbündeln oder Baumstämmen nachempfunden wurden, ein anderes vorhergehendes biologisches Baumaterial immitiert. Sonst hätte man die Kapitelle nicht mit Blättern verzieren müssen. Also wieso sollten wir uns mit Beton nicht an den Größenverhältnissen von Sandsteinbauten orientieren? Nicht überall, aber eben dort, wo es eine Städtebauliche Struktur zu bewahren gilt.


    Sicher kommt durch die schmalen Stelzen mehr Licht ins Innere. Wenn ich es recht verstanden habe, sollen dort aber keine Bilder hängen und ein Passant auf der Straße hätte auch Probleme dabei, von der Straße einen Blick in den zweiten Stock zu werfen. Die Kritik an dem Betonklotz oder wie sie sagen monolithischen Block bezieht sich auch nicht auf den zweiten Stock, sondern auf den ersten Stock. In diesem Sockel sollen sich, wenn ich das richtig verstehe eine Reihe fensterloser Räume befinden, die von der Straße aus so einsichtig sind, wie Beton nun mal durchsichtig ist und in deren Inneres kein einziger Sonnenstrahl fällt. In diesem Sockel soll dann (bei 100% künstlichem Licht) ein Musseumsshop oder eine Kaffeteria sein. Oder hab ich das alles falsch verstanden und der Sockel soll massiv sein ohne Innenleben? Das wäre dann aber erst recht eine Platzverschwendung.


    Klar würde jede Verschnörkelung dieses Entwurfs diesen Entwurf ruinieren. Aber man hätte ja von Anfang an nicht derart minimalistisch planen müssen. Schon zweimal nicht wenn man sich an der bestehenden Architektur, zu der das neue Gebäude passen soll (oder muss), orientiert hätte. Wenn man von dem minimalistischen Chipperfieldentwurf ausgeht, frage ich mich, ist dieser Sockel wirklich nötig? Gibt es keine andere Möglichkeit dem Bauwerk Erhabenheit zu verleihen? Muss der Sockel mit der Kanalmauer verschmelzen? Und ist das Ganze wirklich zurückhaltend oder dominiert es die anderen Gebäude auf der Museumsinsel?

  • @ Guderian
    Ich bin auch anderen Sprachen mächtig! Der Name ist so gewollt!


    Erstmal nur soviel:


    Soweit ich die Philosophie von Herrn Sti. verstanden habe ging es grade nicht um die eine historische Rekonstruktion im Maßstab 1:1.
    Bei den meisten Bauten geht es vielmehr um eine zeitgemäße Interpretation von ursprünglichen Ideen! In Anbetracht der Lage von Berlin sollten wieder Strukturen geschaffen werden. Das ist im Groben die Idee des Herrn Sti.
    Nicht umsonst wurde der Vorschlag der Reko der französischen Botschaft abgelehnt und stattdessen de Portzamparc beauftragt.
    http://de.structurae.de/struct…ta/photos.cfm?ID=s0027810
    http://www.diplomatie.gouv.fr/…SIER/architecture/05.html
    http://www.botschaft-frankreic…rticle.php3?id_article=33
    http://www.chdeportzamparc.com/


    wäre so etwas vielleicht mehr nach deinem Geschmack?
    http://www.grifasi-sicilia.com…o_delle_poste_1938_mg.jpg

  • LeFay
    Keine Sorge, ich will ihnen garnicht einreden, das der Patzschke-Entwurf nicht blöd ist. Nur zwei kleine Sachen.


    Erstens, der Minitempel wird gebraucht, denn da drunter befindet sich der Eingang zu dem unterirdischen Wegesystem, das alle Museen miteinander verbinden und der Museemsinsel zu neuen Besucherrekorden verhelfen soll. Es hat also die Funktion einer Art U-Bahn-Station mit Kartenverkauf. Für einen Museumsshop samt Kaffeteria reicht das Tempelchen zwar nicht, aber dafür verdeckt es auch nicht die dahinter liegenden Museen, egal von wo man schaut und das hatte im Patzschke-Entwurf offenbar Priorität. Nun ist die Frage, was man als notwendig und was als überflüssig erachtet, den freien Blick auf das Weltkulturerbe oder den Vermarktungskokolores drum herum. (Ich weiss, ich formuliere suggestiv.) Aber in Dresden haben die Bürger zum Beispiel per Volksentscheid entschieden, das Elbbrücken wichtiger sind als Weltkulturerbetitel. Was ja als Mehrheitsentscheid auch in Ordnung geht. In Berlin wird das Volk vorsorglich nicht gefragt, (es könnte seine Museumsinsel ja behalten wollen wie sie ist). Dafür rächt sich der Berliner und gründet Gesellschaften, die über die Presse Ästhetikkämpfe gegen die Diktatur der Politik (des Bundes) führen. Und weil dem so ist, gibt es in Berlin eben auch architektonische Gegenentwürfe wie den von Patzschke.


    Und Zweitens, der Säulengang an dieser Seite wäre genauso sinnvoll oder überflüssig, wie der Säulengang vor der Alten Nationalgallerie. Zumindest würde er ein bestehendes Bauwerk erweitern und neu interpretieren, anstatt auf der Insel einen völlig neuen Baustil einzuführen. Und es würde eine klare Grenze geschaffen, zwischen vor dem Säulengang und hinter dem Säulengang, auf der Museumsinsel oder nicht auf der Museumsinsel. Natürlich kann man das auch alles als überflüssiges Tam-Tam sehen, aber so hat man früher gebaut, 90% der Museumsfassaden sind absolut funktionslos. Es ist gerade die charakteristische Eigenschaft von Kunst und Kultur, das sie um ihrer selbst willen betrieben wird und nicht weil sie zu irgendetwas nützlich wäre. Der einzige Nutzen wäre noch die Referenz auf die Antike als Geburtsort von Kultur und Wissenschaft. Denken sie denn, ohne das ganze Tam-Tam drumherum wäre die Museumsinsel Weltkulturerbe geworden?


    Was ist zum Beispiel mit dem Brandenburger Tor? Das ist doch nun komplett funktionslos, die Zeiten, da hinter diesem Tor Brandenburg anfing, sind schon mehr als eine langeweile vorbei. Alles nur unnötiger Tam-Tam. Trotzdem ist es das deutsche Nationalsymbol par excellence, Touristenmagnet, Fotomotiv und die Rückseite jeder zweiten deutschen Euromünze. Können sie sich vorstellen, wie das Brandenburger Tor heute aussähe, wenn Chipperfield es gebaut hätte? Ich kann es mir vorstellen, wie es da steht: Fünf aufrechtstehende Rechtecke, die ein gemeinsames Dach bilden. Das mittlere Rechteck etwas breiter als die anderen vier Rechtecke. Statt dorischer Sandsteinsäulen nur glatter strukturloser Beton. Und keine Quadriga, das wäre ja unnötiger Zierrat. Mein Gott ich muss kotzen. Aber bitte, sie müssen nicht mit mir kotzen, wenn sie nicht wollen.


    Geschmäcker sind eben doch verschieden. *seufz*

  • Guderian,


    ich habe keinerlei administrative Befügnisse in diesem Forum, bin nur lesendes und manchmal schreibendes Mitglied. Folglich kann ich nicht vorgeben, was hier gewünscht ist und was nicht. Ich wollte nur zu bedenken geben, dass das Beantworten von Kommentaren, die ihrerseits nur im Kontext mit den ursprünglichen Aussagen richtig zu verstehen sind, technisch nicht funktioniert. Man könnte dieses Vorgehen also leicht als Übervorteilung interpretieren.



    Zwischen dieser Aussage: Es ist doch jedermann bekannt, das sich die bildenden Künste mit fortschreitender Zeit in ihrer Ästhetik tendenziell immer weiter verschleichtert haben oder dieser: So und nicht anders sieht hervorragende Architektur aus. und der steten Wiederholung der Phrase "meine Meinung liegen wohl Welten - völlig unabhängig davon, dass man sich hier mit einem Benutzernamen anmelden muss und Sie glücklicherweise nicht "Wir sind das Volk" oder dergleichen gewählt haben. Apropos: meine Name hat nichts mit irgendwelchen Küchengeräten zu tun, sondern ist ganz banalen Ursprungs.



    Wenn das, was Sie als Mehrheit bezeichnen, angeblich nicht mit der eigenen Architekturgeschichte brechen will, weshalb werden dann die letzten 80 Jahre so beharrlich ausgeblendet? Ungelenkiger Geist, Sehnsucht nach einer vermeintlich heileren Welt, Zukunftsängste, Gemeinschaftssinn, Altersstarrsinn, Labilität, Gruppenzwänge? Nee, alles sehr unwahrscheinlich. Viel naheliegender ist doch, dass der gemeine Sonntagsspaziergänger, Schönwetterphilosoph und Spenden-steuerlich-Geltendmacher millionenfach die hohe Weihe der Architekturkritik erhalten hat und sich nun gegen alle Schnösel des Establishments zurecht auflehnt (mit Ausnahme von Patzschkes, versteht sich)


    Ich glaube nicht, dass Sie allein sind (was Sie von mir wohl eher vermuten, ihrem Tenor nach zu urteilen). Vermutlich sind Sie sogar Teil einer deutlichen Mehrheit. Aber was hat das mit dem Wahrheitsgehalt oder gar der Deutungshoheit zu tun?



    Ich denke, gerade bezogen auf den Ort der Museumsinsel bietet sich eine Grundsatzdebatte Alt<>Neu an. Es waren in den letzten zwei Jahrhunderten stets die Museumsbauten, denen als Abbild ihrer Zeit sämtliche Aufmerksamkeit zuteil wurde. Mit nichts besserem als einem Museenentwurf kann man heute als Architekt triumphieren. Auch am Bestand der Insel ist das sehr gut ablesbar. Wenn auch in recht enger zeitlicher Abfolge errichtet, ist er doch sehr inhomogen, ausser der Tatsache, dass alles aus heutiger Perspektive irgendwie alt und "verziert" ist, sehe ich kaum vernünftige Bezüge untereinander. Jeder Bau macht eine vom anderen völlig verschiedene Geste, einmal mit dem Hintern zur Spree, einmal zum Kupfergraben, einmal mit Kollonanden die ins Nichts führen und großem Freiraum, einmal ganz ohne Orientierung und einmal allen anderen den Rücken zugekehrt. Naja, wenigstens zweimal waschecht klassizistisch und einmal annähernd sind darunter.


    Warum sollten wir ausgerechnet im 21. Jahrhundert mit dieser Tradition brechen und so tun, als lebten wir im Zeitalter der Tempel? Warum sollte in einer pluralistischen Gesellschaft ausgerechnet die Fraktion der Freizeit-Nörgeler mit eng begrenztem Erfahrungshorizont (und oft schlechter fachlicher Bildung) zum Zuge kommen?


    Ich bin durchaus ein Kritiker von Museumsbauten, die sich leichtfertig von ihren Exponaten lösen und diese dominieren wollen (hierzu gibt es z. B. Debatten mit Dvorak und mir im Phaeno- oder Dresdner Neumarkt -Thread. Bei Chipperfield kann ich diese Dominanz aber weniger erkennen (weniger sogar, als bei den anderen Baumeistern der Museumsinsel). Insofern halte ich das kleine Gebäude mit seiner Alibi-Funktion bereits für ein ausreichendes Abbild unserer Tage, in denen Ihresgleichen bereits mehr Einfluss ausüben, als mir oft lieb ist.


    Über Beuss, Pollock und Konsorten und ihre Auswirkungen auf das Kunstverständnis ließe sich sicher stundenlang ergebnislos debattieren. Ich bin mir oft auch nicht sicher, was ich von diversen Strömungen halten soll, die unter bestimmten Decknamen verkauft werden. Und innerhalb der Architektenschaft gelte ich wohl schon als Traditionalist (wohl jedoch vor allem wegen konstruktiver Detailfragen, die hier gewöhnlich nicht diskutiert werden).


    Ihre "Rechteck"-Theorie halte ich für ziemlichen Unfug. keinesfalls wäre man in der Antike in der Lage gewesen, alles aus Quadern so zu bauen, wie es Ihnen heute besonders mißfällt. Warum wollen
    Sie nicht zunächst versuchen, die jeweiligen Gründe für die Formfindung bestimmter Epochen und ihre Wirkungsweisen im zeitgenössischen Kontext zu eruieren? Wenn sie das tun, dann werden Sie vielleicht fesstellen, dass das Thema sehr komplex ist, oft geradezu ernüchternd (speziell innerhalb des 19. Jahrhunderts), dass die Nachahmung natürlicher Gegebenheiten oft nicht künstlerischer Wille war sondern einfach nur den jeweiligen Defiziten innerhalb der menschlichen Entwicklungsgeschichte entsprach und dass selbst das Akanthusblatt des z. B. byzantinischen Kapitells ethnologisch alles andere als Schmuck war.


    Ich bezweifele auch sehr stark, dass sie dazu in der Lage wären, das, was Sie leichtfertig als "Minimalismus" abtun, selbst so schnell zu imitieren oder es gar von Ihren Kindern imitieren zu lassen, wie Sie vorgeben. Den Gegenbeweis können Sie gerne in Form von Skizzen oder sonstwie hier einstellen. Ich wäre gespannt! Die Kunst des Reduzierens auf das Wesentliche und die daraus markant und wohlproportioniert entstehenden Figuren zu formen ist für die meisten Menschen weitaus schwieriger, als eine simple Kubatur nach vorrangig quantitativen Gesichtspunkten mit dem abgeschlossenen und komplett erforschten Vokabular vergangener Perioden zu behängen (wobei das auch schon schwierig genug zu sein scheint, wie man an deutschen EFH-Siedlungen erkennen kann). Das lernt jeder Student einer gestalterischen Disziplin im ersten Semester, Kunst-LK-Teilnehmer oft schon eher. Und wer sich über eine Eignungsprüfung die Imatrikulation erarbeitet merkt schnell, dass das Zeichnen tausender detailgetreuer Fischschuppen im Akkord nicht ausreicht, wenn am Ende doch nur eine Plötze dabei herauskommt.


    Die Beweisführung mit den Kinderbildern sei unerschütterlich, vermuten Sie? Vor fünfzig Jahren hat man auch Leute befragt, was sie vom Rock'n Roll halten und die haben auch mehrheitlich geantwortet, solche "Negermusik" sei kulturlos, jedes Kind könnte den gleichen Krach machen und überhaupt würde man solche Sender wegdrehen. Das klänge ja wie Störgeräusche auf Kurzwelle! Ist ihre Kritik fundierter?


    Ein paar Nachträge, die sich auf Ihren letzten Beitrag beziehen:


    1.) Die Dresdener haben nicht für oder gegen den Kulturerbe-Status abgestimmt.


    2.) Ich würde zu gerne mal ein einziges, per Volksdekret entstandenes Meisterwerk sehen, das den Geschmack aller trifft! (muss ja nicht auf der Unesco-Liste stehen)


    3.) Das Brandenburger Tor hieß noch nie so, weil etwa dahinter Brandenburg begann.


    4.) Die Symbolkraft eines Bauwerkes ist völlig unabhängig von seinem Formenkanon. Schauen Sie hierzu nur auf das ehemalige WTC - dessen äuserer Entwurf wohl selbst Chipperfield unterfordert hätte und dessen Architekten Sie vermutlich aus dem Stehgreif nicht benennen könnten.



    Fazit: Sie müssen sich schon etwas mehr bemühen, wenn meine Finger nicht mehr automatisch zum Populismus-Warnknopf gehen sollen, sobald ich Ihren Namen lese. :)




    LeFay,


    ich hab's zuvor - stärker an Loos orientiert - auch mal mit Tätowierten und Gepiercten probiert. Hat auch nicht geholfen. Ich glaube ja immernoch, am besten überzeigt man die Leute von der Unhaltbarkeit ihrer oft absurden "Schönheits"-Definition, wenn man ihnen Gegenbeispiele aufzeigt, die innerhalb ihres Erfahrungshorizontes liegen. Aber Du hast recht, vielleicht sollte ich's aufgeben. Bisher ist wohl noch niemand umgeknickt. ;)

  • Mal ein Gedanke am Rande: Eine Epoche spiegelt, da gibst du mir hoffentlich Recht, AeG, die aktuellen Strömungen und Tendenzen wider.


    In Dresden ensteht der Neumarkt nach historischem Vorbild, wo 2005 bereits die rekonstruierte Frauenkirche eingeweiht wurde. In Frankfurt wird gar vorgeschlagen die Altstadt zwischen Römer und Kaiserdom wieder herzustellen. Ferner wird die Festhalle und der Stadtbibliothek rekonstruiert. In Berlin leistet man sich (lässt sich leisten) ein Stadtschloss und auch in vielen kleineren Städten im Bundesgebiet ( So zum Besipiel, Braunschweig, Wesel und Nürnberg) grassiert die sogenannte Rekonstruktitis.


    Es wird gefordert den Zeitgeist zum Zuge kommen zu lassen. Aber gerade dieser kommt zum Zuge, wenn man traditionelles Bauen nicht als rückwärtsgewand beschimpft sondern, als Manifestierung der eigenen Kulur für die Zukunft sieht.


    Selbst wenn in 20 Jahren eine andere Mentalität besteht. Na und? Wieso wird das nur auf der Rekonstruktionsseite angeführt? Ebenso gut kann man vermuten, dass eine Neuinterpretation der Frankfurter Altstadt in Zukunft verpönt sein wird. Wenn der Zeitgeist dargestellt werden soll warum sollte man sich dann nicht am Ornament erfreuen?
    Der Historismus ist in Architekturkreisen verpönt. Erfreut er sich aber bei der dummen Masse allergrößter Beliebtheit. Die bekanntesten deutschen Bauten sind eben in dieser Zeit vollendet oder gar komplett errichtet worden. Vielleicht sollte man in diesem Bereich nicht zu arrogant sein und Architektur nur für eine abgehobene Elite verständlich und angenehm machen.


    Unsere Städte sind voll von Brüchen, voll von Bauten der letzten 60 Jahre (die selbstverständlich nicht nur schlechtes hervorgebracht haben, nicht das man mich missversteht). Mich ärgert vielmehr das Totschlagargument, man müsse die aktuelle Strömung zum Zuge kommen lassen. Vielleicht ist aber gerade das die aktuelle Strömung und vielleicht ist diese Strömung auch nicht so unbedeutend wie es hier versucht wird darzustellen.


    Den jüngesten Entwurf finde ich übrigens gestalterisch gelungen und um längen besser als das Gebastel vom letzten mal. Schade nur, dass man auf den Renderings die eigentliche Materialfarbe des Betons nicht erkennen kann, da durch den unnötigen Sonnenuntergang, die Farben stark gesättigt sind.

  • @ Samuel
    oh man, du holst aber auch ganz schöne Kraftausdrücke aus dem Keller!
    Was sind denn städtebauliche Tumoren?


    Ich glaube, dass die Diskussion jetzt eine grundlegende Schieflage bekommt!
    Wir diskutieren hier doch gar nicht über eine mögliche Rekonstruktion von Gebäuden. Hier geht es doch um die Erstellung eines neuen Gebäudes.


    Wieso dann Verweise auf Dresden und das Berliner Schloss? Was soll das?
    Der Patzschke Entwurf würde doch ebenso einen Neubau darstellen.
    Hier in der Diskussion wird aber so getan, als wollten die Patschkes eine Rekonstruktion durchführen. Dies ist aber schlicht nicht der Fall.


    Im Gegenteil der Entwurf der P`kes orientiert sich an wohl an griechischen oder sizilanischen Säulenfeldern. Man kommt da als Touri vorbei und staunt über Spuren der Geschichte. Nur was hat das denn mit der Museumsinsel oder Berlin zu tun? NICHTS!
    Ich glaube, dass alleine die Anknüpfung, andere Baumeister hätten sich ja auch an der Antike orientiert ein bisschen wenig ist.
    Dies macht Chipperfield besser!
    Sicherlich ist der Sockel so zu hoch. Auch ist das Gebäude vielleicht nicht die Sensation, für einen Aufschrei hätte man vielleicht auch lieber CoopHimmelb(l)au engagieren sollen!
    Sowas wie ihr Dresdener Kinopalast wäre recht interessant gewesen!

  • Modernes - auch Glas - kann hier ja gerne gebaut werden, aber dann bitte schon hochwertig. Der Louvre oder das Britische Museum haben ja perfekte, moderne Eingänge. Auch in München fügt sich die Staatskanzlei perfekt in Umgebung der Residenz ein, in meinen Augen sogar besser als es eine Totalreko des Armeemuseums getan hääte.


    Zu dem neuen Entwurf möchte ich nur noch ein sagen. Hat man da etwa bei dne Bauten des Generalbauinspektors geklaut?
    http://www.bildindex.de/bilder/MI02559c14b.jpg

  • @ Samuel;


    das wird jetzt aber alles ein bisschen sehr unsachlich! Gut, du kannst Chipperfield nicht leiden, ich kann einige Gebäude von ihm auch nicht leiden.
    Das Justizgebäude von Barcelona ist wirklich nicht so formschön.
    Andererseits ist dieses Ausspielen von Schinkel gegen Chipperfield so nicht machbar. An dieser Stelle geht es doch gar nicht um eine Rekonstruktion!
    Der Entwurf von P`Kes stand doch überhaupt so nie in der öffentlichen Debatte.
    Mir ist der Entwurf viel zu ruinenhaft, mit zu geringen Nutzungsmöglichkeiten!
    Das ist doch das Problem!
    Außerdem handelt es sich bei dem P`kes Entwurf nicht um einen Rekonstruktionansatz! Dann müsstest du schon den Wiederaufbau des vormaligen Gebäudes fordern!


    Deine Einwände versteh nicht, da niemand, wirklich niemand den Abriss der Museumsinsel fordert! Es wird lediglich ein Eingangsgebäude gesucht!
    Und Sanssouci und Co lassen wir doch mal lieber stehen, oder?! ;)

  • Samuel,


    Ich werde mich hüten, jemandem auf Teufel komm' raus seine Bildungslücken nachzutragen. Da würde ich wohl alsbald selbst in das eine oder andere offene Messer rennen. Aber wenn aktiv Nonens dargeboten, dann noch die Meinungshoheit beansprucht und als einzig schlagkräftiges Argument die schiere Masse der Gleichgesinnten angeführt wird, werde ich mich weiterhin auf dieses hohe Ross begeben.



    Zur eigentlichen Thematik.


    Auf die Frage danach, was denn heutige Tendenzen ausmacht, bin ich nicht ganz unvorbereitet (habe ja oft genug darüber palavert), muss jedoch zugeben, dass der Klassizismus meinen Positionen womöglich einen Streich spielt.


    Hast Du meinen letzten Beitrag im Dresdener Neumarkt-Thread zufällig gelesen? Darin steckt schon ein Teil der Antworten an Dich.


    Ich trete intensiv gegen die Verleugnung der eigenen Vegangenheit ein, völlig unabhängig davon, welcher Epoche sie angehört. Ich bin der Letzte, der Kontraste um der Kontraste Willen fordert oder der sich an einem Erfindersymposium beteiligen würde.


    Aber ich glaube nicht, dass die Summe dessen, was Du hier exemplarisch an (Wiederauf-)Baugeschehen aufzählst, das domierende Abbild der Schaffenskraft unserer Zeit darstellt. Es ist nur ein Abbild (oder sind gar nur viele einzelne Fragmente), der gesellschaftlichen Verfassung.


    Vielleicht werde ich auch falsch verstanden. Ich glaube nicht, "Abbild" sei in dem Sinne zu deuten, dass der jeweilige kulturelle, technologische oder gesellschaftspolitische Status in einem einzelnen Bauwerk subsumiert vorzukommen hat. Vielmehr entsteht ein Gebäude doch umgekehrt nach bzw. aus den geltenden Konventionen. Damit wird "Abbild" nicht zu dessen Aufgabe, sondern ist dessen Resultat! Die lax formulierte Forderung, ein Haus als "Abbild seiner Zeit" zu errichten, müsste also korrekt in einen Aufruf zur Wahrhaftigkeit umgemünzt werden.


    Nun meinst Du ja, was quasi wahrhaftig ist, entscheide die Gesellschaft (und nicht irgendeine abgehobene Elite in ihrem Elfenbeinturm). Dazu ein stark vereinfachtes imaginäres Beispiel:



    Eine Mehrheit ist der Meinung, ein bestimmtes, reich geschmücktes historisches Haus X mit einer Naturstein-Fassade sowie einem großzügigen Grundriss sei wertvoller als seine direkten Nachbarn (hier: sozialer Wohnungsbau) und damit nachvollziehbar erstrebenswerter.


    So weit, so gut. Daraus kann man meinetwegen schon mal einen zeitspezifisch gültigen Wertekonsens ablesen (es sei denn, die Sprayer übernehmen den Bau). Jetzt zu den Problemen:


    Die benachbarten Sozialbauten (ohne die diese "Wertungsrunde" nie zustande gekommen wäre!) sind nach den heute mehrheitlich gewollt gültigen sozialen Standards nicht rückbaubar, ohne für widerum eine Mehrheit durch erhöhte Abgaben unbillige soziale Härten inkauf zu nehmen.


    Die Arbeitsleistung für das Erstellen der Säulen und Ornamente ist kaum bezahlbar, da zwar eine Mehrheit diese Merkmale an Bauten wünscht, jedoch nicht bereit oder befähigt ist, auf entsprechenden Gebieten zu günstigen Löhnen zu arbeiten oder gar eigene Geschäftsideen umzusetzen. Folglich müssen die Arbeiten industriell oder z. B. von Kinderhand in indischen Steinbrüchen(!) ausgeführt werden.


    Die bevorzugten Fassadenmaterialien kommen nicht in den gewünschten Mengen vor, sind nicht bezahlbar oder ihr Abbruch widerspricht landschaftspflegerischen oder sonstigen, ebenso mehrheitlich gewünschten Grundregeln.


    Die Grundrisse sind (ebenso wie manch ausgeklügelte Fassadengestaltung) schon aus ökologischen Gesichtspunkten nicht vertretbar. Ihre großflächige Umsetzung würde den Klimawandel noch deutlich beschleunigen (gehen wir mal von dessen Eintreten aus, jedenfalls derzeit auch eine mehrheitsfähige Meinung).


    Die "historische Komponente" die durch die mit ihr verbundenen vielfältigen Assoziationsmöglichkeiten z. B. über den Umweg von Vertrautheit so etwas wie "Schönheit" suggeriert, fehlt diesem Neu-Bau vollständig.


    ---


    Jetzt fassen wir mal bitte zusammen!


    Glaubst Du, das, was sich aus der Summe der entstehungsgeschichtlichen und unterhaltungsrelevanten Merkmale dieses Hauses entwickelt, übertrumpft die dem gegenüberstehen gesellschaftlichen Realitäten? Was nutzt der Wille zu einer bestimmten Form, wenn diese am Ende etwas anderes verkörpert, als versprochen wurde? Wer will denn in der heutigen Zeit seine legitime Stimme für Raubbau, Armut, Ausbeutung oder geschichtslosen Kitsch abgeben oder gar dessen Imitation (in Form eines Museumsbaus) für das vorzeigbare und zu konservierende Resultat unserer gesellschaftlichen Bestrebungen halten?


    Du denkst daran, dass ich immernoch bewusst überspitzt formuliere, um die Frage nach dem "Abbild" zu klären?



    Ich schweife noch etwas weiter ab:


    Wenn heute ein amerikanischer Straßenkreuzer aus den späten Fünfzigern aufkreuzt, dann ist eine Mehrheit von dem Anblick angetan. Da fallen dann Sprüche wie "früher konnte man noch Autos bauen" oder allgemeiner "früher war alles besser". allenfalls die Frage nach dem Benzinverbrauch beruhigt dann das eigene Gewissen, warum man selbst nicht so ein Gerät spazieren fährt (was m. E. aber grösstenteils vorgeschoben ist, wie man zum Beispiel an der immer gleichen Beantwortung der allgegenwärtigen Jauch-Frage: "Und, was wollen sie mit dem Geld machen?" ablesen kann)


    Wenn jemand auf die Idee kommen sollte, so ein Gefährt in mühevoller Kleinarbeit zu restaurieren oder gar komplett nachzubauen (mir nicht bekannt), dann verdient er sich von der Mehrheit allerhöchsten Respekt.


    Aber warum werden diese Dinger dann nicht mehr so gebaut? Und weshalb werden sie nicht industriell wiederbelebt? Nur wegen des Benzinverbrauchs? Warum verführt der schöne Anblick die vielbeschworenen Mehrheiten nicht dazu, Druck auf die Industrie auszuüben? Warum kauft man doch letztlich überwiegend Wolfsburger Blechbüchsen, an denen das Auge keinen Halt findet, die aber dafür in fast jede Parklücke passen, 88 Airbags besitzen und waschanlagentauglich sind?


    Ich gehe davon aus, falls jemand diese Schlitten in Großserie neu auflegen würde (meinetwegen mit allem heute üblichen Sicherheits- und Komfortschnickschnack) und sie bei der betuchten Klientel schon aus ästhetischen Gründen reißenden Absatz fänden, würde die Mehrheitsmeinung ganz schnell kippen.


    Statt historisch orientierte Andachten abzuhalten würde man auf einmal überall von extrovertierten Spinnern, stillosen Neureichen und hirnlosen Ökoschweinen reden. Das große Blech und dessen Chauffeure würden - nach kurzer Zeit der Aufmerksamkeit - verächtlich auf eine Stufe gestellt mit den stiernackigen S-Klasse-Russen oder Ferrari-Vokuhilas aus dem horizontalen Nebengewerk.


    Ganz nebenbei würde auch noch das Kulturgut '59 Cadillac Eldorado (oder vergleichbar) dadurch entwertet!


    Weil das alles so ist, stellt kein renomierter Automobilhersteller eine Zukunftstudie auf die Bühne, die sich eins zu eins an allseits beliebten historischen Vorbildern orientiert. Und deshalb wird irgendwann im Museum zu finden sein "2007: Opel soundso" oder "1959: Cadillac blabla" und nicht "2007: eines der schönsten Autos des Jahres, wenn auch schon lange nicht mehr produziert, so erfreut er sich doch größter Beliebtheit, der Cadillac Blabla".


    Allenfalls gehen die Autobauer soweit und adaptieren mittlerweile einige Klassiker in die Neuzeit (nur wird es hier offen als Ideenlosigkeit angeprangert und nicht als Traditionalsimus schöngeredet). Aber die sind dann meist genau so viel oder wenig begehrt wie alle anderen auch.


    Ohne historischen Nimbus gibt es keine besondere Zuwendung und ohne Zuwendung keine wahrnehmbare Schönheit. Deshalb müssen die meisten Dinge erstmal rar werden oder verschwinden (bzw. erst noch im Kommen begriffen ein), bevor sie einen Wert erhalten und deshalb wurde noch jeder Stil von einem anderen abgelöst - trotz vermeindlicher "Schönheit"


    Kannst Du diesem Vergleich folgen, Samuel (auch wenn er garantiert irgendwo klemmt, bzw. hinkt)?
    ___




    Aber nehmen wir mal an, wir finden einen Konsens hin zu historischen Bautraditionen. Wie weiter? Als nächstes streiten sich doch "Mehrheiten" darüber, ob man nun klassizistisch, barock oder gotisch bauen sollte - es sei denn, man hat's so bequem, sagen zu können "wir machens wie Schinkels nebenan" oder "früher stand hier schonmal eine romanische Kapelle" (könnte man also gar, wenn man wollte, die einseitige Orientierung der Historismus-Befürworter in Richtung Bestand und Wiederaufbau als Armutszeugnis auslegen?) Was dann? "Hauptsache 'uff alt jemacht" wär wohl kaum als eine eindeutige Leistungsbeschreibung verwertbar.



    Und abschließend ganz aus dem Bauch: Ich bin dagegen, dass in unserer Gesellschaft ausgerechnet jene Kräfte das Ruder übernehmen, deren größte Leistung darin besteht, sich aus dem Vorhandenen eine Gut/Böse-Tabelle zu basteln und diese in die Zukunft zu extrapolieren! Ich bin dagegen, dass Leute die Meinung diktieren, die zwar die Zukunft gestalten wollen, aber glauben, sie könnten es, indem sie sich wahllos bei den schönsten Bequemlichkeiten aller vergangenen Epochen bedienen! Ich bin dagegen, von Leuten eingeschränkt zu werden die glauben, das Leben sei eine romantische Fernsehproduktion und kommende Generationen bräuchten sich nur die Wiederholung ansehen!

  • Ich werde mich hüten, jemandem auf Teufel komm' raus seine Bildungslücken nachzutragen. Da würde ich wohl alsbald selbst in das eine oder andere offene Messer rennen. Aber wenn aktiv Nonens dargeboten, dann noch die Meinungshoheit beansprucht und als einzig schlagkräftiges Argument die schiere Masse der Gleichgesinnten angeführt wird, werde ich mich weiterhin auf dieses hohe Ross begeben.

    Ach jetzt hör aber auf. Dein einziges Argument besteht darin, das Chipperfields Stil vermeintlich 21tes Jhd. ist und man in diesem Jahrhundert nicht mehr so bauen können soll, wie früher, weil die Zeit nicht rückwärts läuft. Das dir hier mehrfach Bauten gezeigt wurden, die exakt diesen Stil schon vor Jahrzehnten verwendet haben, ignorierst du dabei geflissentlich, weil du, wie du nicht müde wirst zu betonen, über eine höhere architektonische Bildung verfügst, als die Torfköppe mit denen du dich hier abgeben musst. Das ist auch kein besseres Argument als mein dezenter Hinweis, das ich hier keine Einzelmeinung vertrete. Was die Mehrheit denkt, können wir beide genauso wenig wissen, wie was die superintelligente Architektur Elite dazu sagen würde, die nämlich nicht nur aus deiner Person besteht.


    Chipperfield und Patzschkes unterscheiden sich in nichts. Beides sind Neubauten. Keine Rekonstruktionen!! Beide bedienen sich an Stilelementen, die es genau so, früher schon gegeben hat und auch in Zukunft geben wird. Daher kann keiner von beiden sagen: Ich bin die Zukunft und du die Vergangenheit. Die vorgebliche Minderwertigkeit von historisierender Architektur gegenüber vermeindlich innovativerem Minimalismus könnte nirgendwo lächerlicher sein, als an diesem Ort. Die Museumsinsel hat gar keine andere Funktion, als uns vergangene Epochen und deren Kunst und Kultur nahe zubringen. Zu der Zeit, als die alten Museen noch Neubauten waren, war der Stil auch schon historisierend und kein Hahn hat danach gekräht, wie lange es damals schon keine Alten Griechen mehr gab. Man wollte ganz bewusst die Antike kopieren und sie als Gesellschafts- und Bildungsideal für die damalige Zeit übernehmen.


    Die Motive, die Museeumsinsel so zu bauen wie sie heute ist, waren damals die gleichen, wie sie heute die Rekonstruisten haben. Der Versuch, in der Formensprache und Ideenwelt einer scheinbar besseren Vergangenheit, Orientierung, Halt und Gewissheit für das eigene Zukunft zu finden. Und das hat auch ganz gut geklappt, sonst wäre die Museumsinsel heut kein Weltkulturerbe (etwas das Chipperfield niemals schaffen wird) und Berlin hätte in der Folge nicht soviele Erfinder und Nobelpreisträger hervorgebracht. Wer nicht ab und zu zurück schaut, verliert eben den Weg.


    Wofür das Akanthusblatt des byzantinischen Kapitells früher einmal stand und welche Funktion es hatte, interessiert heute auch keinen mehr. Wichtig ist, wofür es heute steht und da steht es für kulturelle Höchstleitung, für längst verlorene Kunstfertigkeit, für eine Architektur, die nicht alles den Regeln der automatisierten Fertigung unterwirft. Chipperfield steht für das glatte Gegenteil, für absolute Kunstlosigkeit, für ökonomisierte Stapelbarkeit. Beliebig austauschbar, leicht abwaschbar und steril. Kalt, abweisend, herzlos. Diese Assoziationen hat bestimmt nicht jeder, aber mancher hat sie eben doch. (Ich sage jetzt extra nicht "viele haben sie", sonst gehen sie mir gleich wieder auf die Palme.)

    Ich bin dagegen, dass in unserer Gesellschaft ausgerechnet jene Kräfte das Ruder übernehmen, deren größte Leistung darin besteht, sich aus dem Vorhandenen eine Gut/Böse-Tabelle zu basteln und diese in die Zukunft zu extrapolieren! Ich bin dagegen, dass Leute die Meinung diktieren, die zwar die Zukunft gestalten wollen, aber glauben, sie könnten es, indem sie sich wahllos bei den schönsten Bequemlichkeiten aller vergangenen Epochen bedienen! Ich bin dagegen, von Leuten eingeschränkt zu werden die glauben, das Leben sei eine romantische Fernsehproduktion und kommende Generationen bräuchten sich nur die Wiederholung ansehen!

    Wir haben Meinungsfreiheit, deswegen brauchen sie nicht gleich so zu schreien. Sagen sie nur noch schnell, weshalb sich die Gesellschaft eigentlich dem Diktat ihrer und nicht meiner Einzelmeinung unterwerfen sollte?


    Was ein guter Film ist, entscheidet ja wohl auch noch der Zuschauer und nicht der neunmal kluge Produzent. Ich habe nämlich auch keinen Bock ständig nur Wiederholungen zu sehen. Und ich muss da auch garnicht auf das Urteil künftiger Generationen verweisen. Mir geht es jetzt schon auf den Senkel, das man überall wo man hinschaut, nur immer wieder die gleichen Rechtecke sieht. Jedes einzelne Haus, das nicht nur glatte Wände hat, ist die reinste Erholung für meine Augen. Und welchen Stil es ganz genau hat, ist mir schon wieder völlig egal, solange ich nicht ständig auf Rechtecke starren muss. Und ich gehe jede Wette ein, die nächste Generation denkt da ähnlich.


    P.S.: Rock'n'Roll ist nachdem er anerkannt wurde, auch schon länger wieder out. Genau wie Chipperfields Acid Techno. Momentan ist wohl Hip Hop angesagt, vielleicht kann man den Entwurf ja noch retten, wenn man die vielen nackten Wände den Sprayern überlässt.

  • @ Guderian
    Nun gut, aber werden wir doch mal wieder etwas bildlicher!


    Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir der Patschke Entwurf gar nicht gefällt. Wenn man mit historischen Bildern hantiert, dann bitte nicht mit den Ruinenfeldern!
    Auch wenn hier permanent auf Schinkel hingewiesen wird, gibt es sicherlich andere Bauten von ihm, für die man sich stark machen sollte! Vorallendingen die Bauakademie!
    Ich habe mich bewußt in einigen Threads für Rekonstruktionen entschieden. Man kann sicherlich auch an dieser Stelle etwas historisierendes hinstellen. Neben Schinkel soll es ja auch andere Architekten gegeben haben.
    Vielleicht sollte man aber eher Theophil Hansen und sein Parlamentsgebäude von Wien hierfür hernehmen:
    http://de.wikipedia.org/wiki/B…ment_Front-Ausschnitt.jpg
    http://www.wien-vienna.at/blickpunkte.php?ID=1102


    Aber auch in Wien hat man sich bei der Albertina Hans Hollein hinzugenommen um ein Dach zu konstruieren:
    http://www.museumsbund.at/nm_2003_01_01.html
    http://www.vitruvius.com.br/ar…arq000/imagens/332_07.jpg


    Aber auch das Muesumsquartier von Ortner und Ortner zeigt, dass man auch mit modernen Mitteln ein tolles Gebäude erstellen kann!
    http://www.hotelcapri.at/images/l_img_wien_mumok.jpg
    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/11/11609/11609_1.jpg
    http://www.wien.gv.at/stadtent…r/wien/images/muqua-b.jpg

  • AeG, deine leidenschaftlichen Ausführungen suggerieren, dass deiner Meinung nach mehr und mehr ein in jeder Beziehung ungebildeter Mob die Meinungsführerschaft rücksichtlos an sich reißt und sich die letzten Gralshüter echter Baukunst massiv dagegen stemmen müssen, um das Wahre und Gute zu verteidigen.


    Selbst wenn es diese Tendenzen gibt, so sind sie doch verständlich - weil eben jene Gralshüter in den letzten Jahrzehnten nicht so überzeugen konnten. Die Meinungsführerschaft der Architekten und besonders der Architekturkritiker in Universitäten, Feuilletons und Ausschüssen war doch von den 50er bis in die 80er Jahre nahezu einhellig auf einen Stil eingeschworen, mehr als das, man kann geradezu von Ideologie und Dogmatismus reden, was auch schon der Umgang mit Kritikern zeigt. Wolf Jobst Siedler sollte z.B. für sein wunderbares Buch "Die gemordete Stadt" (leider vergriffen), das 1961 einfach Fotos historisierender Berliner Bauten modernen gegenüberstellte, aus der Akademie der Künste ausgeschlossen werden. Mit wie viel Häme wurde etwa Münster übergossen, weil es den Prinzipalmarkt historisierend wieder aufgebaut hatte?
    Wie viel im Krieg unzerstörte Bausubstanz ist abgerissen worden, weil sie nicht dem Zeitgeist entsprach? Wie viele der in Deutschland stehenden Häuser wurden erst seit den 1950er Jahren neu gebaut, wie viele in den Jahrhunderten davor (kennt jemand die Prozentzahl? Ich hatte sie mal gelesen, kenne aber die Quelle nicht mehr)? Was im Geist der "Charta von Athen" angerichtet wurde, um in den 1960er Jahren die autogerechte Stadt zu entwerfen, ist verdammt bitter, weil es eben diese Bauten sind, die die Geschichte des Ortes vollkommen ignoriert haben, die zur Umweltzerstörung massiv beigetragen und soziale Strukturen zerschlagen haben. Warum du das pseudohistorischen Bauten vorwirfst, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Es fordert wohl kaum einer, ausnahmslos alle Neubauten mit Putten und Säulenkolonaden zu überziehen. Wenn man aber z.B. einen pseudohistorischen Neubau wie das Kronenpalais nimmt - warum sollte es weniger umweltgerecht sein als eine reine Glasfassade? Muss dafür zwangsläufig Kinderarbeit in Indien geleistet werden? Dieses Haus war schon vor seiner Fertigstellung komplett vermietet - das Oldtimerargument (bewundert, aber ohne Marktchance) greift also nicht.
    Ich bin ein großer Freund moderner Architektur, was aber, gefordert und vollmundig abgesegnet von besagten Gralshütern, in Deutschland nach dem Krieg gebaut wurde, ist in meinen Augen zu 95% architektonisch minderwertig und geradezu ein Verbrechen, wenn dafür noch intakte historische Bausubstanz geopfert wurde. Es ist ohnehin ein Unding, wenn in einer pluralen Gesellschaft in einem derart prägenden Bereich nur Einheitsdenken vorherrscht. Wenn seit den 1980er Jahren diese Ideologie langsam aufgebrochen wird, ist das nur zu begrüßen - ich kann nicht nachvollziehen, warum du dadurch persönlich eingeschränkt wirst. Wenn es in weiten Teilen der Bevölkerung eine Sehnsucht nach historisierenden Bauten gibt, dann muss dass nicht nur an einem unterentwickelten ästhetischem Empfinden der Bevölkerung liegen, sondern vielleicht auch daran, das die moderne Architektur und Stadtplanung einfach nicht überzeugen konnte. Auch in Berlin sind die meisten Neubauten doch langweilig und gesichtslos, was sicherlich auch an den meiner Meinung nach zu rigiden Auflagen Stimmanns und den ebenso gesichtslosen Immobilienkonzernen liegt, denen es nicht um architektonisch qualitativ hochwertige Visitenkarten, nicht um einen kulturellen Beitrag zur Stadt geht, sondern nur um Abschreibungsmasse. Es sind auch nicht nur die kulturell und ästhetisch ungebildeten Spießer, die lieber in den wenigen verbliebenen Gründerzeitvierteln der Großstädte als in den Nachkriegsvierteln leben....


    Um zurück zum Thema zu kommen: Den Patzschke-Entwurf lehne ich ab, ich halte es aber nicht für legitim, ihn als geschichtslos, unwahrhaftig, nicht zeitgemäß, zwar als Abbild der (desaströsen) gesellschaftlichen Verfassung, nicht aber der Schaffenskraft abzuqualifizieren. Das 1930 fertiggestellte Pergamonmuseum hat eine andere Architektursprache als der deutsche Pavillon Mies van der Rohes für die Weltausstellung in Barcelona 1929. Ist er deswegen weniger wahrhaftig, weil er eine längst vergangene Epoche zitiert? Architektur ist doch keine Einbahnstraße, die immer minimalistischer wird, sondern schon immer in Bewegung gewesen. Vielleicht ist es gerade - aus den oben genannten Gründen - Ausdruck der Zeit, wieder auch leicht historisierend zu bauen. Das alle Architekten deswegen gleich arbeitslos werden, die sich dem Internationalen Stil u.a. verschrieben haben, glaube ich nicht....

  • Kent of Neapel
    Ich hab ja garnicht gesagt, das man mit modernen Mittel nicht auch schön bauen kann. ( AeG: Oder das demnächst alle Sozialwohnungen wie Tempel errichtet werden sollen.)


    Gerade der letzte Museumsentwurf von Ortner und Ortner gefällt mir sehr und das hat drei Gründe. Erstens, das gewölbte Dach nimmt den Bau seinen Würfel Charakter und lässt das Ganze organischer aussehen. (Wie ein Brot das im Ofen hochgebacken ist.) Zweitens, das das Gebäude aus der Flucht gedreht wurde. Die Linien der langen Wände würden viel erdrückender wirken, wenn sie auch noch parallel zu den umliegenden Häusern verliefen. Und Drittens, die widerum organische Anmutung der Fassade. Die unterschiedlichen Schattierungen und die unregelmässig eingesetzten schmalen Fenster verhindern, das man nur auf eine riesige glatte Wand starrt. Es sieht alles vielmehr nach einer natürlichen Felsformation aus.


    Diese Mühe etwas Künstliches, natürlich und lebendig wirken zu lassen, hat sich Chipperfield gerade nicht gemacht. So einen schwarzen Felsen (nicht unbedingt in der Höhe) hätte ich mir als Eingangsgebäude für die Museumsinsel auch gut vorstellen können. Eine schwarze Fassade schluckt das Licht und erzeugt auch bei massigen Ausmaßen unaufdringliche Gebäude, wie zum Beispiel auch beim Neubau des Bundespräsidialamts im Tiergarten. Durch das Schwarz versteckt sich das Gebäude regelrecht hinter den Bäumen nur das schmale helle Dach leuchtet hervor. Diesen organischen Stil von Ortner und Ortner würde ich im Gegensatz zu Chipperfield sogar als modern gelten lassen. Den gab es bei Speer und im Italien der 30er Jahre tatsächlich noch nicht.


    P.S.: ( AeG) Mit deiner Abschweiffung auf alte Autos kommst du gerade nicht weiter. Denn im Automobildesign werden in der Tat ständig alte Formen verwendet. Sei es nun in winzigen Details, die vom Funktions- zum Stilelement muttiert sind und über die Jahrzehnte ein wiedererkennbares Markengesicht prägen oder indem man tatsächlich alte Bauformen komplett wieder aufleben lässt. Chrysler PT Cruiser und VW New Beattle sind nur die bekanntesten Vertreter dieses Trends. Allgemein kann man sagen, das sich kein Automobildesigner einen Kopf macht, ob er noch ein "Abbild seiner Zeit" schafft, wenn er sich im Formenfundus der Automobilgeschichte bedient.

  • Guderian,


    Sie haben die Deutungshoheit für sich reklamiert und anhand deren Mehrheitsfähigkeit manifestieren wollen. Soll ich die Passagen noch einmal zitieren?


    Orientiert an ihren Aussagen (wenn auch nicht so textnah wie Sie) habe ich versucht, ihre Eingenommenheit zu entkräften und die dahinter stehenden Muster aufzudecken.


    Statt nun Ihrerseits meine Anmerkungen aufzugreifen und gegebenenfalls zu widerlegen, verfrachten Sie mich in die elitäre, abgehoben arrogante Schublade. Und damit's auch richtig wirkt, stellen Sie mit großer Geste plötzlich fest, wir würden beide Einzelmeinungen vertreten (wobei Ihre natürlich "besser" ist, da volksnäher und nicht so arrogant, stimmt's?). Ziemlich schlechter Stil.


    Ich habe mit keinem Wort den konkreten Chipperfield-Entwurf in den Himmel gelobt, geschweige denn, ihm einen bedeutungsschwangeren philosophischen Überbau verpasst. Alles was ich sagte war, ich finde ihn angemessen und nicht schlecht.


    Vielleicht sollten Sie auch mal Ihre Du/Sie-Schwäche kurieren lassen. Es fällt sonst sehr schwer, Sie angemessen anzureden.




    Vertigo,



    meinetwegen kann man Karl Moik auch für seine Einschaltquoten den Nobelpreis verleihen. Man sollte sich aber nicht wundern, wenn dieser Preis dann irgendwann nicht mehr wert ist, als der jährliche Miss-Wuppertal-Titel.



    Ich spiele mich nicht als "Gralshüter" auf, der jegliche (Fehl-)Entwicklung des vergangenen Jahrhunderts legitimieren will oder der alles gutheißt, was im Namen des Profites, der Profilierung, der kitschigen Volkstümelei, menschenverachtender Illusionen oder halsstarriger Gesetzgebung entstanden ist.


    Wenn sich das Volk nach anderen Bauten sehnt, bitte sehr. Es wird mit Sicherheit für alles einen Architekten und auch Interessenten finden. Ich versuche aber, diese Sehnsucht zu hinterfragen. Ist das, was geschaffen werden soll wirklich das, was es vorgibt zu sein? Wird das die Leute glücklicher machen (was ja wohl das Ziel aller baulichen Veränderungsbestrebungen ist)? Bei Marx gibt es hierzu den dialektischen Grundsatz vom Umschlagen der Quantität in die Qualität (und umgekehrt). Und Dialektik = nicht vom individuellen Schönheitsempfinden auszuhebeln!


    Konkret: Wie lange werden Säulen mit dorischer Ordnung als Merkmal hoher Kunstfertigkeit und Virtuosität in einer Zeit gelten, die sie als bloße Kopien industriell fertigt? Wievieler neuer Ornamente bedarf es, bis das gängige Assoziationsschema kippt? Wir hatten das ganze Spiel schon einmal während, bzw. nach dem Abklingen des Historismus. Irgendwann tritt das billige und unter unansehnlichen Bedingungen gefertigte Imitat gegenüber dem "Original" derart massiv in den Vordergrund, dass ein Volk es mehrheitlich satt hat. Das auszublenden und aus der zeitlichen Entfernung und nach weitergehender Industiralisierung und Entfremdung den ehemals neuen Kitsch als alte Kunst zu interpretieren, wurde Jobst Siedler beinahe zum Verhängnis - nicht die Dogmen irgendwelcher elitären Spinner!


    Man muss die Charta von Athen nicht verteidigen, nur weil man die heilbringende Wirkung des Ornamentes in seiner degeneriertesten Form anzweifelt. Wenn die Menschen wirklich nach einem Halt des Auges am Detail streben - was ich sehr gut nachvollziehen kann - und wenn es nicht möglich ist, jeden Einzelnen von der potentiellen Attraktivität reduzierter Bauten zu überzeugen - was man wohl auch akzeptieren muss - weshalb ist es dann nicht möglich, eine eigenständige, den kulturellen Errungenschaften und technologischen Möglichkeiten angemessene Ornamentik zu entwickeln (von sehr wenigen ernstzunehmenden zarten Versuchen abgesehen)? Ich wäre einer der Ersten die sich an der Ideenfindung beteiligten.


    Selbst der Klassizismus hat die Vorbilder aus Antike oder Renaissance neu interpretiert und angereichert. Ausserdem stand er im Einklang mit den gesellschaftlichen Bestrebungen der Zeit, antike Werte neu zu beleben. Ganz nebenbei stellte er sich dem prunksüchtigen, schwülstigen Barock entgegen. Und wenn wir heute klassizistische Bauten selbst als besonders prunkvoll ansehen, dann hat das viel mit dem steten Bedeutugswandel und dem Ignorieren von Geschichte zu tun, die beides Kernthesen meiner Argumentation sind.


    Wenn man nun also eines der wertvollsten Bauensembles, die wir besitzen, aus funktionalen Gründen unbedingt komplettieren will (was man mit Fug und Recht grundsätzlich hinterfragen kann), weshalb sollten wir dann auf intellektueller Ebene exakt das Gegenteil dessen tun, was der historisch legitimierten Intention des Ortes entspricht? Weil man lieber das kurzatmige Meinungsdiktat, das sich durch die Demokratie ihren Weg bahnt, bedienen sollte, statt vermeintlich undemokratische Entscheidungen zu treffen und einige Schreihälse in ihrer Ehre zu kränken?


    Ich wäre dankbar, wenn ich wüßte, was das Volk wirklich will. Ich glaube aber, es weiß selbst nur, was es nicht will. Aus der Ablehnung der Realität eine Weltanschauung und daraus ein Architekturverständnis zu entwickeln, das alles zulässt, wenn es nur tradierten Mustern entspricht - und damit genaugenommen garnichts(!) - halte ich für verfehlt - speziell an diesem "heiligen" Ort!


    Mein Straßenkreuzer-Ausflug war eigentlich weinger dazu gedacht, das Thema "Marktchancen" zu bedienen. Denn mit ähnlicher Argumentation könnte man auch die von Dir vermutlich zu recht verhassten, Stimmann-inspirierten Investorenkästen der Berliner Innenstadt legitimieren. Es sollte vielmehr dazu dienen, den Bedeutungswandel-Begriff anschaulich zu machen.



    Gruss
    AeG

  • Laut Berliner Morgenpost von heute kritisiert Chipperfield das Desinteresse der Berliner Politik an den Bauvorhaben auf der Museumsinsel.


    ""Der [Wowereit] kam das erste Mal vor zwei Jahren, als die Queen zu Besuch war. Er hatte das Gebäude des Neuen Museums zuvor nie betreten."
    http://www.morgenpost.de/conte…/07/05/berlin/909021.html


    Aus meiner Sicht auch sehr interesant: "Es war dumm, das Schloss abzureißen. Und es ist dumm, den Palast abzureißen. Die Motivation ist die gleiche: Eine Ideologie möchte eine andere Ideologie überwinden."